Examensrepetitorium Jura: BGB Schuldrecht: Erlöschen des Schuldverhältnisses


Erfüllung

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Der häufigste Fall des Erlöschens einer Forderung ist die Erfüllung. Die Erfüllung muss an den Gläubiger selbst bewirkt werden (§ 362 I BGB) oder an einen zum Empfang ermächtigten Dritten (§ 362 II iVm. § 185 BGB).

Hat der Schuldner nicht in Person zu leisten, kann auch ein Dritter die Forderung erfüllen (§ 267 BGB).

Exkurs: Welchen Anspruch hat der Dritte gegen den Schuldner, nachdem er an dessen Stelle geleistet hat?

  • Entweder besteht zwischen beiden ein Rechtsverhältnis (Auftrag, Gesellschaft o. ä.). Dann richtet sich der Anspruch des Dritten nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, aus dem ein Anspruch auf Aufwendungsersatz folgen kann (z. B. §§ 662, 670 BGB).
  • Ohne ein zuvor begründetes Rechtsverhältnis kann die Leistung des Dritten Geschäftsführung ohne Auftrag sein (§§ 677, 683 BGB), so dass ebenfalls ein Anspruch gem. § 670 BGB besteht. Wenn der Dritte gegen den Willen des Schuldners erfüllt, kommt ein Ausgleichsanspruch gem. §§ 684 S. 1, 812 ff. BGB in Betracht[1].
  • Zu den bereicherungsrechtlichen Problemen, die entstehen, wenn die Schuld in Wirklichkeit nicht bestand, siehe Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1486 f.

Leistung an Erfüllungs statt

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Keine Erfüllung ist die Leistung eines anderen als des geschuldeten Gegenstands, es sei denn, der Gläubiger nimmt ihn an Erfüllungs statt an (§ 364 I BGB). Leistung und Annahme an Erfüllungs statt erfordern eine Einigung zwischen Schuldner und Gläubiger spätestens bei der Leistung (Schellhammer, Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen, 5. Aufl. 2003, Rn. 1533).

Aufrechnung

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Hat der Schuldner seinerseits eine Forderung gegen den Gläubiger, kommt ein Erlöschen der gegenseitigen Forderungen durch Aufrechnung in Betracht (§§ 387, 389 BGB).

Die Aufrechnungslage

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Aufrechnung im Prozess

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Die Aufrechnung ist materiellrechtlich eine anspruchsvernichtende Einwendung. Ob der Beklagte im Prozess behauptet, er habe schon vor Klageerhebung aufgerechnet, oder ob er die Aufrechnung erst im Prozess erklärt, in beiden Fällen muss man zwischen der materiellrechtlichen Aufrechnungserklärung - sie ist die Ausübung eines materiellrechtlichen Gestaltungsrechts - und der prozessualen Behauptung der erklärten Aufrechnung unterscheiden. Die Aufrechnungserklärung ist, auch wenn sie erst im Prozess abgegeben wird, eine privatrechtliche, rechtsgestaltende Willenserklärung, deren Voraussetzungen und Wirkung die §§ 387 ff. BGB regeln. Der Vortrag der anspruchsvernichtenden Einwendung im Prozess, also die Behauptung der erklärten Aufrechnung, ist dagegen Prozesshandlung, Tatsachenbehauptung, Verteidigungsmittel (§ 277 Abs. 1, 282, 296, 296a, 530, 531 ZPO) und unterliegt den Vorschriften der ZPO.

Dass die aufgerechnete höhere Gegenforderung nur bis zur Höhe der Klageforderung erlischt, § 389 BGB, und die Prozessaufrechnung nur in dieser Höhe nach § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB die Verjährung hemmt, versteht sich von selbst. Rechnet der Beklagte mit mehreren Gegenforderungen auf, deren Summe die Klageforderung übersteigt, muss er mit Rücksicht auf die Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 2 ZPO angeben, in welcher Reihenfolge er die Forderungen zur Aufrechnung stellt. Von den anderen Einreden und Einwendungen unterscheidet sich die Prozessaufrechnung nach zwei Seiten.

