Was ist Mathematik? – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Was ist Mathematik?

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Die Mathematik ist eine für unser Leben unentbehrliche Wissenschaft. Sie hilft uns, zu vielen Fragen und Problemen Lösungen zu finden und ist für zahlreiche weitere Wissenschaften unersetzlich. Für einige Menschen besitzt sie sogar einen Wert an sich. Dabei ist die Frage, was Mathematik ist, gar nicht leicht zu beantworten. Was macht also die Mathematik aus und womit beschäftigt sie sich?

Historisch ist die Mathematik aus der Untersuchung von geometrischen Figuren und dem Rechnen mit Zahlen entstanden. Heute beschäftigt sie sich in unterschiedlichen Teilgebieten mit abstrakten Strukturen, die in der Regel durch einige wenige Grundaussagen beschrieben werden. Diese Grundaussagen heißen Axiome und alle weiteren Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten der Struktur werden aus den Axiomen mit Hilfe der Logik hergeleitet. Ein Beispiel für eine solche Struktur sind die natürlichen Zahlen, die durch die Peano-Axiome beschrieben werden. Ein anderes Beispiel ist die euklidische Geometrie, die durch Hilberts Axiomensystem charakterisiert wird.

Wie funktioniert Mathematik?

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Skizze zum mathematischen Gebäude

Jede mathematische Theorie besitzt dabei ihre eigenen Axiome. Theorien bauen auch oftmals aufeinander auf, indem sie die Axiome einer Theorie um neue erweitern. Ob die Theorie dabei in sich stimmig ist, also keine Widersprüche erzeugt, zeigt sich erst im Laufe ihrer Entwicklung. Innerhalb einer Theorie werden aus den Axiomen weitere Aussagen hergeleitet, die man Theoreme oder Sätze nennt. Aus den neu gewonnenen Theoremen und den ursprünglichen Axiomen werden weitere Theoreme bewiesen, über die weitere Theoreme bewiesen werden und so fort. Am Ende hat man so eine Vielzahl von Sätzen hergeleitet, die eine mathematische Theorie ausmachen.

Oft wird der Aufbau einer mathematischen Theorie mit dem eines Gebäudes verglichen. Das Fundament bilden die Axiome. Darauf setzen die Theoreme auf und die Beweise sind der Mörtel, welcher alles zusammenhält. Am Ende entsteht so ein komplettes mathematisches Gebäude, die mathematische Theorie. Die Aufgabe des Mathematikers ist hier ähnlich der eines Maurers. Er findet und setzt Axiome für neue Theorien (Fundament legen) und beweist neue Theoreme (neue Steine mit Mörtel auf die Wand mauern).

Ziel einer mathematischen Theorie ist es, gewisse abstrakte Strukturen zu beschreiben und Vorhersagen über diese Strukturen zu machen. Die natürlichen Zahlen mit ihren Rechengesetzen oder Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen sind Beispiele für solche Strukturen. Die Axiome einer Theorie legen die betrachtete Struktur fest und die Theoreme sind zusätzliche Eigenschaften der Struktur. Indem Theoreme aus den Axiomen logisch hergeleitet sind, ist garantiert, dass die Struktur die Eigenschaften besitzt, welche durch die Theoreme beschrieben werden. Dies begründet auch das Vorgehen des Beweisens. Immer, wenn man etwas findet, das alle Axiome einer Theorie erfüllt, sind dafür alle Theoreme der Theorie anwendbar, ohne dass man dies extra nachprüfen muss.

Bei der Erforschung einer mathematischen Theorie sieht man oft Muster, die häufig oder in „natürlicher Weise“ auftreten. Man gibt ihnen dann Namen, um sie einfach und kurz bezeichnen zu können. So werden neue Objekte definiert. Diese Definitionen sind entscheidend dafür, dass man kurz und trotzdem exakt über mathematische Theorien sprechen kann. Wenn wir zum Beispiel wissen, was die natürlichen Zahlen sind und wie man sie in Faktoren zerlegen kann, so stoßen wir auf die Struktur der Primzahlen (Zahlen, die sich nur durch eins und sich selbst teilen lassen). Ob und wann eine bestimmte Definition sinnvoll ist, ist durchaus nicht immer leicht zu beantworten. In Bezug auf die Primzahlen erwies es sich später als vorteilhaft, sie wie folgt zu definieren: „Eine Primzahl ist eine natürliche Zahl, die genau 2 Teiler hat.“ Weil die Eins jetzt keine Primzahl mehr ist, kann z. B. eindeutig (bis auf die Reihenfolge) durch das Produkt von vier Primzahlen () dargestellt werden. Bei der Beschäftigung mit mathematischen Objekten erkennt man oft weitere Muster. Beispielsweise sieht man bei Primzahlen, dass es sehr viele von ihnen gibt. Man gelangt so zur Vermutung: Möglicherweise gibt es unendlich viele Primzahlen. Ganz gleich, wie offensichtlich eine Vermutung sein kann: Man muss sie nach den strengen Prinzipien der Logik beweisen.

