Examensrepetitorium Jura: Individualarbeitsrecht: Beendigung des Arbeitsverhältnisses 1


Aufhebungsvertrag

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Im Rahmen der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG, § 311 Abs. 1 BGB) ist es grundsätzlich unproblematisch möglich, ein Schuldverhältnis einvernehmlich zu beenden. Das gilt auch im Arbeitsrecht.

Wirksamkeit

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Für den Abschluss des Aufhebungsvertrags gelten die allgemeinen Regeln (§§ 116 ff., 145 ff. BGB). Es muss allerdings die Schriftform beachtet werden (§§ 623, 125 BGB).

Teilweise wird vertreten, dass ein Aufhebungsvertrag aufgrund von § 242 BGB unwirksam sei, wenn der Arbeitnehmer mit dem Vertragsangebot "überrumpelt" worden sei. Nach dieser Ansicht ist der Vertragsschluss nur dann wirksam, wenn der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer einen Termin ausmacht und ihm die Thematik des Gesprächs vorher mitteilt oder der Aufhebungsvertrag seitens des Arbeitnehmers auf Widerruf abgeschlossen wird. Die h. M. lehnt diesen Eingriff in die Privatautonomie jedoch ab[1]. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, das Angebot eines Aufhebungsvertrags anzunehmen. Da dies auch allgemein bekannt ist, besteht keine besondere Schutzbedürftigkeit.

Bei der zweiseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist eine Anhörung des Betriebsrats nicht erforderlich (§ 102 BetrVG gilt nur für die Kündigung).

Abgrenzung zum Abwicklungsvertrag

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Der Abwicklungsvertrag bewirkt im Gegensatz zum Aufhebungsvetrag nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern regelt die Folgen der Kündigung. Der Arbeitnehmer akzeptiert diese und erhält dafür eine vertragliche Abfindung. Der Abwicklungsvertrag selbst enthält keine Willenserklärung bzgl. der Beendigung des Arbeitsverhältnisses; er nimmt nur Bezug auf eine bereits ausgesprochene Kündigung[2].

Ist die zugrunde liegende Kündigung unwirksam, entfällt für die Abreden aus dem Abwicklungsvertrag die Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).

Widerrufsmöglichkeit?

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Umstritten ist die Frage, ob ein Aufhebungsvertrag nach den Regeln über das Haustürgeschäft widerrufen werden kann: § 355 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB. Nach diesen Vorschriften kann ein Vertrag, der zwischen einem Unternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB) geschlossen worden ist, widerrufen werden, wenn der Verbraucher durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz zum Vertragsschluss bestimmt worden ist.

Zunächst ist schon sehr strittig, ob ein Arbeitnehmer überhaupt Verbraucher ist. Verneint man diese Frage, erübrigen sich weitere Überlegungen (in Betracht käme dann nur noch die analoge Anwendung der Vorschriften, die allerdings am Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke scheitern dürfte).

Des weiteren ist fraglich, ob der Anwendungsbereich des § 312 BGB auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge erstreckt werden kann. Befürworter berufen sich auf die vergleichbare "Überrumpelungssituation", in der ein Arbeitnehmer ebenso schützenswert wie ein Verbraucher sei.

Das BAG hat sich dieser Ansicht jedoch nicht angeschlossen, sondern eine Anwendung des Widerrufsrechts auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge abgelehnt[3]. Gegen die Anwendung spricht schon die gesetzliche Systematik, denn § 312 BGB befindet sich im Abschnitt über "Besondere Vertriebsformen", zu denen das Arbeitsrecht eindeutig nicht zählt. Außerdem fehlt das situationsbedingte Überraschungsmoment: Der Arbeitnehmer muss damit rechnen, dass am Arbeitsplatz auch arbeitsrechtliche Fragen besprochen und geregelt werden. Darüber hinaus läge in dem mangels Belehrung meist unbefristeten Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 3 S. 3 BGB ein Wertungswiderspruch zu den kurzen Klagefristen im Kündigungsrecht nach §§ 4, 7 KSchG.