Rechtskrafterstreckung

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Während im Regelfall des § 322 Abs. 1 ZPO das Urteil nur über den prozessualen Anspruch, nicht über einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel rechtskräftig entscheidet, erstreckt § 322 Abs. 2 ZPO die materielle Rechtskraft ausnahmsweise auf das Verteidigungsmittel der Aufrechnung, wenn und soweit das Gericht auch über die Gegenforderung entscheidet. Dann stellt das Urteil rechtskräftig auch fest, dass die aufgerechnete Gegenforderung entweder überhaupt nicht besteht oder zwar bestanden hat, infolge Aufrechnung aber erloschen ist.

Hilfsaufrechnung

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Für die Praxis noch wichtiger ist die zweite Besonderheit: Der Beklagte erhebt den Aufrechnungseinwand in aller Regel nur hilfsweise (vorsorglich, eventuell) für den Fall, dass alle übrigen Verteidigungsmittel (Bestreiten, andere Einwendungen und Einreden) scheitern. Seine Gegenforderung opfert er nur, wenn er anders den Prozess nicht gewinnen kann. Die unbedingte Prozessaufrechnung ist selten und setzt voraus, dass die Klageforderung außer Streit ist. Bestreitet der Beklagte anspruchsbegründende oder behauptet er anspruchsfeindliche (gegenrechtsbegründende) Tatsachen, ist der Aufrechnungseinwand nur hilfsweise erhoben.

Problematisch könnte die Hilfsaufrechnung vor dem Hintergrund des materiellrechtlichen Bedingungsverbots des § 388 Satz 2 BGB sein. Der Streit darüber, ob die Hilfsaufrechnung unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter einer Rechtsbedingung stehe oder überhaupt nicht bedingt sei, ist heute überholt. Literatur und Rechtsprechung erkennen die Hilfsaufrechnung seit langem an. Für den Fall, dass die Klageforderung gar nicht besteht oder (unter Außerachtlassung der Aufrechnung) in vollem Umfang besteht, ist das auch völlig unproblematisch. Gegenüber einer nicht bestehenden Forderung erweist sich die Aufrechnung auch materiellrechtlich als wirkungslos. Sie führt nicht zum Verlust der Aufrechnungsforderung. Gegenüber einer bestehenden Forderung entfaltet die Aufrechnung auch als Hilfsaufrechnung ihre gesetzlich Wirkung. Beide Forderungen erlöschen. Probleme bereiten mit Blick auf das Bedingungsverbot nur die Fälle, in denen der Klageforderung Einreden entgegenstehen, die die Forderung nicht vernichten, sondern sie nur in der Durchsetzung hemmen. Gegenüber gehemmten Forderungen, namentlich verjährten Forderungen, ist eine Aufrechnung durchaus möglich. Die Frage kann dann nur lauten, ob § 388 Satz 2 BGB es verbietet, sich zunächst auf die Verjährungseinrede zu berufen und die Aufrechnung nur für den Fall zu erklären, dass das Gericht der Verjährungseinrede nicht folgt. § 388 Satz 2 BGB verbietet eine solche Staffelung nicht, weil die Vorschrift nicht den zum Opfer einer Forderung zwingen will, der noch andere Verteidigungsmöglichkeiten gegen seine Inanspruchnahme hat.

