Pilzanbau/ Anbau mit Petrischalen

Motivation

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Das primäre Interesse bei der Kultivierung in Petrischalen ist nicht die eigentliche Fruchtung, sondern vielmehr die kontrollierte Keimung von Sporen, Isolation besonders geeigneter Stämme und weitere Vermehrung des Myzelgeflechts. Unterschiedliche Stämme, welche sich aus keimenden Sporen praktisch immer bilden, können isoliert werden und jene, welche dem Pilzbauern für die erfolgreiche Zucht als besonders geeignet erscheinen, auf einem eigenen Nährboden übertragen werden. Die so selektierten Stämme können schließlich in einem geeigneten Substrat zur Fruchtung gebracht werden oder bei kühlen Temperaturen gelagert werden.

Das Pilzmyzel wächst in der Petrischale auf und in einem geleeartigen (oder flüssigen) sterilen Nährmedium welches vor einer etwaigen Verfestigung in die Petrischalen gegossen wird. Als Geliermittel dient dabei in aller Regel Agar-Agar, ein Algenextrakt ähnlich der besser bekannten Gelatine. Da Agar-Agar praktisch unverdaulich ist, bedarf es für das Myzelwachstum einer Nährstoffquelle. Diese wird dem Agar-Agar in unterschiedlichen Formen beigemengt. Besonders beliebt ist hier ein zuckerreicher Gerstenmalz-Extrakt (kurz: Malzextrakt).

Weitere Zusatzstoffe sind etwa Peptide und Aminosäuren (Pepton) zur Wachstumsbeschleunigung, als auch Antibiotika.

Theorie und Materialien

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Petrischalen

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Im Handel werden unterschiedliche Formen von Petrischalen angeboten, besonders beliebt sind

Material Kosten Wiederverwendbarkeit UV-Durchlässigkeit UV-Beständigkeit Temperaturstabilität
Normalglas günstig häufig schlecht sehr gut gut
Borosilikatglas relativ teuer sehr häufig schlecht sehr gut sehr gut
Quarzglas extrem teuer sehr häufig gut sehr gut sehr gut
Polystyrol sehr günstig sehr wenig gut sehr schlecht schlecht, bis etwa 70 °C
Polyethylen sehr günstig wenig gut schlecht schlecht, bis etwa 80 °C

Vor allem jene Petrischalen aus Kunststoff sind häufig bereits steril verpackt und können mit Fertignährböden erworben werden. Zu beziehen sind die gelisteten Petrischalen etwa aus Apotheken oder einem Fachhandel für Laborbedarf.

Agar, auch Agar-Agar, ist ein Polysaccharid, das in den Zellwänden einiger roter Algen vorkommt. Dieses wird durch thermische Behandlung (kochen) aus den Zellen extrahiert und anschließend gereinigt. Wenn Agar in kochendem Wasser aufgelöst wird und abkühlt, bildet es bei etwa 45 °C ein Gel. Wieder erhitzt verflüssigt es bei etwa 95 °C. Es ähnelt daher der Gelatine ist jedoch für die meisten Mikroorganismen selbst unverdaulich und thermisch stabiler.

Agar wird in vielen Bereichen der Lebensmittelindustrie eingesetzt, z.B als veganes Geliermittel. Der Hauptverwendungszweck liegt jedoch in der Mikrobiologie, und hier der Herstellung entsprechender Nährböden.

Angeboten wird es z.B. in asiatischen Lebensmittelläden, Reformhäusern, gut sortierten Supermärkten und natürlich von diversen Online-Händlern.

Agar dient als Trägermaterial für Nährstoffe. Die Nährstoffe (Agar selbst ist unverdaulich) bilden zusammen mit dem Agar eine flache, zweidimensionale Kultivierungsebene worauf das Pilzmyzelium wächst. Agar kann nicht durch Gelatine ersetzt werden, da Gelatine verdaulich ist und nicht mehr geliert, nachdem sie sterilisiert wurde.