Anfechtung nach § 123 BGB

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  • Täuschung: Wenn der Aufhebungsvertrag auf die Initiative des Arbeitgebers zurückgeht, muss er den Arbeitnehmer über die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen aufklären. Bei Verstoß gegen diese Pflicht ist der Arbeitnehmer zur Anfechtung berechtigt.
  • Widerrechtliche Drohung: Beispiel: Der Arbeitnehmer steht im Verdacht des Diebstahls. Der Arbeitgeber bietet daraufhin einen Aufhebungsvertrag an und droht, für den Fall, dass dieser nicht annimmt, mit fristloser Kündigung. Eine widerrechtliche Drohung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB ist anzunehmen, wenn ein verständiger Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Es ist also überschlägig zu prüfen, ob ein Kündigungsgrund in Betracht kommt. Im Beispielsfall kommt es darauf an, wie sehr sich der Verdacht gegen den Arbeitnehmer bereits erhärtet hat. Allerdings darf kein fiktiver Kündigungsschutzprozess bei der Prüfung der Widerrechtlichkeit einer Drohung geführt werden.

Fristablauf

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Das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der (wirksam vereinbarten) Frist: § 620 Abs. 1, 3 BGB in Verbindung mit dem TzBfG.

Ausnahmsweise kann sich der Arbeitgeber nicht auf den Fristablauf berufen, wenn er zugunsten des Arbeitnehmers einen Vertauenstatbestand dahigehend geschaffen hat, dass das Arbeitsverhältnis fortgesetzt wird. In dem Fall ist die Berufung auf die Befristung gemäß §§ 226, 826 BGB missbräuchlich. Es müssen allerdings besondere Umstände vorliegen, eine bloß subjektive Erwartung des Arbeitnehmers genügt nicht.

Kündigung, Allgemeines

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Allgemeines zur Erklärung

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Die Kündigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung getätigt wird.

Die Kündigungserklärung muss den Willen, das Arbeitsverhältnis zu beenden, deutlich zum Ausdruck bringen (Bestimmtheit hinsichtlich des Beendigungswillens). Der Begriff "Kündigung" muss allerdings nicht unbedingt verwendet werden (ggfs. Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, § 133 BGB). Ist zweifelhaft, um welche Art der Kündigung es sich handelt, ist von einer ordentlichen Kündigung auszugehen.

Die Kündigung ist grundsätzlich bedingungsfeindlich. Eine Ausnahme gilt für die Potestativbedingung, Hauptfall ist die Änderungskündigung: Wirksamkeit der Kündigung für den Fall, dass der Arbeitnehmer ein Vertragsangebot zu geänderten Bedingungen nicht annimmt.

Die Kündigungserklärung wird mit dem Zugang beim Arbeitnehmer wirksam (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach allgemeiner Definition geht eine Willenserklärung zu, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht.

Typische Zugangsprobleme:

