Examensrepetitorium Jura: BGB Schuldrecht: Dienstvertrag


Zustandekommen des Dienstvertrags

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Der Dienstvertrag gem. § 611 Abs. 1 BGB ist ein gegenseitiger schuldrechtlicher Vertrag, der den einen Vertragspartner zu Diensten beliebiger Art (§ 611 Abs. 2 BGB), den anderen zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet[1].

Arten von Dienstverträgen und Abgrenzung zu anderen Vertragstypen:

  • Beim Werkvertrag (§ 631 BGB) wird ein bestimmter Erfolg geschuldet - was eine verschuldensunabhängige Gewährleistung bei Mangelhaftigkeit der Leistung zur Folge hat. Der Dienstleistende ist dagegen nur zu der vereinbarten Tätigkeit als solcher verpflichtet. Auch der Arztvertrag ist immer Dienstvertrag, selbst wenn eine bestimmte (sogar kosmetische) Operation geschuldet wird.
  • Praktisch besonders relevant ist die Abgrenzung zum Arbeitsvertrag: Der Arbeitnehmer ist - im Gegensatz zum Dienstverpflichteten aus einem freiem Dienstvertrag - weisungsgebunden hinsichtlich Ort, Zeit und Art der Tätigkeit, in eine Betriebsorganisation eingegliedert und muss seine ganze Arbeitskraft persönlich an den Dienstberechtigten erbringen. Indizien für ein freies Dienstverhältnis sind dagegen insb. die enge Bindung der Vergütung an den Erfolg der Tätigkeit, eigene Unternehmensrisiken und -chancen und die freie Entscheidung über die Annahme des Auftrags (weitere Einzelheiten bei Prütting/Wegen/Weinreich/Lingemann, BGB, 2006, § 611 Rn. 18). Der Anstellungsvertrag mit einem GmbH-Geschäftsführer ist Dienst-, nicht Arbeitsvertrag.
  • Der Beratungs- oder Prozessvertretungsvertrag mit einem Rechtsanwalt ist entgeltliche Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) auf der Grundlage eines Dienstvertrags[2]. Soll ein Gutachten erstellt werden, liegt dagegen ein Werkvertrag vor[3].

Die Vergütung

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In der Regel wird eine konkrete Vergütung vereinbart (§ 611 Abs. 1 BGB). Fehlt eine solche Abrede - oder ist sie z. B. wegen sittenwidrigen Lohnwuchers unwirksam -, füllt § 612 BGB die Lücke: Nach Abs. 1 wird eine Vergütung geschuldet, wenn dies nach den Umständen zu erwarten war, nach Abs. 2 gilt bei Fehlen einer Vereinbarung über die Vergütungshöhe die taxmäßige oder übliche Vergütung als vereinbart.

Fällig wird die Vergütung nach Leistung der Dienste oder nach Ablauf der vereinbarten Zeitabschnitte (§ 614 BGB).

Im Fall der Schlechtleistung hat der Dienstberechtigte nach h. M. grundsätzlich kein Recht zur Minderung der Vergütung. Er kann aber mit dem ggfs. bestehenden Gegenanspruch auf Schadensersatz aufrechnen[4].

Die Dienstleistung

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Wie sich aus § 614 BGB ergibt, ist der Dienstverpflichtete vorleistungspflichtig, so dass § 320 BGB für die Dauer der Vorleistungspflicht nicht gilt.

Erbringt der Verpflichtete die Dienstleistung nicht rechtzeitig, entfällt sein Vergütungsanspruch gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn es sich um eine absolute (d. h. nicht nachholbare) Fixschuld handelte[5]. Hiervon bestehen zwei Ausnahmen: Nach § 615 BGB bleibt der Vergütungsanspruch erhalten, wenn der Dienstberechtigte sich in Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB) befand (siehe dazu beim Arbeitsrecht). Der Lohnanspruch bleibt außerdem erhalten, wenn der Dienstverpflichtete vorübergehend verhindert war (§ 616 BGB).

