Zivilprozessrecht im 2. Staatsexamen: Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO


Um eine reibungslose Zwangsvollstreckung zu ermöglich, darf das Vollstreckungsorgan die materielle Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Titels nicht prüfen. Mit der Vollstreckungsgegenklage (auch Vollstreckungsabwehrklage) nach § 767 ZPO besteht aber eine Möglichkeit für den Vollstreckungsschuldner, die Vollstreckbarkeit des Titels aufzuheben, wenn der Anspruch tatsächlich nicht oder nicht in der titulierten Höhe besteht. Der Titel selbst wird jedoch nicht beseitigt. Die Vollstreckungsgegenklage ist prozessuale Gestaltungsklage.

Zulässigkeit

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Neben den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen im Zivilprozess sind besonders relevant und in der Klausur immer anzusprechen:

Statthaftigkeit

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Mit der Vollstreckungsabwehrklage kann der Vollstreckungsschuldner materiellrechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erheben. Als titulierte Ansprüche kommen sämtliche vollstreckbaren Titel, wie das Endurteil (§ 704 Abs. 1 ZPO), der Prozessvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), Kostenfestsetzungsbeschlüsse (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) oder die notarielle Urkunde, in der sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat (§ § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) usw., in Betracht.

Rechtsbehelfsfremde Einwände (z.B. formelle Fehler oder die Unwirksamkeit des Titels) werden in der Vollstreckungsgegenklage nicht geprüft. Ist der Antrag des Klägers nicht eindeutig, ist er zuerst nach § 133, § 157 BGB auszulegen oder nach § 140 BGB umzudeuten. Gewollt ist im Zweifel der Rechtsbehelf, der Erfolg haben wird.

Zuständigkeit

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Zuständig ist nicht das Vollstreckungsgericht, sondern das sachnähere Prozessgericht, das den Titel ursprünglich in die Welt gesetzt hat, § 767 Abs. 1 ZPO. Der Gerichtsstand ist nach § 802 ZPO ausschließlich. Eine rügelose Einlassung nach § 39 ZPO ist damit nicht möglich. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach der Höhe des zu vollstreckenden Anspruchs.

Rechtsschutzbedürfnis

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Die Vollstreckungsabwehrklage kann erhoben werden, sobald der Titel erlassen ist und noch bevor die Vollstreckungsklausel erteilt oder umgeschrieben worden ist. Die Vollstreckung muss noch nicht begonnen haben oder konkret beabsichtigt sein. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt erst dann, wenn die Vollstreckung aus dem Titel vollständig beendet (der Erlös also ausgekehrt ist) und der Titel an den Schuldner herausgegeben worden ist oder dem Gläubiger aus anderen Gründen unzweifelhaft keine Vollstreckungsmöglichkeit mehr bietet oder der Gläubiger ohne jeden Zweifel keine Vollstreckung mehr beabsichtigt.

Es besteht kein Rechtschutzbedürfnis, wenn schon Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid oder ein Versäumnisurteil eingelegt wurde.

Das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Schuldner auf billigerem und einfacherem Weg zum gleichen Ziel kommen kann. Die aufwendige Vollstreckungsabwehrklage ist daher grundsätzlich subsidiär zur Klausel- oder Vollstreckungserinnerung, soweit der Titel schon aus formellen Gründen unwirksam ist. Im Einzelfall kann der Weg der Vollstreckungsabwehrklage für den Schuldner aber einfacher sein, wenn er seine materiell-rechtliche Einwendung leichter darlegen und beweisen kann als die formelle Unwirksamkeit.

Ob das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Titel zu unbestimmt ist, ist umstritten. Es ist nach einer Ansicht dann zu bejahen, wenn sich die Unbestimmtheit offen aus dem Titel ergibt,[1] da in diesem Fall der Schuldner Erinnerung nach § 732 oder § 766 ZPO einlegen kann. Die Rechtsprechung eröffnet demgegenüber die Klage nach § 767 ZPO analog.

Es fehlt auch an einem Rechtsschutzbedürfnis, wenn es gar keinen zu vollstreckenden Titel gibt.

