Examensrepetitorium Jura: BGB Schuldrecht: Rückgewährschuldverhältnis


Das Rückgewährschuldverhältnis

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Durch den Rücktritt erlöschen die vertraglichen Primärpflichten ex tunc und verwandeln sich in Rückgewährpflichten, das ursprüngliche Vertragsverhältnis wird zum Rückgewährschuldverhältnis[1].

Im Unterschied zur Kündigung sind auch die Leistungen, die in der Vergangenheit erbracht worden sind, rückabzuwickeln.

Voraussetzungen des Anspruchs aus § 346 Abs. 1 BGB

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Übersicht:

1. Vertragliches Schuldverhältnis

2. Bestehen eines Rücktrittsrechts

   - aus Vertrag

   - oder Gesetz

3. Rücktrittserklärung (§ 349 BGB)

4. Kein Ausschluss des Rücktritts

   - zeitliche Grenze gem. § 218 BGB

   - Ablauf einer von der Gegenseite gesetzten Frist (§ 350 BGB)

   - Schuldner hat bereits aufgerechnet (§ 352 BGB)

   - Verwirkung

5. Gegenanspruch der anderen Seite führt zur Verurteilung
   Zug um Zug (§ 348 BGB)

Der Rücktritt kann ausdrücklich oder konkludent erklärt (§ 349 BGB) werden, z. B. durch Zurückverlangen gezahlten Geldes.

Kosten und Gefahr der Rücksendung trägt grundsätzlich der Rückgewährschuldner (das ergibt ein Umkehrschluss aus § 357 Abs. 2 S. 2 BGB). Befindet sich der Leistungsort allerdings beim Rückgewährschuldner, treffen Kosten und Gefahr den Gläubiger. Der Leistungsort ist beim gesetzlichen Rücktrittsrecht regelmäßig dort, wo sich die Sache vertragsgemäß befindet (h. M.)[2].

Leistung und Gegenleistung erfolgen Zug um Zug (§ 348 BGB). Gegenansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis müssen als Einrede ausdrücklich geltend gemacht werden, eine automatische Saldierung findet nicht statt.

Das Rücktrittsrecht ist ein Gestaltungsrecht und verjährt daher nicht (es verjähren nur Ansprüche: § 194 BGB!). Der Rücktritt kann jedoch gem. § 218 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen sein, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft.

Der Anspruch auf Rückgewähr

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Überblick zum Anspruchsinhalt gem. § 346 BGB:


Rückgewähr der empfangenen Leistungen
 + Herausgabe der gezogenen Nutzungen
  │  (Abs. 1)
  │
  │
  └──┬─ oder stattdessen nur Wertersatz?
     │   (Abs. 2 S. 1)
     │ 
     │
     └──┬─ auch Pflicht zum Wertersatz kann entfallen
        │   (Abs. 3 S. 1)
        │
        │
        └─── in dem Fall nur noch Herausgabe einer
              verbleibenden Bereicherung
               (Abs. 3 S. 2)

Herausgabe der empfangenen Leistungen und der gezogenen Nutzungen

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Es sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben (§ 346 Abs. 1 BGB). Es handelt sich um einen obligatorischen Anspruch, die Eigentumsverhältnisse bleiben also durch Ausübung des Rücktrittsrechts unberührt.

Nutzungen sind Früchte und Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB). Schuldhaft nicht gezogene Nutzungen können nach § 347 BGB zu ersetzen sein.

Beachte: Beim Verbrauchsgüterkauf ist strittig, ob der Käufer im Fall der Nachlieferung für die Nutzung der mangelhaften Sache Nutzungsersatz schuldet. Siehe hier.

