Dimension eines Vektorraums – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Wir definieren in diesem Artikel die Dimension eines Vektorraums und zeigen einige elementare Eigenschaften wie die Dimensionsformel.

Motivation Bearbeiten

Wir versuchen, in diesem Artikel den Begriff einer Dimension eines Vektorraums zu definieren. Dabei wäre es schön, wenn wir gängige Beispiele für Vektorräume wie   finden können, welche "offensichtliche Dimension" haben. Im Fall von   wäre das  . Dabei fällt uns auf, dass dieser Vektorraum eine Basis mit   Elementen besitzt, zum Beispiel die Standardbasis  .

Analog wollen wir, dass für einen beliebigen Körper   der Vektorraum   die Dimension   hat. Auch hier finden wir mit der Standardbasis   eine Basis mit genau   Vektoren.

Das legt nahe, die Dimension eines Vektorraums   als die Anzahl der Vektoren einer Basis von   zu definieren. Nun ist zunächst aber nicht klar, dass jede Basis die gleiche Mächtigkeit besitzt. Das werden wir beweisen müssen.

Definition der Dimension Bearbeiten

Definition (Dimension eines Vektorraums)

Sei   ein  -Vektorraum und sei   eine Basis von  . Wenn   endlich ist, definieren wir die Dimension von   durch  . (Wir verzichten meist auf die Angabe des Grundkörpers, falls dies aus dem Kontext ersichtlich ist.) Außerdem sagen wir, dass   endlich dimensional ist. Wenn   stattdessen unendlich ist, sagen wir, dass   unendlich-dimensional ist und schreiben  .

Aus dieser Definition wird nicht klar, dass die Dimension unabhängig von der Wahl der Basis unseres Vektorraums ist. Es könnte zum Beispiel passieren, dass ein Vektorraum verschiedenen Basen mit unterschiedlich vielen Elementen besitzt. Dass dies nicht geschehen kann, wird nun im nächsten Satz bewiesen:

Satz (Wohldefiniertheit der Dimension)

Seien   ein  -Vektorraum und   zwei Basen von  . Ist   endlich, so ist auch   endlich und es gilt  .

Beweis (Eindeutigkeit der Dimension)

Sei   endlich. Angenommen   ist unendlich. Dann können wir eine  -elementige Teilmenge   von   wählen.   ist dadurch, als Teilmenge der linear unabhängigen Menge  , ebenfalls linear unabhängig. Das widerspricht wegen   dem Austauschssatz von Steinitz. Also ist   endlich. Es bleibt die Gleichheit der Mächtigkeiten zu zeigen. Da   linear unabhängig und   eine Basis von   ist, folgt aus dem Austauschsatz von Steinitz  . Andersrum folgt genauso  . Damit ist alles gezeigt.

Beispiele zur Dimension Bearbeiten

Dimension von   Bearbeiten

Beispiel

In diesem Beispiel wollen wir die Dimension von   bestimmen. Eine mögliche Basis wäre die Standardbasis:

 

Diese ist endlich und es gilt  . Wir erhalten  .

Dimension des Polynomraums Bearbeiten

Beispiel

Der Polynomraum   über einem Körper   ist definiert als

 

mit koeffizientenweiser Addition und Skalarmultiplikation. Hieraus sieht man, dass   ein Erzeugendensystem des   ist. Da die Vektorraumverknüpfungen koeffizientenweise operieren, ist dieses zudem linear unabhängig. Aus   folgt schließlich  .

Dimension von   als  -Vektorraum Bearbeiten

Beispiel

Wir wollen die Dimension der komplexen Zahlen, als  -Vektorraum aufgefasst, bestimmen. Jede komplexe Zahl   lässt sich in eindeutiger Weise als  , mit  , schreiben. Hieraus sieht man, dass   eine Basis von   über   ist. Es folgt  .

Dimension des Nullraums Bearbeiten

Beispiel

Für jeden Körper   ist   ein Vektorraum. Dieser wird der Nullraum genannt. Um seine Dimension zu bestimmen, müssen wir eine Basis finden. Wie wir bereits im Artikel zum Nullraum gesehen haben, wird der Nullraum von der leeren Menge erzeugt. Außerdem ist   per Definiton linear unabhängig und daher eine Basis des Nullraums. Damit haben wir  .

Eigenschaften der Dimension Bearbeiten

Wir wollen nun einige Eigenschaften des Dimensionsbegriffes beweisen:

Satz

Seien   ein endlich-dimensionaler  -Vektorraum und   ein Unterraum. Dann gelten:

  1.  .
  2. Ist  , so folgt  .

