Physikalische Grundlagen der Nuklearmedizin/ Gasgefüllte Strahlungsdetektoren
Einleitung
BearbeitenDies ist das siebte Kapitel des Wikibooks Physikalische Grundlagen der Nuklearmedizin
In den letzten beiden Kapitel haben wir gelernt, wie Strahlung mit Materie wechselwirkt, und können unser Wissen nun zur Detektion von Strahlung anwenden.
Als wesentliche Folge des Wechselwirkung von Strahlung mit Materie haben wir die Entstehung von Ionen in Kapitel 5.
Dieser Effekt wird, wie wir nun sehen werden, in gasgefüllten Detektoren ausgenutzt. Der eigentliche Detektor ist in diesem Fall das Gas, in dem die Atome durch die Strahlung ionisiert werden. Wir werden im nächsten Kapitel sehen, dass auch Festkörper als Strahlungsdetektoren verwendet werden können, werden uns aber nun erst einmal mit Gasen auseinandersetzen und Detektoren wie die Ionisationskammer und den Geigerzähler kennen lernen.
Bevor wir uns mit den spezifischen Typen gasgefüllter Detektoren auseinandersetzen, werden wir den generellen Aufbau dieser Detektoren kennen lernen.
Gasgefüllte Detektoren
BearbeitenWie wir oben erwähnt haben, entstehen Ionen, wenn Strahlung in diesem Detektortyp mit den Gasatomen wechselwirkt. Nach dem in Kapitel 5 gelernten, wissen wir, dass der photoelektrische Effekt und der Compton-Effekt die Ionisation verursachen, wenn wir es mit Gamma-Strahlung mit einer typischerweise in der Diagnostik verwendeten Energie zu tun haben.
Genau genommen entstehen zwei Teilchen, wenn ein Ion erzeugt wird - das positive Ion selbst und ein Elektron. Diese beiden Teilchen werden zusammen als Ionenpaar bezeichnet. Die Detektion der Erzeugung eines Ionenpaares bildet die Grundlage für die Arbeitsweise von gasgefüllten Detektoren. Diese wird erreicht, indem man ein elektrisches Feld anlegt, um die Elektronen zur positiv geladenen und die Protonen zur negativ geladenen Elektrode zu ziehen.
Schauen wir uns dazu den stark vereinfachten Aufbau in der nächsten Abbildung an:
Hier haben wir zwei Elektroden und ein Füllgas dazwischen. Dies entspricht einem Kondensator mit Dielektrikum.
Üblicherweise verwendet man ein Edelgas wie Argon oder Xenon. Man wählt ein Edelgas da man chemische Reaktionen der erzeugten Ionen vermeiden möchte, da sie die Detektoreigenschaften verändern könnten.
Eine Gleichspannung wird zwischen den Elektroden angelegt. Daher wird sich das Elektron zur positiven Elektrode und das Ion zur negativen Elektrode bewegen wenn durch die Wechselwirkung mit der Strahlung eine Ionenpaar entsteht. Werden diese Teilchen ihre Elektroden jedoch erreichen? Die Antwort hängt offenbar von der Größe der angelegten Gleichspannung ab. Zum Beispiel, könnte man im einen Extrem eine Spannung von nur einem Mikrovolt (das ist ein Millionstel von einem Volt) anlegen, so dass das entstehende elektrische Feld zu klein ist um das Ionenpaar weit genug aufzutrennen, was dazu führen kann, dass die beiden Teilchen wieder rekombinieren und ein Gasatom bilden. Im anderen Extrem könnte man eine Spannung von einer Million Volt zwischen den beiden Elektroden anlegen. In diesem Falle ist es sehr wahrscheinlich, dass Funken zwischen den beiden Elektroden fliegen - eine Blitzröhre wenn man so will - und unser Detektor verhält sich wie eine Art Neonröhre. Irgendwo zwischen diesem beiden Extremen sollten wir eine Spannung finden, die eine Kraft auf das Ion und das Elektron ausübt um eine Rekombination zu verhindern aber gleichzeitig klein genug ist um Funkenflug zu vermeiden.