Schadensersatz

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Im Dienstvertragsrecht gibt es kein spezielles Gewährleistungsrecht. Es gilt das allgemeine Schuldrecht. Anspruchsgrundlage für Schadensersatz ist also § 280 Abs. 1 BGB[6]; zu den allgemeinen Voraussetzungen siehe hier), bei Verletzung von Nebenpflichten ist zusätzlich § 241 Abs. 2 BGB heranzuziehen.

Bei Verzug mit Dienstleistung oder Vergütung kann Ersatz des Verzugsschadens gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB verlangt werden. Anstelle des Rücktritts (§ 323 BGB) tritt jedoch das Recht zur außerordentlichen Kündigung (§ 626 BGB).

Eine besondere Form des Schadenersatzes ergibt sich aus § 628 BGB. Hier ist zum einen in Abs. 1 festgehalten, dass bei einer fristlosen Kündigung die gezahlten Kosten der Dienstleistung zurückerstattet werden müssen. Zum anderen steht in Abs. 2, dass dann, wenn durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung herbeigeführt wurde, der Verursacher zum Schadenersatz verpflichtet ist.

Besonderheiten bei der Anwaltshaftung

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1. Zwischen Anwalt und Mandant muss ein Anwaltsvertrag zustande gekommen sein.

2. Der Anwalt muss einen Fehler begangen haben (objektive Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB). Folgende Pflichten hat der Anwalt:

  • er muss umfassend beraten,
  • er muss den sichersten Weg für den Mandanten wählen, vor Risiken warnen, Bedenken mit ihm erörtern und von aussichtslosen Maßnahmen abraten;
  • er muss den Mandanten vor Schaden bewahren.

Für den Anwaltsfehler ist der geschädigte Mandant beweispflichtig. Das gilt auch für negative Tatsachen wie die Behauptung, dass über ein bestimmtes Risiko nicht aufgeklärt worden sei: In dem Fall hat der Anwalt zunächst darzulegen, wann die Aufklärung erfolgt sei; diese Gegendarstellung muss der Mandant dann widerlegen, um seine Beweispflicht zu erfüllen[7].

3. Dem Mandanten muss ein Schaden entstanden sein. Aufgrund einer Differenzbetrachtung muss feststehen, dass das Vermögen des Mandanten ohne den Anwaltsfehler größer wäre.

4. Kausalität zwischen Anwaltsfehler und Schaden des Mandanten. Auch hierfür trägt der Mandant die Beweislast.

  • Eine Beweislastumkehr ist nicht vorgesehen, eine Beweiserleichterung ergibt sich jedoch aus der tatsächlichen Vermutung (Anscheinsbeweis) für aufklärungsrichtiges Verhalten des Mandanten: Es wird angenommen, dass der Mandant, wenn er richtig aufgeklärt worden wäre, sich dementsprechend vernünftig verhalten hätte. Damit steht die hypothetische Kausalität zwischen unterlassener Aufklärung und eingetretenem Schaden zunächst fest. Gelingt es dem Anwalt, diese tatsächliche Vermutung zu erschüttern, tritt wieder die normale Beweislastverteilung ein, d. h. der Mandant muss die Kausalität beweisen[8].
  • Ist infolge eines Anwaltsfehlers ein Prozess verloren worden, steht damit noch nicht die Kausalität fest. Vielmehr ist zu prüfen, wie das Gericht den Prozess nach Recht und Gesetz hätte entscheiden müssen, wenn der Anwalt fehlerfrei prozessiert hätte. Ein rechtmäßiger Prozessverlust wird also trotz Anwaltsfehlers nicht entschädigt[9].

Dem Anwalt stehen gegen die Inanspruchnahme auf Regress folgende Einwendungen und Einreden zu:

  • Er kann mit dem Mandanten eine Haftungsbeschränkung vereinbaren, allerdings gem. § 51a BRAO[10] nur in begrenztem Umfang.
  • Handelt eine Sozietät in der Rechtsform der Partnerschaft, haftet nur der jeweilige Bearbeiter des Mandats (§ 8 Abs. 2 PartGG).
  • Handelte der Anwalt auf Weisung des Mandanten, haftet er nicht (§§ 675, 665 BGB), wenn er ihn vorher über die Risiken aufgeklärt hat.
  • Der Anwalt kann versuchen sich gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu entlasten. Die Erfolgsaussicht ist jedoch minimal, denn es gilt ein objektivierter Fahrlässigkeitsmaßstab (§ 276 Abs. 2 BGB) und fast jeder Anwaltsfehler ist vermeidbar[11].
  • Es kann ein Mitverschulden des Mandanten oder seiner gesetzlichen Vertreter und Erfüllungsgehilfen vorliegen (§§ 254 Abs. 2 BGB).
  • Für die Verjährung gelten keine Besonderheiten mehr! Da die Spezialvorschrift des § 51b BRAO gestrichen ist, hat sich auch die Rspr. zum "sekundären Schadensersatzanspruch" erledigt[12]. Mittlerweile gelten §§ 195, 199 BGB[13].

