Examensrepetitorium Jura: Zivilprozessrecht Zwangsvollstreckungsrecht: Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung 1


Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen

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Jede Zwangsvollstreckung setzt voraus, dass die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen vorliegen. Der Vollstreckungsschuldner muss z.B. der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen sein (§§ 18 - 20 GVG), was z.B. Diplomaten ausschließt. Probleme werden sich in der Klausur insoweit kaum ergeben.

Relevant sind allerdings die folgenden Verfahrensvoraussetzungen.

Der Vollstreckungsgläubiger muss bei dem jeweils zuständigen Vollstreckungsorgan einen Antrag gestellt haben. Problematisch ist das Stellen von Vollstreckungsaufträgen in bestimmte Gegenstände. Nicht zu verwechseln ist das übrigens mit der Wahl der Vollstreckungsart, die grundsätzlich dem Gläubiger frei steht, sog. Prinzip des freien Vollstreckungszugriffs[1].

Beispiel: Der Gläubiger will Druck auf den Schuldner ausüben. Er beauftragt daher den Gerichtsvollzieher, ein Erbstück zu pfänden, das nur einen geringen Wert hat, aber dem Schuldner sehr am Herzen liegt. Der Gläubiger hofft, dass der Schuldner, um die Vollstreckung abzuwenden, freiwillig zahlen wird.

Der Gerichtsvollzieher kann einen unzulässigen Antrag zurückweisen. Er ist nur insoweit weisungsgebunden, wie kein Widerspruch zum Gesetz oder zur GVGA[2] vorliegt (§ 58 Nr. 2 GVGA). Bei der Vollstreckung hat der Gerichtsvollzieher auch die Interessen des Schuldners zu wahren, u.a. hat er jede unnötige Schädigung oder Verursachung nicht notwendiger Kosten zu vermeiden (§ 104 GVGA). Die Vollstreckung darf also nicht als Druckmittel wie im Beispielsfall verwendet werden[3], der Gerichtsvollzieher ist an die Weisung nicht gebunden. Der Antrag kann aber, sofern keine anderen Anhaltspunkte ersichtlich sind, in der Weise ausgelegt werden, dass die Vollstreckung auch ohne Beachtung der Weisung durchgeführt werden soll[4].

Für die Stellung des Antrags besteht kein Anwaltszwang (§ 79 ZPO), es sei denn, für die Vollstreckung ist das Landgericht als Prozessgericht zuständig (dann Vertretungszwang nach allgemeinem Grundsatz, § 78 Abs. 1 ZPO).

Zuständigkeit

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Für die verschiedenen Vollstreckungsarten sind unterschiedliche Vollstreckungsorgane zuständig.

Übersicht:
   │
   │
   ├──Vollstreckung in körperliche Sachen: Gerichtsvollzieher (§ 808 ZPO)
   │
   ├──Vollstreckung in Forderungen und sonstige Rechte: Vollstreckungsgericht (§ 828 ZPO)
   │
   ├──Vollstreckung in unbewegliches Vermögen:
   │      │ 
   │      ├──Eintragung einer Zwangshypothek: Grundbuchamt (§ 867 ZPO)
   │      │
   │      └──Zwangsverwaltung, Zwangsversteigerung: Vollstreckungsgericht nach ZVG (§ 869 ZPO)
   │
   ├──Herausgabe: Gerichtsvollzieher (§ 883 ZPO)
   │
   ├──Tun, Dulden oder Unterlassen: Prozessgericht (§§ 887, 888, 890 ZPO)
   │
   └──Abgabe einer Willenserklärung: wird nicht vollstreckt, sondern mit Rechtskraft
                                     des Urteils fingiert (§ 894 ZPO)

Bei der Pfändung beweglicher Sachen durch den Gerichtsvollzieher (§ 808 ZPO) ergeben sich noch folgende Besonderheiten:

  • Für die Pfändung von Grundstückszubehör ist nicht der Gerichtsvollzieher sondern das Vollstreckungsgericht zuständig (§§ 865 Abs. 2 S. 1 ZPO in Verbindung mit §§ 97, 1120 - 1122 BGB).
  • "Früchte auf dem Halm" pfändet allerdings der Gerichtsvollzieher (§ 810 Abs. 1 ZPO). Eigentlich sind Pflanzen wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§§ 93, 94 Abs. 1 BGB) und für die Immobiliarvollstreckung ist grundsätzlich das Vollstreckungsgericht zuständig.