Droht die Vollstreckung aus einem Prozessvergleich ist zu differenzieren: Bei Einwänden, die zur anfänglichen Unwirksamkeit des Vergleichs führen würden, ist der ursprüngliche Prozess fortzusetzen, da die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs nicht eingetreten ist. Die Vollstreckungsgegenklage ist hingegen richtiger Rechtsbehelf, wenn um die Auslegung des Vergleichs, seine nachträgliche Unwirksamkeit oder nachträglich eingetretene Tatsachen, die der Vollstreckung entgegenstehen (z.B. Erfüllung) gestritten wird.

Objektive Klagenhäufung - Herausgabe des Titels

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Der Kläger hat neben dem Ausspruch der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung auch ein Interesse daran, dass ihm der vollstreckbare Titel ausgehändigt wird, um Missbrauch zu verhindern. Der Antrag ist zulässig, wenn gleichzeitig oder vorher die Vollstreckungsgegenklage erhoben wurde. Er ist begründet, wenn der titulierte Anspruch überhaupt nicht mehr vollstreckt werden kann, z.B. weil er in vollem Umfang erfüllt wurde. Anspruchsgrundlage ist nach herrschender Meinung § 371 BGB analog.[2] Ohne parallele Vollstreckungsgegenklage kann nur auf Herausgabe geklagt werden, wenn das Erlöschen des titulierten Anspruchs unstreitig ist.[3]

Begründetheit

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Die Vollstreckungsabwehrklage ist begründet, wenn die Parteien sachbefugt sind, der Kläger eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den Titel hat und diese nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert ist.

Sachbefugnis

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Die Parteien sind sachbefugt,[4] wenn der Kläger Vollstreckungsschuldner und der Beklagte Vollstreckungsgläubiger ist. Vollstreckungsschuldner ist derjenige, der im Titel oder Vollstreckungsklausel als Schuldner geführt wird. Vollstreckungsgläubiger ist, wer entweder im Titel als Vollstreckungsgläubiger aufgeführt wird, oder für den der Titel umgeschrieben wurde.

Vollstreckung aus abgetretener Forderung

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Hat jemand die zu vollstreckende Forderung durch Abtretung erworben, ist er sachbefugt, sobald die Vollstreckung angedroht ist und die materiellen Voraussetzungen der Klauselerteilung nach § 726 ZPO vorliegen, auch wenn die Klausel selbst noch nicht umgeschrieben wurde.

Miterbschaft

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Beim Miterbe nach § 2039 S. 1 BGB ist jeder Miterbe sachbefugt, nach § 767 ZPO gegen die Zwangsvollstreckung in Erbschaftsgegenstände vorzugehen.

Materiell-rechtliche Einwendung

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Hier sind alle denkbaren Einwendungen zu prüfen. Die Beweislast folgt nicht den prozessualen Parteirollen, sondern den materiellen Beweislastregeln. Damit trägt der Kläger, also der Schuldner, die Beweislast für die Tatsachen auf denen seine Einwendungen beruhen, während der Gläubiger beweisen muss, dass die Forderung überhaupt entstanden ist.[5]

Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO

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Einwendungen können in der Vollstreckungsabwehrklage nur geltend gemacht werden, wenn die Gründe, auf denen sie beruhen erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz entstanden sind und auch durch Einspruch gegen ein VU nicht mehr geltend gemacht werden können. Wie der Wortlaut "entstanden" deutlich macht, kommt es hier nicht auf die Kenntnis des Schuldners an, sondern auf die objektive Möglichkeit, die Einwendung geltend zu machen.

Problematisch sind Gestaltungsrechte, die vor Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung bereits bestanden, aber erst danach ausgeübt wurden. Nach ständiger Rechtsprechung präkludiert auch hier schon die objektive Möglichkeit der Ausübung die Vollstreckungsabwehrklage. Der Schuldner soll so gezwungen werden, möglichst früh von seinen Gestaltungsrechten Gebrauch zu machen und Verzögerungen der Vollstreckung vermieden werden. Dabei muss die Ausübung des Gestaltungsrechts aber bereits möglich sein, eine Pflicht, einen Zustand herbeizuführen, in dem das Recht ausgeübt werden kann (z.B. eine Aufrechnungslage), besteht nicht.[6]

Die herrschende Meinung in der Literatur stellt demgegenüber darauf ab, dass erst mit der Ausübung der Grund für die aus dem Gestaltungsrecht folgende Einwendung entsteht und eine Präklusion daher ausscheidet. Eine verspätete Ausübung könne daher nur als Verstoß gegen die Pflicht zur Prozessförderung zur Präklusion führen, nicht jedoch nach § 767 Abs. 2 ZPO.[7]

Bei vollstreckbaren Urkunden gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO scheidet Präklusion aus, § 797 Abs. 4 ZPO.