Ein anderes Problem ergibt sich dann, wenn das Gericht den ganzen Aufrechnungseinwand aus prozessualen Gründen nach §§ 296, 530 ZPO pauschal zurückweist, ohne über die Gegenforderung sachlich zu entscheiden. Es ist gar nicht so leicht zu begründen, dass hier die Aufrechnung ihre Wirkung verlieren, die aufgerechneten Forderungen also nicht erlöschen sollen. Doch entspricht dies der ganz herrschenden Auffassung (BGHZ 16, 124). Nehmen wir an, die Aufrechnung sei nicht erst im Prozess, sondern schon lange vorher erklärt worden, der Beklagte habe es nur versäumt, diese Tatsache in den Prozess einzuführen. Hätte derselbe Beklagte die Tatsache der Zahlung nicht rechtzeitig in den Prozess eingeführt, würde er verurteilt werden und hätte einen doppelten Verlust zu beklagen: seine erste Zahlung und die auf das Urteil folgende zweite Zahlung. Vergisst er nun, die erklärte Aufrechnung in den Prozess einzuführen, hätte er, wenn man es beim Erlöschen der Aufrechnungsforderung belässt, ebenfalls einen doppelten Verlust zu beklagen: den Verlust seiner zur Aufrechnung gestellten und durch Aufrechnung erloschenen Forderung und die Zahlung auf das Urteil. Wertungsmäßig unterscheiden sich die Fälle nicht sonderlich. Jedes Mal wird einem säumigen Beklagten zugemutet, eine Doppelbelastung hinzunehmen. An dieser Lage ändert sich auch nichts, wenn die Aufrechnung erst im Prozess erklärt wird. Die Entscheidung für den Erhalt der zur Aufrechnung gestellten Forderung lässt sich allenfalls damit begründen, dass die Aufrechnung nicht nur ein Verteidigungsmittel in Bezug auf die Gegenforderung, sondern zugleich aktive Durchsetzung eines eigenen Anspruchs sein soll. Schlägt diese selbsthilfeartige Realisierung fehl, weil der Aufrechnungseinwand nicht berücksichtigt wird, so ist der Zweck der in § 389 BGB vorgesehenen materiellrechtlichen Wirkung verfehlt, und die Wirkung entfällt. Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn nicht die Aufrechnung insgesamt, sondern nur die eine oder andere Tatsache oder ein Beweisangebot als verspätet zurückgewiesen und die Gegenforderung im Urteil als unschlüssig oder unbewiesen aberkannt wird. Hier gilt § 322 Abs. 2 ZPO in voller Härte. Die vom Beklagten gesetzte Bedingung, wie immer man sie rechtlich einordnet, bindet den Richter in der Reihenfolge der rechtlichen Prüfung. Dass der Einwand der Hilfsaufrechnung prozessual an letzter Stelle der Verteidigungsmittel noch hinter den Einreden steht, bedeutet praktisch: Der Richter darf sich mit der Gegenforderung des Beklagten erst befassen, wenn feststeht, dass die Klageforderung entstanden und - abgesehen von der Aufrechnung - weder erloschen noch gehemmt ist. Die prozessual vorrangigen Fragen, ob die Klageforderung entstanden ist, noch besteht und auch nicht gehemmt ist, darf der Richter im Urteil nicht offen lassen. Es ist falsch, die Klage mit der Alternativbegründung abzuweisen, die Klageforderung sei entweder nicht entstanden (oder erfüllt oder verjährt) oder aber durch Aufrechnung erloschen. Diese Begründung missachtet den verbindlichen Willen des Beklagten und vernebelt den Umfang materieller Rechtskraft nach § 322 Abs. 2 ZPO.

Das Rechtsmittelgericht muss diesen Verfahrensfehler wie ein Verfahrenshindernis ohne Parteirüge von Amts wegen beachten, vor allem dann, wenn die Hilfsaufrechnung mit der Verjährungseinrede zusammentrifft. Da der Schuldner auch die verjährte Klageforderung nach § 214 Abs. 2 BGB noch erfüllen, folglich auch gegen sie aufrechnen kann, würde er mit der unbedingten Aufrechnung ein überflüssiges Vermögensopfer bringen. Die nachrangige Verjährungseinrede erhält so kraft Parteiwillens prozessualen Vorrang vor der Hilfsaufrechnung. Trifft der Aufrechnungseinwand mit der Stundungseinrede, der Einrede des nichterfüllten gegenseitigen Vertrags nach § 320 BGB oder einem Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273, 1000 BGB zusammen, muss der Beklagte sagen, in welcher Reihenfolge über die Verteidigungsmittel zu entscheiden ist.

Beispiele: Der Kläger verlangt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. Der Beklagte bestreitet die Unfallschilderung des Klägers und behauptet Tatsachen für eine höhere Gewalt und für überwiegendes Verschulden des Klägers. Außerdem rechnet er mit seiner eigenen Schadensersatzforderung aus dem Unfall auf. Das Landgericht weist die Klage mit der Begründung ab, eine Beweisaufnahme über das streitige Unfallgeschehen sei überflüssig. Entweder stehe dem Kläger wegen § 7 Abs. 2 oder § 17 Abs. 2 StVG von vornherein kein Schadensersatzanspruch zu, oder aber ein etwaiger Anspruch sei durch Aufrechnung erloschen, da die Gegenforderung des Beklagte auch nach dem Klagevortrag zumindest in Höhe der Klageforderung bestehe. Beide Parteien legen Berufung ein.