Die örtliche Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers richtet sich nach dem Bezirk, in dem die Pfändung stattfinden soll, § 20 GVO[5].

Parteibezogene Voraussetzungen

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Parteifähigkeit

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Gläubiger und Schuldner müssen parteifähig sein. Problematisch ist die Prüfungskompetenz des Vollstreckungsorgans. Es kann z.B. ein nichtrechtsfähiger Verein als Kläger einen Vollstreckungstitel erwirkt haben, obwohl er eigentlich im Aktivprozess nicht parteifähig ist (§ 50 Abs. 2 ZPO).

  • Nach einer Minderheitsansicht soll das Vollstreckungsorgan nach § 56 ZPO befugt sein, in jeder Lage des Verfahrens die Parteifähigkeit zu prüfen (eine Ausnahme soll aber gelten, wenn aus dem Titel explizit hervorgeht, dass die Parteifähigkeit geprüft und bejaht worden ist). Im Beispiel könnte der nichtrechtsfähige Verein also nicht aus dem Titel vollstrecken.
  • Die h. M. beschränkt die Prüfungskompetenz zunächst auf die Fälle, in denen die Parteifähigkeit nach Erlass des Vollstreckungstitels entfallen ist. Handelt es sich dagegen um ein Urteil, also einen Titel, welcher der Rechtskraft fähig ist, hat das Vollstreckungsorgan die Parteifähigkeit nicht zu prüfen[6]. Im Beispiel könnte der nichtrechtsfähige Verein also vollstrecken. Etwas anderes würde gelten, wenn es sich bei dem Titel z.B. um eine vollstreckbare Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) handeln würde, da die Urkunde anders als ein Urteil nicht rechtskraftfähig ist.

Prozessfähigkeit

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Der Gläubiger muss außerdem prozessfähig sein. Problematisch ist die Prozessfähigkeit des Schuldners:

  • Teilweise wird vertreten, dass der Schuldner nur dann prozessfähig sein muss, wenn er aktiv etwas veranlassen will, z.B. einen Rechtsbehelf einlegen. Dagegen müsse er nicht prozessfähig sein, wenn er eine Vollstreckungsmaßnahme bloß passiv zu dulden habe.
  • Nach h. M. muss der Schuldner jedoch in jeder Phase der Zwangsvollstreckung prozessfähig bzw. gesetzlich vertreten sein. Er muss immer in der Lage sein, darüber zu entscheiden, ob er sich aktiv gegen die Vollstreckung zur Wehr setzen will[7].

Prozessführungsbefugnis

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Der Vollstreckungstitel ist nur für und gegen die darin bezeichneten Personen vollstreckbar (§ 750 ZPO). Daraus ergibt sich, dass es eine der Prozessstandschaft entsprechende "Vollstreckungsstandschaft" nicht geben kann[8].

Wenn der Titelgläubiger die Zwangsvollstreckung gegen den Titelschuldner betreibt, braucht kein Wort über die Prozessführungsbefugnis verloren zu werden. Problematisch kann jedoch der Fall sein, dass im Prozess Streitgenossen geklagt haben und nur einer von ihnen nun die Zwangsvollstreckung betreiben will.

Beispiel: A und B haben als Erbengemeinschaft eine Forderung gegen C eingeklagt. A will gegen C vollstrecken, während B aber der Vollstreckung widerspricht.

