In der Maßtheorie wollen wir Mengen ein Maß zuordnen. Bei Teilmengen aus sind dies Längen, bei Teilmengen aus Flächen, bei Teilmengen aus Volumina und bei Teilmengen aus mit verallgemeinerte Volumina. Dabei ordnen wir nur gewissen „guten“ Mengen ein Maß zu: das sind jene Mengen die wir durch Intervalle oder Rechtecke oder Quader "gut" überdecken können. In diesem Kapitel betrachten wir daher gemeinsame Eigenschaften von Intervallen, Rechtecken und (verallgemeinerten) Quadern. Wir nennen diese gemeinsamen Eigenschaften dann Halbring.
Wir betrachten bald alle Teilmengen von oder einer allgemeinen Menge und überprüfen mit den zu beweisenden Sätzen, welchen Mengen wir sinnvoll ein Volumen zuordnen. Daher benötigen wir den Begriff der Potenzmenge.
Die Potenzmenge von ist definiert als die Menge aller Teilmengen von :
Die anschauliche Fläche von Rechtecken, die sich schneiden, ist geringer als die Summe der Einzelflächen:
Im Bild wird der Schnitt der Mengen für die Gesamtfläche nur einmal gezählt, für die Bestimmung der Einzelflächen aber jeweils einmal, was in Summe zu einem anderen Wert führt.
Deshalb benötigen wir einen Begriff: Zwei Mengen heißen disjunkt genau dann wenn ihr Schnitt leer ist, d.h. sie enthalten keine gemeinsamén Elemente.
Da nur bei disjunkten Intervallen/Rechtecken/Quadern sich die Längen/Flächen/Volumina addieren lassen, benötigen wir ein mathematisches Zeichen, das uns sagt, dass die Vereinigung disjunkt ist.
Seien disjunkt. Dann schreiben wir für die Vereinigung
Wir wollten Intervalle, Rechtecke und (verallgememeinerte) Quader für die "minimale" Überdeckung einer "guten" Menge nutzen. Welche Variante verwenden wir dazu am Besten?
Als Intervall im verwenden wir am Besten das linksseitig offene, rechtsseitig geschlossene Intervall (es ginge auch andersherum, man muss sich nur festlegen). Denn der Schnitt des Intervalles mit einem anderen Intervall ist oder die leere Menge und ist damit wieder linksseitig offen und rechtsseitig abgeschlossen.
Schneidet man aus einem Intervall ein anderes heraus heraus, ist der Rest eine disjunkte Vereinigung von ein oder zwei wieder linksseitig offenen, rechtsseitig abgeschlossenen Intervallen und bzw. die leere Menge.
Damit erhalten wir erneut dieselben mathematischen Objekte.
Würden wir abgeschlossene Intervalle oder offene Intervalle betrachten, hätten wir diese schöne Eigenschaft nicht: schneidet man aus einem Intervall [a,b] ein Intervall [c,d] heraus, so erhält man die leere Menge oder ein oder zwei der folgenden Intervalle und . Diese sind nicht wieder abgeschlossen. Deshalb betrachten wir linksseitig offene, rechtsseitig abgeschlossene Intervalle.
Aus demselben Grund betrachten wir linksseitig offene und rechtsseitig abgeschlossene Rechtecke im , d.h Mengen der Form .
Verallgemeinert im betrachten wir , wobei immer gelten soll.
Dabei führen wir gleich eine abkürzende Vektorschreibweise ein mit :
Definition
Die Intervalle in sind
Die Rechtecke und (verallgemeinerten) Quader in seien
Es gibt die Konvention, dass wir die leere Menge auch als Rechteck betrachten. Gerade in Beweisen ist dies hilfreich, da dort häufiger die leere Menge auftritt und wir so Fallunterscheidungen vermeiden können. Zudem machen wir die Konvention für .
Eigenschaften von Intervallen, Rechtecken und (verallgemeinerten) Quadern
Das Besondere an Rechtecken ist, dass man bei Schnitt wieder ein Rechteck erhält, im Bild das violette Quadrat in der Mitte.
Dabei sind der obere und der rechte Rand mit einem schwarzen Balken markiert, umzu verdeutlichen, dass dieser Teil noch hinzugehört. Bei der Differenz erhalten wir eine disjunkte Vereinigung von Rechtecken, siehe die folgenden Bilder.