Wertersatz

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Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner in den Fällen von § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 BGB Wertersatz zu leisten:

1. Die Rückgewähr oder die Herausgabe ist nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen.

2. Der empfangene Gegenstand ist verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet worden.

Problematisch ist das Verhältnis zwischen Rückgewähr in Natur und Wertersatz in dem Fall, dass der Rückgewährschuldner den Gegenstand veräußert hat. Dazu folgendes

Beispiel: K hat eine Sache für 10.000 Euro von V gekauft und verkauft sie weiter an D. Es kommt zum Rücktritt im Verhältnis K-V. V verlangt die Kaufsache zurück. D bietet K den Rückkauf zum Preis von 13.000 Euro an.

Strittig ist, ob K nun die Sache zurückkaufen oder nur Wertersatz leisten muss. Nach dem Wortlaut von § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB hat der Käufer nach Veräußerung der Sache nur noch Wertersatz zu leisten.

  • Nach h. M. ist die Norm allerdings teleologisch zu reduzieren: Innerhalb der Grenzen des § 275 BGB soll dem Käufer der Rückkauf zumutbar sein. Wenn er also, wie im Beispiel, ein Rückkaufangebot erhalten hat, muss er dieses Angebot auch annehmen. Das Angebot von 130% des ursprünglichen Preises ist im Fall auch nicht grob unverhältnismäßig i. S. v. § 275 Abs. 2 BGB, so dass K den Rückkauf nicht verweigern darf.
  • Die Gegenansicht lässt den Wertersatz dagegen zu. K hätte demnach nur Wertersatz in Höhe von 10.000 Euro zu leisten.

3. Der empfangene Gegenstand hat sich verschlechtert oder ist untergegangen. Jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.

  • "Ingebrauchnahme" ist die erste Benutzung einer Sache. Insb. bei Kfz tritt ein Wertverlust durch die Neuzulassung ein. Diesen Verlust trägt nach der Ausnahme der Verkäufer.
  • Der normale Verschleiß ist keine "Verschlechterung" im Sinne der Norm, da dieser schon mit Herausgabe der Nutzungen (s. o.) abgegolten ist[3].
  • Bei teilweiser Verschlechterung kann auch Rückgabe mit Wertersatz kombiniert werden (Wortlaut "soweit").

Ist im Vertrag eine Gegenleistung bestimmt, ist sie bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen; ist Wertersatz für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens zu leisten, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war (§ 346 Abs. 2 S. 2 BGB).

Entfallen der Pflicht zum Wertersatz

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Die Pflicht zum Wertersatz entfällt in den Fällen von § 346 Abs. 3 S. 1 BGB:

1. Der zum Rücktritt berechtigende Mangel hat sich erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt.

2. Der Gläubiger hat die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten oder der Schaden wäre bei ihm gleichfalls eingetreten.

3. Im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts ist die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Die Haftung für grobe Fahrlässigkeit bleibt unberührt (§ 277 BGB).