Sterilisation

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Um gezielt mit definierten Mikroorganismen wie Pilzen arbeiten zu können, muss sichergestellt werden, dass keine unerwünschten Keime wie Bakterien, Viren, Hefen oder Schimmelsporen im Substrat enthalten sind. Andernfalls wird das bereitgestellte Nährmedium von den meist schneller wachsenden Kontaminanten noch vor dem zu kultiviernden Pilz besiedelt.

Nicht nur steht der Pilz somit im Wettbewerb um das Nahrungsangebot, auch sondern diese häufig gefährliche Stoffwechselprodukte ab, etwa die mitunter hochgiftigen w:Mykotoxine bei Schimmelpilzen. Die uns bekannten Speisepilze wiederum sind bekannt dafür, allerlei schädliche Stoffe aus der Umgebung aufzunehmen und anzusammeln. Zu beobachten ist dies etwa bei Wildpilzen. Hier finden sich auch heute noch, über 30 Jahre nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl, erhebliche radioaktive Rückstände.

Neben pathogenen Mikroorganismen bilden aber auch Speisepilze wie das Stockschwämmchen Sporen aus, die nach intensivem Einatmen zu einer allergischen Reaktion führen können.

Zur Keimreduzierung im Nährmedium gibt es verschiedene Sterilisationsverfahren. Hitzestabile Substrate werden gewöhnlich unter Dampf mit Überdruck von 1,03 bar bei 121° C autoklaviert. Dazu kann ein Autoklav oder ersatzweise ein Schnellkochtopf genutzt werden. Feuchte- und druckempfindliche Stoffe und Geräte können bei höheren Temperaturen und längerer Sterilisationsdauer in Öfen trocken sterilisiert werden (z.B. 4 Stunden bei 160° C). Sterilfilter mit Porengrößen von 0,2 µm Durchmesser kommen zum Einsatz, wenn Lösungen mit hitzelabilen Bestandteilen steril filtriert werden müssen. Hitzeempfindliche Gegenstände können chemisch zum Beispiel unter Einsatz starker Säuren und Laugen oder durch ionisierende Gammastrahlung oder auch UV-C Strahlung sterilisiert werden.

Neben vegetativen Zellen unerwünschter Mikroorganismen werden bei der thermischen Sterilisation auch deren Dauerformen abgetötet. Dabei dauert die Reduktion lebensfähiger Sporen bei 121 °C etwa eine Minute. Bei thermischen Sterilisationsverfahren muss jedoch eingeplant werden, dass ein größeres Volumen an Substrat eine längere Sterilisationsdauer benötigt, um die erforderliche Kerntemperatur zu erreichen.

Sauberkeit

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Beim Arbeiten mit Petrischalen ist eine saubere Arbeitsweise oberstes Gebot. Zu Beginn sollte der Arbeitsplatz gründlich mit Flächendesinfektionsmittel (Meliseptol, Sagrotan) gereinigt werden und die Umgebungsluft sollte keine Fremdsporen oder Keime enthalten. Zur Keimreduzierung der Umgebungsluft empfiehlt sich die Anschaffung eines Schwebstofffilters (HEPA-Filter) oder der Bau einer Impfbox.

Agar-Rezepte

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Petrischale mit Auster-Myzel (weiß), kontaminiert mit einem Schimmelpilz (grau) und Bakterien (verteilt)

So wie es verschiedene Pilzarten gibt, gibt es auch verschiedene Rezepte für Nährböden. In diesem Kapitel sollen daher praxistaugliche und erprobte Rezepte gesammelt werden.

Grundrezept

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In allen folgenden Rezepten müssen die Zutaten um folgendes Grundrezept ergänzt werden, sofern nicht bereits vorhanden

  • 1000 ml Wasser (bevorzugt destilliert)
  • 10-20 g Agar (je nach gewünschter Festigkeit, geringere Mengen begünstigen ein schnelleres Wachstum des Myzels)

Die Zutaten werden schließlich zusammengegeben und ggf. püriert, anschließend einige Minuten aufgekocht so dass der Agar sich beim Abkühlen verfestigt (Agar muss einmal erhitzt werden um seine gelierende Eigenschaft zu entfalten).