Ein Rechteck aus einem Rechteck herausgeschnitten ergibt 2 kleine disjunkte Rechtecke
Ein Rechteck aus einem Rechteck herausgeschnitten ergibt 3 kleine disjunkte Rechtecke
Ein Rechteck aus einem Rechteck herausgeschnitten ergibt 4 kleine disjunkte Rechtecke
Deshalb wählt man im Zweidimensionalen Rechtecke, um die Fläche anderer Mengen zu nähern. Das auch, weil man Rechtecke lückenlos aneinanderlegen kann, um Flächen zu überdecken. Im wählt man dazu (verallgemeinerte) Quader.
Satz (Eigenschaften von Quadern)
Der Schnitt zweier Quader ist ein Quader, in Formeln
Schneidet man einen Quader aus einem Quader heraus, so erhält man eine disjunkte Vereinigung von Quadern. In mathematischer Formulierung: Für alle Quader gibt es eine natürliche Zahl , sodass sich die Diffenrenz sich schreiben lässt als disjunkte Vereinigung von Quadern, in Formeln
Beweis (Eigenschaften von Quadern)
1. a) Die Quader schneiden sich :
In allen Koordinaten müssen sich die Quader schneiden, sonst sind sie disjunkt. Das ergibt in jeder Koordinate den Schnitt der Intervalle:
1. b) Die Quader sind disjunkt: :
In mindestens einer Koordinate schneiden sich die Intervalle nicht. In dieser Koordinate tritt dann die leere Menge auf und der gesamte Schnitt der Quader wird die leere Menge:
Induktion nach der Dimension des Raumes
2. a) im Zweidimensionalen, p=2:
Das Komplement des roten Rechtecks lässt sich darstellen durch folgende vier bunte Bereiche als eine disjunkte Vereinigung
In Formelschreibweise ist das
Diese 4 disjunkten Mengen werden bei der Berechnung von geschnitten mit
. Das ergibt wieder 4 disjunkte Rechtecke .
2. b) im p+1-dimensionalen, :
Das Komplement des Quaders lässt sich darstellen durch die disjunkte Vereinigung von
allen Punkten, die in den ersten p Koordinaten in liegen und in der p+1-ten Koordinate rechts von liegen
allen Punkten, die in den ersten p Koordinaten in liegen und in der p+1-ten Koordinate kleiner gleich sind
allen Punkten, die in den ersten p Koordinaten im Komplement von liegen und in der p+1-ten Koordinate in liegen
In Formelschreibweise ist das
Damit erhalten wir drei disjunkte Mengen, die wir mit schneiden. Für die dritte entstehende Menge benutzen wir die Induktionsvoraussetzung, das ergibt
Wir hatten die praktische Eigenschaft gesehen, dass der Schnitt von Quadern wieder einen Quader ergibt und die Differenz von Quadern eine disjunkte Vereinigung von Quadern ergibt.
Ein mathematisches Objekt mit diesen Eigenschaften benennen wir als "Halbring". In den folgenden Sätzen setzen wir nur die Halbring-Eigenschaft voraus und beweisen alles somit für alle endlichen Dimensionen gleichzeitig. Wir benötigen dann keine Fallunterscheidung für die Dimensionen .
Wenn wir statt Rechtecken z.B. Kreise zum Überdecken einer Menge nähmen, hätten wir die genannten Eigenschaften nicht und würden uns mit dem Maßerweiterungssatz und mit der Konstruktion einer minimalen Überdeckung und Flächenbestimmung viel schwerer tun.
Die leere Menge ist im Halbring:
Der Schnitt zweier Mengen aus dem Halbring ist wieder im Halbring, in Formeln
Für unsere Intuition stellen wir uns das im Zweidimensionalen bildlich vor:
Für beliebige Elemente aus dem Halbring gibt es endlich viele disjunkte Elemente aus dem Halbring, sodass für die Differenz von und gilt
Für unsere Intuition stellen wir uns das im Zweidimensionalen ebenfalls bildlich vor:
Ein Rechteck aus einem Rechteck herausgeschnitten ergibt 2 kleine disjunkte Rechtecke
Ein Rechteck aus einem Rechteck herausgeschnitten ergibt 3 kleine disjunkte Rechtecke
Ein Rechteck aus einem Rechteck herausgeschnitten ergibt 4 kleine disjunkte Rechtecke