Komplexen Zahlen: Definition – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Wir werden hier die komplexen Zahlen formal definieren und beweisen, dass sie einen Körper bilden. Zuerst machen wir uns klar, wie die Addition und Multiplikation komplexer Zahlen aussehen soll.

Herleitung für die formale Definition komplexer Zahlen Bearbeiten

Herleitung der Tupelschreibweise Bearbeiten

Komplexe Zahlen haben die Form  , wobei   reelle Zahlen sind und die imaginäre Einheit   die Gleichung   erfüllt. Jedoch fehlt uns eine formale Definition für diese neue Zahlenform. Diese wollen wir nun herleiten.

Eine komplexe Zahl   wird durch die zwei reelle Zahlen   und   beschrieben. Außerdem kann man komplexe Zahlen als Punkte in einer Ebene darstellen.   ist dabei die  -Koordinate des Punktes und der imaginäre Anteil   gibt die  -Koordinate wieder:

 
Komplexe Zahlen sind Punkte auf der Ebene

Nun können Punkte der Ebene als Tupel   der Menge   beschrieben werden. Wir können also einem Tupel   in   die komplexe Zahl   zuordnen. Es soll also   sein. Dadurch identifizieren wir die komplexe Zahlenmenge   mit der Ebene  .

Da Tupel ein exakt definiertes mathematische Konzept ist, können wir diese für die formale Definition der komplexen Zahlen hernehmen. Hierzu sagen wir, dass komplexe Zahlen   Tupel   sind. Für diese müssen wir zusätzlich noch definieren, wie wir diese addieren und multiplizieren können.

Herleitung der Rechenregeln Bearbeiten

 
Die Addition komplexer Zahlen entspricht der Vektoraddition in der Ebene.

Wir wollen mit komplexen Zahlen wie mit reellen Zahlen rechnen können. Hierzu müssen wir definieren, wie komplexe Zahlen addiert und multipliziert werden können. Betrachten wir zunächst die Addition zweier komplexer Zahlen   und  . Das Ergebnis soll wieder eine komplexe Zahl, d.h. von der Form  , sein. Hierfür addieren wir die beiden komplexen Zahlen, ordnen die Summanden um und klammern  aus:

 

Das Ergebnis ist wieder von der Form  . Dabei werden jeweils die reellen und die imaginären Anteile summiert. Zur formalen Definition der Addition nutzen wir die Tupelschreibweise  . Dort gilt die Identifizierung  . Damit übersetzen wir obige Rechnung in die Tupelschreibweise:

 

Wir sehen, dass das Summieren eine komponentenweise Addition in   ist. Das ist genau die Vektoraddition in der Ebene  . Die Multiplikation komplexer Zahlen ist umständlicher. Wir betrachten hierzu das Produkt von zwei komplexen Zahlen   und   und multiplizieren diese aus:

 

Diese Rechnung übersetzen wir in unsere Tupelschreibweise:

 

Formale Definition der komplexen Zahlen Bearbeiten

Definition der komplexen Zahlen Bearbeiten

Die komplexen Zahlen definieren wir über Tupel in   mit der passenden Addition und Multiplikation.

Definition (Die komplexen Zahlen  )

Wir definieren die Menge der komplexen Zahlen als Menge   zusammen mit zwei Verknüpfungen. Komplexe Zahlen sind also Tupel  , wobei   und   reelle Zahlen sind. Die Addition und die Multiplikation sind definiert über

 

Definition von Real- und Imaginärteil Bearbeiten

Eine komplexe Zahl  , kann als Punkt in der Ebene beschrieben werden. Dieser ist eindeutig über seine Koordinaten   und   definiert. Diese Koordinaten haben spezielle Namen.   ist der Realteil und   der Imaginärteil der komplexen Zahl.

Definition (Real- und Imaginärteil)

Für eine komplexe Zahl   mit   setzen wir   und  . Wir nennen   den Realteil und   den Imaginärteil der komplexen Zahl  .

Die komplexen Zahlen bilden einen Körper Bearbeiten

Wir können mit den definierten Operationen auf den komplexen Zahlen wie in den reellen Zahlen rechnen. Die Addition entspricht dabei der Vektoraddition in  . Damit erbt sie alle Eigenschaften der Addition in einem Vektorraum und erfüllt so beispielsweise das Assoziativgesetz   und das Kommutativgesetz  . Auch die Multiplikation in den komplexen Zahlen hat ähnliche Eigenschaften wie die Multiplikation in den reellen Zahlen.