Wir werden dieses Thema unten genauer unter die Lupe nehmen. Bevor wir dies jedoch tun schauen wir uns an wie das oben skizzierte Konzept eines einfachen Detektors in der Praxis angewandt wird. In realen Detektoren verwendet man üblicherweise zylindrische gasgefüllte Kammern. Da man heraus fand, dass sie effizienter arbeiten als die oben gezeigten Konstruktionen mit planparallele Elektroden.
Ein Querschnitt durch durch einen solchen Zylinder ist in der folgenden Abbildung gezeigt:
Die positive Elektrode besteht aus einem dünnen Draht im Zentrum des Zylinders und die Wand des Zylinders dient als negative Elektrode. Im Prinzip können wir einen solchen Detektor bauen indem wir ein Stück Metallrohr nehmen, einen Draht in der Mitte montieren, es mit einem Edelgas füllen und beide Enden versiegeln. Reale Detektoren sind etwas komplizierter aufgebaut, aber wir wollen uns hier noch nicht mit solchen Nebensächlichkeiten aufhalten.
Wir legen eine Gleichspannung über eine Batterie an und verbinden sie, wie in der Abbildung gezeigt, über den Widerstand R mit dem Detektor. Nehmen wir nun an, dass ein Gammastrahl in unseren Detektor einfällt. Es werden Ionenpaare im Gas entstehen, die Ionen werden nach außen zur Wand und die Elektronen zum Draht in der Mitte gezogen. Denken wir im Moment nur an die Elektronen. Wenn sie den Draht in der Mitte treffen können wir uns vorstellen, dass sie in den Draht eindringen und durch den Widerstand zum Pluspol der Spannungsquelle fließen. Diese durch den Widerstand fließenden Elektronen bilden einen elektrischen Strom, welcher nach dem Ohmschen Gesetz zu einer Spannung über dem Widerstand führt. Diese Spannung wird durch einen Verstärker verstärkt und verschiedene Geräte können benutzt werden um die verstärkte Spannung zu registrieren. Ein Lautsprecher ist ein sehr einfaches Gerät das diesen Zweck erfüllen kann und erzeugt ein Klick bei jedem Spannungspuls. Andere Geräte schließen das Ratemeter, welches die Anzahl der erzeugten Spannungspulse pro Zeiteinheit - ähnlich einem Tachometer beim Auto - misst, einen Pulszähler (oder auch Scaler), welcher die Anzahl der erzeugten Spannungspulse in einer definierten Zeitspanne zählt. Ein Spannungspuls wird in der Praxis häufig als Count bezeichnet und die Anzahl der pro Zeiteinheit erzeugten Pulse wird häufig Zählrate genannt.
Einfluss der angelegten Gleichspannung
BearbeitenWenn wir einen Detektor mit der oben gezeigten Beschaltung bauen würden, so könnten wir ein Experiment durchführen welches uns erlauben würde den Einfluss der angelegten Gleichspannung auf die Größe der über den Widerstand R gemessenen Spannungspulse zu untersuchen. Man beachte, dass der Begriff Pulshöhe in diesem Gebiet häufig für die Größe des Spannungspulses verwendet wird.
Idealerweise könnten wir ein Resultat erzeugen, welches dem in der folgenden Abbildung dargestellten entspricht:
Der Graph stellt die Abhängigkeit der Pulshöhe von der angelegten Gleichspannung dar. Man beachte, dass die Pulshöhe auf der vertikalen Achse logarithmisch aufgetragen ist um einen größeren Spannungsbereich auf im Diagramm darstellen zu können.
Die Experimentellen Ergebnisse können in die fünf eingezeichneten Bereiche unterteilt werden. Wir werden nun jeden einzelnen im Detail betrachten.
- Bereich A Hier ist Vdc relativ klein so dass es zur Rekombination von Ionen und Elektronen kommt. Daher werden nicht alle Ionenpaare gesammelt und der Spannungspuls ist relativ klein. Er wird jedoch mit zunehmender Gleichspannung größer, da die Anzahl der Rekombinationen abnimmt.
- Bereich B Vdc ist so hoch, dass die Rekombinationen vernachlässigt werden können. In dieser Region arbeitet der Detektor als Ionisationskammer.
