Wörterbuch – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Axiom Bearbeiten

Ein Axiom ist eine Aussage, die als wahr vorausgesetzt wird, ohne bewiesen zu werden; meist wird sie auch als unbeweisbar angenommen. Die Axiome bilden insofern die Grundlagen der jeweiligen mathematischen Theorien, als von ihnen ausgehend alle anderen Aussagen bewiesen (oder widerlegt) werden, sie selbst aber (meist) nicht hinterfragt werden.

Siehe auch:   Wikipedia-Artikel „Axiom“

eindeutig Bearbeiten

Ist die Existenz eines mathematischen Objektes gezeigt, so stellt sich als Nächstes meist die Frage nach der Eindeutigkeit dieses Objekts. Dazu muss man sich zuerst überlegen, in welcher Menge das Objekt liegt. Auf dieser Menge benötigt man nun Methoden, um zwei Objekte vergleichen zu können, was durch Relationen gelöst wird, wie sie im Kapitel Relation eingeführt werden. Da dies hier noch nicht vorausgesetzt wird, wollen wir die nötigen Grundbegriffe an einem einfachen Beispiel kurz erläutern.

Wir betrachten die Ungleichung  . Besitzt diese Ungleichung eine eindeutige Lösung? Wie oben beschrieben müssen wir uns nun zuerst überlegen, auf welcher Menge die Lösung eindeutig sein soll. Wählen wir z. B.  , so ist 0 die eindeutige Lösung der Gleichung. Für   gibt es allerdings schon unendlich viele Lösungen. Soll   sein, so gibt es gar keine Lösung. Implizit haben wir hierbei die Relation „ “ für die reellen Zahlen verwendet, die es uns erlaubt, zwei Lösungen zu vergleichen. Dies scheint in diesem Beispiel keine Rolle zu spielen, deshalb möchte ich noch ein weiteres Beispiel angeben, in dem es wichtig ist, die  -Relation explizit zu verwenden.

Wir betrachten Funktionen  . Gibt es eine eindeutige Funktion, so dass   für  ? Hier haben wir das Problem, dass wir zwei Funktionen vergleichen müssen. Wir tun dies auf zuerst natürliche Weise, indem wir sagen, dass zwei Funktionen   gleich sind  , falls sie in allen Punkten übereinstimmen, d. h.   für alle  . Es ist hier extrem wichtig, sich den Unterschied zwischen „ “ von Funktionen und „ “ von reellen Zahlen klar zu machen! Wir haben deshalb extra das Symbol   für die Gleichheit von Funktionen verwendet. In der Literatur wird häufig das normale Gleichheitszeichen verwendet, aber man sollte immer im Hinterkopf behalten, wie genau das Gleichheitszeichen für verschiedene Objekte definiert ist. Um uns der Eindeutigkeit zuwenden zu können, müssen wir uns wieder überlegen, in welchem Raum die Funktionen liegen sollen. Betrachten wir z. B. die stetigen Funktionen, so gibt es die eindeutige Lösung  , da die Funktion wegen der Stetigkeit bei 0 nicht einfach „springen“ kann. Betrachten wir allerdings beliebige Funktionen, so gibt es keine eindeutige Lösung mehr, da die Funktion in 0 jeden beliebigen Wert annehmen kann und deshalb alle Funktionen   für   und   mit   beliebig vorkommen können. Betrachten wir zwei solche Funktionen mit   und  ,  , wobei wir   wählen, und vergleichen sie mit der Relation  , die wir oben definiert haben, so gilt   und deshalb  . Sagen wir allerdings, dass zwei Funktionen gleich sind, wenn sie im Punkt   übereinstimmen, d. h.  , so gilt auch im Fall beliebiger Funktionen   und deshalb  , d. h., in diesem Fall ist die Lösung wieder eindeutig.

