UN-Kaufrecht: Vertragsschluss


Die Regelung des Vertragsschlusses unterscheidet sich insgesamt nur in Details vom deutschen BGB. Vorvertragliche Aufklärungs- und Schutzpflichten sind nur in Ansätzen geregelt. Ob die Regeln des UN-Kaufrechts dennoch abschließend sind, oder als externe Lücke nach dem IPR anzuknüpfen sind, ist lebhaft umstritten.[1]

Formfreiheit

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Nach Art. 11 CISG können Verträge formfrei geschlossen werden. Über den Wortlaut hinaus sind alle Willenserklärungen formfrei, da die Formfreiheit ein allgemeiner Grundsatz des UN-Kaufrechts im Sinne des Art. 7 Abs. 2 CISG ist.[2]

Was eine Formvorschrift ist, wird nach dem CISG autonom qualifiziert. Neben Formerfordernissen im engeren Sinne wie der Schriftform schließt Art. 11 CISG auch indirekte Formerfordernisse wie die consideration im Common Law[3] oder Beweisregeln wie die parol evidence rule[4] aus.

Die Formfreiheit gilt nicht für Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarungen.[5]

Angebot und Annahme

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Das Zugangserfordernis für die Wirksamkeit von Angebot und Annahme ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 und 18 Abs. 2 CISG. Zugang ist definiert in Art. 24 CISG und entspricht dem Zugangsbegriff im deutschen Recht. Es ist also keine tatsächliche Kenntnisnahme erforderlich, sondern Zugang tritt bereits mit dem Eintritt der Willenserklärung in den Herrschaftsbereich des Empfängers ein. Auch das gilt neben Angebot und Annahme auch für alle anderen Willenserklärungen.

Mindestbestandteile

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Was ein Angebot darstellt, ist in Art. 14 Abs. 1 CISG definiert. Essentialia negotii sind die Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit von Kaufgegenstand, Menge und Kaufpreis, Art. 14 Abs. 1 S. 2 CISG. Eine invitatio ad offerendum liegt nach Art. 14 Abs. 2 CISG nur vor, wenn der Anbietende seinen fehlenden Rechtsbindungswillen ausdrücklich erklärt oder sich dieser aus den Umständen ergibt (z.B. bei Versendung von Werbebroschüren).

Rücknahme, Widerruf und Erlöschen

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Die Rücknahme des Angebots nach Art. 15 CISG entspricht dem Widerruf des Angebots im deutschen Recht (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Widerruf nach Art. 16 CISG entspricht der Regel im common law, nach der ein Angebot nicht bindend ist, es sei denn es wurde ausdrücklich oder konkludent für unwiderruflich erklärt, Art. 16 Abs. 2 CISG. Der Widerruf ist jedoch ausgeschlossen, sobald die Annahme abgesandt wurde.

Das Angebot erlischt zudem mit seiner Ablehnung, Art. 17 CISG.

Die Annahme ist in den Art. 18-25 CISG geregelt und kann ausdrücklich oder stillschweigend erklärt werden. Schweigen allein kann jedoch noch keine Annahme darstellen, sondern es müssen noch weitere Umstände hinzutreten. Das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben kann daher nur dann als Annahme verstanden werden, wenn eine entsprechende Gepflogenheit zwischen den Parteien besteht oder ein entsprechender Handelsbrauch im Sinne des Art. 9 CISG existiert.

Die Annahme wird mit Zugang beim Anbietenden wirksam, Art. 18 Abs. 2 S. 1 CISG. Damit ist auch der Vertrag geschlossen, Art. 23 CISG. Bis Zugang eintritt kann die Annahme zurückgezogen werden, Art. 22 CISG.

Einbeziehung von AGB

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Ob AGB wirksam in den Vertrag einbezogen wurden, bestimmt sich nach den Art. 14 ff. CISG. Maßstab für die Einbeziehung ist die Perspektive eines vernünftigen Dritten gem. Art. 8 Abs. 2 CISG.[6] Nach der Rechtsprechung muss der Verwender dafür im Angebot auf seine AGB hinweisen[7] und sie dem Vertragspartner übersenden oder anderweitig zugänglich machen.[8] Die AGB müssen vor Erklärung der Annahme zugänglich gemacht werden, ein Nachschieben führt nicht zur Einbeziehung.[9] Einbeziehungsvoraussetzung ist zudem die Abfassung in einer Sprache, bei der davon auszugehen ist, dass der Vertragspartner sie versteht. Dem genügen die Verhandlungssprache, die Sprache des restlichen, ausgehandelten Vertrags soweit sie von der Verhandlungssprache abweicht, sowie jede Sprache, die der Empfänger tatsächlich versteht. Ob die Abfassung in einer "Weltsprache" genügt, ist umstritten.[10]

Ob die AGB inhaltlich wirksam sind, ist nach dem anwendbaren nationalen Recht zu bestimmen, da die Gültigkeit von Verträgen vom UN-Kaufrecht nicht geregelt ist (externe Lücke).

Vertragsänderung

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Nach Art. 29 CISG ist eine Vertragsänderung ohne weiteres (insbesondere ohne Consideration) möglich. Sie richtet sich nach den Vorschriften über den Abschluss von Verträgen, also nach den Art. 14-24 CISG. Vertragsübernahme, Schuldbeitritt und Abtretung werden vom UN-Kaufrecht nicht geregelt und sind daher nach dem anwendbaren nationalen Recht zu beurteilen.[11]

Fußnoten

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  1. gegen eine externe Lücke in allen Fällen außer bei arglistigem Verhalten: Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 155; dagegen mit Ausnahmen für bestimmte Pflichtverletzungen und nur solange ein Vertragsschluss tatsächlich nicht erfolgt ist Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 46; dafür in den meisten Fällen Westermann in Münchener Kommentar BGB, 6. Aufl. 2012, Art. 4 CISG Rn. 13
  2. Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2011, Art. 11 CISG Rn. 4
  3. Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2011, Art. 11 CISG Rn. 4
  4. CISG Advisory Council Opinion 3 - Parol Evidence Rule, Plain Meaning Rule, Contractual Merger Clause and the CISG
  5. Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 233
  6. Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 252
  7. Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 37
  8. BGH vom 31.10.2001 - VIII ZR 60/01, NJW 2002, 370; im autonomen deutschen Recht ist der gewerbliche Vertragspartner hingegen zur Erkundigung verpflichtet, Gruber in Münchener Kommentar BGB, 6. Aufl. 2012, Art. 14 CISG Rn. 29
  9. Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 59
  10. zum Streitstand und der a.A.: Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 65 f.
  11. Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 301