Mathematik: Topologie: Trennungsaxiome

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Trennungseigenschaften / Urysohn's Lemma

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Wir haben bereits bei der Betrachtung von feineren und gröberen Topologien gesehen, daß man die einzelnen Punkte je nach Topologie mehr oder weniger gut voneinander unterscheiden kann. Eine feinere Topologie bedeutet eine stärkere Struktur des Raumes, in der man beim Betrachten der Punkte in gewisser Hinsicht eine höhere Auflösung hat. Bei einer genügend feinen Topologie kann man immer kleinere Umgebungen eines Punktes wählen, durch die die Sicht auf den Punkt immer besser wird, bis man ihn schließlich scharf erkennen kann. In der Sprache des vorigen Abschnitts bedeutet das, daß der Umgebungsfilter   eines Punktes   nur gegen   allein konvergiert.

Die Trennungseigenschaften liefern nun eine Art Maß für die Stärke der Struktur eines topologischen Raumes. Genaueres lehrt folgende

Definition: Trennungseigenschaften
Sei   ein topologischer Raum.   besitzt die Trennungseigenschaft
  1.  , wenn von je zwei verschiedenen Punkten   der Punkt   eine Umgebung   besitzt mit   oder der Punkt   eine Umgebung   mit  ,
  2.  , wenn je zwei verschiedene Punkte   Umgebungen   von   und   von   besitzen, so daß   und   gilt,
  3.   ,wenn je zwei verschiedene Punkte   Umgebungen   von   und   von   besitzen, so daß  ,
  4.  , wenn es zu je einer abgeschlossenen Menge   und einem Punkt   eine offene Menge   mit   und eine Umgebung   von   gibt, so daß  ,
  5.  , wenn es zu je einer abgeschlossenen Menge   und einem Punkt   eine stetige Funktion   gibt, so daß   und   gilt,
  6.  , wenn es zu je zwei abgeschlossenen Mengen   mit   offene Mengen   mit   und   mit   gibt, so daß  .

Ein Raum mit der Trennungseigenschaft  ,   usw. heißt auch entsprechend  -Raum,  -Raum usw.

Definition: Trennungseigenschaften, die zweite
Ein topologischer Raum heißt
  1. nüchtern, wenn er ein  -Raum ist,
  2. hausdorffsch oder auch separiert, wenn er ein  -Raum ist,
  3. regulär, wenn er   und   ist,
  4. vollständig regulär, wenn er   und   ist,
  5. normal, wenn er   und   ist,

Bemerkung: offensichtlich ist ein Hausdorffraum auch   und ein  -Raum auch  .

Beispiel: Metrische Räume sind separiert, denn seien   ein metrischer Raum und  . Die offenen Kugeln   vom Radius   sind dann disjunkte offene Umgebungen von   und  .

Beispiel: Der  -dimensionale Raum   ist ein metrischer Raum und daher auch separiert.


Satz: Ein  -Raum ist auch  .

Beweis: Sei   ein  -Raum,   eine abgeschlossene Menge in   und  . Dann gibt es eine stetige Funktion   mit   und  . Betrachte die offenen Umgebungen   von 1 und   von 0. Wegen der Stetigkeit von   sind die Urbilder   und   offen. Da   und   disjunkt sind, sind   und   auch disjunkt. Weiter gilt offensichtlich   und  . Daraus folgt aber die Eigenschaft  .  


Satz: Ein topologischer Raum   ist genau dann  , wenn jede einpunktige Menge abgeschlossen ist.

Beweis: Sei zunächst   ein  -Raum und  . Ist nun  , so ist   und es gibt eine Umgebung   von   mit  . Es ist also  , und das bedeutet, daß   offen ist. Dann ist aber   abgeschlossen.

Sei jetzt jede einpunktige Menge von   abgeschlossen, und seien   zwei verschiedene Punkte von  . Wegen   ist  . Da   abgeschlossen ist, ist   offen. Daher gibt es eine Umgebung   von  , mit   und damit  . Ebenso ist  , und wie vorher findet man eine Umgebung   von   mit  . Die Existenz dieser Umgebungen   und   bedeutet aber gerade, daß   ein  -Raum ist.  


Korollar: Ein normaler Raum ist regulär, und ein regulärer Raum ist hausdorffsch.

Beweis: Folgt direkt aus dem vorigen Satz.  


Wenn man die Liste der Trennungseigenschaften betrachtet, kann man sich fragen, warum dort keine zu   analoge Eigenschaft   auftaucht. Eine solche Eigenschaft ist allerdings überflüssig, denn sie wäre zu   gleichwertig. Gäbe es die Eigenschaft  , so könnte man genauso wie im Fall der  -Räume schließen, daß ein  -Raum auch   ist. Die andere Richtung lehrt Urysohn's Lemma. Zunächst benötigen wir aber noch einen

Hilfssatz: Seien   ein  -Raum,   eine abgeschlossene und   eine offene Teilmenge von   mit  . Dann gibt es eine offene Teilmenge   von  , so daß  .

