Mathematik: Topologie: Kompaktheit

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Kompakte Räume Bearbeiten

Die Kompaktheit ist eine Endlichkeitsaussage für Teilmengen topologischer Räume.

Definition: Überdeckung
Sei   Teilmenge eines topologischen Raumes   und   eine beliebige Indexmenge.

Eine Familie   von Teilmengen   heißt Überdeckung von  , wenn   in der Vereinigung der   enthalten ist, also  .

Die Überdeckung heißt offen (abgeschlossen), wenn alle   offen (abgeschlossen) sind.

Definition: Quasikompakt
Ein topologischer Raum   heißt quasikompakt, wenn jede offene Überdeckung   von   eine endliche Teilüberdeckung enthält, in Formeln: Es gibt eine endliche Teilmenge  , so daß  . Eine Teilmenge   eines Raumes   heißt quasikompakt, wenn sie als Unterraum von   quasikompakt ist.
Definition: Kompaktheit
Ein topologischer Raum   heißt kompakt, wenn er quasikompakt und hausdorffsch ist. Wie vorher ist eine Teilmenge   eines Raumes   kompakt, wenn sie als Unterraum von   kompakt ist. Eine Teilmenge   von   heißt relativ kompakt, wenn der Abschluß   kompakt ist.

Bemerkung: Ein kompakter Raum ist quasikompakt.


Satz: Ein Raum   ist genau dann quasikompakt, wenn jede Familie   abgeschlossener Teilmengen   von   mit   bereits endlich viele Mengen   enthält mit  .

Beweis: Sei zunächst   quasikompakt und   eine Familie abgeschlossener Mengen mit  . Dann sind die Mengen   offen für alle   und die Familie   ist eine offene Überdeckung von   wegen  . Da   quasikompakt ist, gibt es eine endliche Teilüberdeckung   von  . Dann ist aber  . Die Mengen   bilden also die endliche Teilfamilie mit leerem Durchschnitt.

Das war die eine Richtung. Nehmen wir nun an, daß es für jede Familie abgeschlossener Mengen mit leerem Durchschnitt bereits eine endliche Teilfamilie mit leerem Durchschnitt gibt. Sei weiter   eine offene Überdeckung von  . Dann sind die Mengen   abgeschlossen, und es gilt  . Die Familie der   hat also leeren Durchschnitt, und es gibt eine endliche Teilfamilie   mit leerem Durchschnitt. Dann ist aber  , und das bedeutet, daß die   die gesuchte endliche Teilüberdeckung bilden.  


Satz: Ein topologischer Raum   ist genau dann quasikompakt, wenn jeder Ultrafilter konvergiert.

Beweis: Sei zunächst   quasikompakt und   ein Ultrafilter auf  . Da   ein Filter ist, ist für jede Filtermenge   auch der Abschluß   eine Filtermenge. Wäre der Durchschnitt  , so gäbe es nach dem vorangegangenen Satz bereits endlich viele Filtermengen   mit leerem Durchschnitt. Da endliche Durchschnitte von Filtermengen aber selbst wieder Filtermengen sind, wäre dann die leere Menge eine Filtermenge, was der Definition eines Filters widerspricht. Es folgt also  . Sei nun  . Dann ist   für alle Umgebungen   von   und alle Filtermengen  . Die Menge   bildet daher die Basis eines Filters  . Nach Definition von   gehören alle Umgebungen zu  , und das bedeutet, daß   gegen   konvergiert. Andererseits gehören alle Filtermengen von   zu  , und das heißt, daß   feiner als   ist. Da   ein Ultrafilter ist, folgt   und damit die Konvergenz von  .

Konvergiere jetzt jeder Ultrafilter auf  , und sei   eine offene Überdeckung von  . Nehmen wir an, daß es keine endliche Teilüberdeckung gibt. Dann ist   für alle endlichen Teilmengen  . Daraus folgt   für alle endlichen Teilmengen  . Sind   zwei endliche Teilmengen von  , so ist  . Die Menge   ist also die Basis eines Filters   auf  . Sei weiter   ein Ultrafilter, der   enthält. Dann konvergiert   nach Voraussetzung gegen einen Punkt  . Da die   eine Überdeckung von   bilden, gibt es ein  , so daß  .   ist damit eine Umgebung von  , und wegen der Konvergenz von   muß   sein. Nun ist aber   eine endliche Teilmenge von  , und folglich ist auch  . Mit   und   folgt dann   im Widerspruch zur Definition des Filters. Es muß also eine endliche Teilüberdeckung der   geben. Der Raum   ist also quasikompakt.  


Satz: Abgeschlossene Teilmengen quasikompakter Räume sind quasikompakt.

Beweis: Sei   eine abgeschlossene Teilmenge des quasikompakten Raumes  . Sei weiter   eine offene Überdeckung von  . Nimmt man zu dieser Familie noch das offene Komplement   von   hinzu, so erhält man eine offene Überdeckung von  . Da   quasikompakt ist, gibt es eine endliche Teilüberdeckung von X, die insbesondere auch eine Überdeckung von   ist.  