Antibiotische Zusätze

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Bei Bedarf kann bei der Zubereitung auf Antbiotika zurückgegriffen werden. Zur Hemmung bakteriellen Befalls eignen sich unterschiedliche Arten, vor allem jene, die autoklavierbar sind. Es folgt daher eine Auflistung typischer (alternativer) Antibiotika und deren Konzentration, sofern bekannt

  • Gentamyzinsulfat (Reinheit 60-70 %) 0.1 g/L[1], 0.05 g/L[2]
  • Kanamyzinsulfat 0.02 g/L[3]
  • Chlorampenicol 0.1 g/L[4]

Kombinationen und Konzentationen variieren je nach Einsatzzweck. Antibiotika werden v.a. dann genutzt, wenn sterile Arbeitsbedingungen nicht eingehalten werden können, bzw. u.U. bereits kontaminierte Proben isoliert bzw. vermehrt werden sollen. Die meisten, wenn nicht alle wirksamen Antibiotika unterstehen dem Arzneimittelgesetz und sind daher in Reinform schwer zu beziehen. Im Handel werden jedoch bereits fertige Agarmischungen mit antibiotischen Zusätzen und fertige Agarplatten angeboten.

Antibiotika stehen im Verdacht auch in den Zellstrukturen höherer Lebewesen oxidativen Stress auszulösen, welcher wiederum mutagen wirkt. Eine anhaltende Antibiotikatherapie könnte daher, laut aktuellen Forschungen[5], möglicherweise auch für das Auftreten gewisser Krebsarten in Säugetieren mitverantwortlich sein. Im Reich der Pilze mag ein dauerhafter Einsatz von Antibiotika daher etwa zu missgebildeten Fruchtkörpern führen.

Nährstoff-Zusätze

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Hundefutter
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Hundefutter-Agar

Guter Nährboden für viele Pilzarten, dessen Zutaten leicht zu besorgen sind.

  • 30 g Hundetrockenfutter
Malzextrakt (MEA) nach P. Stamets und J.S. Chilton
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MEA Agar nach Stamets

Bewährter Nährboden, der Kontaminationen schnell erkennen lässt.

  • 20 g Malzextrakt (zu bevorzugen ist heller, pulverförmiger Malzextrakt wie es für die Bierherstellung genutzt wird)
  • 2 g Hefe (Trockenhefe und Hefeextrakt sind ebenfalls möglich)
  • 5 g gemahlenes Roggenkorn (optional)
  • 5 g Pepton oder Neopepton (optional)
Kartoffeln
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Kartoffelagar

Wurde früher oft verwendet, gilt bei Stamets (neben MEA) als zu bevorzugender Agar

  • gefilterter Sud von 300 g Kartoffeln, in Scheiben geschnitten und gekocht für 1 Stunde in 1000 ml Liter Wasser
  • 10 g Dextrose Zucker
  • 2 g Hefe (optional, Trockenhefe und Hefeextrakt sind ebenfalls möglich)

Befüllen der Petrischalen

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Der Nährboden kann vor oder nach einer Dampf-Sterilisation in die Petrischalen überführt werden. Letztere Arbeitsmethode wird zumeist in mikrobiologischen Laboren genutzt, in denen eine keimfreie Umgebung durch den Einsatz von Luftfiltern oder sterilen Werkbanken garantiert werden kann.

Die Petrischalen werden mit etwa zwei bis sechs mm Agar-Medium gefüllt, je nach Höhe der Schale und Sterilisationsmethode. Es ist hier besonders auf eine koordinierte Arbeitsmethode zu achten, da am Rand der Schale herunterlaufender Agar später zu einer Kontaminationensbrücke werden kann. Besonders wichtig ist weiterhin, dass die Petrischalen nicht zu hoch befüllt werden, da das Medium bei einer nachträglichen Sterilisation wieder verflüssigt werden und unter Umständen über den Rand kochen kann.