  • Ein Übergabe-Einschreiben geht, wenn der Empfänger nicht zuhause angetroffen wird, erst dann zu, wenn er es bei der Post abholt.
  • Beim praktisch gebräuchlicheren Einwurf-Einschreiben stellt sich dieses Problem nicht. Es geht mit Einwurf in den Briefkasten zu (da bei morgendlichem Einwurf noch mit Kenntnisnahme am selben Tag gerechnet werden kann).
  • Vereitelt der Empfänger den Zugang, kann er sich nicht darauf berufen, dass ihm die Erklärung nicht zugegangen sei. Dieser Einwand ist treuwidrig und damit unbeachtlich (§ 242 BGB). Beispiel: Ein Arbeitnehmer erteilt seinem Anwalt zwar Prozess-, aber keine Empfangsvollmacht und fährt dann in Urlaub, ohne Vorkehrungen für Postzugang oder Nachsendung während seiner Abwesenheit zu treffen[4]. In dem Fall konnte sich der Arbeitnehmer nicht darauf berufen, dass ihm das Übergabe-Einschreiben erst zu dem Zeitpunkt, in dem er es bei der Post abholte, zuging.
  • Lehnt ein als Empfangsbote anzusehender Familienangehöriger des abwesenden Arbeitnehmers die Annahme eines Kündigungsschreibens ab, gilt die Kündigung nur dann als zugegangen, wenn dem Arbeitnehmer die Ablehnung zurechenbar ist. Er muss also auf den Familienangehörigen zuvor Einfluss genommen haben[5].
  • Befindet sich der Arbeitnehmer im Urlaub, zur Kur oder in Haft, geht ihm eine Willenserklärung am Wohnort trotzdem zu. Begründet wird dies mit der Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 5 KSchG. Nachteile entstehen dem Arbeitnehmer also im Ergebnis nicht (er muss nur den Wiedereinsetzungsantrag stellen bzw. für den Fall der Abwesenheit Vorkehrungen treffen, dass ihm die Post nachgesendet wird o.ä.).

Zurückweisung der Kündigung

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Bei Ausspruch der Kündigung durch einen Bevollmächtigten ist die Vorschrift des § 174 BGB, die für alle einseitigen Rechtsgeschäfte gilt, zu beachten. Danach kann der Empfänger die Kündigung unverzüglich zurückweisen, wenn keine Vollmachtsurkunde (im Original!) beigefügt war. (Eine Ausnahme gemäß § 174 S. 2 BGB gilt allerdings für die Kündigung durch den Prokuristen, dessen Prokura im Handelsregister eingetragen und nach § 10 Abs. 1 HGB bekannt gemacht worden ist[6].) Wird die Zurückweisung wiederum durch einen Bevollmächtigten (insb. Rechtsanwalt) erklärt, muss auch ihr eine Originalvollmacht beigefügt werden. Anderenfalls kann die Zurückweisung ihrerseits zurückgewiesen werden. Wird die Vollmacht durch den Rechtsanwalt dann nachgereicht, ist die Zurückweisung allerdings nicht mehr "unverzüglich", so dass die Kündigung im Ergebnis wirksam ist! Die Vorschrift des § 174 BGB ist sehr praxisrelevant[7], sollte also auch für das Examen bekannt sein[8].

Es gilt § 622 BGB (bzw. eine nach der Norm in zulässiger Weise abweichende Vereinbarung). Die Kündigungsfrist wird nach §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB berechnet.

Dauer des
Arbeitsverhältnisses
*)
Gesetzliche
Mindestkündigungsfrist
während vereinbarter
Probezeit
2 Wochen
< 2 Jahre 4 Wochen**)
2 Jahre 1 Monat
5 Jahre 2 Monate
8 Jahre 3 Monate
10 Jahre 4 Monate
12 Jahre 5 Monate
15 Jahre 6 Monate
20 Jahre 7 Monate

*) Achtung: Berücksichtigt werden nur Arbeitszeiten ab Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers! Dies ist derzeit aber unter dem Aspekt eventuell europarechtswidriger Altersdiskrimminierung Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH.

**) Eine Vierwochenfrist kann kürzer als eine Monatsfrist sein!

Gemäß § 623 BGB muss die Kündigung schriftlich erklärt werden, d.h. auch eigenhändig unterzeichnet sein (§ 126 Abs. 1 BGB). Die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen (§ 623 Hs. 2 BGB). Bei Nichtbeachtung der Schriftform ist die Kündigung formnichtig (§ 125 S. 1 BGB).