Für den Beweis der anderen Richtung braucht man die Hausdorff-Eigenschaft.

Satz: Kompakte Teilmengen eines Hausdorff-Raumes sind abgeschlossen.

Beweis: Sei   eine kompakte Teilmenge eines Hausdorff-Raumes  . Sei weiter   irgendein Punkt im Komplement von  . Da   hausdorffsch ist, gibt es für jeden Punkt   offene Umgebungen   von   und   von   mit  . Die Familie   der Umgebungen   für alle Punkte   ist eine offene Überdeckung von  . Nun ist   kompakt und wird daher von endlich vielen dieser Umgebungen   überdeckt. Sei   der Durchschnitt der entsprechenden Umgebungen   von  . Als endlicher Durchschnitt offener Umgebungen ist   ebenfalls eine offene Umgebung von  . Wegen   ist   für alle  . Da die   eine Überdeckung von   bilden, ist auch  , also  .   enthält also mit jedem Punkt   auch noch eine offene Umgebung   von   und ist damit offen. Also ist   wie behauptet abgeschlossen.  


Diese beiden Sätze ergeben zusammen den

Satz: Teilmengen eines kompakten Raumes sind genau dann kompakt, wenn sie abgeschlossen sind.


Satz: Jeder kompakte Raum ist normal.

Beweis: Seien   disjunkte abgeschlossene Teilmengen eines kompakten Raumes  . Es ist zu zeigen, daß es zwei disjunkte offene Umgebungen von   und   gibt. Sei zunächst   ein fester Punkt in  . Nun ist   ein Hausdorff-Raum. Für jeden Punkt   gibt es daher zwei disjunkte offene Mengen   und   mit  . Offensichtlich bilden die Mengen   eine offene Überdeckung von  . Wegen der Kompaktheit von   ist die abgeschlossene Menge   ebenfalls kompakt, so daß es eine endliche Teilüberdeckung   von   gibt. Dann ist der endliche Durchschnitt   der entsprechenden offenen Umgebungen   von   ebenfalls eine offene Umgebung von  . Für alle   ist  . Daraus folgt   und weiter  . Wir haben damit für jeden Punkt   disjunkte offene Mengen   und   gefunden mit   und  . Jetzt drehen wir den Spieß um und betrachten die offene Überdeckung   von  .   ist abgeschlossen und damit kompakt. Es gibt also eine endliche Teilüberdeckung   von  . Wir definieren nun  . Dann ist   als endlicher Durchschnitt offener Mengen offen. Weiter gilt   wegen   für alle  . Nun ist   für alle  , und es folgt   für alle   und damit auch  . Schließlich setzen wir  , und haben damit die gesuchten offenen Mengen   mit   und  .  


Satz: Sei   ein quasikompakter Raum und   eine stetige Abbildung. Dann ist   quasikompakt.

Beweis: Sei   eine offene Überdeckung von  . Wegen der Stetigkeit sind die Mengen   offen, und   ist eine offene Überdeckung von  . Da   quasikompakt ist, gibt es eine offene Teilüberdeckung   von  . Die Mengen   bilden dann eine endliche Teilüberdeckung von  .  


Satz: Für je zwei reelle Zahlen   ist das abgeschlossene Intervall   kompakt.

Beweis: Die reellen Zahlen sind hausdorffsch und damit auch jedes Intervall. Seien nun   zwei reelle Zahlen. Es bleibt noch zu zeigen, daß das Intervall   quasikompakt ist. Dazu sei   eine offene Überdeckung des Intervalls. Betrachte nun die Menge aller Zahlen  , für die das Intervall   in einer endlichen Teilüberdeckung enthalten ist, also  . Wegen   gibt es einen Index   mit  . Die Menge   ist also nicht leer. Ist  , so ist   für geeignete  . Dann ist für alle   wegen   auch  . Anders formuliert ist mit jedem   auch  . Sei   die kleinste obere Schranke von  . Nun ist auf jeden Fall   eine obere Schranke von  , und daher ist   bzw.  . Es gibt also ein  , so daß  . Da   offen ist, gibt es ein in   offenes Intervall  . Jetzt ist aber   die kleinste obere Schranke von  , und das bedeutet  , also   für geeignete Mengen  . Daraus folgt  . Das Intervall   wird also von endlich vielen der   überdeckt, und damit ist  . Wäre nun  , könnte man   so wählen, daß auch   ist. Wegen   wäre dann aber auch  , also   im Widerspruch dazu, daß   eine obere Schranke von   ist. Es folgt  , und das bedeutet, daß   von endlich vielen der   überdeckt wird. Das Intervall   ist also quasikompakt.  