Lässt man den Agar nach dem Befüllen der Petrischalen abkühlen und fest werden, wird die Wahrscheinlichkeit, etwas beim Transport in den Autoklaven oder Dampfdruckkochtopf zu verschütten, verringert.

Werden Petrischalen erst nach der Sterilisation gegossen, kann das noch warme Nährmedium nach Entnahme aus dem Autoklaven / Dampfdruckkochtopf im Wasserbad bei 55 °C zwischengelagert werden. In keimfreier Umgebung (etwa vor einem Schwebstofffilter, auch HEPA genannt) wird das Sterilisationsgefäß geöffnet und der Glasrand kurz abgeflammt. Beim Turmguss-Verfahren werden sterile Petrischalen übereinander zu einem Turm gestapelt und beginnend mit der untersten Petrischale gegossen. Dabei wird der gesamte Turm an Petrischalen zusammen mit dem Deckel der untersten Schale wenige Zentimeter angehoben, befüllt und auf gleiche Weise mit der nächsten Schale fortgefahren. Aufgrund des noch warmen Nährmediums in der darüberliegenden Petrischale wird Kondenswasserbildung stark reduziert.

Kondenswasser in Petrischalen

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Gelegentlich sammelt sich nach der Sterilisation Kondenswasser auf dem Nährboden. Um das Besiedeln des Nährbodens zu erleichtern, können die Petrischalen auf dem Kopf gelagert werden, damit sich angefallenes Kondenswasser im Deckel sammelt. Kondensation kann vermieden werden, indem man nach dem Gießen des Agars die Petrischalen erst vollständig abkühlen lässt, bevor man den Deckel auf die Schalen legt. Mit längerer Expositionszeit steigt jedoch die Kontaminationsgefahr. Alternativ kann man den beschlagenen Deckel - nach dem Abkühlen - durch einen zweiten, sterilen Deckel austauschen und somit die Expositionszeit minimieren und dennoch das Kondenswasser entfernen.

Eine weitere, aber hocheffektive, Möglichkeit das Kondenswasser zu entfernen ohne die Petrischale zu öffnen, ist folgende: Die geschlossene Petrischale wird, etwa im Backofen, soweit erhitzt bis der Agar verflüssigt. Die Petrischale wird entnommen und der Deckel der immer noch verschlossenen Petrischale wird von außen mit einem Heißluftfön soweit erhitzt bis er komplett wasserfrei ist. Im folgenden Schritt muss nun erreicht werden, dass der Boden der Petrischalen schneller abkühlt als der Deckel. So kondensiert das Wasser am Agar und erstarrt mit ihm.

Der Temperaturunterschied zwischen Deckel und Agar sollte immer minimal sein, gerade so, dass am Deckel kein Wasser mehr kondensiert. Langsam wird die Temperatur verringert (aber der Temperaturunterschied muss erhalten bleiben) bis schließlich der Agar erstarrt. Ist der Temperaturunterschied zu hoch, so wird die Luft in der Nähe des Deckels mehr Wasser aufnehmen und schließlich wieder kondensieren.

Der Boden der Schale kann etwa mit einem Peltier-Element abgekühlt werden.

Sterilisation der Petrischalen

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Das Nährmedium sollte für mindestens 20 Minuten im Dampfdruckkochtopf / Autoklaven sterilisiert werden. Die Zeit zählt dabei ab dem Erreichen der Sterilisationstemperatur im Innern des Kulturmediums und frühestens erst dann, wenn der Druckanzeiger die gewünschte Stufe (je nach Topf, meist Stufe 2) anzeigt.