Beispiel[4]: K kauft von V einen Gebrauchtwagen. Nachdem K den Wagen eine Weile genutzt hat, erfährt er, dass V den Tachometer manipuliert hat. K unternimmt jedoch zunächst nichts. Als er an einem Tag wie gewohnt zu schnell in sein Grundstück einbiegt, beschädigt er den Wagen an einem Zaunpfahl. Kurz darauf verlangt er von V den vollen Kaufpreis zurück. Zu recht?
  1. Der Wagen ist mangelhaft (§ 434 BGB), denn der Tachostand stellt eine Beschaffenheitsangabe dar, von der im Fall einer Manipulation abgewichen wird[5]. Dem K steht daher ein Rücktrittsrecht zu (§§ 437, Nr. 2 Alt. 1, 440, 326 Abs. 5, 323 BGB), das er auch mindestens konkludent ausgeübt hat (§ 349 BGB). Dem Rücktritt steht hier auch nicht der Vorrang der Nacherfüllung entgegen, da der Mangel des Gebrauchtwagens nicht durch Nacherfüllung beseitigt werden kann (§ 275 Abs. 1 BGB).
  2. V muss K also den Kaufpreis erstatten. Umgekehrt schuldet K Herausgabe des Wagens und möglicherweise auch Ersatz für die durch die Beschädigung verursachte Wertminderung (Verschlechterung der Sache gem. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB).
  3. Die Verpflichtung zum Wertersatz könnte jedoch ausgeschlossen sein, da der Schaden verursacht wurde als K wie üblich mit seinem Wagen umging. Die Pflicht zum Wertersatz könnte also entfallen sein, da K eigenübliche Sorgfalt anwandte (§§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, 277 BGB). Es stellt sich jedoch die Frage, ob sich K auf dieses Haftungsprivileg auch noch berufen kann, nachdem er Kenntnis vom Rücktrittsgrund erlangt hat. Die h. M. verneint dies[6]: Grund für die Privilegierung ist, dass der Käufer annehmen darf, der Kaufgegenstand sei endgültig in sein Vermögen übergegangen, und er dürfe damit nach Belieben verfahren. Dieser Gedanke greift nicht mehr, wenn sich für den Käufer die Möglichkeit der Rückabwicklung bietet. K haftet im Rahmen des Wertersatzes also auch für einfache Fahrlässigkeit.
  4. Folgt man der h. M. muss K also Wertersatz für den Schaden am Wagen leisten. Mit dieser Forderung kann V aufrechnen, es ist also der Wertverlust vom rückzahlbaren Kaufpreis abzuziehen.

Herausgabe der verbleibenden Bereicherung

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Entfällt die Pflicht zum Wertersatz gem. § 346 Abs. 3 S. 1 BGB (s. o.), hat der Rückgewährschuldner zumindest die verbleibende Bereicherung herauszugeben (§ 346 Abs. 3 S. 2 BGB). Es handelt sich um eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht (also auf § 818 BGB).

Herausgabe von Surrogaten

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Es ist auch immer an den verschuldensunabhängingen Anspruch gem. § 285 BGB zu denken, wenn der Rückgewährschuldner für die Zerstörung des Gegenstands einen Anspruch gegen den Schädiger oder eine Versicherung erlangt. Der Gläubiger kann Abtretung dieser Ansprüche verlangen.

Das gleiche gilt für einen Erlös, den der Schuldner aus der Veräußerung des Gegenstands erzielt hat[7].

Gegenanspruch des Schuldner auf Verwendungsersatz

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Gem. § 347 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Schuldner Aufwendungen ersetzt verlangen, die er auf den herauszugebenden Gegenstand getätigt hat.

Schadensersatz

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Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus § 346 Ab. 1 BGB nach Maßgabe der §§ 280 - 283 BGB Schadensersatz verlangen (§ 346 Abs. 4 BGB). Mit dem Anspruch können Verluste aufgefangen werden, die vom Wertersatz (s. o.) nicht erfasst sind (z. B. der Schaden durch amtliche Zulassung eines neuen Kfz).

Voraussetzung für den Anspruch ist Verletzung einer Pflicht aus § 346 Abs. 1 BGB. Strittig ist, was genau damit gemeint ist:

  • Teils wird vertreten, dass Schadensersatz nur für haftungsbegründende Ereignisse nach Erklärung des Rücktritts in Betracht kommen.
  • Nach a. A. betrifft § 346 Abs. 4 BGB dagegen auch Pflichtverletzungen vor der Rücktrittserklärung[8].

Anmerkungen

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  1. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 529.
  2. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 536.
  3. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 537.
  4. Teil einer Klausur, die besprochen wird von Henne/Zeller, JuS 2006, 891.
  5. Siehe dazu genauer OLG Düsseldorf, NJW 2006, 2858 (2859).
  6. HandKomm-BGB/Schulze, § 346 Rn. 16; Prütting/Wegen/Weinreich/Medicus, § 346 Rn. 18, 29; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 539; ausführliche Argumentation bei Henne/Zeller, JuS 2006, 891 (892 f.).
  7. Fikentscher/Heinemann, Schulrecht, Rn. 540.
  8. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 542.