Gegeben sei ein »Strömungsfeld« mit dem Feldvektor v(r), wobei v die Geschwindigkeit einer Flüssigkeit ist.
Stellen wir uns ein von einem Drahtrahmen umgrenztes ebenes Flächenstück vom Größenwert A vor, das so in die Flüssigkeit eintaucht, dass es auf der zunächst als homogen angenommenen Strömung senkrecht steht.
Dann strömt in der Zeitspanne Δt das Flüssigkeitsvolumen ΔV = v·Δt·A durch den Rahmen. Der Quotient aus diesem Volumen und der Zeitspanne Δt heißt der Fluss Φ der Strömung (oder auch – nicht ganz exakt, aber gebräuchlich - der Fluss Φ des Feldvektors v) durch das Flächenstück:
Der Fluss hat demnach die Dimension Volumen/Zeit =Länge3/Zeit.
Steht das Flächenstück auf der Strömungsrichtung nicht senkrecht, dann ist
wobei φ der Winkel zwischen dem Geschwindigkeitsvektor v und dem auf der Fläche senkrecht stehenden Flächenvektor A ist.
Dann ist der Fluss durch das Flächenstück
wobei v·A das Skalarprodukt der Vektoren v und A ist.
Ist schließlich das betrachtete Flächenstück nicht eben, oder ist das Strömungsfeld nicht homogen, dann denken wir uns die Fläche in hinreichend kleine Teilstücke vom Größenwert ΔA zerlegt und den Flächenvektor ΔA in der Mitte eines jeden Teilstücks errichtet. Jeder dieser Flächenvektoren wird dann skalar mit dem Geschwindigkeitsvektor multipliziert, der dem Fußpunkt des Flächenvektors zugeordnet ist. Für den Fluss Φ durch die gesamte Fläche A gilt dann:
Denkt man sich nun die Anzahl der Teilflächen unbegrenzt wachsend, wobei ΔA gegen null geht, dann strebt diese Summe einem Grenzwert zu, welcher der Fluss der Strömung (oder, wie man etwas nachlässig sagt, der Fluss des Vektors v ) durch die Fläche A ist und durch ein Flächenintegral dargestellt wird:
Dieser Begriff des Flusses wird in der Physik auch auf andere Vektorfelder übertragen, vor allem auf elektrische und magnetische Felder. Dies mag zunächst etwas befremden, aber man kann ja – als Hilfe für die Vorstellung - jeden beliebigen Feldvektor als den Geschwindigkeitsvektor einer Flüssigkeitsströmung interpretieren. Man muss dann lediglich, wann immer vom Fluss eines Feldvektors die Rede ist, sich vergegenwärtigen, dass damit eigentlich der Fluss einer »virtuellen Flüssigkeit« gemeint ist, deren Geschwindigkeitsvektor der betrachtete Feldvektor ist. Dazu das folgende Beispiel.
Der »Fluss des Feldvektors«
des zentralsymmetrischen Feldes einer Punkt- oder Kugelladung mit dem Mittelpunkt in O durch eine konzentrische Kugelfläche mit dem Radius R ist
(Hinweis: Der Feldvektor steht überall auf der Kugelfläche senkrecht.)
Also: Wenn E der Geschwindigkeitsvektor eines Strömungsfeldes wäre, betrüge der Fluss der Flüssigkeit durch jede zur Ladung Q konzentrische Kugelfläche Q/ε0. Der Fluss ist der Ladung also proportional, und für Q = 0 wäre auch Φ = 0. Demnach könnte man die Ladung Q als die »Quelle« des Feldes der virtuellen Flüssigkeit betrachten. Für Q < 0 wäre auch Φ < 0. Dies wäre so zu interpretieren: Der Geschwindigkeitsvektor ist - wie die Feldlinien des Feldes – nach innen gerichtet und bildet mit den Flächennormalen der Kugel überall den Winkel 180°, weshalb das Skalarprodukt E·dA = - E dA ist. Die negative Ladung ist dann die »Senke« (= Gegenteil einer Quelle) des Feldes.
Das Ergebnis Φ = Q/ε0 gilt übrigens, wie sich zeigen lässt und was auch durchaus plausibel erscheint, für jede beliebige, die Ladung Q umhüllende Fläche.
Zur Vereinfachung betrachte ich im Folgenden wieder einen »echten« Geschwindigkeitsvektor v eines Strömungsfeldes, jedoch gelten die Betrachtungen und ihre Ergebnisse für jedes beliebige Vektorfeld und sein virtuelles Strömungsfeld.