Beide Berufungen sind zulässig, beide Parteien beschwert, der Kläger schon deshalb, weil die Klage abgewiesen, der Beklagte, weil ihm nach § 322 Abs. 2 ZPO möglicherweise die aufgerechnete Gegenforderung aberkannt wurde. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht durfte nicht offen lassen, ob und in welcher Höhe die Klageforderung bestand. Da der Beklagte den Klagevortrag bestritt und Einwendungen nach §§ 7 Abs. 2, § 17 Abs. 2 StVG erhob, machte er den Aufrechnungseinwand nur hilfsweise geltend. Daran war das Landgericht gebunden. Würde sein Urteil rechtskräftig, stünde nach § 322 Abs. 1 ZPO nur fest, dass die Klageforderung nicht besteht. Offen bliebe, ob die Gegenforderung des Beklagten noch besteht oder durch Aufrechnung erloschen ist. Dieser Verfahrensfehler ist auch ohne Parteirüge von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH LM § 322 ZPO Nr. 21).

Mit Klage vom 4.1.2005 verlangt der Kläger 11.000 € Restwerklohn für Rohbauarbeiten am Neubau des Beklagten. Der Rohbau wurde am 9.12.2001 abgenommen. Der Beklagte macht Verjährung geltend. Außerdem behauptet er, Kellerfundament und -wände seien schlecht insoliert, so dass Feuchtigkeit eindringe und in den Wänden hochsteige. Trotz Fristsetzung bis 15.12.2001 habe der Kläger die Mängel nicht beseitigt. Mit der Nachbesserung sei deshalb ein anderer Unternehmer beauftragt worden, der Rechnung über 12.000 € gestellt habe. Hiermit rechne er gegen die Klageforderung auf.

Die Klage ist unbegründet. Die Klageforderung aus § 631 Abs. 1 BGB ist nach § 195, 199, 641, 214 Abs. 1 BGB verjährt. Sie wurde nach § 641 BGB am 9.12.2001 mit Abnahme fällig. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann nach § 199 BGB mit Ablauf des 31.12.2001 und endete mit Ablauf des 31.12.2004 noch vor Einreichung der Klage. Der Beklagte hat die Verjährungseinrede erhoben. Das alles ist unstreitig. Auf den Aufrechnungseinwand kommt es nicht mehr an. Das Gericht darf über ihn nicht entscheiden. Da der Beklagte die Klage auch mit der Verjährungseinrede bekämpft, erhebt er den Aufrechnungseinwand nur hilfsweise nach der Verjährungseinrede. An diese Reihenfolge ist das Gericht gebunden. Nach § 214 Abs. 2 BGB kann man auch gegen eine verjährte Forderung aufrechnen. Denn die Verjährungseinrede zerstört den Anspruch nicht, sondern hemmt ihn nur. Der Beklagte will seine Gegenforderung aber nur opfern, wenn die Verjährungseinrede versagt.

Zulässigkeit der Aufrechnung

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Innerhalb des Aufrechungseinwandes prüft man die materiellrechtliche Zulässigkeit der Aufrechung (§§ 387, 390 bis 395 BGB, vertragliches Aufrechnungsverbot, § 309 Nr. 3 BGB) vor Entstehung und Bestand der Gegenforderung. Unzulässig ist der Aufrechnungseinwand auch dann, wenn der Beklagte vertraglich auf ihn verzichtet hat. In diesen Fällen gilt § 322 Abs. 2 ZPO nicht, denn das Gericht entscheidet gerade nicht über die Gegenforderung, wenn es annimmt, der Beklagte dürfe gar nicht aufrechnen. Beispiel nach Schellhammer: Der Kläger fordert die letzte Kaufpreisrate sowie die Vergütung für Sonderleistungen aus einem notariellen Grundstückskauf- und Baubetreuungsvertrag. Der Beklagte bestreitet den Klagevortrag nicht, rechnet aber mit einer Schadensersatzforderung aus vertraglich übernommener Garantie auf. Der Kläger verweist darauf, dass im notariellen Vertrag die Aufrechnung des Beklagten gegen die Klageforderung ausgeschlossen sei. Das Landgericht gibt der Klage statt. Den Aufrechnungseinwand des Beklagten weist es zurück, weil die Aufrechnung durch Individualvereinbarung wirksam ausgeschlossen sei. Der Beklagte klagt daraufhin seine Schadensersatzforderung in einem zweiten Prozess ein. Der Kläger meint, die Forderung des Beklagten sei bereits im Vorprozess rechtskräftig aberkannt worden. Die Klage ist zulässig. Die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess steht ihr nicht entgegen. Nach § 322 Abs. 2 ZPO erstreckt sich die Rechtskraft zwar auf die Feststellung, dass die aufgerechnete Gegenforderung des Beklagten nicht oder infolge Aufrechnung nicht mehr bestehe. Das gilt aber nur dann, wenn das Urteil über die Gegenforderung überhaupt entschieden hat. Daran fehlt es hier. Das Landgericht hat im Vorprozess bereits die Zulässigkeit der Aufrechnung verneint, weil die Parteien sie vertraglich wirksam ausgeschlossen haben. Über die Gegenforderung selbst durfte das Landgericht nicht entscheiden und hat es nicht entschieden.

