Verwaltungsrecht in der Klausur/ § 4 Die Fortsetzungsfeststellungsklage/ C. Begründetheit

§ 2 Die Fortsetzungsfeststellungsklage

C. Begründetheit

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59 Ist die Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob sie auch begründet ist.

I. Die Struktur der Begründetheitsprüfung Bearbeiten

Autor der Ursprungsfassung dieses Abschnitts I. ist Julian Senders

60 Die Klage ist in der Anfechtungssituation begründet, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte. Insofern richtet sich die Prüfung nach den bereits zur Anfechtungsklage umfassend dargestellten Grundsätzen (s. näher § 2 Rn. 506 ff.).

Examenswissen: Aus § 113 I 4 VwGO geht das Erfordernis der Verletzung subjektiver Rechte zwar nicht hervor. Da aber die Fortsetzungsfeststellungsklage jedenfalls in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich die Anfechtungsklage ersetzt bzw. fortsetzt, darf eine ursprünglich unzulässige (mangels Klagebefugnis) bzw. unbegründete (mangels Rechtsverletzung i.S.v. § 113 I 1 VwGO) Klage nicht wegen der – oftmals zufällig auftretenden – Erledigung durch die Fortsetzungsfeststellungsklage nunmehr zulässig und begründet gemacht werden.[1] Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist nach h.M. der Zeitpunkt der Erledigung heranzuziehen.[2]

61 In der Verpflichtungssituation ist die Klage begründet, wenn die Versagung der Erteilung des begehrten Verwaltungsakts (Versagungsgegenklage) oder die Untätigkeit der Behörde (Untätigkeitsklage) rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte. Dies wiederum ist nur dann der Fall, wenn der Kläger entweder im Falle einer gebundenen Entscheidung einen Anspruch auf den beantragten Verwaltungsakt hatte oder im Falle einer Ermessensentscheidung einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hatte und dieser Anspruch nicht erfüllt wurde. Insoweit richtet sich die Begründetheit nach den Grundsätzen, welche auch für die Begründetheit der Verpflichtungsklage gelten (s. näher § 3 Rn. 46 ff.).

II. Die Fortsetzungsfeststellungsklage im Polizei- und Ordnungsrecht Bearbeiten

Autor der Ursprungsfassung dieses Abschnitts II. ist Nikolas Eisentraut

62 Der Fortsetzungsfeststellungsklage kommt eine wesentliche Bedeutung im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht zu (s. einführend zum Polizei- und Ordnungsrecht § 2 Rn. 1008 ff.). Dies liegt daran, dass sich auf die allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetze der Länder gestützte Verwaltungsakte typischerweise schnell erledigen.[3] Dann kann ein mittels Widerspruch und Anfechtungsklage verfolgtes Aufhebungsbegehren nur noch mittels der Fortsetzungsfeststellungsklage weiterverfolgt werden.

Beispiel: Der Beamte B hat gegenüber A einen Platzverweis ausgesprochen. A ist diesem nachgekommen und hat den Platz verlassen. Nunmehr möchte er nachträglich festgestellt wissen, dass die Anordnung des Platzverweises rechtswidrig war. Dies geht nur noch mit der Fortsetzungsfeststellungsklage. Die Anfechtungsklage wäre unstatthaft.

63 Da in der Begründetheit zu untersuchen ist, ob der streitgegenständliche Verwaltungsakt rechtswidrig war, ergibt sich kein von der Prüfung der Maßnahme im Rahmen der Anfechtungsklage abweichender Prüfungsaufbau. Auch in der Fortsetzungsfeststellungsklage ist daher zu untersuchen, ob eine Ermächtigungsgrundlage für den (bereits erledigten) Verwaltungsakt vorhanden war und dieser unter formellen und materiellen Gesichtspunkten rechtmäßig erlassen wurde (s. näher § 2 Rn. 1028 ff.).

64 Literaturhinweis: Falllösung zur Fortsetzungsfeststellungsklage im Polizei- und Ordnungsrecht bei Marxsen, JURA 2019, 105

III. Die Fortsetzungsfeststellungsklage im Kommunalrecht Bearbeiten

Autor der Ursprungsfassung dieses Abschnitts III. ist Sebastian Piecha

65 In kommunalrechtlichen Fragestellungen ist die Fortsetzungsfeststellungsklage eher selten von Relevanz, wenngleich sie nicht völlig undenkbar ist. Sie ist nur dann nach § 114 I 4 VwGO analog statthaft, wenn es sich um einen Verwaltungsakt i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG handelt, der sich erledigt hat (dazu Rn. 4 ff.).

66 Ein denkbarer Verwaltungsakt könnte etwa sein, wenn es sich um eine erledigte Aufsichtsmaßnahme handelt. Fraglich wäre hier dann insbesondere das Fortsetzungsfeststellungsinteresse.

67 Handelt es sich dementgegen etwa um eine Klage gegen den Ausschluss aus einer Ratssitzung, so wird hier gegen einen Realakt und keinen Verwaltungsakt vorgegangen, wogegen die (normale) Feststellungsklage (dazu § 6 Rn. 191) statthaft wäre.

68 Denkbar wäre auch, dass in Kommunalverfassungsstreitigkeiten ein Organwalter als natürliche Person auftritt (etwa bei einem Ordnungsgeld) und die Feststellungsklage wegen mangelndem Feststellungsinteresse unzulässig wäre oder eine rechtswidrige Organhandlung nicht nichtig wäre und die Nichtigkeitsfeststellungklage keine Aussicht auf Erfolg hätte.[4]

In Verpflichtungssituationen kommen bspw. auch Ansprüche auf Zulassung zu kommunalen Einrichtungen in Betracht, die nach Erledigung im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiterverfolgt werden (s. dazu Fall 8 in: Eisentraut, Fälle zum Verwaltungsrecht, 2020).


Fußnoten

  1. Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 35. EL Sept. 2018, § 113 VwGO, Rn. 151; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2019, Rn. 1435.
  2. BVerwG, Urt. v. 25.07.1985, Az.: 3 C 25/84 = NJW 1986, 796; Ingold, JA 2009, 711, 713; Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL Februar 2019, § 113 VwGO, Rn. 152.
  3. Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht mit Versammlungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 27 Rn. 47.
  4. Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl. 2019, Rn. 708.