Wie auch in den reellen Zahlen können wir in   Brüche der Form   bilden. Hierzu müssen wir zu einer komplexen Zahl   ihre Reziprokes   bilden. Diese reziproke Zahl muss die Gleichung   erfüllen. Wir müssen also   so wählen, dass   ist. Wir werden sehen, dass dieses Gleichungssystem für alle   eindeutig lösbar ist.

Insgesamt erfüllen die Addition und die Multiplikation die sogenannten Körperaxiome, die auch die reellen Zahlen erfüllen. Damit ist das Rechnen in   ähnlich zu dem, was uns vom Rechnen mit reellen Zahlen bekannt ist.

Satz

Sei   die Menge der komplexen Zahlen mit der Addition und der Multiplikation:

 

Diese Menge erfüllt alle Körperaxiome.

Wie kommt man auf den Beweis?

Wir wollen nun nacheinander die Gültigkeit der Körperaxiome in den komplexen Zahlen überprüfen. Hierfür werden wir von den genannten Definitionen der Addition und der Multiplikation in   ausgehen und die Eigenschaften der reellen Zahlen ausnutzen.

Betrachten wir beispielsweise die Kommutativität der Multiplikation. Um diese nachzuweisen, müssen wir folgende Gleichung beweisen:

 

Welche Umformungsschritte müssen wir nun ausführen, um von der linken Seite der Gleichung auf die rechte zu gelangen? Zunächst ist es hilfreich, die Definition der Multiplikation in den komplexen Zahlen anzuwenden, d. h.   und  . So erhalten wir

 

Auf diese Weise ist von links und rechts schon der Großteil des Beweises aufgefüllt. Was nun noch zu zeigen ist, ist die Gleichheit  , die wir unmittelbar aus den Eigenschaften von   erhalten: Da   aus dem Körper der reellen Zahlen sind, wissen wir aufgrund der Kommutativität der Multiplikation, dass   und   gilt. Damit sind wir schon fertig und haben die Kommutativität der Multiplikation in den komplexen Zahlen bewiesen. Auf ganz ähnliche Weise lassen sich auch die übrigen Körperaxiome für die komplexen Zahlen zeigen.

Neben der Assoziativität und Kommutativität der Addition und der Multiplikation müssen wir für den Beweis außerdem noch die Existenz des neutralen und inversen Elementes der Addition bzw. Multiplikation in   nachweisen. Dies tun wir, indem wir ein solches konstruieren und durch Nachrechnen zeigen, dass es die in den Körperaxiomen geforderten Eigenschaften besitzt.

Das neutrale Element der Addition ist nicht schwer zu finden: Es ist zu erwarten, dass der Ursprung der komplexen Ebene, welche auch die Null der reellen Zahlenachse ist, der Null in der komplexen Zahlenebene entspricht. Der Punkt   sollte also die komplexe Null sein. Auch aus der Definition der Addition ist schnell zu erkennen, dass   gelten muss, damit   erfüllt ist.

Das additiv Inverse können wir leicht bestimmen, indem wir zu einer komplexen Zahl   jeweils die additiv Inversen der beiden reellen Zahlen   bestimmen. Wir erhalten  , was wir durch Nachrechnen zeigen können.

Bezüglich des neutralen Elements der Multiplikation vermuten wir, dass wie schon beim neutralen Element der Addition eine Analogie zu den reellen Zahlen gilt. Auf der reellen Zahlenachse ist die Eins das neutrale Element der Multiplikation, in der Zahlenebene entspricht dies dem Punkt mit den Koordinaten  . Wir können durch Nachrechnen leicht zeigen, dass   tatsächlich die gewünschten Eigenschaften besitzt.

Wir müssen nun noch die multiplikative Inverse finden. Das ist etwas schwerer als die additive Inverse, weil die Multiplikation komplizierter definiert ist als die Addition. Für ein gegebenes   mit   suchen eine komplexe Zahl   mit  . Dabei ist   die bereits gefundene „Eins“ in den komplexen Zahlen.

Was für Bedingungen muss   als Inverse von   erfüllen? Nach der Definition der Multiplikation ist  . Damit muss gelten  . Folgende Gleichungen müssen also erfüllt sein:

 

Das ist ein Gleichungssystem mit zwei Unbekannten, nämlich   und  , sowie zwei Gleichungen. Wir können nun versuchen dieses Gleichungssystem zu lösen, also die Gleichungen nach   und nach   aufzulösen. Nimm dir Stift und Papier sowie 10 Minuten Zeit und versuche selbst die Gleichungen nach   und   umzuformen.