Beim Abkühlen ist zu beachten, dass der Topf langsam abgekühlt wird und der Druck nicht abgelassen wird. Andernfalls kann es zum Siedeverzug kommen. Bereits in Petrischalen gegossenes Medium kocht in diesem Fall mitunter über und verunreinigt die Kulturgefäße äußerlich, sodass ein keimfreies Arbeiten nicht mehr möglich ist.

Beimpfen der Petrischalen

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Beimpfen mit Sporen

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Sporenkeimung auf Kartoffel-Agar, etwa sieben Tage alt

Im Normalfall werden zum Beimpfen der Petrischalen Sporen von einem Sporenabdruck genommen. Es ist aber auch möglich, die Sporen direkt aus dem Hut eines getrockneten Pilzes zu verwenden. In beiden Fällen werden dabei die Sporen mit einer Präpariernadel vom Sporenträger in die vorbereiteten Petrischalen übertragen. Hierzu wird die Präpariernadel in einer Flamme erhitzt und somit sterilisiert. Zum Erhitzen kann ein Spiritusbrenner oder einfach ein Feuerzeug verwendet werden. Der Vorteil des Spiritus ist, dass die Präpariernadel nicht verrußt. Wird in einer Impfbox gearbeitet, so muss das Werkzeug außerhalb der Box ausgeglüht werden, um etwaig angesammelte brennbare, eventuell auch explosive Dämpfe des Desinfektionsmittels in der Impfbox nicht zu entzünden.

Übertragen der Sporen
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Ist die Nadel erhitzt, wird sie im Agar der zu beimpfenden Petrischale abgekühlt. Somit werden Sporen bei der Berührung nicht abgetötet und haften durch den feuchten Agar gut an der Nadel. Die Sporen werden nun im Agar abgestreift. Wichtig ist, dass schnell gearbeitet wird, um die Expositionszeit des Kulturmediums mit etwaig kontaminierter Umgebungsluft gering zu halten. Um Luftverwirbelungen mit Kontaminationen zu vermeiden, sollten keine hektischen Bewegungen ausgeführt werden. Durch Tröpfcheninfektion beim Sprechen können Keime aus der Mundhöhle in einem Bereich von 2 Metern verteilt werden, weshalb ein Mundschutz vorteilhaft sein kann. Sollte keine Impfbox vorhanden sein, in der gearbeitet werden kann, so empfiehlt es sich, in unmittelbarer Umgebung eines Bunsenbrenners mit voll geöffneter Luftzufuhr zu arbeiten. In nächster Umgebung einer offenen Flamme herrscht ein steriler Bereich.

Stamm selektieren
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Verschiedene Pilzstämme in Petrischalen

Wenn mit Sporen gearbeitet wird, so entstehen bei der Keimung praktisch immer mehrere neue Stämme, selbst wenn die Sporen alle von einem Fruchtkörper abstammen. Dazu müssen zwei genetisch unterschiedliche Sporen keimen und schließlich zusammenwachsen. Da bei der Impfung etliche Sporen übertragen werden, ist davon auszugehen, dass auch mehrere neue Stämme entstehen. Diese Stämme sind aber oft nicht kompatibel, können nicht miteinander verwachsen und kämpfen daher um Nährstoffe. An der Stelle, an der die Stämme aufeinander treffen, stirbt das Myzel ab und/oder bildet eine Art Schutzschicht aus verstärkten Hyphen gegen den anderen Stamm.

Für homogene Ergebnisse sollte man nun einen reinen Stamm selektieren, der sich durch starken rhizomorphen Wuchs auszeichnet. Rhizomorphes Myzel erinnert in der Erscheinung an die Wurzeln von Pflanzen und ist weniger stark verzweigt als flauschiges Myzel - welches im Allgemeinen zu Ertragsdepressionen führt oder eine Fruchtung ganz verhindert (auch bekannt als "schwimmendes" Myzel). Mit nur einem Stamm zu arbeiten hat den Vorteil, dass später das komplette Substrat von nur einem Stamm durchwachsen und genutzt wird.