Besonderheiten bei der Arzthaftung

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1. Zunächst muss ein Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient geschlossen worden sein. Dieser Punkt bereitet in der Regel die wenigsten Probleme. Kurz zu erwähnen ist, dass der Arzt i. d. R. nicht einen Erfolg in Form der Heilung des Patienten schuldet, sondern die kunstgerechte (lege artis) Durchführung der Behandlung. Damit ist der Vertrag nicht als Werk- sondern Dienstvertrag einzustufen. Ausnahmsweise ist der Arztvertrag als Werkvertrag zu qualifizieren, wenn es sich um medizinisch nicht indizierte Behandlungen handelt (so z. B. bei Schönheitsoperationen). Folgenden Fall hatte das OLG München zu beurteilen[14]:

Beispiel: Ein zweijähriges Mädchen fällt beim Spielen in den Chiemsee. Die Großtante findet das Kind im Wasser treibend und ruft um Hilfe. Ein zufällig anwesender Gynäkologe eilt herbei und gibt sich als Arzt zu erkennen. Er untersucht das Kind, kann jedoch keine Vitalzeichen mehr erkennen. Da sich das Kind "wie eine kalte Wachspuppe" anfühlt, führt er auch keine Reanimationsmaßnahmen durch. Dem wenig später eintreffenden Notarzt gelingt es durch Gabe von Suprarenin eine Herzfunktion auszulösen. Das Kind erwacht 14 Tag später aus dem Koma, hat jedoch einen hypoxischen Hirnschaden erlitten und ist in der Folge schwerbehindert. Nicht mehr aufklärbar ist, wie lange genau das Kind im Wasser gelegen hat.

Fraglich ist, ob ein Behandlungsvertrag mit dem Gynäkologen geschlossen wurde. Für die Geschädigte wäre dies von Vorteil, da ihr eine Beweislastumkehr zugute käme, wenn der Gynäkologe grob pflichtwidrig gehandelt hätte (dazu noch unten): Da sich nicht mehr aufklären lässt, ob der Hirnschaden während der Zeit entstand, in der das Kind im Wasser lag, oder auf die unterlassene Reanimation zurückzuführen ist, wäre es für sie günstiger, wenn der Arzt sich diesbezüglich entlasten müsste. Im Ergebnis nahm das OLG jedoch keinen Behandlungsvertrag an: Der Arzt war in seiner Freizeit zufällig am Unglücksort und daher - wie jeder beliebige Dritte - zur Hilfeleistung gesetzlich verpflichtet (§ 323c StGB). Er verfügte zu dem Zeitpunkt auch über keine ärztliche Ausrüstung. Allein aus dem Umstand, dass er das Kind untersuchte, ließ sich nicht schließen, dass er einen Behandlungsvertrag mit der Großtante oder der später hinzukommenden Mutter schließen wollte. Auch die Äußerung, dass er Arzt sei, war aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers in der konkreten Situation nicht als Angebot zum Abschluss eines Behandlungsvertrags anzusehen: Dagegen spricht zunächst, dass keine qualifizierte Behandlung möglich war, und zweitens, dass die Pflicht zur Behandlung nicht von der Bereitschaft der Beteiligten abhing, einen entgeltlichen Vertrag zu schließen. Die Übernahme der Hilfeleistung im Einvernehmen mit den Angehörigen erfolgte vielmehr aufgrund eines unentgeltlichen Auftrags gem. § 662 BGB[15].