Wir präsentieren hier eine elegante Lösung, bei der keinerlei Fallunterscheidung wegen Division durch Null nötig sind. Sie ist aber nicht intuitiv und die Wenigsten würden den Beweis beim ersten Versuch so durchführen. Als Erstes multiplizieren wir die erste Gleichung mit   und die zweite mit  :

 

Wir addieren die beiden Gleichungen und erhalten:

 

Nun multiplizieren wir „anders herum“, also die erste Gleichung mit   und die zweite mit  :

 

Subtrahieren wir von der zweiten Gleichung die Erste, so erhalten wir:

 

Wir haben also   als Inverse von   gefunden. Im Beweis werden wir Proberechnen, dass wirklich   ist.

Beweis

Wir müssen alle nachweisen. Seien dafür   beliebig.

Beweisschritt: Assoziativgesetz der Addition

 

Beweisschritt: Kommutativgesetz der Addition

 

Beweisschritt: Existenz der Null

Die Null in   ist gegeben durch  . Es ist nämlich

 

Beweisschritt: Existenz des additiven Inversen

Im   ist  , denn es ist

 

Beweisschritt: Assoziativgesetz der Multiplikation

 

Beweisschritt: Kommutativgesetz der Multiplikation

 

Beweisschritt: Existenz der Eins

Die Eins in   ist die Zahl  . Es gilt nämlich   und

 

Beweisschritt: Existenz des multiplikativen Inversen

Sei   eine komplexe Zahl mit  . Das Inverse dieser Zahl ist  . Diese Zahl ist wohldefiniert, da   und deshalb  . Und es gilt

 

Beweisschritt: Distributivgesetz

 

als Unterkörper von Bearbeiten

Wir identifizieren die komplexen Zahlen   mit der Ebene  . Dabei ist die in der komplexen Ebene liegende  -Achse die reelle Zahlengerade. So ergibt es Sinn, dass die reellen Zahlen   eine Teilmenge der komplexen Zahlen   sind.

Außerdem wissen wir, dass sowohl   als auch   Körper sind. Es ist sinnvoll, wenn   ein Unterkörper von   ist. Dafür müssen wir mehr zeigen, als dass   eine Teilmenge von   ist. Wir müssen zusätzlich beweisen, dass die Addition und die Multiplikation reeller Zahlen in   erhalten bleibt. Wir wollen also zwei Aussagen zeigen:   ist eine Teilmenge von   und die Rechenoperationen aus den reellen Zahlen bleiben in   erhalten.

Betrachten wir zunächst die erste Aussage:   ist Teilmenge  . Diese stimmt nicht direkt, da dies bedeuten würde, dass für alle   auch   gilt. Nun ist   eine Menge von Tupeln reller Zahlen, womit die Elemente von   und von   verschieden sind.

Dies ist kein großes Problem. Wir können nämlich die reellen Zahlen mit einer Teilmenge der komplexen Zahlen identifizieren, die sich ähnlich wie   verhält. Um diese Teilmenge zu finden, nutzen wir die Anschauung der komplexen Zahlen in der Ebene. Die Teilmenge, die wir suchen, ist in unserer Anschauung die reelle Achse in der komplexen Ebene. Eine komplexe Zahl   liegt genau dann auf dieser Achse, wenn ihr Imaginärteil gleich Null ist, wenn   ist. Die reelle Achse ist somit die Menge  .

Wir wollen zeigen, dass wir   mit den reellen Zahlen identifizieren können. Dafür brauchen wir eine eins-zu-eins-Beziehung (bijektive Abbildung) von   zu  . Genauso gut können wir eine injektive Abbildung   mit Bild   definieren. Dann bildet   die reellen Zahlen bijektiv auf   ab.

Aber das reicht uns noch nicht. Wir wollen zusätzlich, dass   die gleiche Struktur wie die reellen Zahlen hat. Unsere Abbildung   soll die Struktur von   in der Abbildung erhalten. Das bedeutet, Summen in   sollen von   auf Summen in   abgebildet werden und genauso mit Produkten. Auch sollen die neutralen Elemente   und   aus den reellen Zahlen auf die entsprechenden neutralen Elemente in den komplexen Zahlen abgebildet werden. Eine Abbildung mit solchen Eigenschaften heißt Körperhomomorphismus.

