Koordinatenräume – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Der Koordinatenraum ist der Vektorraum der -Tupel mit Einträgen in einem Körper, versehen mit komponentenweiser Addition und Skalarmultiplikation. Ein Beispiel ist der aus der Schule bekannte Vektorraum .

Herleitung

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In der Mathematik benutzt man häufig bestehende Strukturen, um neue Strukturen zu definieren. Wie wir schon in der Einführung zum Vektorraum gesehen haben, können wir die aus der Schule bekannten Vektorräume und zu einem Vektorraum für jede natürliche Zahl erweitern. Dafür erinnern wir uns daran, wie die Addition von zwei Vektoren und die skalare Multiplikation zwischen einem Vektor und einem Skalar im und funktioniert: Wir haben

Mit anderen Worten ist die Addition und skalare Multiplikation komponentenweise definiert. Das heißt, die Addition und skalare Multiplikation im und ist dadurch definiert, dass wir jeweils in den einzelnen Komponenten addieren beziehungsweise in jeder Komponente mit dem Skalar multiplizieren. Genau so können wir auch eine Addition und eine skalare Multiplikation definieren, wenn unsere Vektoren nicht aus zwei oder drei, sondern aus reellen Zahlen bestehen. Das heißt, auf der Menge

definieren wir eine Vektoraddition und eine skalare Multiplikation komponentenweise.

Explizit passiert also folgendes: Für die Vektoraddition nutzen wir die Zahlenaddition in und für die skalare Multiplikation die Zahlenmultiplikation in . Seien und mit , dann ist die Vektoraddition definiert durch

Seien und , dann ist die skalare Multiplikation definiert durch

Wir können nun leicht überprüfen, dass mit dieser Vektoraddition und skalaren Multiplikation ein Vektorraun über dem Körper ist. Tatsächlich machen wir das in einer verallgemeinerten Version weiter unten in diesem Artikel.

Damit haben wir die uns bekannte Struktur der reellen Zahlen und der Vektorräume und auf den Vektorraum übertragen. Wir bezeichnen auch als Koordinatenraum der Dimension von .

Einfache Verallgemeinerung

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Bei der Definition der Vektorraumstruktur auf haben wir nur die Multiplikation und Addition auf verwendet. Damit können wir durch die obige Konstruktion auch einen Koordinatenraum über beliebigen Körpern definieren. Schließlich haben wir auf jedem Körper eine Addition und Multiplikation. Das heißt, wir betrachten analog zu oben die Menge

Um jetzt zu einem Koordinatenraum der Dimension des Körpers zu gelangen, müssen wir wieder eine Addition und skalare Multiplikation definieren. Dafür kopieren wir die Definition von oben und definieren diese komponentenweise, das heißt wir nutzen in jeder Komponente die Addition und Multiplikation von um die Addition und skalare Multiplikation auf zu definieren.

Definition des Koordinatenraumes

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Definition (Die Menge )

Sei und ein Körper. Wir definieren

Wir bezeichnen die Elemente dieser Menge als -Tupel mit Einträgen in .

Beispiel (Beispiele für Tupel)

Zum Beispiel ist ein -Tupel mit Einträgen in (wir sagen statt -Tupel auch einfach Tupel oder Zahlenpaar).

ist ein -Tupel mit Einträgen in (wir sagen statt -Tupel auch Tripel).

Sei ein beliebiger Körper und . Wir definieren auf der Menge eine Addition und eine Skalarmultiplikation.

Definition (Vektorraumverknüpfungen auf der Menge )

Die Addition ist definiert durch

Ähnlich definieren wir die Skalarmultiplikation durch

Wir nennen Koordinatenraum.

Hinweis

Wir haben bisher ein Tupel als eine Zeile aufgefasst. Das heißt, wir haben für ein Element im geschrieben. Genauso gut könnten wir die Elemente statt als eine Zeile mit Spalten auch als eine Spalte mit Zeilen auffassen. Dann sähe ein Element im so aus:

Diese andere Darstellung ändert die Eigenschaften von als Vektorraum nicht. Wenn wir den Vektor als eine Zeile mit Spalten auffassen, so heißt Zeilenvektor. Wenn wir wiederum als eine Spalte mit Zeilen auffassen als Spaltenvektor.