- Bereich C Vdc ist so groß, dass Elektronen die sich dem Draht in der Mitte nähern zwischen den Stößen genügend Energie aufnehmen können um weitere Ionenpaare zu erzeugen. Daher steigt die Anzahl der Elektronen und damit die über den Widerstand fließende Ladung bis zum tausendfachen des ursprünglich durch die Wechselwirkung mit der Strahlung erzeugten Ladung an. In diesem Gebiet arbeitet der Detektor als Proportionalzähler.
- Bereich D Vdc ist so groß, dass auch ein Teilchen welches minimale Ionisation verursacht zu einem sehr großen Spannungspuls führt. Die ursprüngliche von der Strahlung verursachte Ionisation startet einen Prozess bei dem es einem vollständigen Durchbruch des Detektors kommt wenn die Elektronenlawine auf den Draht in der Mitte zu rollt. Diese Region wird auch Geiger-Müller-Bereich genannt und im Geigerzähler verwendet.
- Bereich E Hier ist Vdc so groß, das es im Gas zu einem vollständigen und permanenten Durchbruch kommt, so dass das Gerät nicht mehr für den Nachweis von Strahlung verwendet werden kann.
Wir werden uns nun mit den Eigenschaften der Ionisationskammer und des Geigerzählers im Detail beschäftigen.
Ionisationskammer
BearbeitenEine Ionisationskammer ist ein gasgefüllter Detektor, der mit einer relativ niedrigen Gleichspannung betrieben wird. Als erstes werden wir die Größe des von diesem Detektor erzeugten Spannungspulses abschätzen und uns anschließend mit einigen Anwendungen beschäftigen.
Wenn ein Beta-Teilchen mit dem Gas wechselwirkt braucht es eine Energie von etwas 30 eV um ein Ionenpaar zu erzeugen. Daher kann man die Anzahl der Ionenpaare die ein Beta-Teilchen einer Energie von 1MeV erzeugt wenn es vollständig absorbiert wird wie folgt berechnen:
Die erzeugte elektrische Ladung im Gas ergibt sich somit zu:
Wenn die Kapazität der Ionisationskammer (man erinnere sich, dass wir die Ionisationskammer mit dem Kondensator oben verglichen haben) mit 100 pF ansetzen, dann ergibt sich für die Amplitude des erzeugten Spannungspulses:
Da die erzeugte Spannung so klein ist, müssen wir sehr empfindliche Verstärker in der äußeren Beschaltung einer Ionisationskammer verwenden.
Wir werden nun zwei Anwendungen der Ionisationskammer kennen lernen. Als erstes dient sie zur Messung der Ionendosis. Aus Kapitel 4 wissen wir, dass die Einheit der Ionendosis (sei ein nun in SI oder traditionellem System) als erzeugte Ladung pro Kilogramm Luft definiert ist. Eine luftgefüllte Ionisationskammer ist das natürliche Instrument zur Messung solcher Größen.
Die zweite Anwendung ist die Messung der Radioaktivität. Die hier betrachtete Ionisationskammer besitzt einen so genannten reentranten Aufbau, (siehe Abbildung unten) so dass das radioaktive Material in einer Halterung in den Detektor gebracht werden kann, damit der größte Teil der emittierten Strahlung detektiert werden kann. Das Instrument wir häufig Dosiskalibrator genannt und das Tröpfeln des elektrischen Stroms, der durch Detektion von Strahlung in einem solchen entsteht wird häufig auf einer geeichten Skala so dargestellt, dass die Radioaktivität (zum Beispiel in MBq oder mCi) abgelesen werden kann. Die meisten gut geführten nuklearmedizinischen Abteilungen werden mindestens ein solches Gerät zur Verfügung haben, so dass die Radioaktivität vor der Anwendung am Patienten geprüft werden kann.
Die folgenden Abbildungen zeigen einige Ionisationskammern für verschiedene Anwendungen:
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Ein Flächendetektor, wie er in der Radiographie verwendet wird
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Einige Ionisationskammern mit unterschiedlichem Volumen zur Messung der Ionendosis.
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Ein Dosimeter wie es in der Radiographie verwendet wird.
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Ein in der Nuklearmedizin verwendeter Dosiskalibrator - der blaue Zylinder links enthält die reentrante Kammer
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Ein Dosimeter wie es in der Radiographie verwendet wird.