Siehe auch:   Wikipedia-Artikel „Eindeutigkeit“

existiert Bearbeiten

Die Existenz einer Lösung ist, zusammen mit der Eindeutigkeit, eine der ersten Fragestellungen eines Problems, die ein Mathematiker zu beantworten sucht. Ein berühmtes Beispiel ist die Frage der Existenz von Lösungen der Gleichung   für  , was als   Großer Fermatscher Satz oder Fermatsche Vermutung bekannt ist. Erst 400 Jahre später konnte von Andrew Wiles gezeigt werden, dass diese Gleichung keine Lösungen für   mit   besitzt. Allgemein gibt es mehrere Möglichkeiten, die Existenz eines mathematischen Objekts zu zeigen. Natürlich kann man das gesuchte Objekt explizit angeben, im obigen Beispiel für   z. B. durch  . Weiterhin kann man eine Anleitung zur Konstruktion aus vorhandenen Objekten geben oder die Annahme der Nichtexistenz des Objekts zum Widerspruch führen (Widerspruchsbeweis). Insbesondere muss ein reiner Existenzbeweis keinen Anhaltspunkt geben, wie eine Lösung konkret berechnet werden kann. Deshalb wird häufig scherzhaft behauptet, ein Mathematiker sieht ein Problem schon als gelöst an, wenn Existenz und Eindeutigkeit der Lösung gezeigt sind, ohne sich Gedanken über die explizite Bestimmung des Ergebnisses zu machen.

Siehe auch:   Wikipedia-Artikel „Existenz“

oBdA/oE Bearbeiten

OBdA und oE sind Abkürzungen für „ohne Beschränkung der Allgemeinheit“ bzw. „ohne Einschränkung“. Wird in dem Beweis eines Satzes eine Einschränkung der Voraussetzungen vorgenommen, z. B. das Setzen einer Variable auf 0, so gibt die Formulierung oBdA (bzw. oE) an, dass die Gültigkeit der Aussage des Satzes durch diese Vereinfachung nicht beschränkt wird. Man verwendet dies, um die Beweisführung einfacher und übersichtlicher zu gestalten, da dies meist weniger Schreibaufwand erfordert.

Siehe auch:   Wikipedia-Artikel „Ohne Beschränkung der Allgemeinheit“

Korollar Bearbeiten

Ein Korollar ist ein Satz, der direkt, d. h. ohne längeren weiteren Beweis, aus einem vorherigen Satz folgt.

Siehe auch:   Wikipedia-Artikel „Korollar“

Lemma Bearbeiten

Ein Lemma ist ein Hilfssatz. Lemmata werden später meist dazu benutzt, andere Sätze zu beweisen.

Siehe auch:   Wikipedia-Artikel „Hilfssatz“

qed Bearbeiten

„qed“, auch „q.e.d.“, ausgeschrieben „quod erat demonstrandum“ (deutsch: „was zu beweisen war“, auch „w.z.b.w.“; eigentlich: „was zu zeigen war“) ist ein verbreitetes Kürzel, um das Ende eines Beweises zu kennzeichnen.

Im Verlauf von Beweisen entfernt man sich oft ziemlich weit vom ursprünglichen Thema, sodass du leicht übersiehst, wenn irgendwann die ursprünglich zu beweisende Formel als Schlussfolgerung wieder auftaucht; es kann auch passieren, dass man zum Beweis eines Satzes auf weitere (sogenannte Hilfssätze) verweist, die zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht als wahr bekannt sind, dann im Anschluss aber eigens bewiesen werden. „qed“ weist dich darauf hin, dass der Beweis hier vollständig abgeschlossen ist.

Als Marker für das Ende eines Beweises werden auch die Symbole □ und ■ verwendet. Diese werden Grabstein, Kiste oder Halmos (nach   Paul Halmos) genannt.

Siehe auch:   Wikipedia-Artikel „qed“

sei Bearbeiten

„Sei“ ist eine weitere typische Redewendung, die in Sätzen und Beweisen auftritt. Ein Mathematiker geht bei seinen Folgerungen immer von gewissen Objekten aus, die er in seinen Rechnungen verwendet. Um solch einen Ausgangspunkt zu kennzeichnen, verwendet man häufig die Formulierung „sei“, z. B. „Sei   eine Primzahl“. Wie man an dem Beispiel gut sehen kann, muss das so eingeführte Objekt nicht unbedingt genau klassifiziert werden, allerdings muss man darauf achten, ob es wohldefiniert ist.

Theorem Bearbeiten

Wenn ein Mathematiker betonen möchte, dass ein Satz sehr wichtig ist (z. B. weil er viele Anwendungsmöglichkeiten bietet), dann nennt er ihn nicht einfach nur „Satz“, sondern „Theorem“. Das klingt schöner.