Es wird sich bei Matrizen als nützlich erweisen die Vektoren im als Spaltenvektoren zu schreiben. Daher wollen wir von nun an mit Spaltenvektoren arbeiten. Die Schreibweise eines Spaltenvektors in einer Zeile ist nicht besonders platzsparend. Daher führen wir folgende Notation ein: Wir schreiben anstatt

den Vektor als . Das bedeutet, dass es sich bei diesem Vektor nicht um einen Zeilen- sondern um einen Spaltenvektor handelt. Die Bezeichnung rührt daher, dass dieses Kippen des Vektors mit dem Transponieren einer Matrix übereinstimmt.
To-Do:

Artikel zur Transponierten Matrix verlinken, sobald dieser geschrieben wurde.

Der Koordinatenraum ist ein Vektorraum

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Im Artikel Einführung in den Vektorraum haben wir die obige Konstruktion zunächst über und dann über beliebigen Körpern genutzt, um die Vektorraumaxiome herzuleiten. Außerdem erfüllen Körper ähnliche Eigenschaften wie Vektorräume und wir haben den Körper sehr direkt dafür benutzt, um die Addition und skalare Multiplikation auf dem Koordinatenraum zu definieren. Daher können wir vermuten, dass die Definition von und auf eine Vektorraumstruktur definiert. Das wollen wir jetzt zeigen.

Satz ( ist ein Vektorraum)

ist ein -Vektorraum.

Wie kommt man auf den Beweis? ( ist ein Vektorraum)

Wir gehen vor wie im Artikel Beweise für Vektorräume führen, in dem wir der Reihe nach die acht Vektorraumaxiome prüfen.


Die Definition von sind genau so gewählt, dass sie die Operationen im Körper auf natürliche Weise auf den übertragen. Wir zeigen, dass die Vektorraumaxiome direkt aus den korrespondierenden Körperaxiomen folgen. Wenn wir also die gefragten Eigenschaften der Addition und skalaren Multiplikation nachprüfen, können wir sie auf die Eigenschaften von im Körper zurückführen.

Beweis ( ist ein Vektorraum)

Wir werden die acht Vektorraumaxiome nachprüfen.

Beweisschritt: Assoziativität der Addition

Seien . Dann gilt:

Damit ist die Assoziativität der Addition gezeigt.

Beweisschritt: Kommutativität der Addition

Seien . Dann gilt:

Damit ist die Kommutativität der Addition gezeigt.

Beweisschritt: Neutrales Element der Addition

Wir müssen noch zeigen, dass es ein neutrales Element gibt, für das gilt

Da wir alle Eigenschaften auf die entsprechenden Eigenschaften in zurückführen, nutzen wir hier das neutrale Element der Addition , um das neutrale Element der Addition zu konstruieren. Also setzen wir

Wir müssen noch die Neutralität des neutralen Elements der Addition prüfen, also : Dazu sei . Dann gilt:

Damit haben wir gezeigt, dass das neutrale Element der Addition ist.

Beweisschritt: Inverse bezüglich der Addition

Sei . Wir müssen zeigen, dass es ein gibt, sodass . Wir wollen dieses Problem wieder auf die Eigenschaften der Rechenoperationen in zurückführen. In gilt, wenn und , dann ist . Daher wählen wir für das -Tupel als potenzielles Inverses. Dann gilt:

Damit haben wir gezeigt, dass es zu einem beliebigen ein gibt mit .

Beweisschritt: Skalares Distributivitätsgesetz

Seien und . Dann gilt:

Damit ist das skalare Distributivgesetz gezeigt.

Beweisschritt: Vektorielles Distributivitätsgesetz

Seien und . Dann gilt:

Damit ist das vektorielle Distributivgesetz gezeigt.

Beweisschritt: Assoziativität bezüglich Multiplikation

Seien und . Dann gilt:

Damit ist das Assoziativgesetz für die Multiplikation gezeigt.

Beweisschritt: Unitäres Gesetz

Sei . Dann gilt:

Somit haben wir das unitäre Gesetz gezeigt.

Damit haben wir alle acht Vektorraumaxiome gezeigt und somit ist ein -Vektorraum.

Zusammenhang mit dem Körper als Vektorraum

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Wir haben bereits gesehen, dass ein -Vektorraum ist. Dies ist ein Spezialfall der Koordinatenräume , denn es ist . Dabei fassen wir die Vektoren als Elemente des Körpers auf. Wir schreiben dann statt dem -Tupel nur , statt nur und statt nur .