Rechtsweg

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Die Prozessaufrechnung ist Einwendung und Verteidigungsmittel, bestimmt also weder Rechtsweg noch Zuständigkeit. Gleichwohl ist die Herkunft der Gegenforderung nicht belanglos. Steht auch für sie der ordentliche Rechtsweg offen, kann und muss das ordentliche Gericht über sie entscheiden. Ist sie bereits anderswo eingeklagt, kann das Gericht nach § 148 ZPO aussetzen. Zum ordentlichen Rechtsweg gehören heute nicht mehr die Arbeitsgerichte. Dennoch hält man auch die Aufrechnung mit Forderungen, deren klageweise Geltendmachung im Rechtsweg der Arbeitsgerichtsbarkeit erfolgen müsste, im ordentlichen Rechtsweg für zulässig. Gehört die bestrittene Gegenforderung vor Verwaltungs-, Sozial- oder Finanzgericht, lehnen die herrschende Meinung und vor allem die Rechtsprechung die Aufrechnung ab und verweisen das Zivilgericht mit Rücksicht auf § 322 Abs. 2 ZPO auf die Aussetzung nach § 148 ZPO. Dem Beklagten soll eine Frist zur Klageerhebung gesetzt werden. Vorzugswürdig ist aber auch hier wie in den Fällen einer Klage mit mehreren Anspruchsgrundlagen unterschiedlicher Rechtswegzuständigkeit die Annahme einer Prüfungsbefugnis kraft Sachzusammenhangs. Die Aufrechnung vor einem staatlichen Gericht ist aber unzulässig, wenn die Parteien einen Schiedsvertrag über die Gegenforderung geschlossen haben. Hier haben die Parteien die Forderung verbindlich der Beurteilung durch die staatlichen Gerichte entzogen. Doch kann das Prozessgericht nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Schiedsgerichts aussetzen.

Rechtshängigkeit

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Die Aufrechnungsforderung wird nach herrschender Meinung nicht rechtshängig. Der Beklagte ist danach weder gehindert, die aufgerechnete Gegenforderung anderweit einzuklagen, noch die bereits eingeklagte Forderung aufzurechnen. Dies soll aus § 261 Abs. 1 ZPO folgen. Nur die Klageforderung werde rechtshängig. Die Aufrechnung sei aber keine (Wider-)Klage, sondern Verteidigungsmittel. Das ist m.E. schlechte Begriffsjurisprudenz. § 322 Abs. 2 ZPO regelt die Rechtskraft, und Rechtskraft und Rechtshängigkeit stimmen in der Regel überein.

Beispiel: Der Kläger ist Generalunternehmer für Bauarbeiten auf einem Flugplatz, der Beklagte Subunternehmer. Der Kläger verlangt vor dem Landgericht Konstanz Schadensersatz wegen mangelhafter Bauausführung. Der Auftraggeber hat die Schlussrechnung des Klägers aus diesem Grunde gekürzt. Der Beklagte macht geltend, die Klage sei unzulässig, da der Kläger die Klageforderung schon anderweit rechtshängig gemacht habe. Der Beklagte hat nämlich den Kläger vor dem Landgericht Freiburg auf Zahlung des Restwerklohnes verklagt. Der Kläger hat dort hilfsweise mit seiner Schadensersatzforderung aufgerechnet. Der Freiburger Prozess ist noch nicht entschieden.