Siehe auch:   Wikipedia-Artikel „Theorem“

trivial Bearbeiten

„trivial“ ist das wohl bekannteste Unwort der Mathematik. Vielleicht hast du es selbst schon erlebt: Du sitzt in der Vorlesung. Schreibst seit einer Stunde das Tafelbild ab, ohne einen blassen Schimmer zu haben, worum es gerade geht. Dein Professor hat ein neues Thema angefangen und beweist einen neuen Satz mit dem „Trivialargument“: „Der Beweis zu diesem Satz ist trivial. Ich lasse diesen deswegen weg und fahre mit Satz XYZ fort.“

Auch wenn dein Professor im obigen Satz eigentlich meinte: „Der Beweis ist vergleichsweise einfach. Wenn du alle Begriffe dieser Vorlesung und die Bedeutung des Satzes nachvollzogen hast, hast du eine gute Chance, den Beweis schnell zu finden. Es kann durchaus zeitaufwendig sein, die Trivialität des Beweises zu erkennen. Aber hinterher wirst du auch sagen, dass der Beweis trivial war.“ Leider versteht ein Student das Wort „trivial“ nicht unbedingt auf diese Weise. Er kann den obigen Satz des Professors auch so verstehen: „Der Beweis ist trivial. Man sollte keine Probleme haben ihn sofort zu beweisen. Wer dies nicht kann, hat nicht die Fähigkeiten ein guter Mathematiker zu werden.

Um dieses Missverständnis zu vermeiden, werde ich weitestgehend auf das Wort „trivial“ (und seine Brüder „offensichtlich“ und „einfach“) verzichten. Leider ist dies nicht voll und ganz möglich, denn „trivial“ ist auch ein etablierter Begriff der Mathematik. So ist die Rede von „trivialen Lösungen“, „trivialen Linearkombinationen“ und „trivialen Unterguppen einer Gruppe“. Bei diesen Begriffen wird „trivial“ mehr als Fachbegriff und weniger als wertendes Adjektiv verwendet.

Siehe auch:   Wikipedia-Artikel „Trivialität“ - Abschnitt „Mathematik“

wohldefiniert Bearbeiten

Da die Mathematik in der Regel auf sehr abstrakte und allgemeine Aussagen abzielt, müssen ihre Beweise dementsprechend auch häufig sehr allgemein formuliert sein. Werden dabei dann gewisse Objekte wie Zahlen oder Mengen ausgewählt oder gebildet, so sind diese folglich häufig auch nicht konkret angegeben, sondern nur durch eine charakteristische Eigenschaft beschrieben.

Beispiel (Mächtigkeit der Primzahlen)

Dein Professor will zeigen, dass es unendlich viele Primzahlen gibt. Dazu geht er davon aus, dass es nur endlich viele gibt, ohne aber festzulegen, wie viele es denn nun sind und welches die größte ist. Dann wählt er die Zahl   als das Produkt aller Primzahlen.   kann nur durch ihre charakteristische Eigenschaft („Produkt aller Primzahlen“) implizit beschrieben werden, ohne den expliziten Wert von   nennen zu können, da wir ja gar nicht wissen, wie denn nun die Primzahlen genau lauten.

Wie dir aber vielleicht auffällt, hat die Sache einen kleinen Haken: Du kannst auf diese Weise natürlich auch unsinnige Sachen beschreiben, die gar nicht möglich sind. So kannst du dir zum Beispiel   als die Zahl wählen, die gleichzeitig gerade und ungerade ist, was aber offenbar keine einzige Zahl erfüllt (auch nicht 0). Deswegen ist es wichtig, dass du bei deinen Beweisen prüfst, ob die von dir eingeführten Objekte auch wirklich existieren. Zusätzlich sollten sie auch noch in einem gewissen Sinne eindeutig sein, d. h., dass deine Beschreibung nicht auf zwei Objekte zutrifft, von denen aber eines für deine Argumentation vollkommen unbrauchbar ist. Ist dein so definiertes Objekt dann sowohl existent als auch eindeutig, so nennt man es wohldefiniert.

Siehe auch:   Wikipedia-Artikel „Wohldefiniertheit“