Beweis: Wegen   folgt  . Weiter sind   und   abgeschlossen und X ist  . Daher gibt es offene Umgebungen   von   respektive  , so daß   und damit  . Da   abgeschlossen ist, folgt nach einer früheren Bemerkung  . Nun ist  , und das impliziert  . Zusammen ergibt sich wie behauptet  .  


Satz (Urysohn's Lemma): Seien   ein  -Raum und   abgeschlossene, disjunkte und nicht leere Teilmengen von  . Dann gibt es eine stetige Funktion   mit   und  .

Beweis: Wegen   ist  . Nun ist   abgeschlossen,   offen, und nach dem Hilfssatz existiert eine offene Menge   mit  . Nun wenden wir den Hilfssatz auf   und   an, und erhalten so eine offene Menge   mit  . Die Idee ist nun, den Hilfssatz immer wieder neu induktiv anzuwenden, bis man eine Familie von ineinanderliegenden Mengen erhält, auf denen man die gewünschte stetige Funktion definieren kann. Die Konstruktion funktioniert wie folgt:

Schritt 1: Nach dem Hilfssatz existiert eine offene Menge  , so daß  .
Schritt 2: die weitere Anwendung liefert offene Mengen  .
Schritt n: nun erhält man offene Mengen  , so daß   für alle   gilt.

Wir haben jetzt für alle Zahlenpaare   mit   eine Menge   definiert. Seien   und   zwei solche Zahlenpaare mit  . Dann ist  . Für die zugehörigen Mengen   und   gilt dann nach Konstruktion  , also  . Anders ausgedrückt können wir je zwei Zahlen  , die sich in der Form   bzw.   schreiben lassen, offene Mengen   und   zuordnen, so daß   ist. So weit, so gut, doch wir wollen die Definition solcher Mengen auf alle reellen Zahlen im Intervall   ausdehnen, und dann eine stetige Funktion   definieren mit   für   und   für  .

Dazu sei für ein beliebiges reelles   die offene Menge  . Der Einfachheit halber definieren wir die gesuchte Funktion zunächst als Funktion   in die ganze Menge der reellen Zahlen durch

  für  
  sonst

Wir halten fest, daß   ist für  , und   für  . Bleibt noch zu zeigen, daß   stetig ist oder, äquivalent dazu, daß   in jedem Punkt stetig ist. Sei also   irgendein Punkt in  . Sei weiter   eine Umgebung von  .   enthält ein offenes Intervall der Form   um   für ein geeignetes  . Um die Stetigkeit in   zu zeigen, müssen wir eine offene Umgebung von   angeben, die ganz im Urbild   enthalten ist, und in das offene Intervall   abgebildet wird. Nun gibt es geeignete Zahlen  , so daß   ist. Daraus folgt   und weiter  . Wegen   ist   offen und damit die gesuchte offene Umgebung von  . Da   als Funktion   stetig ist, aber nur Werte im Intervall   annimmt, ist   auch als Funktion   stetig.  


Korollar: Ein normaler Raum ist vollständig regulär.

Beweis: klar.  


Korollar: normal   vollständig regulär   regulär   hausdorffsch        .

Beweis: Das ist nur die Zusammenfassung der bisherigen Überlegungen.  


Schließlich kommen wir noch zu einem Satz, der eine Beziehung zwischen den Trennungsaxiomen und der Konvergenz von Filtern herstellt.

Satz: Ein topologischer Raum   ist genau dann hausdorffsch, wenn jeder Filter höchstens einen Limespunkt hat.

Beweis: Sei zunächst   ein Hausdorffraum und   ein Filter auf  . Angenommen, es gibt mehr als einen Limespunkt. Dann seien   verschiedene Limespunkte von  . Da   gegen beide Punkte konvergiert, gehören sowohl die Umgebungen von   als auch die Umgebungen von   zu  . Weil   hausdorffsch ist, haben   und   disjunkte Umgebungen. Der Durchschnitt dieser Umgebungen, also die leere Menge, müsste dann aber im Widerspruch zur Definition eines Filters ebenfalls zu   gehören.

Habe jetzt andererseits jeder Filter höchstens einen Limespunkt, und seien   zwei verschiedene Punkte in  . Sei   der Umgebungsfilter von   und   der von  . Angenommen, es gäbe keine zwei disjunkten Umgebungen   und  , so wäre durch   die Basis eines Filters definiert. Es wäre nämlich   nach Annahme, und für zwei Mengen   wäre  . Der von dieser Basis erzeugte Filter enthielte aber wegen   alle Umgebungen von   und ebenso alle Umgebungen von  . Dann wären aber sowohl   als auch   Limespunkte des Filters im Widerspruch zur Voraussetzung. Der Raum   ist also hausdorffsch.  


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