2. Der Arzt haftet für die folgenden objektiven Pflichtverletzungen nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB:

  • Behandlungsfehler ("Kunstfehler").
  • Diagnosefehler.
  • Fehlerhafte Aufklärung. Sie wird vor allem im Rahmen der deliktischen Haftung relevant, stellt aber auch eine vertragliche Nebenpflicht dar. Jeder ärztliche Eingriff ist tatbestandlich eine Körperverletzung (h. M.), die nur dann nicht rechtswidrig ist, wenn der Patient wirksam eingewilligt hat[16]. Für die Wirksamkeit der Einwilligung kommt es entscheidend darauf an, dass der Patient umfassend über alle denkbaren Risiken aufgeklärt wurde, damit er sich den für die wirksame Einwilligung nötigen Willen bilden kann. Hierbei ist allerdings auch zu beachten, dass eine Aufklärung ausnahmsweise den Therapieerfolg gefährden kann[17]. Für das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung trägt der Arzt die Beweislast, obwohl es sich bei der Aufklärung um eine vertragliche Nebenpflicht handelt, für deren objektive Verletzung eigentlich der Patient beweispflichtig wäre[18]. In der Praxis dient der Aufklärungsfehler daher als Auffangtatbestand, wenn dem Arzt ein kausaler Behandlungsfehler nicht nachweisbar ist. Anmerkung: M.E. ist es bloßer Zufall, wenn im Fall nicht nachweislicher Kausalität bei nachweislicher behandlungsbezogener Pflichtverletzung tatsächlich auch nicht aufgeklärt wurde. Die vorstehende Aussage hinsichtlich der Praxis erscheint wenig plausibel.
  • Daneben kommen sonstige Pflichtverletzungen in Betracht. Zum Beispiel kann ein Arzt schadensersatzpflichtig sein, wenn er ein ärztliches Zeugnis verzögert erstellt[19].

3. Es muss auch eine subjektive Pflichtverletzung (Anmerkung: Im Zivilrecht braucht es gerade keine subjektive Pflichtverletzung!!! Der Sorgfaltsmaßstab ist im Gegenteil stets objektiviert. Der Begriff der subjektiven Sorgfaltspflichtverletzung ist der strafrechtlichen Dogmatik entnommen. Richtigerweise müsste es Vertretenmüssen oder notfalls Verschulden heißen. Im Absatz darüber statt objektiver Pflichtverletzung besser lediglich Pflichtverletzung.) des Arztes vorliegen. Nach allgemeinem Schuldrecht wird das Verschulden vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Umstritten ist, ob bzw. inwieweit die Verschuldensvermutung bei der Arzthaftung anwendbar ist.

  • Vor der Schuldrechtsreform trug der Patient die Beweislast für Verschulden des Arztes (§ 282 BGB a. F. wurde insoweit nicht analog angewandt). Medicus[20] nimmt eine teleologische Reduktion des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vor, um die alte Rechtslage beizubehalten.
  • Nach Spindler/Rieckers[21] besteht dafür kein Anlass: Es darf nicht schon der ausgebliebene Heilungserfolg als Pflichtverletzung gesehen werden, da der Arzt gerade keinen Erfolg schuldet[22]. Vielmehr muss im Fall einer Verletzung des Integritätsinteresses der Patient beweisen, dass diese auf einer Pflichtverletzung des Arztes herrührt. Erst wenn ein Behandlungsfehler positiv feststeht, greift die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Anders liegt es nur bei der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, denn deren Nichterfüllung begründet schon die Pflichtverletzung, für die sich der Arzt dann entlasten muss.

4. Dem Patienten muss ein Schaden entstanden sein. Besonders problematisch sind die folgenden Fallgruppen, die die Rechtsprechung immer wieder beschäftigen und auch bereits Gegenstand von Examensaufgaben waren:

