Wie Sie in der vorangegangenen Lektion sicher festgestellt haben, wurden die höheren Zahlen nicht ausgeschrieben, sondern durch einzelne Zeichen dargestellt. Dieses Zahlschreibsystem wollen wir hier einmal erläutern.
Jeder gotische Buchstabe hat zugleich einen numerischen Wert, und zwar haben die ersten 10 Buchstaben die Werte zw. 1 und 10:
- 𐌰 = 1
- 𐌱 = 2
- 𐌲 = 3
- 𐌳 = 4
- 𐌴 = 5
- 𐌵 = 6
- 𐌶 = 7
- 𐌷 = 8
- 𐌸 = 9
- 𐌹 und 𐌹̈ = 10
Die folgenden 7 Buchstaben erhalten ihren Wert in 10er Schritten:
- 𐌺 = 20
- 𐌻 = 30
- 𐌼 = 40
- 𐌽 = 50
- 𐌾 = 60
- 𐌿 = 70
- 𐍀 = 80
Danach werden die 100er vergeben:
- 𐍂 = 100
- 𐍃 = 200
- 𐍄 = 300
- 𐍅 = 400
- 𐍆 = 500
- 𐍇 = 600
- 𐍈 = 700
- 𐍉 = 800
Nun dürfte Ihnen aufgefallen sein, dass die Zahlen 90 und 900 unbesetzt blieben. Für diese gibt es die beiden zusätzlichen Zeichen 𐍁 (90) und 𐍊 (900). Sie haben keinen Lautwert. Dieses Prinzip ist griechischen Ursprungs. Dort verschwanden die Buchstaben Koppa (90) und Sampi (900) aus dem Alphabet, blieben aber als Zahlzeichen erhalten.
Um nun z. B. die Zahl 133 schreiben zu können, muss man die Zeichen von groß nach klein kombinieren:
- 100 (𐍂) + 30 (𐌻) + 3 (𐌲) = 133 (𐍂𐌻𐌲)
Nun könnte der Leser die Zahl 𐍂𐌻𐌲 auch als Wort ("rlg") lesen, da die Zahlzeichen gleichzeitig auch Buchstaben sind. Um dies zu verhindern, setzte man einen Punkt (·) vor und nach der Zahl (·𐍂𐌻𐌲·), um so eindeutig zu bestimmen, dass hier "rgl" als Zahl zu lesen ist.
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