Satz: Sei   ein topologischer Raum und   eine Subbasis der Topologie.   ist genau dann quasikompakt, wenn jede Überdeckung   von   mit Mengen   der Subbasis eine endliche Teilüberdeckung von   enthält.

Beweis: Wenn   quasikompakt ist, enthält jede offene Überdeckung, und damit auch insbesondere jede Überdeckung mit Mengen der Subbasis eine endliche Teilüberdeckung.

Sei also nun   ein Raum mit einer Subbasis  , so daß jede Überdeckung mit Mengen aus   eine endliche Teilüberdeckung enthält. Wir wollen zeigen, daß jeder Ultrafilter auf   konvergiert. Nehmen wir an, daß es einen Ultrafilter   auf   gibt, der nicht konvergiert. Dann gibt es für jeden Punkt   eine offene Umgebung  , die nicht zu   gehört. Nun bilden die endlichen Durchschnitte von Mengen der Subbasis eine Basis der Topologie. Es gibt also endlich viele Mengen   mit  . Wegen   ist auch  . Dann muß es aber mindestens ein   geben mit  . Es gibt also für jedes   ein   mit  . Die Familie   bildet eine Überdeckung mit Mengen der Subbasis. Nach Voraussetzung gibt es eine endliche Teilüberdeckung  .   ist ein Ultrafilter, und daher gilt für jede Teilmenge   entweder   oder  . in unserem Fall folgt   für alle  . Nun ist aber   und damit  . Zusammen erhält man daraus   im Widerspruch zur Definition des Filters. Daher kann es keinen nicht konvergenten Ultrafilter geben,   ist also quasikompakt.  


Satz (Tychonoff): Sei   ein nicht-leeres Produkt topologischer Räume.   ist genau dann quasikompakt, wenn alle   quasikompakt sind.

Beweis: Da   ist, sind nach Definition des Produktes die Projektionen   surjektiv. Nach Definition der Produkttopologie sind sie auch stetig. Ist   quasikompakt, dann sind die   als Bild des quasikompakten Raumes   ebenfalls quasikompakt.

Seien nun die Räume   quasikompakt. Wir betrachten die Subbasis   der Produkttopologie. Nach dem vorigen Satz reicht es zu zeigen, daß jede Überdeckung mit Mengen dieser Subbasis eine endliche Teilüberdeckung enthält. Sei   eine Überdeckung von   mit  . Für ein festes   betrachte die Familie   aller in   offenen Teilmengen   mit   für ein  . Wäre diese Familie eine Überdeckung von  , so gäbe es wegen der Quasikompaktheit von   eine endliche Teilüberdeckung   von  . Dann wäre aber bereits   eine endliche Teilüberdeckung von  , und wir wären fertig. Wir können also annehmen, daß die Familie   für kein   eine Überdeckung ist. Für jedes   gibt es daher ein  , das nicht in einer der Mengen aus   liegt. Sei nun der Punkt   gegeben durch die Familie  . Dann ist   für alle  . Es gibt nun ein   mit  , da die Mengen   eine Überdeckung von   bilden.   ist eine Menge der Subbasis und ist damit von der Form   für einen Index   und eine offene Menge  . Dann ist aber   im Widerspruch zur Wahl von  . Unsere Annahme, daß die Familien   für kein   eine Überdeckung bilden, ist also falsch. Daher enthält unsere ursprüngliche Überdeckung   eine endliche Teilüberdeckung, und   ist damit quasikompakt.  


Satz (Heine-Borel): Eine Teilmenge des   ist genau dann kompakt, wenn sie abgeschlossen und beschränkt ist.

Beweis: Sei zunächst   kompakt. Da der   hausdorffsch ist, ist   nach einem der vorhergehenden Sätze abgeschlossen. Betrachten wir nun für alle natürlichen Zahlen   die offenen Kugeln   vom Radius   um den Ursprung. Die Familie   aller dieser Kugeln bildet eine offene Überdeckung des  , und die Durchschnitte   dieser Kugeln mit der Menge   bilden dann eine offene Überdeckung von  . Da   kompakt ist, reichen endlich viele dieser Mengen aus, um   zu überdecken. Sei   der größte auftretende Radius aller Kugeln der endlichen Überdeckung. Da die Kugeln ineinanderliegen, folgt  .   ist also in der Kugel mit Radius   enthalten, und das bedeutet, daß   beschränkt ist.

Sei nun   abgeschlossen und beschränkt. Die Hausdorff-Eigenschaft ist klar. Wegen der Beschränktheit ist   in einem Würfel   der Kantenlänge   enthalten. Dieser Würfel ist aber das Produkt   der abgeschlossenen Intervalle  . Daß die abgeschlossenen Intervalle   kompakt sind, haben wir bereits bewiesen, und nach dem Satz von Tychonoff ist dann auch der Würfel kompakt. Nun ist aber   als abgeschlossene Teilmenge des kompakten Würfels ebenfalls kompakt.  


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