Oft sind mathematische Theorien durch Naturbeobachtungen oder „die Welt um uns herum“ motiviert. So erhält man intuitive Ideen von Strukturen, die man mathematisch beschreiben will. Welche Axiome man als Grundlage einer Theorie wählen sollte, ist keine einfache Frage. Ein Beispiel sind die natürlichen Zahlen: Früh begegnet uns die Idee des Zählens und wir vergleichen Mengen, indem wir die Anzahl ihrer Elemente bestimmen. Ebenso ist uns klar, wie man Zahlen addieren kann. Die Aufgabe eines Mathematikers besteht nun darin, die Struktur der natürlichen Zahlen durch Axiome zu beschreiben. Dazu werden einige einleuchtende Eigenschaften der natürlichen Zahlen festgehalten. Als Mathematiker muss man nun die „richtigen“ Axiome finden, um die Struktur vollständig zu beschreiben. Sie müssen unabhängig voneinander sein und es sollten möglichst wenige davon gesetzt werden.

Sind die Axiome aber erst einmal gesetzt, so existieren sie unabhängig von der „Welt um uns herum“ – und alle daraus logisch ableitbaren Schlussfolgerungen ebenso. Anders als formulierte Naturgesetze der Physik oder Chemie können sie nicht durch spätere Experimente widerlegt werden, sondern gelten als „unbedingt wahr“. In diesem Moment löst sich die Mathematik von den Naturbeobachtungen und ist deshalb streng genommen auch keine Naturwissenschaft mehr. Von einigen wird die Mathematik deshalb den Geisteswissenschaften zugeordnet. Heutzutage wird sie oftmals als Strukturwissenschaft bezeichnet. Wenn die Gesetze der Logik universelle Gültigkeit haben (also zu jeder Zeit und an jedem Ort stimmen), so müsste jede andere Gesellschaft, wenn sie von denselben Axiomen ausgeht, dieselbe Mathematik entwickeln wie wir – ganz egal, ob es sich dabei um Menschen oder eine außerirdische Intelligenz handeln würde. Einmal bewiesene Aussagen haben innerhalb einer mathematischen Theorie eine ewige Gültigkeit und sind nicht mehr widerlegbar.

Die Frage, ob die Logik wirklich so universell ist und welche Axiome zu wählen sind, ist jedoch eine heikle und durchaus philosophische Frage. Als Grundlage des mathematischen Schlussfolgerns wird heutzutage die formale Logik verwendet. Die Logik – traditionell ein Teil der Philosophie – ist heute ein fester Bestandteil der Mathematik. Als axiomatische Grundlage verwendet man in der modernen Mathematik die Axiome der Mengenlehre nach Ernst Zermelo und Abraham Adolf Fraenkel (kurz: ZF) und zumeist das Auswahlaxiom (ZFC, vom englischen choice). Letzteres Axiom ist nicht völlig unumstritten, da sich damit teilweise kontraintuitive Ergebnisse beweisen lassen. Andererseits ist das Auswahlaxiom jedoch für viele Bereiche der Mathematik unerlässlich.

Wird Mathematik entdeckt oder erschaffen?

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Diese Frage ist eher philosophischer Natur. Es gibt hierzu zwei unterschiedliche Positionen. In der ersten, der so genannten platonischen Sichtweise sind mathematische Objekte universell vorhanden und werden vom Mathematiker entdeckt. Der Konstruktivismus demgegenüber nimmt die Position ein, dass Mathematik von Menschen erschaffen wird: Ein mathematisches Objekt kann nur dann existieren, wenn man weiß, wie es konstruiert wird. Der Mathematiker Leopold Kronecker tätigte hierzu auch den Ausspruch: „Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk.“ Hier betont Kronecker den konstruktiven Charakter der Mathematik, nennt aber mit den ganzen Zahlen auch ein für ihn platonisches Element.

Welche Sichtweise du der Mathematik gegenüber einnimmst, ist dir frei überlassen.[1]

Mathematik und die Natur

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Es ist tatsächlich bemerkenswert, dass sich die Natur durch unsere Mathematik sehr gut beschreiben lässt. Galileo Galilei schrieb dazu: „Das Buch der Natur ist mit mathematischen Symbolen geschrieben.“ Fast alle Wissenschaften nutzen die Mathematik, um mit ihr Modelle über ihr jeweiliges Forschungsfeld zu erstellen: Die Physik, die Chemie, die Biologie, die Wirtschaftswissenschaften und die Geographie zählen dabei noch zu den „direktesten Anwendern“. Jedoch praktisch alle empirischen Wissenschaften führen Beobachtungen durch und brauchen die Hilfsmittel der Statistik, um ihre Aussagen überprüfen zu können.