Nach herrschender Meinung ist die Klage zulässig. Der Kläger hat danach die Klageforderung vor Klageerhebung nicht bereits anderweit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO rechtshängig gemacht. Der Aufrechnungseinwand des Klägers im Vorprozess machte die Schadensersatzforderung noch nicht rechtshängig. Ich halte das mit Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch und Streitgegenstandsprobleme im Zivilprozeß, 1970, S. 328, für falsch.

Wird die Klage wegen Aufrechnung abgewiesen, so ist mit Blick auf die Kostenfolge zu differenzieren. Wenn gegen eine unstreitige Klageforderung aufgerechnet wird, hat der Kläger nach § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Wenn gegen eine streitige Klageforderung hilfsweise aufgerechnet wird, verliert der Kläger zwar seinen Prozess. Zugleich wird aber festgestellt, dass ihm die Klageforderung zustand und der Prozessverlust allein auf dem Opfer einer Forderung des Beklagten beruhte. Hier kann es nicht einfach zu einer Belastung des Klägers kommen, weil seine Klage abgewiesen worden ist. In wenigstens einer Fallgestaltung sollte man zu einer Kostenteilung nach § 92 Abs. 1 ZPO kommen.

Eine andere Auffassung (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 91 ZPO, Rdnr. 77) lehnt das ab und will dem Kläger immer die gesamten Kosten anlasten. Das wird damit begründet, dass auch der Kläger hätte aufrechnen und die Klage damit vermeiden können. Zudem wirke die Aufrechnung nach § 389 BGB auf die Aufrechnungslage zurück, so dass die Klage von Anfang an unbegründet sei, wenn sich die Forderungen bereits bei Klageerhebung aufrechenbar gegenüberstanden. Sei die Gegenforderung, genauer: die Aufrechnungslage nach § 389 BGB erst nach Klageerhebung entstanden, könne der Kläger den Kosten durch Erledigungserklärung entgehen.

Diese Argumentation trägt mindestens in dem Fall nicht, in dem beide Forderungen streitig sind. Da haben weder der Kläger noch der Beklagte die Möglichkeit, die Angelegenheit ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu bereinigen. Die Auffassung von Hartmann führt dazu, den mit den Kosten der Entscheidung über beide Forderungen zu belasten, der die Klageinitiative ergreift: ein ungerechtfertigter Lohn für Anspruchs- und Klageverzicht oder das Aussitzen! Keine Klageinitiative muss allerdings der ergreifen, der eine bestrittene Forderung gegen eine unstreitige durchsetzen will. Er kann in der Tat aufrechnen und damit dem anderen die Klageinitiative aufdrängen.

Hinterlegung

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Praktisch bedeutsam ist die Erfüllung durch Hinterlegung (§§ 372 ff. BGB).

Andere Erlöschensgründe

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Rücktritt

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vgl. ► Rücktritt

Unmöglichkeit

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vgl. ► Ausschluss der Leistungspflicht

Fristablauf/Kündigung bei Dauerschuldverhältnissen

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Mit Fristablauf oder Kündigung endet das Schuldverhältnis sofort zu dem Zeitpunkt, an dem das Ereignis eintritt (ex nunc). Bei Schuldverhältnissen auf Überlassung des Besitzes (etwa Leihe, Miete) entsteht mit dem Ende des Schuldverhältnisses grundsätzlich die Pflicht, die Sache zurückzugeben.

Eine Forderung kann auch dadurch erlöschen, dass der Gläubiger mit dem Schuldner einen Erlassvertrag abschließt (§ 397 I BGB). Dieser Vertrag muss beinhalten, dass der Gläubiger dem Schuldner die Schuld erlässt. Nachdem der Erlass ein Vertrag ist, muss insbesondere eine Annahmeerklärung seitens des Gläubigers erfolgen. In diesem Zusammenhang stellt sich öfter das Problem, ob eine solche Annahme konkludent erklärt wurde, was gerade in Fällen der Erlassfalle zweifelhaft sein kann (siehe dazu Roy Dörnhofer, Juristische Übungsfälle zum Schuldrecht AT, Fall Nr. 4).

Negatives Schuldanerkenntnis

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Die Schuld erlischt ebenfalls, wenn der Gläubiger durch einen Vertrag mit dem Schuldner anerkennt, dass das Schuldverhältnis nicht bestehe, § 397 II BGB.

Anmerkungen

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  1. HandKomm-BGB/Schulze, 4. Aufl. 2005, § 267 Rn. 5; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 289.