Examensrepetitorium Jura: BGB Schuldrecht: Schuldverhältnis


Arten von Schuldverhältnissen Bearbeiten

Zu unterscheiden sind die rechtsgeschäftlichen und die gesetzlichen Schuldverhältnisse.

Begründung des Schuldverhältnisses Bearbeiten

Abgrenzung zur Gefälligkeit[1] Bearbeiten

Ggfs. ist zu unterscheiden, ob zwischen zwei Parteien ein Rechtsverhältnis begründet wurde oder ob es sich um eine reine Gefälligkeit handelt. Hauptunterschied ist die Frage, ob eine Leistungspflicht begründet wurde. Nur wenn das der Fall ist, kann die Leistung eingefordert werden, oder bei Verletzung der Leistungspflicht Schadensersatz verlangt werden. Liegt ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis nicht vor, wird nur nach den allgemeinen Grundsätzen über unerlaubte Handlungen gehaftet; insb. scheidet dabei eine Haftung für reine Vermögensschäden regelmäßig aus (§ 823 Abs. 1 BGB).

Entscheidend für die Abgrenzung ist die Frage, ob ein Rechtsbindungswille der Parteien vorlag. Bei der Ermittlung des Rechtsbindungswillens kommt es auf die Verkehrsanschauung und die Umstände des Einzelfalls an. Folgende Indizien können bei der Beurteilung herangezogen werden:

  • Art der Gefälligkeit,
  • Grund und Zweck,
  • Wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung insbesondere für den Empfänger,
  • Umstände unter denen sie erwiesen wird,
  • Interessen der Beteiligten,
  • Wert einer ggfs. anvertrauten Sache,
  • Die dem Leistenden erkennbare Gefahr, in die der Empfänger durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann.

Insb. beim unentgeltlichen Auftrag (§ 662 BGB) kann die Abgrenzung schwer fallen. Hier ist sie auch besonders wichtig, denn der Beauftragte haftet für jede Fahrlässigkeit und bei einer Pflichtverletzung wird sein Verschulden vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Auftrag ist ein sog. "Gefälligkeitsvertrag", weil er nur eine einseitige und fremdnützige Leistungspflicht begründet[2]. Weitere Beispiele für diesen Vertragstyp sind Leihe (§ 598 BGB), Schenkung (§ 516 BGB) und unentgeltliche Verwahrung (§§ 688, 690 BGB).

Neben dem Fall, dass Hauptleistungspflichten zwischen den Parteien begründet werden, kann es auch den Fall geben, dass ausschließlich Nebenpflichten (Schutz- und Obhutspflichten) vereinbart werden. Beispielsweise kann zwischen dem Veranstalter einer Treibjagd und den Jagdgästen ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis bestehen. Jedoch übernimmt der Jagdveranstalter konkludent rechtsgeschäftliche Schutzpflichten. Wird also einer der Jagdgäste fahrlässig geschädigt, haftet der Veranstalter auch für Verschulden seines Personals nach § 278 BGB[3]. Man spricht insoweit von "Gefälligkeiten mit rechtsgeschäftlichen Nebenpflichten".

Überblick:

              Rechtsbindungswille?
                       │
                       │
       ┌───────────────┴───────────────┐
       │                               │
       │                               │
 Keine Begründung                      │
von Pflichten beabsichtigt             │
       │                               │
       │                               │
 = reine Gefälligkeit      ┌───────────┴─────────────────┐
   (alltäglich)            │                             │
                           │                             │
                     Begründung von              nur Begründung von
               Hauptpflichten beabsichtigt    Nebenpflichten beabsichtigt
                           │                             │
                           │                             │
               = "Gefälligkeitsvertrag"          = "Gefälligkeit mit
                                             rechtsgeschäftlicher Nebenpflicht"

Haftungsmaßstab bei Gefälligkeiten[4] Bearbeiten

Es erscheint unbillig, den leistenden Teil selbst für leichte Fahrlässigkeit voll haften zu lassen, wenn er für seine Leistung schon keine Gegenleistung erhält. Daher können Beschränkungen des Haftungsmaßstabs analog §§ 521, 599, 680 BGB in Betracht gezogen werden. Diese Analogie wird teils auf Fälle echter Hilfeleistung beschränkt[5], teils grundsätzlich zugelassen[6].

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Dazu Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 28 f.
  2. Prütting/Wegen/Weinreich/Wirth/Fehrenbacher, BGB, 2006, § 662 Rn. 1.
  3. Beispiel nach Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 29.
  4. Hirte/Heber, Haftung bei Gefälligkeitsfahrten im Straßenverkehr, JuS 02, 241; Maier, Gefälligkeit und Hafung (LG Kiel, NJW 1998, 2539), JuS 01, 746.
  5. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 29.
  6. Medicus, Bürgerliches Recht, 19. Aufl. 2002, Rn. 369