Wie sollen wir   wählen? Betrachten wir wieder unsere Anschauung der komplexen Ebene. Wir wollen die reelle Zahlengerade   auf die reelle Achse   abbilden. Am einfachsten geht das, wenn wir den Zahlenstrahl in die zweidimensionale Ebene einbetten. Also eine reelle Zahl   nach   schicken:

Definition (Einbettung der reellen in die komplexen Zahlen)

Die Funktion   mit der Funktionsvorschrift   ist die Einbettung der reellen in die komplexen Zahlen.

Es bleibt zu zeigen, dass unsere Abbildung die Eigenschaften eines injektiven Körperhomomorphismus erfüllt. Ein solcher injektiver Körperhomohorphismus wird Körpermonomorphismus genannt:

Satz (Einbettung der reellen Zahlen ist ein Körpermonomorphismus)

Die Einbettung   mit   ist ein Körpermonomorphismus (= injektiver Körperhomomorphismus)

Wie kommt man auf den Beweis? (Einbettung der reellen Zahlen ist ein Körpermonomorphismus)

Um zu zeigen, dass eine beliebige Funktion   zwischen zwei Körper   und   ein Körperhomomorphismus ist, müssen folgende Eigenschaften nachgewiesen werden:

  • Die neutralen Elemente bzgl. der jeweiligen auf dem Körper   definierten Verknüpfungen müssen auf die neutralen Elemente aus dem Körper   abgebildet werden, d.h.
     

    Dabei sind   und   das neutrale Element der Addition bzw. das neutrale Element der Multiplikation in der Menge   und   bzw.   sind jeweils die neutralen Elemente aus  .

  • Linearität bzgl. der ersten Verknüpfung, d.h. für alle   gilt:
     
  • Linearität bzgl. der zweiten Verknüpfung, d.h. für alle   gilt:
     

Diese Eigenschaften müssen wir für   nachweisen. Hierfür gehen wir so vor, dass wir zunächst die zu überprüfenden Eigenschaften in den Fall von   übersetzen. Aus der Formel   wird beispielsweise:

 

Wir müssen also die Gleichung die Gleichung   beweisen. Hier können wir zunächst die Definition von   einsetzen. Damit ist folgende Gleichungskette zu zeigen:

 

Durch Ausrechnen von   kann diese Gleichungskette bewiesen werden. Analog kann auch bei den anderen Eigenschaften vorgegangen werden. Auch der Beweis der Injektivität kann durch eine ähnliche Vorgehensweise erfolgen.

Beweis (Einbettung der reellen Zahlen ist ein Körpermonomorphismus)

Seien  . Des Weiteren ist wie oben bereits definiert   das neutrale Element der Multiplikation in  , sowie   das neutrale Element der Addition in  . Es ist:

Beweisschritt:   erhält neutrale Elemente

Die neutralen Elemente der jeweiligen Verknüpfungen aus  , werden auf die neutralen Elemente aus   abgebildet:

 

Beweisschritt:  

 

Beweisschritt:  

 

Beweisschritt:   ist injektiv

Seien   mit  . Folglich gilt  , also  . Daraus folgt, dass   sein muss. Somit ist die Abbildung injektiv.

Somit stellt die Abbildung   einen injektiven Körperhomomorphismus bzw. einen Körpermomomorphismus dar.

Durch die Eigenschaften eines Körpermonomorphismus bleibt die Struktur eines Körpers im Bild der Abbildung erhalten. Einfach gesagt erfüllt das Bild des Körpermonomorphismus die Körperaxiome und definiert somit wieder einen Körper. Da das Bild der Abbildung   eine Teilmenge des Körpers der komplexen Zahlen ist, können wir das Bild   als Unterkörper von   auffassen. Ferner ist durch die Abbildung   ein Körperisomorphismus, d.h. ein bijektiver Körperhomomorphismus zwischen dem Körper   und dem Körper   gegeben. Dies rechtfertigt die Bezeichnung   und wir übersetzen fortan alle reellen Zahlen   in die komplexe Zahl  .

Definition der Schreibweise Bearbeiten

Eine komplexe Zahl, die wir als   schreiben möchten, ist nach unserer formalen Definition mit   das Tupel  . Um Rechnungen zu vereinfachen, möchten wir die Schreibweise   ohne Tupel einführen. Hierzu müssen wir   formal definieren. Da   in der komplexen Ebene auf der  -Achse bei der Zahl   liegt, wählen wir  :

Definition (imaginäre Einheit)

Wir setzen   und dürfen den Buchstaben nun auch formal als komplexe Zahl benutzen.

