Zivilprozessrecht im 2. Staatsexamen: Vorläufige Vollstreckbarkeit


Grundsatz

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Ohne Ausspruch im Tenor, dass das Urteil vorläufig vollstreckbar ist, kann ein Urteil erst nach Eintreten der Rechtskraft vollstreckt werden, § 704 ZPO. Da die Rechtskraft durch Einlegung eines Rechtsmittels gehemmt wird (§ 705 ZPO) würde die in erster Instanz erfolgreiche Partei Gefahr laufen, dass der Beklagte Rechtsmittel nutzt, um sich Zeit zu verschaffen, sein Vermögen beiseite zu schaffen oder die Rechtsfolgen des Urteils zu verschleppen.

Mit wenigen Ausnahmen sind daher alle vollstreckungsfähigen Urteile von Amts wegen für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Da natürlich nicht auszuschließen ist, dass ein vorläufig vollstrecktes Urteil in einer späteren Instanz aufgehoben oder abgeändert wird, versuchen die §§ 708 ff. ZPO einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Parteien herzustellen.

Weil auch die Kostenentscheidung vollstreckt werden kann, müssen auch klageabweisende Urteile, Feststellungsurteile und Gestaltungsurteile für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Ausnahmen

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Nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden müssen mit Verkündung rechtskräftige Urteile (z.B. Revisionsurteile des BGH), Urteile in Ehe- und Kindschaftssachen, die Anordnung und Bestätigung von Arrest und einstweiliger Verfügung (§§ 922, 925 Abs. 2 und § 936Vorlage:§/Wartung/buzer ZPO), Zwischenurteile (§§ 280, 303 und 304Vorlage:§/Wartung/buzer ZPO) und die Stattgabe begründeter Vollstreckungsschutzanträge nach § 712 Abs. 1 ZPO.

Auch bei Beschlüssen ergeht keine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, da aus Beschlüssen nach § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO immer vollstreckt werden kann.

Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis

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Wichtigstes Element des Interessenausgleichs ist die Sicherheitsleistung. Zu entscheiden ist grundsätzlich zwischen den zwei Grundfällen des § 708 ZPO (ohne Sicherheitsleistung) und des § 709 ZPO (mit Sicherheitsleistung). Nach der Formulierung des § 709 ZPO ist dabei vorrangig zu prüfen, ob ein Fall des § 708 ZPO vorliegt.

Anwendbarkeit des § 708 ZPO

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In Fällen des § 708 Nr. 1-3 ZPO lautet der vollständige Tenor einfach "III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar." Das Gesetz betrachtet die anerkennende, verzichtende oder säumige Partei nicht als ausreichend schutzwürdig und belastet sie daher mit dem Insolvenzrisiko der vollstreckenden Partei im Fall einer berechtigten Rückforderung.

In Fällen des § 708 Nr. 4-11 ZPO muss der Kläger ebenfalls keine Sicherheit leisten. Hier kann der Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung aber abwenden, indem er selbst entsprechende Sicherheit leistet, § 711 ZPO. Dies kann wiederum der Vollstreckungsgläubiger unterlaufen, indem er seinerseits Sicherheit leistet. Der vollständige Tenor lautet in diesem Fall: "III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte/Kläger (je nachdem wer potentieller Vollstreckungsschuldner ist) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von ... abwenden, wenn nicht der Kläger/Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von ... leistet".

Wird die Höhe der Sicherheitsleistung als Prozentbetrag angegeben, ist dabei zu beachten, dass der Schuldner zur Abwendung Sicherheit für die volle aus der Urteil gegen ihn vollstreckbare Summe leisten muss, der Gläubiger zum Unterlaufen der Abwendung hingegen immer nur für die jeweils zu vollstreckende (Teil-)Summe. Hintergrund ist, dass dem Schuldner ein Nachteil immer nur in Höhe der jeweils zu vollstreckenden Summe droht, der Gläubiger aber befürchten muss, dass seine gesamte Forderung ausfällt, wenn er sie nicht vorläufig vollstrecken kann.

Der Tenor der Vollstreckbarkeitsentscheidung bei prozentualer Angabe der Sicherheitsleistung lautet daher: "III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte/Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von ... % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger/Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von ... % des jeweils zu vollstreckenden Betrages als Sicherheit leistet."

Nach §§ 711 S. 2, 709 S. 2 ZPO kann das Gericht die Sicherheitsleistung bei Geldforderungen als Prozentsatz der vollstreckbaren Summe angeben. Eine genaue Berechnung erübrigt sich damit, es sei denn es ist keine Geldforderung betroffen (z.B. bei Verurteilung zur Herausgabe eines Gegenstandes). Die Art und Bemessung der Sicherheitsleistung steht im freien Ermessen des Gerichts, § 108 ZPO. Die Berechnung erfolgt dabei grundsätzlich nach folgendem Schema:

  • stattgebende Urteile: Hauptsache + Zinsen + Kostenerstattungsanspruch
  • abweisende Urteile: Kostenerstattungsanspruch der obsiegenden Partei
  • teilweise stattgebende, teilweise abweisende Urteile: Ausspruch ist für jede Partei nach den oben genannten Grundsätzen gesondert zu berechnen

Vom Ergebnis dieser Berechnung werden normalerweise 110 bis 120% als Sicherheitsleistung festgesetzt.

Anwendbarkeit des § 709 ZPO

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In Fällen des § 709 ZPO ist stets auszusprechen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. Grund ist, dass die vorläufige Vollstreckung in diesen Fällen angesichts der hohen Summen dem Vollstreckungsschuldner sonst schwere, unbehebbare Nachteile einbringen könnte. Der Tenor lautet daher: "III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags" bzw. "III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von ... €".