Soziologische Klassiker/ Migrationssoziologie/ Klassiker zur Migration

Die klassischen Theorien der Migration beschäftigen sich vor allem mit der Frage nach dem sozialen Status des Fremden und mit der Eingliederung der Immigranten in die Aufnahmegesellschaft. Als Klassiker gilt hierbei, was von überragender, allgemein anerkannter Bedeutung für die Entwicklung der Migrationsforschung zu sehen ist. Die Klassiker der Migrationssoziologie bezeichnen hier demnach die im Folgenden beschriebenen theoretischen Annahmen derjenigen Soziologen, welche sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt und / oder entscheidend mit der Migrationsthematik in unterschiedlichster Form auseinandergesetzt haben. Deren Annahmen bilden unter anderem die Basis der künftigen Forschungen zur Migration, welche in den neuen Migrationstheorien münden. Im Folgenden sollen die Ausgangspunkte der einzelnen Klassiker zum Thema Migration kurz skizziert werden. Für eine ausführliche Darstellung der jeweiligen Theorie kann innerhalb des Baumes auf den einzelnen Soziologen geklickt werden.

Die frühen Abhandlungen von Alfred Schütz und Georg Simmel zum "Fremden" beschreiben erste Überlegungen bezüglich des sozialen Status des Fremden. In seinem klassischen Beitrag über den „ Fremden“ beschreibt Alfred Schütz die Situation und Eigenschaften von Personen, welche ihre Herkunftsgruppe aufgegeben haben und sich im Zusammenbruch routinierter Alltagsorientierungen ihrer Individualität und ihres fortwährenden „Fremdseins“ gewahr werden. Georg Simmel stellt sich in seinem soziologischen Klassiker "Der Fremde" vor allem die Frage, welche Struktur eine wandernde Gruppe im Unterschied zu einer sesshaften Gruppe ausbildet und welchen Einfluss Wanderungen auf die Formen der Vergesellschaftung ausüben. Als einen bedeutenden Unterschied der beiden Ansätze ist hervorzuheben, dass sich der Fremde bei Schütz im Gegensatz zum Fremden bei Simmel "assimilieren" kann.

Erving Goffmann betrachtet in seiner Stigmastudie von 1975 zum einen den Hintergrund der Identitätsbildung einer durch die Gesellschaft stigmatisierten Person und zum anderen dessen Strategie, mit eben dieser Stigmatisierung umzugehen.

Zygmunt Baumann leistete seinen Beitrag zur Migration, indem er sich mit der sozialen Schließung, sprich der Inklusion und Exklusion von Fremden auseinandersetzte. Er bezieht sich in seinen Ausführungen v.a. auf das Beispiel der Juden.

Auch die beiden Soziologen Shmuel N. Eisenstadt und Milton M. Gordon gaben mit ihren frühen Beiträgen zur Migration wertvolle Impulse für die spätere Migrationsforschung. Die Migrationstheorie des US-amerikanischen Migrationssoziologen Milton M. Gordon befasst sich mit den Vorurteilen und Diskriminierungen, mit denen ethnische Minderheiten in den USA konfrontiert sind und zeigt auf, wie sich diese auf die interethnischen Gruppenbeziehungen auswirken. Ausgangspunkt bei den Ausführungen von Gordon ist dabei die Annahme, dass sich die Menschen durch die Angehörigkeit zu einem Volk (peoplehood) bzw. einer Ethnie definieren und die amerikanische Gesellschaft somit aus einer Vielzahl von ethnic subsocieties zusammengesetzt ist. Shmuel N. Eisenstadt definiert die Migration als einen physischen Übergang eines Individuums bzw. einer Gruppe von Individuen von einer Gesellschaft in eine andere. In diesem Prozess wird der gewohnte und internalisierte soziale Kontext verlassen und ein neuer, fremder sozialer Kontext betreten. Ausgehend von dieser Definition bzw. der durchgeführten Studie konstruierte Eisenstadt ein dreistufiges Konzept, in welchem er den physischen und psychischen Prozess der Migration bzw. die Absorption des Migranten im Aufnahmeland beschreibt.

Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny und Hartmut Esser waren in den 60er bzw. 80er Jahren unter den ersten Soziologen, welche sich konkret im Rahmen der Disziplin "Migrationssoziologie" mit der Migrationsproblematik auseinandersetzten. Zentrale Ausgangspunkte für Hoffmann-Nowotnys Migrationstheorie sind klassische soziologische Konzepte wie Macht und Prestige. Da Macht und Prestige ungleich verteilt sind in einer Gesellschaft, kommt es zu Spannungen innerhalb der verschiedenen Systemeinheiten. Die strukturellen oder anomischen Spannungen können nun dazu führen, dass der einzelne Akteur versucht, sein Macht-Prestige-Gefälle auszugleichen. Dies kann nach Hoffmann-Nowotny auf verschiedene Weise geschehen. Es reicht nach Hoffmann- Nowotny nicht aus, nur die internen Strukturmechanismen zu berücksichtigen, wenn man das Fremdarbeiterproblem sowie die Folgen der Migration für beide Seiten erklären will. Stattdessen müsse man auch die "endogenen Spannungen" berücksichtigen, also die Beziehungen zwischen den nationalen Gesellschaften. Hartmut Esser ist der Auffassung, dass Migration für den Fremden zunächst einen Zusammenbruch seiner Sozialisationsmuster und somit den Zerfall seiner natürlichen Einstellung zur Folge hat. Die Migranten müssen dadurch erst ihre Desozialisation überwinden, indem sie sich im Aufnahmeland neu verorten und ihre Beziehungen neu definieren, um ihre persönlichen Ziele erreichen und erfolgreich kommunizieren zu können. All diese Notwendigkeiten seitens der Migranten fasst Esser unter dem Grundbegriff der "Eingliederung" zusammen.


Esser

Hoffman-Nowotny

Goffmann

Baumann

Simmel

Parsons

Schütz

Gordon

Eisenstadt