  • Kind als Schaden[23]? Das Problem stellt sich, wenn eine Sterilisation fehlgeschlagen und daraufhin ein (gesundes) Kind ungewollt zur Welt gekommen ist. Die Senate des BVerfG sind darüber uneinig, ob die Wertungen des Grundgesetzes gegen die Möglichkeit eines Schadensersatzes sprechen[24]. Der BGH geht mit dem 1. Senat des BVerfG davon aus, dass nicht die Geburt des Kindes schadensersatzpflichtig macht, sondern die den Eltern damit entstehende Unterhaltspflicht, die einen Vermögensschaden darstellt[25].
  • Ein Zusatzproblem kann sich ergeben, wenn auch der Kindsvater Schadensersatz verlangt. In den Schutzbereich des Behandlungsvertrags zwischen Mutter und Arzt kann sowohl der Ehemann als auch ein nichtehelicher Lebensgefährte einbezogen sein, wenn die Voraussetzungen des Vertrags zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB analog) vorliegen. Das ist bei einer nichtehelichen Partnerschaft der Fall, wenn dem Arzt erkennbar war, dass die Sterilisation der Frau erfolgen sollte, weil sie mit einem bestimmten Partner geschlechtlich verkehren wollte[26]. Da jedes Elternteil dem Kind Bar- bzw. Betreuungsunterhalt schuldet, haben beide einen Schadensersatzanspruch. Die Höhe des Schadensersatzes liegt bei je 135% des Regelbetrags, also zusammen 270%. Der Regelbetrag ergibt sich aus der RegelbetragsVO[27].
  • Geburt eines behinderten Kindes: Unterbleibt wegen eines ärztlichen Fehlers ein Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen legalen Abbruch vorgelegen hätten. Es muss aus damaliger Sicht von einer Gefährdung der Mutter im Sinne von § 218a Abs. 2 StGB auszugehen gewesen sein, die auch nicht auf eine andere, für die Mutter zumutbare Weise hätte abgewendet werden können. Denn die Behinderung des Kindes alleine (embryopathische Indikation) erlaubt nicht die Abtreibung, sondern nur eine daraus resultierende seelische Gesundheitsgefährdung der Mutter[28]. Übrigens stehen dem Kind selbst keine Schadensersatzansprüche für das eigene Leben zu ("wrongful life"-Problematik).

5. Der dem Patienten entstandene Schaden muss kausal auf die Pflichtverletzung seitens des Arztes zurückzuführen sein. Grundsätzlich obliegt dem Patienten für die Kausalität die Beweislast, da es sich um eine Anspruchsvoraussetzung handelt (die Verschuldensvermutung hilft insoweit nicht, da sie sich nicht auf die Kausalität erstreckt). Da dem Patienten die Beweisführung in der Regel schwer fällt, hat die Rechtsprechung die Beweislast bei groben Behandlungs- und Diagnosefehlern zugunsten des Geschädigten umgekehrt, wenn der Fehler geeignet war, den eingetretenen Schaden herbeizuführen (st. Rspr. des BGH[29]. Ein grober Behandlungsfehler ist gegeben, wenn ein Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinischer Kenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (st. Rspr.[30]. Ein Diagnosefehler wird nur dann als grober Behandlungsfehler bewertet, wenn es sich um einen fundamentalen Irrtum handelt; dabei ist die Schwelle hoch anzusetzen. Ein fundamentaler Fehler liegt regelmäßig vor, wenn eine Krankheitserscheinung in völlig unvertretbarer Weise gedeutet, elementare Kontrollbefunde nicht erhoben werden oder das diagnostische Vorgehen des Arztes als nicht mehr vertretbar und unverständlich bewertet wird[31].

Ende des Dienstverhältnisses

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Mit dem Ende des Dienstverhältnisses erlöschen für die Zukunft die Ansprüche auf Vertragserfüllung. Das Vertragsende begründet eine anspruchsvernichtende Einwendung, die derjenige beweisen muss, der sich vom Vertrag lösen will[32]. Das Dienstverhältnis kann auf die folgenden Weisen beendet werden:

  • Das befristete Dienstverhältnis endet mit Ablauf des vereinbarten Zeitraums (§ 620 Abs. 1 BGB). Bei einer klauselmäßigen Befristung ist § 307 BGB unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, dass damit die ordentliche Kündigung (§ 621 BGB) ausgeschlossen wird.
  • Das unbefristete oder nicht bis zu einer bestimmten Zweckerreichung geschlossene Dienstverhältnis kann von beiden Seiten ordentlich gekündigt werden (§§ 620 Abs. 2, 621 BGB). Die Kündigungsfristen ergeben sich aus § 621 und § 624 BGB.
  • Bei Vorliegen eines wichtigen Grunds kann fristlos gekündigt werden (§ 626 BGB). Im Fall der Leistung von Diensten "höherer Art" aufgrund einer besonderen Vertrauensstellung kann fristlos gekündigt werden, ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt (§ 627 BGB). - Folge der Kündigung ist ein Anspruch auf Teilvergütung (§ 628 Abs. 1 BGB) oder, wenn ein Teil durch vertragswidriges Verhalten des anderen zur Kündigung veranlasst worden ist, auf Schadensersatz (§ 628 Abs. 2 BGB). Zu beachten ist auch, dass eine unberechtigte und unwirksame Kündigung als Vertragsverletzung zum Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB verpflichtet[33].
  • Beide Seiten können einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag schließen. (Zu den Problemen des arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags siehe hier.)

Anmerkungen

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  1. Schellhammer, Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen, 5. Aufl. 2003, Rn. 327.
  2. Prütting/Wegen/Weinreich/Fehrenbacher, BGB, 2006, § 675 Rn. 9.
  3. Fehrenbacher, a. a. O.
  4. Prütting/Wegen/Weinreich/Lingemann, BGB, 2006, § 611 Rn. 78.
  5. Prütting/Wegen/Weinreich/Lingemann, BGB, 2006, § 611 Rn. 77.
  6. Spindler/Rieckers, JuS 2004, 272 (273).
  7. Schellhammer, Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen, 5. Aufl. 2003, Rn. 361.
  8. Schellhammer, Schuldrecht, Rn. 369.
  9. Schellhammer, Schuldrecht, Rn. 372.
  10. Bundesrechtsanwaltsordnung, abgedr. Schönfelder-ErgBd. Nr. 98.
  11. Schellhammer, Schuldrecht, Rn. 378.
  12. Dazu noch Schellhammer, Schuldrecht, Rn. 382 ff.
  13. Prütting/Wegen/Weinreich/Kesseler, BGB, 2006, § 195 Rn. 3.
  14. NJW 2006, 1883.
  15. OLG München, NJW 2006, 1883 (1884).
  16. Spindler/Rieckers, JuS 2004, 272 (275).
  17. Prütting/Wegen/Weinreich/Schaub, BGB, 2006, § 823 Rn. 200.
  18. Spindler/Rieckers, JuS 2004, 272 (275).
  19. BGH, NJW 2006, 687.
  20. Schuldrecht I, 14. Aufl. 2003, Rn. 420.
  21. JuS 2004, 272 (274).
  22. Anderer Ansicht sind anscheinend Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (270), nach denen folgendes gelten soll: Soweit nach dem Behandlungsvertrag bereits ein bestimmter Erfolg geschuldet wird, stellt die Nichterfüllung bereits als solche die Pflichtverletzung dar, für die das Verschulden des Arztes gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet wird. Verletzt der Arzt dagegen Nebenpflichten, muss der Patient den konkreten Behandlungsfehler nachweisen; gelingt dies, muss der Arzt sich gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB entlasten.
  23. Dazu Geigel/Wellner, Haftpflichtprozess, 24. Aufl. 2004, Kap. 14 Rn. 250 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, Rn. 47 - 48 vor § 249; Müller, NJW 2003, 697 ff.
  24. Kein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG: BVerfG (1. Senat), NJW 1998, 519; a. A. BVerfG (2. Senat), NJW 1998, 523.
  25. Nachweise bei Geigel/Wellner, Haftpflichtprozess, 24. Aufl. 2004, Kap. 14 Rn. 250.
  26. OLG Karlsruhe, NJW 2006, 1006.
  27. Regelbetragsverordnung, abgedr. im Palandt bei § 1612a BGB.
  28. BGH, NJW 2006, 1660 (Rz. 10, 11).
  29. Vgl. Prütting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel, BGB, 2006, § 280 Rn. 68.
  30. Vgl. z. B. OLG München, NJW 2006, 1883 (1886).
  31. OLG München, a.a.O.
  32. Schellhammer, Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen, 5. Aufl. 2003, Rn. 411.
  33. Schellhammer, Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen, 5. Aufl. 2003, Rn. 420.