Anfangs haben wir die Lösung der Gleichung   gesucht und mit   eine dieser Lösungen gefunden. Deshalb rechnen wir nach, dass in der Tat   für   erfüllt ist:

 

Wir haben dabei die Einbettung   der reellen Zahlen in   und die Schreibweise   für   benutzt. Es gilt also wirklich  . Nun zeigen wir, dass wir unsere Schreibweise   für   verwenden dürfen. Unter Verwendung von   für   zeigen wir  . Dank diesem Beweis können anschließend mit den komplexen Zahlen   so rechnen, wie wir es wollen:

Satz

Für alle   gilt  .

Beweis

Sei  . Dann ist

 

ist kein geordneter Körper Bearbeiten

Es wäre angenehm, komplexe Zahlen anordnen zu können. Sprich: eine Größer/Kleiner-Relation für komplexe Zahlen einzuführen. Betrachten wir die Zahlen   und  . Wir stellen fest, dass diese auf dem Einheitskreis liegen. Dies ist die Menge aller Punkte, die zur Null den Abstand   besitzen:

 
Einheitskreis in der komplexen Ebene mit 1 und i

Ist nun  ,   oder  ? Zunächst scheint dieser Fall uneindeutig zu sein, denn beiden Zahlen haben den gleichen Betrag. Wie sieht es mit   und   aus? Die Zahl   ist weiter von der Null entfernt als die Zahl  . Gilt dann auch  ? Kann das Produkt einer negativen Zahl mit der imaginären Einheit wirklich größer als eine positive Zahl sein?

An diesen kleinen Beispielen merken wir bereits, dass die Anordnung der komplexen Zahlen schwierig ist. Tatsächlich ist dies nicht möglich. Dies beweist der folgende Satz:

Satz

Es existiert keine Anordnung der komplexen Zahlen  , die die Ordnung der reellen Zahlen erhält.

Beweis

Wir betrachten die beiden Zahlen   und  . In einer Ordnung muss entweder   oder   oder   gelten (Trichotomie der Positivität). Diese drei Aussagen werden wir nun schrittweise widerlegen:

Fall 1:  

Nach der Definition der imaginären Einheit ist  . ↯

Fall 2:  

Angenommen es gilt  . Damit ist   eine positive Zahl. Nun können beide Seiten einer Ungleichung mit einer positiven Zahl multipliziert werden, ohne dass deren Ordnung geändert wird. Aus   und   folgt   (Abgeschlossenheit bezüglich Multiplikation). Damit müssen wir beide Seiten von   mit   multiplizieren können. Wir erhalten  . Dieses Ergebnis ist nicht kompatibel zur Ordnung der reellen Zahlen und somit ist unsere Annahme nicht richtig. ↯

Fall 3:  

Sei nun  , dann ziehen wir   auf beiden Seiten der Ungleichung ab und erhalten  . Erneut können wir aufgrund der Abgeschlossenheit bezüglich Multiplikation die rechte Seite mit   multiplizieren und es folgt  . Auch diese Ungleichung ist nicht kompatibel zur Ordnung der reellen Zahlen, womit   nicht gelten kann. ↯

Es ist weder   noch   noch  . Damit kann   kein geordneter Körper sein, der die Ordnung von   erhält.

ist algebraisch abgeschlossen Bearbeiten

Wir haben mit   einen Körper konstruiert, in dem die Gleichung   lösbar ist bzw. das Polynom   eine Nullstelle besitzt. In den komplexen Zahlen   gilt sogar wesentlich mehr: Jedes Polynom (mit Koeffizienten in  ) vom Grad größer gleich   besitzt mindestens eine Nullstelle. Dies schließt nur konstante Polynome aus, die natürlich (bis auf das Nullpolynom) keine Nullstellen besitzen. Diese Eigenschaft gilt in den reellen Zahlen nicht. So besitzt   keine reellen Nullstellen.

Diese Eigenschaft der komplexen Zahlen heißt algebraische Abgeschlossenheit und wird in der Algebra behandelt. Die algebraische Abgeschlossenheit von   wird in einem Satz mit dem gewichtig klingenden Namen Fundamentalsatz der Algebra bewiesen.

Übungsaufgaben Bearbeiten

Aufgabe

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Lösung

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