Beweis

Sei   eine Basis von  . Dann ist   eine linear unabhängige Teilmenge von  . Nach dem Basisergänzungssatz existiert daher eine Basis   von  , mit  . Daraus folgt direkt  , also  . Ist jetzt zusätzlich   vorausgesetzt, so gilt  . Da   endlich ist, erhalten wir  . Schließlich folgern wir  .

Um zu zeigen, dass es wichtig ist,   als endlich-dimensional vorauszusetzen, betrachten wir ein Beispiel eines unendlich-dimensionalen Vektorraumes, der einen echten unendlich-dimensionalen Unterraum besitzt:

Beispiel

Sei   der Polynomraum über einem Körper   und   der Unterraum der Polynome ohne konstantem Term. Man kann (wie oben) leicht zeigen, dass   eine Basis von   ist. Damit sehen wir  . Aber  , da das konstante Polynom   ist.

Dimensionsformel Bearbeiten

Beweis der Dimensionsformel Bearbeiten

Die folgende Dimensionsformel gibt an, wie sich die Dimension der Summe zweier endlich dimensionaler Untervektorräume   eines  -Vektorraums   berechnen lässt.

Satz (Dimensionsformel)

Sei   ein  -Vektorraum und seien   endlich-dimensionale Unterräume. Dann gilt:

 

Beweis (Dimensionsformel)

Da   endlich dimensional sind, sind auch   endlich dimensional. Setze  . Dann ist  . Seien also  , sodass  , und  . Sei zudem   eine Basis von  . Da   Teilraum von   und von   ist, existieren nach dem Basisergänzungssatz Vektoren   und Vektoren   , derart dass   eine Basis von   und   eine Basis von   ist.

Wir zeigen nun, dass   eine Basis von   ist.

Beweisschritt: Als erstes zeigen wir, dass   ein Erzeugendensystem ist.

Dazu zeigen wir, dass ein beliebiger Vektor   sich als Linearkombination von Elementen aus   darstellen lässt.

Sei also   , damit gibt es ein   mit  . Da   eine Linearkombination der Basis   von   ist, also

 

und   eine Linearkombination der Basis   von  , also

 

gilt, folgt daraus

 

Damit ist   Linearkombination von   und   ein Erzeugendensystem von  .

Beweisschritt: Nun zeigen wir die lineare Unabhängigkeit von  .

Seien dazu  , mit

 

Wir müssen   für alle   zeigen. Setze dafür  . Dann gilt   und wegen obiger Voraussetzung

 

Damit ist auch   , also   .

Damit lässt sich   als Linearkombination der Basis   von   darstellen und es existieren   , derart dass

 

Nun gilt weiter

 

Weil   eine Basis von  , also linear unabhängig ist, folgt

 

Daher ist

 

Da   eine Basis von   ist und die Vektoren damit linear unabhängig sind, gilt

 

Damit sind alle Koeffizienten Null und die Vektoren   sind linear unabhängig.   ist somit tatsächlich eine Basis.

Es gilt nun

  •  
  •  
  •  
  •  

also ist:

 

Das zeigt die Behauptung.

Als nächstes betrachten wir eine Folgerung aus der Dimensionsformel, die eine Aussage über die Summe von Untervektorräumen trifft. Anschaulich besagt diese, dass das Komplement eines Unterraums in Bezug auf die Dimension den fehlenden "Rest" darstellt.

Satz

Sei   ein endlich-dimensionaler  -Vektorraum und seien   Unterräume, mit  . Dann gilt:

 

Beweis

Zunächst sind wegen   beide Unterräume endlich-dimensional. Mit der Dimensionsformel folgern wir

 

Wie im oberen Beispiel gezeigt, gilt   und wir erhalten:

 

Übungsaufgaben zur Dimensionsformel Bearbeiten

Aufgabe (Dimensionsformel)

Sei   ein  -Vektorraum und seien   Untervektorräume von  . Weiter gelte  ,  ,  . Welche Dimension können   und   haben?

Wie kommt man auf den Beweis? (Dimensionsformel)

Schätze   nach oben ab und wende die Dimensionsformel an.

Lösung (Dimensionsformel)

Es gilt die Dimensionsformel

 

Weiterhin gilt  , da   Untervektorraum von   ist. Es folgt

 

Da   gilt, erhalten wir außerdem  , beide Ergebnisse zusammen ergeben also:

 

Aus der Dimensionsformel schließen wir nun

 

Insgesamt erhalten wir:

 

Aufgabe (Dimensionsformel)

Betrachte den  -Vektorraum   sowie die Unterräume  ,  . Zeige, dass   gilt.

Lösung (Dimensionsformel)

Wir zeigen zunächst  . Sei dafür  , dann gibt es   mit

 

Daraus folgt   und damit  . Also gilt  .

Aus der Dimensionsformel folgt nun

 

Mit dem obigen Satz über Eigenschaften der Dimension folgt daraus  . Zusammen ergibt sich  .