Dass sich die mehr oder weniger alltäglichen Phänomene mit Hilfe von Mathematik gut erklären lassen, mag vielleicht nicht verwundern: Schließlich wurde die Mathematik entwickelt, um solche Phänomene zu beschreiben. Es ist jedoch erstaunlich, wie universell die Methoden der Mathematik sind. Sie sind auch auf neuere Beobachtungen anwendbar und auf Phänomene, die nichts mit unserem Alltag zu tun haben: die Berechnungen von Planetenbahnen etwa oder elektromagnetische Felder und Ströme. Diese Dinge wurden entdeckt, als die Mathematik schon entwickelt war und nicht „mal eben angepasst“ werden konnte. Noch viel verblüffender ist die Tatsache, dass Mathematiker manchmal völlig abstrakte Konzepte entwickeln, ohne über eine mögliche Anwendung nachzudenken und diese Strukturen sich erst lange Zeit später in Naturbeobachtung wiederfinden, sozusagen „in der Natur realisiert“ sind. Hierfür gibt es streng genommen keinerlei logischen Grund. Schon Albert Einstein stellte sich die Frage, wie es kommt, dass die Mathematik „auf die Gegenstände der Wirklichkeit so vortrefflich passt.“

Viele mathematische Bereiche hängen auch sehr eng mit Naturbeobachtungen zusammen. Deswegen unterscheidet man häufig die reine von der angewandten Mathematik. Die Abgrenzung ist dabei oftmals unscharf, doch gibt es einige Forschungszweige, die man klar der einen oder der anderen Richtung zuweisen kann. „Algebra“ und „Zahlentheorie” zählen beispielsweise zur reinen Mathematik. Die Frage, wie man mit Hilfe von Computern am effizientesten Klimasimulationen durchführen kann, ist jedoch sicherlich angewandt und fällt in den Bereich der „Numerik“.

Teilgebiete der Mathematik

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Die ältesten Teilgebiete der Mathematik sind die Geometrie und die Zahlentheorie. Die Geometrie beschäftigt sich mit Figuren in der Ebene wie Dreiecken oder Kreisen und mit Körpern im Raum wie Pyramiden, Quadern oder Kugeln. Die Zahlentheorie, auch Arithmetik genannt, untersucht die Eigenschaften der Zahlen, vor allem der natürlichen Zahlen , und die damit verbundenen Rechengesetze. Diese beiden Teilgebiete werden schon seit tausenden von Jahren betrieben. Sie waren nicht nur den Babyloniern, den Ägyptern und den Griechen bekannt, sondern auch den Chinesen, Indern und den Mayas.

Die grundlegenden Gebiete der modernen Mathematik sind Analysis und Lineare Algebra. Sie werden an den Hochschulen in der Regel als mehrsemestrige Kurse angeboten. Schwerpunkt in der Analysis sind Grenzwertprozesse wie Ableitungen oder Integrale. Die Lineare Algebra behandelt demgegenüber Vektorräume und lineare Abbildungen zwischen diesen Vektorräumen.

Eine Sonderrolle als Teilgebiete der Mathematik spielen seit dem 20. Jahrhundert die Logik und die Mengenlehre. Sie haben eine Doppelrolle: sie sind einerseits Teilgebiete der Mathematik und nutzen mathematische Methoden, stellen aber andererseits die Grundlagen für die gesamte Mathematik zur Verfügung. Die rasante Entwicklung der Naturwissenschaften, der Technik und der Informatik machte ein Nachdenken über die Grundlagen der Mathematik, und damit eine Beschäftigung mit Logik und Mengenlehre, notwendig.

Aus den Anfängen der Mathematik hat sich eine Vielzahl von weiteren Teilgebieten entwickelt. Der Brockhaus[2] nennt 11 Teilgebiete:

  • Geometrie
  • Zahlentheorie
  • Algebra
  • Mengenlehre
  • Logik
  • Analysis
  • Funktionentheorie, -analysis
  • Topologie, Graphentheorie
  • Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik
  • Komplexitätstheorie
  • Numerische Mathematik

Im Wikipedia-Artikel „Teilgebiete der Mathematik“ werden 21 Teilgebiete genannt.

In der Funktionentheorie werden komplexe Funktionen analysiert. Die Topologie beschäftigt sich mit der Verformung von Körpern, die Graphentheorie mit Knoten und Kanten. Die Wahrscheinlichkeitstheorie untersucht zufällige Ereignisse, die Statistik entwickelt Methoden zur Auswertung von Messdaten. In der Numerischen Mathematik werden Berechnungsverfahren ermittelt und die Komplexitätstheorie untersucht den Aufwand von Rechenverfahren.

Charakteristisch für die Mathematik sind fließende Übergänge von einem Teilgebiet zum anderen. Immer wieder werden die in einem Teilgebiet entwickelten Methoden auch in anderen Teilgebieten verwendet. Daher ist es kaum möglich, die Teilgebiete exakt voneinander abzugrenzen.