UN-Kaufrecht: Anwendbarkeit


Sachlicher Anwendungsbereich Bearbeiten

Sachlich ist das UN-Kaufrecht nur anwendbar auf

  • den Kauf von Waren
  • zu gewerblichen Zwecken (Art. 2 a) CISG)

Kauf Bearbeiten

Ausgenommen sind damit insbesondere Tausch-, Miet-, Dienst- und Werkverträge. In den Regelungsbereich fallen hingegen Werklieferverträge, bei denen der Verkäufer die verkaufte Ware erst noch herstellen muss, es sei denn der wesentliche Teil der dafür benötigten Materialien wird vom Käufer selbst zur Verfügung gestellt, Art. 3 Abs. 1 CISG. Ob der Anteil am verwendeten Material "wesentlich" ist, bestimmt sich regelmäßig nach dem Wertverhältnis der jeweiligen Materialbeiträge.[1]

Nach Art. 3 Abs. 2 CISG bestimmt sich die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts bei gemischten Kauf- und Dienstverträgen nach dem Schwerpunkt der Leistung. Hauptproblemfeld sind hier gemischte Kauf- und Montage- oder Wartungsverträge. Maßstab ist regelmäßig wieder das Wertverhältnis der Leistungen.

Waren Bearbeiten

Neben den traditionell unter den Warenbegriff fallenden beweglichen körperlichen Sachen sind auch Dokumente vom Anwendungsbereich des CISG umfasst, die Ansprüche auf die Lieferung von Waren verbriefen.[2] Ob Software unter den Warenbegriff des CISG fällt, ist lebhaft umstritten, wird aber für Standardsoftware überwiegend bejaht.[3]

Definitiv ausgenommen von Anwendungsbereich sind Rechte.[4]

Gewerblicher Zweck Bearbeiten

Art. 2 a) CISG nimmt Käufe durch Konsumenten vom Anwendungsgebiet des UN-Kaufrechts aus, wenn die Konsumenteneigenschaft für den Verkäufer bei Vertragsschluss erkennbar war. Der Ausschluss gilt nur für rein private Käufe.[5]

Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich Bearbeiten

Autonome Anwendbarkeit Bearbeiten

Regelfall ist die autonome Anwendbarkeit ohne Rückgriff auf das IPR, wenn ein Gericht in einem Vertragsstaat das anwendbare Recht bestimmen muss. Der Vorrang des CISG vor den deutschen IPR-Regeln ergibt sich aus Art. 3 Nr. 2 EGBGB bzw. Art. 25 Rom I-VO.

Art. 1 Abs. 1 a) CISG bestimmt folgende räumliche Anwendungsvoraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen:

  • Die Vertragsparteien haben ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten, Art. 1 Abs. 1 CISG
  • Die Niederlassung in einem anderen Staat ist für die andere Partei erkennbar, Art. 1 Abs. 2 CISG
  • Beide Niederlassungsstaaten sind Vertragsstaaten

Unbeachtlich ist demgegenüber die Nationalität der Vertragsparteien, deren Kaufmannseigenschaft und ob der Vertrag nach nationalem Recht als handelsrechtlich gewertet werden würde, Art. 1 Abs. 3 CISG.

Der Begriff der Niederlassung ist im Übereinkommen bewusst nicht definiert, weil keine entsprechende Einigung zustande kam. Die Rechtsprechung definiert Niederlassung als "den Ort, von dem aus die geschäftliche Tätigkeit tatsächlich und schwerpunktmäßig betrieben wird, wofür eine gewisse Dauer und Stabilität der Einrichtung und eine gewisse selbstständige Handlungskompetenz erforderlich sind".

Bei mehreren oder keiner Niederlassung gilt Art. 10 CISG.

Anknüpfung Bearbeiten

Das UN-Kaufrecht ist auch anwendbar, wenn das IPR des Gerichtsstaats (lex fori) auf das Recht eines Vertragsstaats verweist, Art. 1 Abs. 1 b) CISG, und die Parteien ihre Niederlassung bei Vertragsschluss erkennbar in verschiedenen Staaten hatten.

Rechtswahl Bearbeiten

Eine Rechtswahlklausel zugunsten des Rechts eines Vertragsstaats schließt nach inzwischen herrschender Meinung die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts nicht aus.[6] Grund ist, dass das UN-Kaufrecht mit Inkrafttreten Teil der jeweiligen Rechtsordnung wird und damit von der Rechtswahl umfasst ist. Eine Abwahl des CISG ist jedoch gem. Art. 6 CISG möglich und in der Praxis häufig vorgenommen durch eine Klausel wie "Es gilt deutsches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts". Auf die die Vereinbarung der Abwahlklausel sind dennoch die Art. 14-24 CISG anwendbar,[7] auf ihre Auslegung Art. 8 CISG.[8]

Auch eine Rechtswahl zugunsten des CISG kann je nach anwendbarem Recht möglich sein. Zulässig ist in jedem Fall die materiell-rechtliche Vereinbarung des UN-Kaufrechts als Vertragsbestandteil, wenn und soweit die Privatautonomie des anwendbaren Rechts es erlaubt. Ob nach der Rom I-VO auch eine kollisionsrechtliche Wahl des UN-Kaufrechts möglich ist, ist umstritten.[9] Problematisch ist, dass es sich beim UN-Kaufrecht nicht um eine nationale Rechtsordnung handelt, was aber nach der Entstehungsgeschichte mit einem "Recht" im Sinne des Art. 3 Rom I-VO gemeint ist. Freier sind hingegen Schiedsgerichte. So schreibt § 1051 ZPO Schiedsgerichten mit Schiedsort in Deutschland die Anwendung der "Rechtsvorschriften" vor, die von den Parteien gewählt wurden, was auch international erarbeitete Regelwerke (wie das UN-Kaufrecht) umfasst.[10]

Prüfschema zur Anwendbarkeit Bearbeiten

  1. Vorrang vor IPR
  2. Sachliche Anwendbarkeit
  3. Räumlich-persönliche Anwendbarkeit
  4. Zeitliche Anwendbarkeit
  5. Kein Ausschluss per Parteivereinbarung

Fußnoten Bearbeiten

  1. siehe zum Thema die CISG Advisory Council Opinion 4 - Contracts for the Sale of Goods to Be Manufactured or Produced and Mixed Contracts (Article 3 CISG)
  2. Schlechtriem/Schröter, Internationales UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 78
  3. Sänger in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2011, Art. 1 CISG Rn. 7; a.A.: Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 87; Abgrenzung nach Softwarekauf (dann Anwendbarkeit des CISG) und reiner Lizenzvergabe
  4. Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2011, Art. 1 CISG Rn. 6
  5. Saenger in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2011, Art. 2 CISG Rn. 3
  6. BGH NJW-RR 2010, 1217 Rn. 15
  7. Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2013 Rn. 47
  8. Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2013 Rn. 49
  9. dagegen: Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2011, Art. 3 Rom I-VO Rn. 19; dafür Schlechtriem/Schröter, Internationales UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 60
  10. Saenger, ZPO, 5. Aufl. 2013, § 1051 Rn. 4