Man entnimmt daher, in steriler Umgebung, einen Teil des rhizomorphen Myzels aus der Petrischale und impft damit ein neues Nährmedium (siehe entsprechendes Kapitel). Dies wiederholt man solange, bis in der Petrischale nur noch ein gleichmäßiger rhizomorpher Wuchs ohne "Sektoren" zu erkennen ist.

Es sei noch angemerkt, dass nicht jeder Stamm, der ein schönes rhizomorphes und gleichmäßiges Wachstum zeigt, auch zwingend fruchtungsfähig ist (für weitere Informationen lese man das Kapitel "Biologische Grundlagen" mit Augenmerk auf die Begriffe Monokaryon bzw. unfruchtbare Stämme). Es empfiehlt sich daher u. U., das durchwachsene Medium durch Licht, Temperatur und Luftfeuchte zu stimulieren und die Fruchtungsfähigkeit zu verifizieren. In der Regel, v.a. bei geklontem Myzel oder Myzel aus Sporen, ist dies aber nicht nötig.

Beimpfen mit Myzel

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Hat man aus Sporen Myzel gewonnen und will dieses vermehren, oder möchte man Myzel von einer kontaminierten Petrischale isolieren, wird Myzel von einer zur anderen Petrischale übertragen.

Dazu wird mit einer Präpariernadel oder einem Skalpell ein Stück Myzel aus einer Petrischale herausgeschnitten und in der anderen Schale abgelegt. Das Myzelstück sollte möglichst mittig platziert werden, da das Wachstum kreisförmig (radial) verläuft. Auch hier ist sauberes Arbeiten wieder sehr wichtig. Optional kann hier mit Wasserstoffperoxid gearbeitet werden, um das Myzelstück von frischen Schimmelsporen und Bakterien aus der Luft zu reinigen. Dazu legt man das Myzel für z.B. 30 Sekunden in eine dreiprozentige Lösung. Wasserstoffperoxid greift Schimmelsporen und Bakterien an und zerstört sie durch Oxidation. Das Myzel kann sich jedoch zeitweise schützen.

 
Klonen eines Champignon

Das Klonen von Pilzen ist eine gute Methode, um Myzel zu gewinnen. Myzel kann direkt aus einem gesunden Fruchtkörper entnommen werden, statt es aufwändig aus einem Sporenabdruck zu isolieren. Indem man die gewünschte Pilzart im Supermarkt erwirbt oder sie beim Sammeln erntet und anschließend klont, kann man günstig schnellwüchsige und kräftige Stämme erwerben.

Zum Klonen wird ein Fruchtkörper unter keimfreien Bedingungen der Länge nach auseinander gerissen. Mit einem sterilisierten Skalpell oder einer Präpariernadel wird eine kleine Menge Myzel aus dem Inneren entnommen und auf bzw. in das Kulturmedium überführt. Da Fremdsporen und Keime an der Oberfläche des Fruchtkörpers anhaften können, sollte vorsichtig gearbeitet werden. Zusätzlich kann der Fruchtkörper des Pilzes mit Wasserstoffperoxid-Lösung behandelt werden.

Alternativ lassen sich Pilze auch auf unbehandelter Wellpappe klonen. Hierzu wird ein Stück aus dem Inneren des möglichst frischen Pilzes geschnitten und zwischen zwei Wellpappe-Schichten gelegt. Dieses "Sandwich" gibt man dann in ein sterilisiertes/pasteurisiertes Glasgefäß. Nach zwei Tagen sollte das Myzel damit beginnen, die Pappe zu durchwachsen. Nach etwa einer Woche ist die Pappe komplett besiedelt. Diese Technik funktioniert mit fast allen Holz und Stroh besiedelnden Arten.