Ausnahmsweise kann dem Arbeitnehmer die Berufung auf Formnichtigkeit versagt sein. Beispiel: Nach einem heftigen Wortwechsel erklärt der Arbeitgeber mündlich die Kündigung. Der Arbeitnehmer verlässt anschließend den Betrieb und erklärt gegenüber Kollegen, er komme nicht mehr wieder[9]. In dem Fall durfte der Arbeitgeber darauf vertrauen, dass der Arbeitnehmer sich nicht auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen würde. Somit verstieß die spätere Berufung auf die Formnichtigkeit seitens des Arbeitnehmers gegen Treu & Glauben (§ 242 BGB, Verbot des venire contra factum proprium), so dass die Kündigung entgegen § 125 BGB ausnahmsweise doch wirksam war.

Umdeutung

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Ist eine außerordentliche Kündigung mangels wichtigen Grundes unwirksam, kann sie in der Regel in eine ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt umgedeutet werden. Die Umdeutung tritt kraft Gesetzes ein (§ 140 BGB).

Nichtigkeit der Kündigung

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Die Kündigung kann (wie jedes andere Rechtsgeschäft auch) wegen Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit nichtig sein (§§ 134, 138 BGB).

Gesetzliche Kündigungsverbote ergeben sich z.B. aus §§ 9 MuSchG, 85 SGB IX, 18 BErzGG.

Die Verletzung der zivilrechtlichen Generalklauseln (§§ 138, 242 BGB) kann ebenfalls zur Nichtigkeit der Kündigung führen. Zu beachten ist allerdings, dass die Regelungen des KSchG Vorrang haben, soweit ihr Anwendungsbereich betroffen ist. Eine geschlechtsbezogene Diskriminierung kann also zur Unwirksamkeit der Kündigung gemäß §§ 138, 242 in Verbindung mit § 612a BGB führen.

§ 242 BGB gewährt nach der Rspr. des BAG auch einen Mindestkündigungsschutz in Kleinbetrieben, d.h. Betrieben mit weniger als 10 Arbeitnehmern (§ 23 Abs. 1 KSchG), in denen § 1 KSchG nicht gilt. Aufgrund seiner grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) dürfe ein Arbeitnehmer nicht völlig schutzlos gestellt sein und ihm der Arbeitsplatz nicht aus völlig unsachlichen Gründen genommen werden. Eine betriebsbedingte Kündigung ist demnach unwirksam, wenn Kriterien der Sozialauswahl evident missachtet wurden und der Arbeitgeber keine sachlichen Gründe für die Auswahl darlegen kann[10].

Mitwirkung des Betriebsrats

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Sofern ein Betriebsrat besteht, muss dieser vor der Kündigung angehört werden (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG). Eine nachträgliche Heilung der Anhörung ist nicht möglich. Gemäß § 102 Abs. 2 S. 2 bzw. 3 BetrVG gilt die Zustimmung des Betriebsrats mit Ablauf der Anhörungsfrist als erteilt.

Beachte: Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung ist nicht die Zustimmung, sondern nur die Anhörung des Betriebsrats. Der Widerspruch des Betriebsrats löst im Fall einer ordentlichen Kündigung aber den Weiterbeschäftigungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers während des Kündigungsschutzprozesses aus (§ 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG).

Anmerkungen

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  1. Helml, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2004, S. 143.
  2. Vgl. BAG, NZA 2006, 48 = NJW-Spezial 2006, 36.
  3. BAG, BB 2004, 1858 = Boemke, JuS 2004, 1029 mit Nachweisen zum Streitstand.
  4. BAG, JuS 2003, 1244.
  5. ErfK/Müller-Glöge, 1. Aufl. 1998, § 620 BGB Rn. 248.
  6. Helml, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2004, S. 147.
  7. Vgl. Schneider, Die Klage im Zivilprozess, 2. Aufl. 2004, Rn. 83 ff.
  8. Zu der Problematik ausführlich ErfK/Müller-Glöge, 1. Aufl. 1998, § 620 BGB Rn. 195 ff.
  9. BAG, JuS 2005, 575; NJW 2005, 844.
  10. BAG, JuS 2003, 1248.