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Ein tragbarer Geigerzähler
Geigerzähler
BearbeitenWir haben oben gesehen, dass Geiger-Zähler bei einer recht hohen Gleichspannung (typischerweise 300-400 Volt) betrieben werden und dass eine Elektronenlawine entsteht wenn es durch Absorption von Strahlung zu einer Ionisation im Gas kommt. Die von diesem Detektor erzeugten Spannungspulse sind relativ groß, da das Gas als ein effektiver Verstärker für die erzeugte Ladung wirkt.
Er hat vier wichtige Eigenschaften welche wir nun besprechen werden. Zunächst wird kein empfindlicher Verstärker (wie er im Falle einer Ionisationskammer notwendig war) für diesen Detektor benötigt, weil die Gasverstärkung wie erwähnt hoch genug ist.
Die zweite Eigenschaft ergibt sich aus der Tatsache, dass die Erzeugung von Elektronenlawinen gestoppt werden muss um den Detektor wiederherzustellen. Anders ausgedrückt kommt es zu einer vollständigen Durchbruch des des Gases (das gesamte Gas im Detektor wird leitend), was dazu führt, das der Detektor nicht mehr in der Lage ist das nächste eintreffende Teilchen zu detektieren. In diesem Falle haben wir im einen Moment einen Strahlungsdetektor und im nächsten Moment nicht mehr.
Man benötigt also ein Mittel um die Elektronenlawine zu stoppen - dieser Prozess wird auch als Löschen bezeichnet. Eine Möglichkeit besteht darin die Gleichspannung nach der Lawine zu senken. Häufiger verwendet man jedoch ein anderes Löschverfahren bei dem man dem Edelgas eine kleine Menge Löschgas hinzugibt. Zum Beispiel kann man Argon mit einer kleinen Menge Ethanol verwenden. Ethanoldampf besteht aus relativ großen Molekülen. Energie, welche ohne Löschgas, die Elektronenlawine aufrecht erhalten würde, wird von diesen Molekülen absorbiert. Diese großen Moleküle wirken also wie eine Bremse.
Unabhängig vom verwendeten Löschmechanismus, ist der Detektor für eine kurze Zeit nach der Absorption eines Teilchens/Photons nicht in der Lage weiter Ereignisse zu detektieren. Diese Zeit heißt Totzeit und dies ist die dritte Eigenschaft eines Detektors, mit der wir uns beschäftigen werden. Totzeiten sind relativ kurz, aber dennoch nicht vernachlässigbar, sie liegen typischerweise in der Größenordnung von 200 µs bis 400 µs. Dies führt dazu, dass die am Detektor abgelesene Zählrate kleiner ist als sie seien sollte. Die wahre Zählrate kann man, ohne hier ins Detail zu gehen, wie folgt berechnen:
Wobei T die wahre Zählrate, A die am Detektor abgelesene Zählrate und τ die Totzeit bezeichnet. Einige Instrumente führen diese Berechnung automatisch durch.
Die vierte bemerkenswerte Eigenschaft eines Detektors ist die Abhängigkeit seiner Leistung von der angelegten Gleichspannung. Der Geiger-Müller Bereich aus der obigen Abbildung ist in der Abbildung unten vergrößert dargestellt.
Man beachte, dass es ein Plateau gibt auf dem die Zählrate von der angelegten Gleichspannung unabhängig ist. Die meisten dieser Detektoren werden mit einer Gleichspannung in der Mitte dieses Plateaus betrieben. Es ist daher einsichtig, dass die Zählrate nicht von Schwankungen der Betriebspannung beeinflusst wird. Daher können relativ einfach aufgebaute Gleichspannungsquellen verwendet werden. Diese Eigenschaft führt zusammen mit der Tatsache, dass keine empfindlichen Verstärker benötigt werden zu in der Praxis recht preiswerten Strahlungsdetektoren.
Externe Links (englisch)
Bearbeiten- Inside a smoke detector - about the ion chamber used in smoke detectors - from the How Stuff Works website.
- Ionisation Chambers - a brief description from the Triumf Safety Group.
- Radiation and Radioactivity - a self-paced lesson developed by the University of Michigan's Student Chapter of the Health Physics Society with a section on gas filled detectors.
- The Geiger Counter - a brief overview from the NASA Goddard Space Flight Center, USA.