Präklusion nach § 767 Abs. 3 ZPO

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Anders als der Wortlaut suggeriert, gilt § 767 Abs. 3 ZPO nur für eine wiederholte Vollstreckungsabwehrklage. In dieser sind alle Einwendungen präkludiert, die schon in der vorherigen Klage hätten geltend gemacht werden können.

Das Rubrum wird mit "In dem Rechtsstreit", nicht "In der Zwangsvollstreckungssache" begonnen. Die Parteien sind ganz normal als Kläger und Beklagter zu bezeichnen.

Tenor in der Hauptsache

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Bei einer stattgebenden Entscheidung muss deutlich werden, dass das Urteil rechtsgestaltend und nicht lediglich feststellend wirkt.

Beispiele
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Voll stattgebend:

"Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Juni 2013, 16 O 182/12 wird für unzulässig erklärt"

Teilweise stattgebend:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Juni 2013, 16 O 183/12 wird wegen eines Betrages von 5.000€ für unzulässig erklärt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."

Eingeschränkt stattgebend (Einwendung bringt den titulierten Anspruch nicht endgültig zum Erlöschen, z.B. Stundung, Zurückbehaltungsrecht):

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Juni 2013, 16 O 184/12 wird bis zum 18. Juni 2014 für unzulässig erklärt."
Der Beklagte darf die Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Juni 2013, 16 O 185/12 nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Zuchtponys "Lydia", geb. am 13.6.2009, fortsetzen. Im Übrigen wird die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel für unzulässig erklärt.

Kostenentscheidung

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Die Kostenentscheidung bemisst sich wie üblich nach den §§ 91 ff. ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit

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Die Vollstreckbarkeit richtet sich nach den §§ 708 ff. ZPO. Wenn der Kläger obsiegt richten sich die Sicherheitsleistungen von Kläger und Beklagtem nach der Höhe der Prozesskosten zuzüglich dem Wert des titulierten Anspruchs des Vollstreckungsgläubigers in der Höhe in der sich die Klage gegen ihn wendet. Grund ist, dass die Parteien sich jeweils in dieser Höhe dem Risiko der Insolvenz der Gegenseite ausgesetzt sehen.

Tatbestand

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Der Tatbestand des Urteils wird bei der Vollstreckungsgegenklage üblicherweise mit einem erklärenden Satz eingeleitet wie "Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Vollstreckungsabwehrklage in Anspruch."[8]

Wegen der Möglichkeit der Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO muss deutlich gemacht werden, ab welchem Zeitpunkt gegebenenfalls eine Aufrechnungslage bestanden hat. Aus demselben Grund muss aus der Prozessgeschichte ersichtlich sein, wann die letzte mündliche Verhandlung (bzw. bei Versäumnisurteilen und Vollstreckungsbescheiden die Zustellung) stattgefunden hat.

Fußnoten

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  1. MusielakZPO-Lackmann, 10. Aufl. 2013, § 767 Rn 19.
  2. MusielakZPO-Lackmann, 10. Aufl. 2013, § 757 Rn 11.
  3. MusielakZPO-Lackmann, 10. Aufl. 2013, § 767 Rn 14.
  4. Die Nomenklatur ist hier nicht einheitlich. Wie hier: Kaiser, Die Zwangsvollstreckungsklausur im Assessorexamen, 3. Aufl. 2010, Rn 14. MusielakZPO-Lackmann, 10. Aufl. 2013, § 767 Rn 21 spricht von Aktiv- und Passivlegitimation, MüKoZPO-Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl. 2012, Rn 44 von Prozessführungsbefugnis, womit das Problem in die Zulässigkeit rutschen würde.
  5. MusielakZPO-Lackmann, 10. Aufl. 2013, § 767 Rn 29.
  6. BGH NJW 2005, 2926
  7. MusielakZPO-Lackmann, 10. Aufl. 2013, § 767 Rn 36.
  8. vgl. z.B. BGH, Urteil vom 7. Juli 2005 - VII ZR 351/03