Grundsätzlich ist danach zu entscheiden, ob die Mitwirkung des Streitgenossen schon im Erkenntnisverfahren notwendig gewesen ist. In dem Fall muss er auch bei der Zwangsvollstreckung mitwirken. Vorliegend ist jedoch schon die Mitwirkung des B im Erkenntnisverfahren nicht notwendig gewesen, da A als Miterbe auch die Forderung für die Erbengemeinschaft allein hätte einklagen können (vgl. § 2039 BGB). Also ist die Mitwirkung des B auch im Vollstreckungsverfahren nicht erforderlich. Für die Antragstellung ist A also prozessführungsbefugt[9].

Rechtsschutzbedürfnis

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Das Rechtsschutzbedürfnis (oder -interesse) liegt in der Regel unproblematisch vor. Dem Gläubiger ist es verboten, seine Forderung auf eigene Faust durchzusetzen, er ist also auf die staatlichen Vollstreckungsorgane angewiesen (Gewaltmonopol des Staates). Die Vollstreckung hat jedoch ausnahmsweise zu unterbleiben, wenn sie ganz offensichtlich zwecklos ist.

Umstritten ist die Zulässigkeit der Vollstreckung wegen Bagatellforderungen:

  • Es wird vertreten, dass für die Vollstreckung solcher Forderungen kein berechtigtes Interesse bestehe. Ein entsprechender Vollstreckungsantrag des Gläubigers wäre also abzuweisen.
  • Dagegen spricht jedoch grundsätzlich, dass die Forderung dadurch endgültig undurchsetzbar werden würde, was zudem den Schuldner in Versuchung führen würde, Minimalforderungen überhaupt nicht mehr zu begleichen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht dem nicht entgegen: Zunächst kann der Schuldner die Vollstreckung leicht durch Zahlung abwenden; abgesehen davon gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur im Verhältnis zwischen Bürger und Staat und nicht zwischen Gläubiger und Schuldner[10].

Schließt man sich der letztgenannten Ansicht grundsätzlich an, ergibt sich das Folgeproblem, ob Einschränkungen wenigstens hinsichtlich der konkreten Vollstreckungsart zu machen sind. Z.B. wird vertreten, dass die Immobiliarvollstreckung wegen einer Bagatellforderung hinter die Mobiliarvollstreckung zurücktreten müsse[11]. Ist nur ein einziges vermögenswertes Objekt beim Schuldner vorhanden, stellt sich das Problem natürlich nicht mehr.

Unproblematisch ist jedenfalls, dass materiell-rechtliche Einwendungen das Rechtsschutzbedürfnis für die Zwangsvollstreckung nicht entfallen lassen. Auch wenn das angerufene Vollstreckungsorgan also der Ansicht ist, dass der Vollstreckungstitel inhaltlich falsch ist, darf es die Vollstreckung nicht aus diesem Grund ablehnen. Materiell-rechtliche Einwendungen muss der Schuldner aktiv mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen.

Anmerkungen

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  1. Goebel, Zwangsvollstreckungsrecht, 2005, § 2 Rn. 70.
  2. Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher, abgedr. Schönfelder-ErgBd. Nr. 109.
  3. Goebel, Zwangsvollstreckungsrecht, 2005, § 2 Rn. 12.
  4. Goebel a.a.O.
  5. Gerichtsvollzieherordnung, abgedr. Schönfelder-ErgBd. Nr. 109a.
  6. Goebel, Zwangsvollstreckungsrecht, 2005, § 2 Rn. 20.
  7. Goebel, Zwangsvollstreckungsrecht, 2005, § 2 Rn. 21.
  8. Goebel, Zwangsvollstreckungsrecht, 2005, § 2 Rn. 25.
  9. Beispiel nach Goebel, Zwangsvollstreckungsrecht, 2005, § 2 Rn. 25.
  10. Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Aufl. 1999, § 1 X; a. A. Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl. 2002, Einl. 29 vor § 704.
  11. Grundsätzlich dagegen aber Jauernig a.a.O.