Petrischalen versiegeln

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Nach der Arbeit mit Petrischalen (impfen/klonen) müssen diese gegen Kontaminanten (Sporen/Bakterien) aus der umgebenden Luft geschützt werden. Dies geschieht am einfachsten mit Polyethylen-Frischhaltefolie (PE-Folie). PE-Folienrollen aus der Haushaltsabteilung können mit einem scharfen Messer in fünf Zentimeter breite Stücke geschnitten werden und eignen sich bestens zum Umwickeln der Petrischalen. Etwa fünf Lagen (lieber eine Lage zuviel als eine zuwenig) stramm um die geschlossene Petrischale wickeln, sodass der Spalt zwischen Schale und Deckel komplett bedeckt und geschützt ist. So versiegelt kann die Petrischale ohne Sorgen transportiert oder eingelagert werden. Die Profis benutzen zur Versiegelung Parafilm, da dieser einen optimalen Luftaustausch ermöglicht und gleichzeitig vor Kontaminationen schützt.

Einlagern

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Pilzmyzel in einer Petrischale kann man gut über mehrere Monate aufbewahren, indem man die versiegelte Petrischale im Kühlschrank bei zwei bis vier °C einlagert. Da die meisten Pilze ihr Wachstum und ihren Stoffwechsel bei so geringen Temperaturen auf ein Minimum reduzieren, können sie so bis zu 18 Monate unbeschadet überstehen. Der Pilz kann die Petrischale nicht verlassen und auch keine Sporen abgeben.

Alternative Techniken

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Sterilisation mittels UV-C

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Petrischalen aus PE- oder PS-Kunststoff sind, im Gegensatz zu solchen aus Glas (ausgeschlossen z.B. Quarzglas), zu großen Teilen UV-durchlässig. Zwar können diese nicht im Autoklaven bzw. Dampfdruckkochtopf sterilisiert werden, jedoch erlaubt diese UV-Durchlässigkeit die Sterilisation mittels kurzweiligem Licht (200 bis 300 nm).

Die im Ofen vorgewärmten Petrischalen (etwa 40-50 °C, zur Vermeidung von Kondenswasser) werden mit einer dünnen Schicht hellem und nicht mehr kochendem Agar befüllt. Die Schalen werden versiegelt und mit einer geeigneten UV-C Quelle beleuchtet (z.B 30 Minuten bei 14 Watt). Die Prozedur wird am nächsten Tag wiederholt, um verbliebene und nun gekeimte Pathogene zu zerstören.

Die Petrischalen können jetzt jederzeit beimpft werden. Dabei sollte das Spendermyzel in das Nährmedium eingedrückt werden und die zweistufige Sterilisation wiederholt werden.

Wenn Impfung und Petrischalen-Vorbereitung zeitlich nah beieinander liegen, kann bei der Vorbereitung auf die Bestrahlung verzichtet werden, da nach der Impfung ohnehin erneut bestrahlt wird. Bitte auch hier den Tagesabstand einhalten, um den etwaigen Kontaminanten die Möglichkeit einzuräumen, aus ihrer Dauerform zu keimen.

Die Praxis hat gezeigt, dass das Myzel, vermutlich auch durch das Einstechen in das Nährmedium, einigermaßen und zumindest kurzfristig gegen die energiereiche Stahlung geschützt ist. Der helle und dünne Agar ermöglicht jedoch den UV-C Strahlen das vollständige Durchdringen des Agars.

Zu beachten ist, dass der Kunststoff durch die Bestahlung ebenfalls strapaziert wird. Für die mehrmalige Verwendung besser geeignet wären daher Petrischalen aus UV-durchlässigem Quarzglas, welche jedoch selten angeboten werden und ungleich teurer sind.



  1. Paul Stamets und J.S.Chilton: The Mushroom Cultivator, 1983
  2. https://www.alfa.com/de/catalog/J63820/
  3. https://www.neogen.com/globalassets/pim/assets/original/10007/ncm0198_ts_en-us.pdf
  4. https://www.neogen.com/globalassets/pim/assets/original/10007/ncm0135_ts_en-us.pdf
  5. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4663115/