Integriert man das Skalarprodukt v·dA über eine geschlossene Fläche (»Hülle«), so ist der Wert des »Hüllenintegrals« gleich dem Fluss (Volumen/Zeit), der durch die Hülle nach außen tritt. Dieser muss gleich der »Schüttung« S (= Ergiebigkeit) aller innerhalb der Hülle liegenden Quellen sein, wobei die Senken einen negativen Beitrag zur Schüttung liefern:
Betrachten wir nun ein Raumgebiet vom Volumen ΔV. Die Schüttung aller Quellen in diesem Raumgebiet sei ΔS. Der Quotient ΔS/ΔV ist dann die »mittlere Quelldichte« in diesem Gebiet:
Lässt man nun die Hüllfläche auf einen Punkt P schrumpfen und somit ΔV gegen null gehen, so ist der Grenzwert
die Quelldichte des Feldvektors (eigentlich: des Strömungsfeldes, dessen Geschwindigkeitsvektor v ist) in dem Punkt P, auf den die Hülle geschrumpft ist. Sie wird als die Divergenz des Vektors v im Punkt P bezeichnet:
Zur Berechnung der Divergenz aus dem Feldvektor v = (vx vy vz) betrachten wir einen Quader mit den Seiten Δx, Δy, Δz, dessen Mittelpunkt der Punkt P (x, y, z) ist.
Die Flächennormalen auf den Seitenflächen sind die Einheitsvektoren in Achsenrichtung: i, j, k sowie -i, -j, -k. (j und der dazu gehörige Feldvektor sind nicht eingezeichnet.)
Die Flüsse durch die einzelnen Seitenflächen sind:
Der gesamte Fluss ΔΦ durch die Flächen des Quaders ist die Summe aus diesen sechs Flüssen. Er entspricht dem Wert des Hüllenintegrals in der Definition der Divergenz. Von den sechs Summanden lassen sich je zwei wie folgt zusammenfassen:
Der Bruch auf der rechten Seite ist der »partielle Differenzenquotient« der Funktion vx für y = konst. und z = konst. Für Δx gegen 0 wird daraus die partielle Ableitung von vx nach x. Zusammen mit den übrigen vier Summanden ergibt sich dann
1. Gegeben ein Vektorfeld mit dem Feldvektor v(r) = r.
Der Feldvektor ist also radial nach außen gerichtet, seine Länge ist gleich der Länge des Ortsvektors des betreffenden Punktes. Dann ist:
Wir verifizieren an diesem Beispiel den GAUSS-Integralsatz
an einer Kugel vom Radius R um den Ursprung.
In Worten lautet der GAUSS-Integralsatz: Die Ergiebigkeit der Quellen in einem Raumgebiet V ist gleich dem Fluss durch dessen Hüllfläche.
Der Fluß Φ durch ihre Oberfläche ist Φ = 4 π R2R = 4 π R3.
Die Ergiebigkeit S aller innerhalb der Kugel liegenden Quellen ist S = V div r = 3 V = 4 π R3.
2. Es sei v(r) = r/r.
Der Feldvektor ist also radial nach außen gerichtet und hat die konstante Länge 1. Dann ist:
und
Die partielle Ableitung
berechnet man am einfachsten durch implizite Ableitung aus:
Analog findet man
Damit ergibt sich schließlich:
Test:
Der Fluss des Vektors v = r/r durch die Oberfläche einer Kugel um O mit dem Radius R ist
Das Volumen einer Kugelschale vom Radius r und der Dicke dr ist
Die Ergiebigkeit der in der Kugelschale liegenden Quellen ist
Die Ergiebigkeit S der Quellen in einer Kugel vom Radius R ist dann
3. Dieses Beispiel ist von ganz anderer Natur als die vorangegangenen. Hier ist kein Feld vorgegeben, dessen Eigenschaften untersucht werden sollen, sondern eine physikalische Anordnung, ein sehr langer, elektrisch geladener Leiter, dessen Feld gesucht ist.
Wir betrachten ein Leiterelement Δl und eine Kreisscheibe mit Radius R um dieses Leiterelement. Die im Leiterelement vorhandene elektrische Ladung sei Δq, die »Ladungsdichte« ρ also Δq/Δl. Weiter oben haben wir gesehen, dass der von einer Ladung Q erzeugte Fluss Φ des Vektors E = gleich Q/ε0 ist.
Der von der Ladung Δq erzeugte Fluss ΔΦ des Vektors E verlässt die Kreisscheibe nur an deren senkrechter Umrandung, welche die Fläche ΔA = 2πR Δl hat. Da der Fluss auf der Umrandung stets senkrecht steht, gilt für die Feldstärke am Rand
Da E radial nach außen gerichtet ist, ist
Wir berechnen nun noch div E, die außerhalb des Leiters überall null sein muss: