Elementarwissen medizinische Psychologie und medizinische Soziologie: Theoretisch-psychologische Grundlagen

Vorbemerkung: Im Verlauf des Kapitels wird immer wieder auf das folgende Modell der menschlichen Psyche und ihrer Konstituenten Bezug genommen werden. Dieses Modell dient vor allem didaktischen Zwecken und soll dabei helfen, sich die verschiedenen Bestandteile des menschlichen Erlebens und Verhaltens einzuprägen.

Übersicht über das Kapitel.
Vereinfachtes Modell zur menschlichen Psyche.

Mittels unterschiedlicher Verfahren ist es gelungen, Erkenntnisse über die Funktionen der verschiedenen Gehirn-Areale und Transmittersysteme zu erlangen

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Methoden zur Untersuchung von Phänomenen im Gehirn

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Das Gehirn kann man mittels verschiedener Methoden untersuchen, wobei gilt, dass sich die Zeitauflösung umgekehrt zur Ortsauflösung verhält, d. h. genaue Darstellungen erfolgen langsam, schnelle Darstellungen sind ungenau.

  • Funktionelle bildgebende Verfahren stellen bestimmte Hirnfunktion indirekt über den lokal erhöhten Hirnstoffwechsel dar. Zu diesen Verfahren zählen die funktionelle Magnetresonanz-Tomographie (fMRT), Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und Single-Photon-Emissions-Tomographie (SPECT).
  • Verfahren zur Messung der elektrischen Aktivität sind das Elektroenzephalogramm (EEG) und die Magnetenzephalographie.

Wichtige Areale des Gehirns und ihre Funktion

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Schematische Darstellung des Gehirns. Zu den wichtigsten Bereichen des Gehirns zählen Formatio reticularis, Kleinhirn, Thalamus, Basalganglien, Kortex.

Alles, was psychologisch ist, ist auch biologisch, d. h. alle mentalen Zustände haben neuronale Korrelate, sie spielen sich in den Neuronennetzwerken des Gehirns ab. Das Gehirn besteht aus zahlreichen neuronalen Modulen, die auf bestimmte Funktionen spezialisiert sind. Psychische Funktionen sind dabei interindividuell an bestimmten Orten des Gehirns repräsentiert. Für die Bewältigung komplexer Aufgaben arbeiten viele derartige Regionen zusammen (Parallelverarbeitung), umgekehrt können bestimmte Gehirnbereiche verschiedene Aufgaben erfüllen.

  • Der zentrale Kern besteht aus Formatio reticularis, Kleinhirn, Thalamus und Hypothalamus.
    • Die Formatio reticularis ist ein Neuronennetz und erhält Input aus allen Modalitäten; ihre Funktionen sind: Regulation des Vigilanzgrades (Aufsteigendes retikuläres aktivierendes System [ARAS]), Erregungskontrolle, Regulation bestimmter vegetativer Funktionen (Atmung, Kreislauf etc.) u. a.
    • Das Kleinhirn steuert das Gleichgewicht (Rumpfstabilisierung, Okulomotorik) und koordiniert die Feinmotorik; es ist zudem an Lernvorgängen, nicht-deklarativem Gedächtnis und anderen höheren Funktionen beteiligt.
    • Der Thalamus gilt als "Tor zum Kortex", weil alle sensiblen und sensorischen Afferenzen außer derer des olfaktorischen Systems hier verschaltet und zum Kortex weitergeleitet werden; er unterhält zudem Verbindungen zu Hirnstamm, Hypothalamus, Kleinhirn und anderen Bereichen des ZNS. Der Thalamus besteht aus mehreren spezialisierten Kernen (Nuclei); die Nuclei anteriores thalami zählen zum limbischen System (Emotion, Motivation, Gedächtnis).
    • Der Hypothalamus ist die oberste Steuereinheit des VNS und besorgt die körpereigene Homöostase, auch über Initiation elementarer Verhaltensweisen. Er ist außerdem wichtig für Lernen, Emotionen, nichthomöostatische Motive (aufgrund von Verbindungen zum limbischem System), Regulation endokriner Funktionen und stellt ein Bindeglied zwischen nervalem und hormonalem System dar.
  • Das limbische System ist beteiligt an der Steuerung aller Verhaltens- und Denkprozesse, v. a. an Emotion, Motivation, Gedächtnis und Orientierung; durch die Bewertung eingehender Informationen trägt es wesentlich zur Verhaltenssteuerung bei. Es ist umstritten, welche Gehirnteile es genau umfasst, wichtig sind jedoch die Amygdala und der Hippocampus.
    • Die Amygdala besorgt emotionale Bewertung, Emotionsverarbeitung und emotionale Lernprozesse.
    • Der Hippocampus ist der Organisator des Gedächtnisses; im Schlaf übermittelt er gespeicherte Informationen an den Kortex, wo die Langzeitspeicherung stattfindet.
  • Das Telencephalon (Endhirn) besteht aus einem tiefen und einem oberflächlichen Teil.
    • Die Basalganglien liegen in der Tiefe des Telencephalons und sind beteiligt an Bewegungsplanung und Bewegungsausführung, Motivation und Aufmerksamkeit; außerdem scheint hier das Handlungsgedächtnis repräsentiert zu sein.
    • Die Großhirnrinde (Kortex) ist für das bewusste Erleben notwendig, wobei die verschiedenen Areale auf bestimmte Funktionen spezialisiert sind; sie ist zudem Sitz des Langzeitgedächtnisses.

Merke: Zu den wichtigsten Bereichen des Gehirns zählen der zentrale Kern (basale Funktionen), das limbische System (Emotion, Gedächtnis, Motivation) und Telencephalon (Motorik und höhere Funktionen).


Weblinks:   Gehirn,   Formatio reticularis,   Kleinhirn,   Thalamus,   Hypothalamus,   limbisches System,   Basalganglien,   Kortex


Selbsttest:

  1. Welche Hauptfunktionen haben Kleinhirn, Thalamus, Formatio reticularis und Hypothalamus?
  2. Woraus besteht das limbische System und weshalb besitzt es eine so zentrale Rolle für die Verhaltenssteuerung?
  3. Wie lässt sich die graue Substanz des Endhirns grob einteilen?


Spezialisierung und individuell spezifische Aktivierung der Hemisphären

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Durch Experimente mit Split-Brain-Patienten (Patienten, deren Großhirnhemisphären-verbindender Balken durchtrennt worden ist, so dass die Hemisphären keine Informationen mehr untereinander austauschen können) fand man, dass die beiden Gehirnhälften unterschiedliche Funktionsschwerpunkte besitzen (Lateralisation), für komplexe Leistungen aber beide Hirnhälften erforderlich sind.

  • Rechte und linke Hemisphäre sind auf bestimmte psychische Funktionen spezialisiert:
    • linke Hemisphäre: Sprache (bei den allermeisten Rechtshändern und den meisten Linkshändern links lokalisiert), sprachlich-sequenzielles, analytisch-abstraktes Denken, neutrale oder positive Emotionen, Wissen; definitionsgemäß ist diejenige Hemisphäre, auf der die Sprachzentren lokalisiert sind, die dominante Hemisphäre (Hemisphärendominanz).
    • rechte Hemisphäre: visuell-räumliches, musikalisches, ganzheitliches Denken, Emotionsverarbeitung (v. a. negative Emotionen), episodisches Gedächtnis, mimische Fähigkeiten, musterbezogenes Vorstellungsvermögen


Merke: Die linke Hirnhälfte sieht die Bäume, die rechte den Wald.


  • Die Art der Kortexaktivierung ist transsituativ und mittel- bis langfristig stabil und kann daher als Persönlichkeitseigenschaft aufgefasst werden:
    • Bei tendenziellen Optimisten (setzen sich eher Annäherungsziele) ist der linke Kortex stärker aktiviert.
    • Bei tendenziellen Pessimisten (setzen sich eher Vermeidungsziele) ist der rechte Kortex stärker aktiviert.

Weblinks:   Lateralisation ,   Hemisphärendominanz


Selbsttest:

  1. Was bedeutet Lateralisation und wie ist sie beim menschlichen Gehirn realisiert?
  2. Ein Musikstück wird von einem musikalischen Laien und von einem erfahrenen Musiker angehört. Bei welchem von den beiden ist eher die rechte Gehirnhälfte stärker aktiv, bei welchem eher die linke?



Neurotransmitter-Netzwerke im Gehirn

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Im Gehirn existieren zahlreiche Neuronenpopulationen, die bestimmte Neurotransmitter ausschütten. Die Funktion des Transmitters hängt dabei vom entsprechenden Rezeptor und seiner nachgeschalteten Signalkaskade ab. Hier die wichtigsten von etwa 40 bisher entdeckten Transmittern:

  • Serotonin wird in Neuronen der Raphekerne gebildet, die ins gesamte Gehirn ausstrahlen, v. a. zu Hypothalamus, limbischem System und Frontalhirn. Unter anderem vermindert es Stress und Aggression und bessert die Stimmung. Ein Ungleichgewicht dieses Transmitters findet sich bei Störungen wie Depression, Zwangsstörung oder Panikstörung.
  • Im Gehirn existieren mehrere Systeme, die den Transmitter Dopamin benutzen.
    • Tuberoinfundibuläres System: Dopamin reguliert hier die Ausschüttung von Prolactin.
    • Meso-limbisches bzw. -kortikales System (Belohnungssystem): diese Systeme sind für Motivation und die Entstehung von Sucht von Bedeutung.
    • Substantia nigra: Zählt zu den Basalganglien und hat als Instanz für die Freischaltung von Bewegungsentwürfen eine entscheidende Bedeutung im motorischen System.
    Bei der Schizophrenie bewirkt ein Dopamin-Überschuss im limbischen System die produktiv-psychotische Positivsymptomatik, ein Dopamin-Mangel im Frontalhirn ist für die Negativsymptomatik verantwortlich.
  • γ-Aminobutyrat (GABA) ist der wichtigste inhibitorische Transmitter des ZNS; eine Verminderung von GABA findet sich bei der Panikstörung.
  • Acetylcholin (ACh) ist essenziell für kognitive Funktionen wie Vigilanz, Lernen, Gedächtnis und Bewusstsein; bei Morbus Alzheimer findet sich ein ACh-Mangel.

Zusammen mit den Transmittern werden Neuromodulatoren ausgeschüttet. Vermittelt über eigene Rezeptoren verstärken oder vermindern sie die Wirkung der Transmitter.


Merke: In neuronalen Netzen werden Informationen von Neuron zu Neuron übermittelt, und zwar mittels Neurotransmittern. Zu den wichtigsten Neurotransmittern zählen Serotonin (v. a. Stimmungsregulation), Dopamin (hormonale, motivationale und motorische Regulation), GABA (Hemmung zentralnervöser Vorgänge) und Acetylcholin (v. a. kognitive Funktionen). Ihre Wirkung wird unterstützt oder abgeschwächt durch Neuromodulatoren.


Weblinks:   Neurotransmitter,   Neuromodulatoren,   Serotonin,   Dopamin,   GABA,   Acetylcholin


Selbsttest:

  1. Wovon hängt die Wirkung eines Neurotransmitters ab?
  2. Was sind Neuromodulatoren?
  3. Beschreiben Sie die wichtigsten Funktionen der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Acetylcholin!



Es gibt verschiedene Formen des Lernens: nichtassoziatives und assoziatives Lernen sowie Lernen durch Einsicht und Eigensteuerung

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Die Grundlagen wurden bereits im Kapitel Gesundheits- und Krankheitsmodelle erläutert und sollen hier vertieft werden.

Allgemeine Grundlagen der Lernpsychologie

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Allgemeines:

  • Lernen ist definiert als Erwerb von theoretischen (Wissen) und praktischen Fähigkeiten (Fertigkeiten).
  • Einfache Inhalte werden unbewusst gelernt, komplexe Inhalte werden bewusst gelernt, d. h. es ist gerichtete Aufmerksamkeit erforderlich.
  • Emotionales Lernen erfordert Wiederholung; einmalige Erlebnisse bleiben nur dann haften, wenn sie intensiv sind ("flashbulb memories").
  • Biologische Korrelate: Die biologische Grundarchitektur ist genetisch vorgegeben, Lernvorgänge bewirken nur mehr Modifikationen, die sich als Strukturveränderungen niederschlagen (kurzzeitige Effekte: membranphysiologische Veränderungen [Langzeitpotenzierung {LTP}, Aktivierung stiller Synapsen], langfristige Effekte: morphologische Umbauvorgänge)
  • Es gibt drei Modelltypen des Lernens:
    • Respondentes Modell
    • Operante Modelle
    • Kognitive Modelle

Nichtassoziatives Lernen: Habituation, Dishabituation und Sensitivierung

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Beim nichtassoziativen Lernen findet keine Verknüpfung (Assoziation) von Reizen/Ereignissen statt. Hierzu zählt man hauptsächlich Habituation, Dishabituation und Sensitivierung.

  • Habituation: Schwächerwerden der Reaktion aufgrund zentraler Prozesse. Beispiel: Eine Katze wendet sich eine Zeit lang einem neuen Geräusch zu, nach einer gewissen Zeit verliert sie jedoch das Interesse.
  • Dishabituation: Stärkerwerden einer abgeschwächten Reaktion auf einen Reiz R, weil ein Fremdreiz F dazwischen geschaltet worden ist.
  • Sensitivierung: Steigerung der Reaktion auf einen Reiz R über den Ausgangswert hinaus, weil in die Reizserie ein aversiver oder noxischer Störreiz S zwischengeschaltet worden ist.


Merke: Habituation beschreibt die Abnahme einer Reaktion, Dishabituation die Zunahme auf Ausgangsniveau, Sensitivierung die Zunahme über das Ausgangsniveau hinaus bei aversiven Reizen. Alle drei Lernprozesse beruhen auf zentralnervösen Prozessen.


Weblinks:   Habituation,   Sensitivierung


Selbsttest:

  1. Worin unterscheidet sich nichtassoziatives von assoziativem Lernen?
  2. Erklären Sie den Vorgang der Dishabituation!
  3. Erläutern Sie den Begriff der Sensitivierung an einem Beispiel!



Assoziatives Lernen: Klassische Konditionierung, operante Konditionierung, Lernen am Modell

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Schema der klassischen Konditionierung nach Pawlow. 1: Auf den US folgt die UR. 2: Der CS wird an den US gekoppelt (Phase der Aneignung). 3: Nach erfolgreicher Kopplung genügt der CS, um die CR (= vormalige UR) auszulösen (Phase der Extinktion).

Beim assoziativen Lernen findet eine Verknüpfung von Reizen/Ereignissen statt.

  • Klassische Konditionierung (respondentes Modell; PAWLOW): Es wird die Assoziation zweier Reize miteinander gelernt; Abkürzungen: US = unkonditionierter Stimulus, UR = unkonditionierte Reaktion, CS = konditionierter Stimulus, CR = konditionierte Reaktion.
    • Prinzip:
      • Durch enge zeitliche Kopplung von CS und US (zuerst CS, kurz danach US) wird der CS zum US-Stellvertreter und löst die CR (= vormalige UR) aus. Klassisches Beispiel: Sieht ein Hund Futter (US), so löst dies vermehrten Speichelfluss aus (UR); ertönt einige Male kurz vor der Futterdarbietung ein Glockenton (CS), so wird bei alleiniger Darbietung des Glockentons ebenfalls ein vermehrter Speichelfluss (jetzt CR) auftreten.
      • Es dauert einige Zeit, bis sich die US-CS-Assoziation eingeprägt hat (Aneignung).
      • Bei häufiger Darbietung des CS tritt Extinktion auf (= allmähliche Abschwächung der Reaktion), legt man eine Pause und bietet den CS anschließend an, tritt spontane Erholung (= höhere Intensität der CR als vor der Pause) ein.
    • Wichtige Aspekte und Begriffe:
      • Die CR tritt auch bei Reizen auf, die dem CS ähnlich sind (Reizgeneralisierung), nicht jedoch bei Reizen, die dem CS unähnlich sind (Reizdiskrimination).
      • Der CS kann mit einem wiederum anderen Stimulus gekoppelt werden (Konditionierung höherer Ordnung). So sind etwa beim Menschen Konditionierungen bis zur 7. Ordnung möglich.
      • Wird ein verbales oder nonverbales Signal als CS verwendet, spricht man von "semantischer Konditionierung". Beispiel: Studentin Ulrike wird übel, wenn sie das Wort "Physikum" auch nur hört.
      • Eine Assoziation, für die eine (je nach biologischer Nische gestaltete) evolutionär gewachsene biologische Prädisposition (Preparedness) vorhanden ist, wird leichter gelernt; nicht jeder CS ist also für die Konditionierung gleichermaßen geeignet.
    • Klinik: das Modell der klassischen Konditionierung kann erklären, wie Menschen Angst lernen (z. B. im Rahmen von Phobien). So gelang es WATSON in einem ethisch bedenklichen Experiment, einem Kind ("kleiner Albert") panische Angst vor einer weißen Ratte beizubringen, indem er die Ratte (CS) an ohrenbetäubenden Lärm (US) koppelte.


Merke: Bei der klassischen Konditionierung wird die Assoziation von CS und US gelernt, so dass der CS für sich alleine die auf den US folgende Reaktion auszulösen vermag. Hierbei gelten eine Reihe von Prinzipien (Aneignung/Extinktion, Reizgeneralisierung/-diskrimination, Kopplung höherer Ordnung, verbale CS); zudem spielen biologische Dispositionen eine wichtige Rolle. Klassische Konditionierung kann die Entstehung von Angststörungen erklären.


 
Skinner-Box. Die Skinner-Box enthält erstens Vorrichtungen zur Reizerzeugung (Lautsprecher, Lichter), zweitens einen Hebel und drittens Belohnungs- und Bestrafungseinrichtungen (Futterfach bzw. elektrisches Gitter). Dadurch lässt sich beispielsweise eine Ratte darauf konditionieren, nur bei Aufleuchten eines bestimmten Lichts den Hebel zu betätigen.
 
Schema der operanten Konditionierung. Eine Handlung wirkt über Verstärkung oder Bestrafung im Sinne eines positiven oder negativen Feedbacks auf den Urheber der Handlung zurück.
  • Operante Konditionierung (= instrumentelle Konditionierung, Lernen am Erfolg; ein operantes Modell; SKINNER): Es wird die Assoziation von eigenem Verhalten mit der Konsequenz dieses Verhaltens (= positiver oder negativer Reiz) gelernt. Dadurch wird operantes Verhalten aufgebaut (d. h. Verhalten, das durch operante Konditionierung erlernt wird).
    • Prinzip: Die Konsequenz des Verhaltens X macht ein nochmaliges Auftreten des Verhaltens X wahrscheinlicher (Verstärkung) oder unwahrscheinlicher (Bestrafung), Verhalten ist somit von seinen Folgen abhängig (THORNDIKEs "Law of Effect" [Effektgesetz]: belohntes Verhalten wird wahrscheinlich wiederholt).
    • Verstärkung und Bestrafung:
      • Verstärkung kann positiv (Angenehmes kommt hinzu) oder negativ sein (Unangenehmes verschwindet). Negative Verstärkung gilt als Grundlage für das Vermeidungsverhalten des Phobikers; sie ist löschungsresistenter als positive Verstärkung.
      • Bestrafung kann direkt (Bestrafung durch Schaden) oder indirekt (Bestrafung durch Verlust) erfolgen.
    • Weitere wichtige Aspekte:
      • Wie bei der klassischen Konditionierung gibt es auch bei der operanten Konditionierung die Phänomene Reizgeneralisierung und Reizdiskrimination.
      • Man unterscheidet primäre Verstärker, die der Befriedigung von Grundbedürfnissen dienen, und sekundäre Verstärker, also Verstärker, die mittels klassischer Konditionierung an einen primären Verstärker gekoppelt werden. So verwendet man in der klinischen Praxis zur Verstärkung oder Bestrafung Tokens bzw. Time-Outs.
      • Beim semantischen Lernen dienen als Verstärker verbale oder nonverbale Äußerungen von (Bezugs-)Personen.
      • Für das Erreichen großer Ziele ("Erfolg") ist die Fähigkeit zum Verstärkeraufschub (= Fähigkeit, auf Belohnungen vorerst zu verzichten) erforderlich.
      • Neurobiologische Korrelate für Verstärkung sind die dopaminergen Belohnungssysteme (meso-limbisch, meso-kortikal); für Verstärkeraufschub ist der orbitofrontale Kortex zuständig (bei Menschen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung zeigt dieser eine verminderte Aktivität).
      • Auch für die operante Konditionierung gilt das Prinzip der Preparedness: evolutionär herausgebildete Assoziationspfade werden leichter beschritten als neue Assoziationspfade.
      • Konditionierung wirkt auf den Konditionierenden zurück (z. B. Kindererziehung): erfolgreiches Strafen wirkt für den Strafenden als positiver Verstärker und wird dementsprechend fortgeführt oder intensiviert – mit entsprechenden Folgen.
      • Explizite Verstärkung von intrinsisch bereits vorhandenen Motivationen und Handlungstendenzen kann das Gegenteil bewirken. Beispiel: Ein Kind, das von sich aus gerne Schach spielt, wird mitunter demotiviert, wenn man es für sein Schachspielen belohnt.
    • Es gibt verschiedene Strategien, um Verhalten auf- oder abzubauen.
      • Strategien zum Aufbau bestimmter Verhaltensweisen:
        • Verstärkerpläne zum Aufbau einfacher Verhaltensweisen:
          • Mittels kontinuierlicher Verstärkung lässt sich ein bestimmtes Verhalten schnell aufbauen: jede gewünschte Verhaltensweise wird verstärkt.
          • Mittels intermittierende Verstärkung wird ein stabiles, löschungsresistentes Verhalten aufgebaut: hierbei wird nicht jede gewünschte Verhaltensweise verstärkt, sondern nur Verhaltensweisen, die nach einer bestimmten Zeit oder einer bestimmten Anzahl vorheriger Verhaltensweisen auftreten; dementsprechend unterscheidet man Intervall- und Quotenpläne, die festgelegt oder variabel sein können (d. h. festgelegte bzw. nicht festgelegte Zeit- oder Wiederholungsintervalle). Schnelles Lernen erfolgt bei festgelegten Plänen, löschungsresistentes Verhalten entsteht bei variablen Plänen.
            • Festgelegte/variable Quotenpläne (Anzahl): hängen von der Aktivität des Individuums ab (Beispiel für einen festgelegten Quotenplan: Jede fünfte Betätigung des Hebels in der Skinnerbox lässt eine Nuss ins Futterfach fallen).
            • Festgelegte/variable Intervallpläne (Zeit): hängen von der Zeit ab (Beispiel für einen festgelegten Intervallplan: Nur alle drei Minuten ist das Futterfach "freigeschaltet", d. h. nur alle drei Minuten besteht die Möglichkeit, für das Betätigen des Hebels belohnt zu werden).
          • Durch Kombination beider Verstärkerpläne lässt sich schnell ein dauerhaftes Verhalten aufbauen.
        • Strategien zum Aufbau komplexer Verhaltensweisen:
          • Chaining: Beim Chaining handelt es sich um eine Kette von mehreren Verhaltensweisen, deren letzte verstärkt wird. Wissen, dass es auf dem richtigen Weg ist, tut das Indivduum beim Chaining deshalb, weil einzelnen Glieder der Kette nach und nach aufgebaut wurden (z.B. wenn eine Ratte einen Parcours im Käfig läuft, wird zunächst die letzte Verhaltensweise verstärkt, dann nach und nach alle vorherigen dran gehängt, Futter kiegt die Ratte aber immer erst, wenn sie die letzte Vhw. ausführt.)
          • Shaping: Verhalten verstärken, das ungefähr in die Richtung des erwünschten Zielverhaltens geht, dann allmähliche Einengung auf das erwünschte Verhalten.
          • Prompting: Verhalten von außen anstoßen, indem man Hilfestellungen behaviouraler oder verbaler Art gibt; dann allmählich diese Hilfestellungen ausblenden (fading).
          • Emittiertes Verhalten (= spontan auftretende Verhaltensweisen) verstärken oder bestrafen.
        • Premack-Prinzip: einem häufigen Verhalten (z. B. Zähneputzen am Morgen) wird das zu erlernende neue Verhalten (z. B. Frühsport) vorgeschaltet.
      • Löschung von Verhaltensweisen: Unerwünschte Verhaltensweisen werden am besten dadurch gelöscht, dass man sie nicht beachtet (fehlende Verstärkung). Würde man die unerwünschte Verhaltensweise bestrafen, so würde die Bestrafung selbst eine Zuwendung und somit in gewisser Weise eine Belohnung darstellen.
    • Klinik:
      • Operante Konditionierung kann die Aufrechterhaltung von Vermeidungsverhalten erklären (negative Verstärkung).
      • Therapeutisch wendet man die Prinzipien der operanten Konditionierung im Biofeedback an (bewusste Beeinflussung von vegetativen Parametern mittels operanter Konditionierung [als Verstärker wirkt beispielsweise ein Ton])
      • Timeout (angewandt z. B. in der Kinder- und Jugendpsychiatrie) ist ein Entzug von Verstärkern zum Abbau eines bestimmten unerwünschten Verhaltens.


Merke: Bei der operanten Konditionierung lernt das Individuum an den Konsequenzen seines eigenen Verhaltens, so dass es dieses Verhalten häufiger (bei Verstärkung) oder seltener (bei Bestrafung) zeigt. Dabei gelten ähnliche allgemeine Prinzipien wie bei der klassischen Konditionierung. Mit Hilfe bestimmter Strategien lassen sich einfache Verhaltensweisen besonders schnell oder besonders nachhaltig aufbauen (Verstärkerpläne) oder komplexe, aus mehreren Verhaltenselementen bestehende Verhaltensweisen generieren (Chaining, Shaping, Prompting etc.). Operante Konditionierung kann die Aufrechterhaltung von Angststörungen erklären.


  • Die Theorie des Modelllernens (Lernen durch Beobachtung, Imitationslernen; Theorie des sozialen Lernens; BANDURA) ist ein operantes Modell und erklärt, wie Menschen bestimmte soziale und emotionale Verhaltensweisen voneinander übernehmen.
    • Prinzip:
      • Eine Person P imitiert das Verhalten V des "Modells" M genau dann, wenn es M positiv bewertet und M für das Verhalten V belohnt wird (stellvertretende Verstärkung). Beispiel: Ein Kind fängt damit an, Fußball zu spielen, und eifert damit einem berühmten Fußballspieler nach, der gerade die Weltmeisterschaft gewonnen hat (stellvertretende Verstärkung).
      • Prinzip der Preparedness: Modelllernen geschieht schneller und intensiver, wenn für das zu imitierende Verhalten eine biologisch fixierte Prädisposition besteht (Beispiel: Erlernen von Angst vor Schlangen).
    • Das komplette Sozialverhalten basiert auf Modelllernen.
    • Neurobiologisches Korrelat: sogenannte Spiegelneurone, d. h. Neurone des prämotorischen Kortex, die sowohl bei Eigen-Verhalten VE als auch bei beobachtetem Fremd-Verhalten VF aktiv werden; ihr Aktivierungsmuster ist also unabhängig davon, ob das Verhalten selbst ausgeführt oder bei anderen beobachtet wird ("Mit-Erleben" fremden Verhaltens).
    • Prozesse, die im Rahmen des Modellernens ablaufen:
      • Verhaltens-Erwerb und Verhaltens-Ausführung
        • Akquisition (Aufnahme, Verschlüsselung, Speicherung des beobachteten Verhaltens)
        • Performanz (Ausführung)
      • Effekte auf bereits gelerntes Verhalten:
        • Hemmungseffekte: gelerntes Verhalten wird durch Beobachtung des Modells seltener.
        • Enthemmungseffekte: gelerntes Verhalten wird durch Beobachtung des Modells häufiger.
    • Modelllernen wird klinisch angewendet beispielsweise im Rahmen von Rollenspielen bei der kognitiven Verhaltenstherapie von Depressionen (der Therapeut dient hierbei als Modell).


Merke: Beim Modelllernen haben die Verhaltenskonsequenzen eines Vorbilds Konsequenzen auf das eigene Verhalten; dadurch werden v. a. soziale Verhaltensweisen gelernt.


Weblinks:

Klassische Konditionierung:   Klassische Konditionierung,   Iwan Pawlow,   Kleiner Albert,   Phobie

Operante Konditionierung:   Operante Konditionierung,   Burrhus Skinner,   Effektgesetz,   Verstärkerplan,   Chaining,   Shaping,   Prompting,   Belohnungssystem,   Vermeidungsverhalten

Modelllernen:   Modelllernen,   Albert Bandura,   Spiegelneuron


Selbsttest:

  1. Erklären Sie klassische Konditionierung höherer Ordnung an einem selbstgewählten Beispiel; verwenden Sie dabei die Begriffe US, CS, UR und CR!
  2. Was versteht man unter "Aneignung" und "Extinktion"?
  3. Geben Sie ein Beispiel für Reizgeneralisierung!
  4. Vergleichen Sie operante Konditionierung und Modelllernen: Worin bestehen Gemeinsamkeiten, worin Unterschiede? Bringen Sie zu jedem der beiden Lerntypen ein Beispiel!
  5. Ein Hundetrainer will einem Hund beibringen, zuerst einen Stock zu holen, sich dann hinzusetzen und schließlich dreimal zu bellen. Wie könnten in diesem Fall Chaining, Shaping und Prompting aussehen?
  6. Der kleine Johannes rülpst beim Essen. Wie könnten Sie ihm dieses Verhalten am schonendsten und zugleich nachhaltigsten austreiben?
  7. Welchen Aspekt der Phobie kann die klassische Konditionierung erklären, welchen die operante Konditionierung?
  8. Manche Menschen ahmen "Stars" aus Film und Fernsehen nach. Erklären Sie mit Begriffen des Modelllernens, wie es dazu kommt!
  9. Bei WATSONs Verhaltensexperiment lernte der "kleine Albert" die Angst vor einer weißen Ratte ausgesprochen leicht (leichter als beispielsweise die Angst vor einer gelben Kugel). Warum?



Kognitive Modelle: Lernen durch Eigensteuerung und Einsicht

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Lernen durch Eigensteuerung: von extrinsischen Verstärken hin zu intrinsischen Verstärkern

  • Wir können uns…
    • …selbst Ziele setzen und unser Verhalten demenstprechend selbst steuern (Selbststeuerung);
    • …uns selbst verstärken (Selbstbekräftigung/Selbstkritik).
  • Klinische Anwendung: kognitive Verhaltenstherapie, Selbstmanagement bei Schulungsprogrammen.

Lernen durch Einsicht:

  • Prinzip: Wir gebrauchen unsere fluide und kristalline Intelligenz (kombinierende Anwendung gespeicherter Informationen auf ein neues Problem) bewusst oder unbewusst (implizites Lernen), um die Struktur und das Lösungsprinzip eines Problems zu erfassen, was zu einem Aha-Erlebnis (Sinn-Verständnis mit Gefühl einer "Eingebung") mit einem Erkenntnis-"Sprung" führt.
  • Das neu gewonnene Wissen über die Problem-Struktur können wir dann auf ähnliche Situationen übertragen.
  • Einsichtslernen wird durch negativen Transfer (= Anwendung bewährter Verhaltensweisen/Strategien auf neue Probleme) eher behindert.
  • Weitere Aspekte:
    • Lernen kann geplant und gesteuert werden.
    • Interpretieren und Bewerten sind wichtige Prozesse beim Lernen.
    • Variablen der Lernsituation:
      • Lerneinheit: Strukturierung des Lerngegenstands u. a. hinsichtlich Objektivität und Schwierigkeitsgrad
      • Lernkontext: wenn der übergeordnete Zweck des Gelernten sichtbar wird, wird jeder gelernte Inhalt im Hinblick auf diesen Zweck sinnvoll.
      • Übungseffekt: Festigung des Gelernten, Transfer des Gelernten auf andere Situationen
      • Lernmotivation: materielle/immaterielle Belohnungen, Reflexion des Lernfortschritts
      • Bedeutungsgehalt: Wörter/Inhalte mit reichhaltigen Assoziationen werden leichter gelernt als assoziationsarme Inhalte.
      • Sinngehalt: Sinnvolle Beziehung der Lerninhalte untereinander (Zusammenfügen der Lerninhalte zu einer sinnvollen Gesamtstruktur), direkter persönlicher Bezug; Sinnstufen: individuell zweckvoll (d. h. anwendbar), wertvoll ("fürs Leben lernen"), allgemein anerkannt, lustvoll.
    • Aspekte des Lerntrainings:
      • Lerngestaltung: Lernumgebung, Lerngliederung (Lernzeiten, Einzel-/Gruppenlernen), Lerneinheiten (inhaltliche Lernabschnitte)
      • Lernhilfen: didaktische Hilfsmittel
      • Eigenbeteiligung: sich die fremden Inhalte "an-eignen"
      • Stoffverdichtung und Bilder: Verstehen wird durch Verdichtung relevanter Inhalte gefördert (Beispiel: Übersichtsbild über die Symptome einer Krankheit).
      • Sinnanreicherung: sinnarme Inhalte mit (persönlichem) Sinn auffüllen
      • Lernkontrolle: Selbst-/Fremdkontrolle
      • Ausschalten von Lernstörungen (äußere/innere Bedingungsstörungen, Vollzugsstörungen)
    • Lernplateaus: Beim Lernen treten Plateaus auf, in denen der Lernfortschritt scheinbar stagniert; während dieser Plateaus finden notwendige Umstrukturierungsprozesse des Gelernten statt.


Weblinks:   Lernen durch Eigensteuerung,   Lernen durch Einsicht,   Negativer Transfer,


Selbsttest:

  1. Erklären Sie die Grundprinzipien des Lernens durch Eigensteuerung und des Lernens durch Einsicht!
  2. Was versteht man unter "negativem Transfer"?



Kognition umfasst geistige Funktionen wie Wahrnehmung, Sprache, Denken und Gedächtnis

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Allgemeine Grundlagen der Kognitionspsychologie

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Allgemeines:

  • "Kognition" lässt sich definieren als gedankliche Informationsverarbeitung und Denken im weitesten Sinn (Wahrnehmung, Bewusstsein, Denken [im engeren Sinn], Wissen, Bewerten, Interpretieren, Erinnern etc.);
  • Für kognitive Prozesse entscheidend ist der präfrontale Kortex, denn er ist für Funktionen wie Verhaltensplanung, Verhaltenskontrolle, Arbeitsgedächtnis und Aufmerksamkeit essenziell.

Aufmerksamkeit

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Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung:

  • Gerichtete Aufmerksamkeit = erhöhte Vigilanz (= ungerichtete Aufmerksamkeit) + selektive Orientierung von Wahrnehmung, Denken und Handeln (zur zielgerichteten Ausführung einer Tat); vgl. selektive Aufmerksamkeit (= unbewusstes Herausfiltern persönlich relevanter Reize)
  • Wir benötigen Aufmerksamkeit zur Bewältigung der auf uns einprasselnden Informationsmenge ("Cocktail-Party-Problem").
  • Unbewusste und bewusste Informationsverarbeitung:
    • Unbewusste Informationsverarbeitung (Vorverarbeitung): eingehende Informationen werden im sensorischen Speicher mit vorhandenen Mustern verglichen (Mustererkennung anhand vorgegebener Schemata [Gedächtnisspuren]) und im limbischen System bewertet.
    • Bewusste Informationsverarbeitung, d. h. Aufmerksamkeitszuwendung, erfolgt erst, wenn die eingehenden Informationen mit Hilfe der unbewussten Informationsverarbeitungsprozesse nicht mehr zu bewältigen sind (d. h. keine Übereinstimmung mit gespeicherten Mustern) und das limbische System positiv über die Aufmerksamkeitszuwendung entschieden hat (d. h. gewissermaßen sein "OK" gegeben hat). Die Aufmerksamkeitszuwendung wird dann gesteuert von präfrontalem Kortex und Gyrus cinguli (deklaratives Gedächtnis); beide erhalten Informationen aus dem parietalen Kortex (Abgleich mit gespeicherten Schemata) und dem limbischen System (emotionale und motivationale Bewertung). Um die Tätigkeit lokaler informationsverarbeitender Module bewusst wahrzunehmen, sind zudem vom Arbeitsgedächtnis aufrechterhaltene kreisende Erregungen in reziprok verbundenen Aufmerksamkeits-Arealen erforderlich.
    • Die Kapazität bewusster Aufmerksamkeit ist beschränkt und muss daher verwaltet werden. Hierfür ist das limitierte Kapazitäts-Kontroll-System (LCCS) zuständig; es verteilt die Aufmerksamkeit gemäß bestimmten Prioritäten (hohe Priorität: lange [> 100 ms] kreisende Erregungen) und wählt die erforderlichen sensorischen und motorischen Kanäle aus; dann steuert es bestimmte Kortexareale an (synchrone Depolarisation von kortikalen Schicht-I-Dendriten) (ein neuronaler Prozess hat erst dann eine hohe Priorität, wenn die Erregung länger als 100 ms im neuronalen System kreist).
  • Aufmerksamkeitslenkung: außengeleitet und innengeleitet (diese Fähigkeit nimmt mit dem Alter ab ["Party-Taubheit"])
  • Variablen der Aufmerksamkeit:
    • Richtung: Ziel, auf das die Aufmerksamkeit gerichtet ist
    • Umfang: 7±2 Informationseinheiten (entspricht der Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses; siehe unten)
    • Intensität: abhängig vom Aktivationsniveau
    • Dauer
    • Diskriminanz: Hervorhebung von Unterschieden zwischen Ähnlichem
    • Thematik: inhaltliches Interesse


Merke: Gerichtete Aufmerksamkeit umfasst eine erhöhte Wachheit und eine selektive Ausrichtung der Wahrnehmungs- und Denkprozesse. Wir widmen einer Sache erst dann unsere bewusste Aufmerksamkeit, wenn unsere unbewussten Verarbeitungsprozesse mit dem Input funktionell überfordert sind. Da die Menge an Aufmerksamkeit begrenzt ist, muss sie vom LCCS verwaltet werden.


Weblinks:   Aufmerksamkeit,   Vigilanz,   Limbisches System,   Präfrontaler Kortex,   Gyrus cinguli,   LCCS


Selbsttest:

  1. Machen Sie sich an einem Beispiel (z. B. Studentenparty) klar, welche Informationsverarbeitungsprozesse unbewusst verlaufen und wann Sie Ihre bewusste Informationsverarbeitung "einschalten"!
  2. Erläutern Sie grob, wie das LCCS die Aufmerksamkeits-Kapazität verteilt!



Wahrnehmung als Ergebnis komplexer Prozesse: Bottom-up- und Top-down-Prozesse

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Wahrnehmung: Informationsgewinnung aus Innen- und Außenwelt; der Wahrnhemungsprozess ist dreistufig: Aufnahme → Verarbeitung → Interpretation

  • Exterozeption und Interozeption
    • Interozeption
      • Propriozeption (Lage- und Bewegungswahrnehmung des eigenen Körpers)
      • Viszerozeption
      • Nozizeption
    • Exterozeption
      • Spezielle Somatosensibilität: visuelle und auditorische Informationen
      • Spezielle Viszerosensibilität: gustatorische und olfaktorische Informationen
      • Hautsinne
      • Nozizeption
  • Wahrnehmung als aktiver Prozess: es gibt viel mehr Interneurone als Afferenzen, d. h. die Interaktion zwischen Neuronen (Informationsverarbeitung) hat einen höheren Stellenwert als der Input (Informationsaufnahme).
    • Voraussetzung für Wahrnehmung: gerichtete Aufmerksamkeit
    • Zentrale Wahrnehmungsprozesse: Im Kortex erfolgt der Abgleich von aufgenommenen und subkortikal vorverarbeiteten Neuinformationen mit Inhalten des deklarativen Gedächtnisses; hieraus wird eine sinnvolle Grund-Wahrnehmung konstruiert, die dann durch Details ergänzt wird.
    • Umfang von Wahrnehmung: Wahrnehmungen sind ausschnitthafte Repräsentationen der Welt (selektive Aufmerksamkeit [Fokussieren auf das fürs Überleben Wichtige]).
    • Entwicklung von Wahrnehmungstendenzen: Die Art und Weise der Wahrnehmung bildet und festigt sich bereits in der Kindheit und ist später nur noch in geringem Ausmaß modifizierbar.
  • Wahrnehmungen sind Ergebnisse von komplizierten neuronalen Berechnungen: Bottom-up-Prozesse (neuronale Bahn von peripher nach zentral) und Top-down-Prozesse (zentral; z. B. Auswahl von relevanten Reizen, Ausblenden von irrelevanten Reizen)
  • Erwartungen und Wahrnehmungen: Top-down-Prozesse
    • Selektive Wahrnehmung: nur was den Erwartungen (Vor-Urteilen) entspricht, wird wahrgenommen.
    • Verstärkung von Wahrnehmungstendenzen (wenn Erwartung = Input)
    • Umdeutung von Wahrnehmungen, um Wahrnehmung mit Erwartungen kompatibel zu machen
    • Ablehnung von Wahrnehmungen (Wahrnehmungsabwehr; bei tabuisierten Reizen, die an der Wahrnehmungsschwelle liegen, findet eine messbare Wahrnehmungsverzögerung statt)
    Beispiel: Lukas hat in seiner Peer-Group den Ruf eines Spießers, die Gruppenmitglieder sehen jedoch nur die zu ihren Vorurteilen passenden Eindrücke (selektive Wahrnehmung, die eine Verstärkung von Wahrnehmungstendenzen zur Folge hat) und blenden diejenigen Wahrnehmungen aus, die im Widerspruch zu ihren Vorurteilen stehen (Wahrnehmungsabwehr) oder deuten seine Handlungen als "Spießer-typisch" (Umdeutung von Wahrnehmungen) – somit verfestigt sich Lukas' Ruf immer stärker.
  • Wahrnehmungsstörungen (kein Erkennen trotz Intaktheit der Afferenzen): Agnosien (z. B. Prosopagnosie)
  • Einflüsse unterschwelliger Wahrnehmung (z. B. Priming) auf andere Prozesse


Merke: Wahrnehmung ist kein passives Aufnehmen von Sinnesdaten aus der Umwelt, sondern eine individuell geprägte aktive Verarbeitung ausgewählter Umweltreize, die stark von Erwartungen und Vorurteilen gesteuert wird. Wahrnehmung ist daher meist selektiv, konstruiert und vorurteilsbestimmt.


Weblinks:   Wahrnehmung,   Interozeption,   Exterozeption,   Selektive Wahrnehmung,   Wahrnehmungsabwehr,   Wahrnehmungsstörungen,   Priming


Selbsttest:

  1. Wahrnehmungen sind meist selektiv, konstruiert und vorurteilsbestimmt. Warum?
  2. Suchen Sie den Menschen, den Sie am wenigsten schätzen, und den, den Sie am meisten schätzen, und reflektieren Sie jeweils über Ihre eigenen vorurteilsabhängigen Wahrnehmungstendenzen, die Ihr negatives oder positives Bild von ihm oder ihr aufrechterhalten oder verstärken!



Sprach-Erwerb und Sprach-Störungen

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Sprache:

  • Sprache ist eine Teilmenge von Kommunikation (jede Sprache ist Kommunikation, aber nicht jede Art von Kommunikation ist sprachlich; z. B. kommunizieren auch Bienen [Rundtanz und Schwänzeltanz], ohne eine Sprache zu benutzen); Kommunikation erfolgt verbal (sprachlich) oder nonverbal.
  • Sprache besteht aus Wörtern (Morpheme, die aus Phonemen bestehen) und einer Grammatik (syntaktische Regeln über die Verknüpfungsprinzipien der Wörter).
  • Sprachliche Kommunikation erfolgt sequentiell (vgl. Parallelverarbeitung im Gehirn).

Spracherwerb:

  • Beruht auf biologischer Preparedness (neuroanatomische Grundlagen sind vor 100.000 Jahren evolutionär entstanden).
  • Die Grammatik vermittelt sich nebenbei durch unbewusste Extraktion syntaktischer Regeln.
  • Auch die Semantik vermittelt sich beiläufig durch unbewusste Regelextraktion und Prototypen-Bildung.
  • Wir besitzen bei der Geburt gewissermaßen ein neuronal verankertes Programm zum Spracherwerb, das nur noch mit Information "gefüttert" werden muss (gleiche Grundstruktur aller 5000 Sprachen!).
  • Die für den Spracherwerb kritische Phase dauert sieben Jahre; danach lässt sich Sprache nur mehr schwer erlernen.

Zentrale Sprachstörungen (= Aphasie): Sprachstörungen aufgrund von Läsionen im Gehirn (vgl. Sprechstörungen: Defekte der Sprechwerkzeuge); gehen oft mit Alexie (Lesestörung) und Agraphie (Schreibstörung) einher (vgl. Apraxie, Perseveration, Agnosie, Prosopagnosie etc.).

  • Bei der Broca-Aphasie (Läsion des Broca-Sprachfeldes im Frontallappen der dominanten Hemisphäre) ist die Sprachproduktion gestört; Symptome sind mühsames Sprechen, phonematische Paraphasien, Dysarthrien, auch das Sprachverständnis ist gestört.
  • Bei der Wernicke-Aphasie (Läsion des Wernicke-Sprachfeldes im Temporallappen der dominanten Hemisphäre) ist das Sprachverständnis gestört; Symptome sind eine unkontrollierte Sprachproduktion (Logorrhoe), viele phonematische und semantische Paraphasien, Neologismen.
  • Die globale Aphasie ist eine kombinierte Störung aus Broca- und Wernicke-Aphasie; Sprachproduktion und Sprachverständnis sind kaum möglich.
  • Bei der Leitungsaphasie (Läsion zwischen posterioren und links-frontalen Kortexbereichen) ist zwar Kommunikation möglich, das Nachsprechen von Wörtern und Sätzen gelingt jedoch nicht.
  • Bei der amnestische Aphasie finden sich v. a. Wortfindungsstörungen und Paraphasien, ansonsten ist die Sprachproduktion flüssig.


Merke: Spracherwerb erfolgt auf Grundlage angeborener neuronaler Strukturen; syntaktische und semantische Regeln werden dabei unbewusst extrahiert und integriert. Durch zentrale Läsionen können Sprachverstehen und Sprachproduktion gestört werden, so dass bestimmte Formen von Aphasien entstehen.


Weblinks:   Sprache,   Spracherwerb,   Grammatik,   Semantik,   Aphasie


Selbsttest:

  1. Differenzieren Sie Sprache von Kommunikation!
  2. Was sind die Grundelemente von Sprache?
  3. Manchmal hat man Probleme, eigene Vorstellungen sprachlich auszudrücken. Warum ist das so?
  4. Erläutern Sie grob, wie Spracherwerb vonstatten geht! Wie lernen Kinder syntaktische und semantische Regeln?
  5. Erklären Sie in groben Zügen die Broca- und die Wernicke-Aphasie: Was sind die Ursachen, was die Symptome?
  6. Herr B. spricht weitgehend normal, ist jedoch nicht in der Lage den Satz "Die Sonne scheint hell" nachzusprechen. Welche Aphasie liegt wahrscheinlich vor?



Gedächtnis: Struktur und Störungen

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Drei-Speicher-Modell des Gedächtnisses. Grob lassen sich drei Gedächtnis-"Module" mit unterschiedlicher Retentionsdauer und -kapazität unterscheiden: sensorischer Speicher, Kurzzeitgedächtnis, Langzeitgedächtnis.

Gedächtnis: das Gedächtnis speichert Gelerntes zur Wiederverwendung (d. h. Wiedererkennung oder Reproduktion).

  • Speicherarten: Gliederung nach der Retentionsdauer
    • Sensorisches Gedächtnis (präfrontaler Kortex, medialer Temporallappen [Hippocampus]): Kürzestzeitspeicher (Enkodierung)
      • Ikonisches Gedächtnis (Retentionsdauer < 1 Sekunde): visuelle Information
      • Echoisches Gedächtnis (Retentionsdauer 2 Sekunden): akustische Information
    • Primäres Gedächtnis (Kurzzeitgedächtnis; präfrontaler Kortex): Kapazität 7±2 Informationseinheiten (Kapazitätserhöhung ist möglich durch Bildung von Chunks [Sinneinheiten]), Retentionsdauer ca. 20 Sekunden
    • Langzeitgedächtnis (Zwischenspeicherung im Hippokampus als temporärem Langzeitspeicher [physiologischer Mechanismus: Langzeitpotenzierung], endgültige Ablage im Assoziationskortex [synaptische Veränderungen]): Retentionsdauer und Kapazität unbegrenzt
      • Sekundäres Gedächtnis (Mittel- oder Arbeitsgedächtnis): Zwischenlagerung und Vergleich von Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis und dem tertiären Langzeitgedächtnis
      • Tertiäres Gedächtnis (Altgedächtnis): eigentliches Langzeitgedächtnis
        • Implizites/prozedurales Gedächtnis (einfache motorische/kognitive Gewohnheiten)
          • Habit-Gedächtnis (Fertigkeiten): Basalganglien, Kleinhirn, motorischer Kortex
          • Priming-Gedächtnis (Erwartungen; Lerneffekte durch frühere Erfahrungen mit dem Lerngegenstand): Aktivitätsreduktion in Temporal- und Okzipitallappen (perzeptuelle Erwartung) und präfrontalem Kortex (konzeptuelle Erwartung)
          • Konditionierungs-Gedächtnis: Kleinhirn (Verzögerungs-Konditionierung), Hippokampus und Neokortex (Spuren-Konditionierung)
        • Deklaratives Gedächtnis
          • Episodisches (= biographisches) Gedächtnis (speichert persönliche Erlebnisse): Hippokampus, Frontal-, Temporallappen
          • Semantisches Gedächtnis (speichert Faktenwissen): Temporallappen


Merke: Neue Informationen nehmen bei der Abspeicherung folgenden Weg: Sensorisches Gedächtnis → Kurzzeitgedächtnis → Langzeitgedächtnis.


  • Explizites und implizites Lernen:
    • Explizites Lernen: bewusst, anstrengend, erfordert Übung
    • Implizites Lernen (= lernen "nebenbei"): unbewusst (nebenbei), nicht anstrengend, beschleunigbar durch Übung
  • Encodierung – Speicherung – Abruf von Inhalten
    • Encodierung ist die Umwandlung von Reizen in neuronale Signale.
      • Semantische Encodierung: Bildung eines mentalen Modells
      • Visuelle Encodierung: Bildung eines mentalen Bilds
      • Akustische Encodierung
    • Speicherung:
      • Physiologische Aspekte: durch Wiederholung des Materials und Vernetzung mit anderen Materialien ("tiefe" Verarbeitung durch elaboriertes Memorieren z. B. mittels Mnemotechniken [Verbindung von semantischer und visueller Verarbeitung; z. B. Loci-Methode]) kommt es zu einem "Zirkulieren" der Information in bestimmten neuronalen Pfaden und somit zu einer Konsolidierung aufgrund von Langzeitpotenzierung (Long term potentiation, LTP; erhöhte Ausschüttung von Neurotransmittern, Hochregulation von Rezeptoren) und strukturellen Veränderungen (gemäß der Hebb-Regel); die Gedächtnisinhalte sind allerdings lebenslang umbaubar.
      • Psychologische Aspekte:
        • Strategien zur Speicherung: Inhalte werden besser gespeichert, wenn sie sinnvoll erscheinen, persönlich relevant sind und gut in einen Kontext eingeordnet werden können (Flashbulb memories: gute Erinnerung an hochemotionale Ereignisse, wahrscheinlich wegen erhöhter Glucose-Mobilisation und -Zufuhr ins Gehirn während des Ereignisses, was die Speicherung begünstigt). Durch Techniken wie Chunking (Verbindung ähnlicher Inhalte zu einer Einheit) und Hierarchiebildung lässt sich die Speicherung verbessern.
        • Ablauf der Speicherung:
          • Lernkurve: während man die elementaren Inhalte eines neuen Themas schnell lernt, benötigt man für das Lernen von Details mehr Zeit.
          • Spacing-Effekt: Wiederholungen in langen Zeiträumen sind effektiver als Wiederholungen in kurzen Zeiträumen.
          • Serieller Positionseffekt
    • Abruf:
      • Arten des Abrufs:
        • Aktiv: Reproduktion von Inhalten
        • Passiv: bloßes Wiedererkennen
      • Um einen Gedächtnisinhalt abrufen zu können, benötigt man einen Startpunkt, d. h. einen Anker, um den Inhalt auffinden zu können; dieser Startpunkt kann der Kontext der Encodierung sein (z. B. die äußere Umgebung oder die eigene Stimmung während des Encodierens).
      • Bei jedem Abruf erfolgt eine Re-Enkodierung; dies verfestigt die Speicherung, zudem werden die gespeicherten Inhalte durch die Re-Enkodierung verändert (dies kann z. B. zur Suggestion falscher Erinnerungen missbraucht werden [v. a. bei Kindern]).
  • Gedächtnisstörungen:
    • "Total recall": detailreiche Erinnerung an nahezu jedes vergangene Ereignis (kann mit hohem Leidensdruck verbunden sein).
    • Vergessen: Vergessen neu gelernter Inhalte erfolgt anfangs schnell, später langsam und nähert sich asymptotisch einem Grundbestand (Vergessenskurve von EBBINGHAUS: verläuft reziprok zur Lernkurve).
      • Fehlerhafte Encodierung aufgrund von selektiver Aufmerksamkeit oder altersbedingten Veränderungen
      • Fehlerhafte/unvollständige Reproduktion von Gelerntem (Hemmvorgänge, physiologische Veränderungen)
      • Gedächtniszerfall: Amnesien sind oftmals durch ein bestimmtes Trauma verursacht, daher teilt man sie ein in retrograde (Inhalte von vor dem Trauma vergessen), kongrade (Geschehnisse während des Traumas vergessen) und anterograde (Inhalte seit dem Trauma vergessen) Amnesien; dissoziative Amnesien sind dagegen plötzliche Erinnerungslücken, die v. a. bei Erinnerungen an Belastendes auftreten; Quellenamnesie (Vergessen, woher man das Wissen hat).
      Allerdings beruht Vergessen weniger auf Gedächtniszerfall als vielmehr darauf, dass der Zugang zum Material blockiert ist.
      • Außerdem:
        • Korsakow-Syndrom (positiv mit chronischem Alkohol-Abusus korreliert): Gedächtnislücken werden aufgefüllt mit Konfabulationen (Erinnerungen, die falsch sind, aber subjektiv als wahr empfunden werden).
        • Perseverationen: Verhaften an bestimmten Inhalten, Verhaltensmustern
        • Demenz: durch hirnorganische degenerative Prozesse hervorgerufener Verlust von höheren psychischen und sozialen Funktionen
    • Konstruktion: Verzerrung von Erinnerungen durch subtile Informationen (Fehlinformationseffekt); diese ist umso stärker, je länger das erinnerte Ereignis zurückliegt.
    • Konfabulation: phantasiereiche Auffüllung von Gedächtnislücken (induzierbar v. a. bei Kindern).
    • Interferenz: ein Lernvorgang hemmt einen anderen Lernvorgang.
      • Retroaktive Interferenz: neu gelernte Inhalte beeinflussen die Reproduktion von früher Gelerntem.
      • Proaktive Interferenz: früher Gelerntes beeinflusst das Erlernen neuer Inhalte; dies kann sich auch positiv auf das Lernen neuer Inhalte auswirken (Verknüpfung neuer Inhalte mit bereits Gelerntem).
  • Zeigarnik-Effekt: ungelöste Aufgaben werden besonders leicht erinnert.


Merke: Neue Informationen werden encodiert, gespeichert und bei Bedarf abgerufen. Jeder dieser drei Vorgänge ist dabei störungsanfällig. Erinnerungen werden leicht verzerrt, Erinnerungslücken leicht mit phantastischen Inhalten aufgefüllt; besonders Kinder sind für Erinnerungsmanipulationen zugänglich sind. Zudem beeinflussen sich Erinnerungen gegenseitig (retroaktive und proaktive Interferenz).


Weblinks:   Gedächtnis,   Vergessen,   Gedächtnisstörung,   Mnemotechnik,   Zeigarnik-Effekt,   Korsakow-Syndrom

Selbsttest:

  1. Beschreiben Sie grob, welche Gedächtnisstationen beim Lernen neuer Inhalte durchlaufen werden! Welche physiologischen Vorgänge sind im Zusammenhang mit der Langzeitspeicherung relevant?
  2. Das erste Staatsexamen in Medizin (Physikum) besteht aus einem schriftlichen Teil mit 320 Multiple-Choice-Fragen zu sieben Vorklinikfächern und einem mündlichen Teil mit zumeist offenen Fragen zu den Fächern Anatomie, Biochemie und Physiologie. Welche Arten des Abrufs werden bei welchem Teil von den Kandidaten gefordert?
  3. Wodurch kann Vergessen zustande kommen?
  4. Charakterisieren Sie die Begriffe "proaktive Interferenz" und "retroaktive Interferenz"!
  5. Welches Krankheitsbild ist typischerweise mit anterograder Amnesie, Konfabulationen und Alkoholabusus in der Vorgeschichte assoziiert?



Grundelemente des Denkens und Charakteristika von Denk-Prozessen

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Denken: der Terminus "Denken" bezeichnet geistige Vorgänge, die zum Erkenntnisgewinn beitragen, und beruht auf Verknüpfung von Gedankeninhalten.

  • Grundelemente
    • Vorstellung: Bilder, Propositionen (abstrakte Bedeutungseinheiten); Vorstellungen können Emotionen (d. h. Gefühle/Kognitionen/Motivationen + vegetative Begleiterscheinungen) hervorrufen und beeinflussen unbewusst die Wahrnehmung (Top-down-Prozess).
    • Konzeptbildung: Bildung von Konzepten, d. h. hierarchisch untergliederten Oberbegriffen/Kategorien (Kategorien werden gebildet, indem gemeinsame Eigenschaften von Objekten generalisiert werden [Bildung von Prototypen oder Definitionen], für die Zuordnung zur richtigen Kategorie ist die Fähigkeit zum Differenzieren erforderlich); die hierfür nötigen neuronalen Netzwerke sind genetisch bereits angelegt und müssen nur noch mit Information "gefüttert" werden.
    • Problemlösung:
      • Definition "Problem": Differenz von Ausgangszustand und erwünschtem Zielzustand mit dazwischenstehender Barriere, d. h. Ausgangszustand → Barriere → Zielzustand
      • Phasenmodell der Problemlösung:
        1. Vorbereitungsphase: Analyse von Ausgangs- und Zielzustand,
        2. Ideengenerierungsphase: Auffinden von Lösungswegen (Maßnahmen und Mittel) durch zwar zeitsparende, aber ungenaue Heuristiken (effiziente, intuitive und schnelle, jedoch fehleranfällige Informationsauswahl; vgl. zeitaufwendige, genaue Algorithmen)
        3. Beurteilungs- und Auswahlphase: die Maßnahmen und Mittel werden bewertet und dann ausgewählt
        4. Phase der Durchführung
        5. Evaluation der einzelnen Phasen
      • Verzerrungseffekte:
        • Bestätigungstendenz: Bildung eines Vorurteils, anschließend werden nur mehr die Informationen beachtet, die zu dem Vorurteil passen.
        • Fixierung: Betrachtung des Problems nur aus einem bestimmten Blickwinkel, außerhalb davon liegende Informationen werden kaum beachtet; rigide Anwendung bewährter Problemlösungsstrategien (auch wenn sie auf das aktuelle Problem nicht passen); funktionelle Gebundenheit (Schwierigkeiten bei der Übertragung in andere Funktionszusammenhänge).
  • Systeme der menschlichen Informationsverarbeitung: Bewertung der eingehenden Informationen
    • Wahrnehmung: findet nur in der Gegenwart statt.
      • Eigenschaften des Prozesses: schnell, parallel, automatisch, ohne Anstrengung, assoziativ, emotional, langsam lernend;
      • Eigenschaften des Inhalts: Perzept (von aktuellen Reizen ausgelöster Wahrnehmungsinhalt)
    • Intuition: ist ein Zwischenelement zwischen Wahrnehmung (Prozess wie bei Wahrnehmung) und Nachdenken (Inhalt wie bei Nachdenken); generiert Eindrücke, die implizit bleiben können.
    • Nachdenken: ist in Worte fassbar; kann sich auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft beziehen.
      • Eigenschaften des Prozesses: langsam, sequentiell, kontrolliert, Anstrengung erforderlich, regelgeleitet, neutral, flexibel
      • Eigenschaften des Inhalts: Vorstellung, Konzept, d. h. eher vorstellungsbezogen
  • Entscheiden: geschieht meist intuitiv, mittels Heuristiken (evolutionär gewachsene Risikoabwägungsstrategien).
    • Verfügbarkeitsheuristik: wir wählen oftmals die Information aus, die uns am schnellsten einfällt und die uns am eindrucksvollsten erscheint (Kontexteffekte: die Darstellungsweise der Information [z. B. Absolutzahlen statt Prozentzahlen] beeinflusst oftmals die Entscheidung stark).
    • Repräsentativheuristik: wir wählen oft die Information aus, die am ehesten dem entsprechenden Prototyp entspricht.
  • Überzeugungen: Menschen tendieren dazu, auf ihren Überzeugungen zu beharren, selbst wenn logische Gründe dagegen sprechen.


Merke: Denken umfasst unter anderem Vorstellung, Konzeptbildung (anhand von Prototypen oder Definitionen) und Problemlösung. Denkprozesse sind Wahrnehmung (schnell), Intuition und Nachdenken (langsam).


Weblinks:   Denken,   Vorstellung,   Problemlösen,   Prototyp,   Intuition,   Heuristik


Intelligenz: Messung, Modelle und Einflussfaktoren

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Intelligenz: Fähigkeit zum Problemlösen, d. h. zum effizienten Einsatz psychischer Funktionen, um bestimmte (kulturspezifische) Ziele zu erreichen (Intelligenz als Eigenschaft psychischer Funktionen). Intelligenz ist ein Konstrukt, das aus der Leistung in Intelligenztests abgeleitet ist; nicht zur Intelligenz zählt die Kreativität – diese ist ein Persönlichkeitsmerkmal.

 
Normalverteilte Intelligenztest-Ergebnisse. Bis zum Wert 115 (eine Standardabweichung) sind 84 % der Population eingeschlossen, bis zum Wert 130 sind es 97,5 % (zwei Standardabweichungen).
  • Kennwert der Intelligenz ist der IQ (Intelligenzquotient), der mittels Intelligenztests ermittelt wird ("Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst").
    • Intelligenzquotient (historisch, PINEL): IQ = Intelligenzalter/Lebensalter; Pinel führte Intelligenztests ursprünglich ein mit dem Ziel, Kinder ausfindig zu machen, die einer besonderen Förderung bedurften.
    • Abweichungs-IQ: Abweichung des Testergebnisses im Intelligenztest vom Durchschnitt der Altersgruppe (eine Abweichung von 1 Standardabweichung [= 15 Punkte in HAWIE, 10 Punkte in IST] nach rechts bedeutet, dass der IQ höher ist als bei 84 % [= 68 %/2 + 50 %] der Population; eine Abweichung von 2 Standardabweichungen [= 30 Punkte, bzw. 20 Punkte] bedeutet, dass der IQ höher ist als bei 97,5 % [= 95 %/2 + 50 %])
      • HAWIE (Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene): Individualtest mit Verbalteil und Handlungsteil, keine MC-Fragen; das Intelligenzprofil ist wichtiger als der Gesamt-IQ (an Äquivalenznorm ermittelt).
      • HAWIK (HAWI für Kinder)
    Die Testergebnisse sind durch Verzerrungseffekte wie dem Stereotype Threat verfälschbar (Stereotype Threat: Befürchtung, auf Basis eines negativen Stereotyps beurteilt zu werden; eine Spielart der self-fulfilling prophecy); Intelligenztests erlauben nur tendenzielle/probabilistische Aussagen über interindividuelle Unterschiede (nicht: über einzelne Individuen).
  • Intelligenz weist eine sehr hohe Stabilität auf: r = 0,9 über 10 Jahre, r = 0,77 über 42 Jahre
  • Intelligenzstruktur:
    • Das 2-Faktoren-Modell (SPEARMAN; in vielen Studien bestätigt) besagt, es gäbe zwei Faktoren, die Intelligenz bedingen:
      • erstens einen gemeinsamen Intelligenzfaktor (g-Faktor; "Grundintelligenz", Geschwindigkeit elementarer Informationsprozesse, Kapazität des Arbeitsgedächtnisses; neurobiologische Grundlage, d. h. vor allem genetisch bedingt),
      • zweitens einen spezifischen Intelligenzfaktor für jede intellektuelle Leistung.
      CATTELL hingegen postuliert die Existenz von zwei g-Faktoren: fluide und kristalline Intelligenz.
    • Das Primärfaktorenmodell (THURSTONE) postuliert die Unabhängigkeit von sieben Intelligenzfaktoren (Merkfähigkeit, Wortverständnis und Wortflüssigkeit, Auffassungsgeschwindigkeit, Rechenfertigkeit, induktives/deduktives Denken, räumliches Vorstellungsvermögen); → Intelligenz-Struktur-Test (IST).
    • Andere Modelle:
      • STERNBERG: analytische, kreative und praktische Intelligenz
      • Soziale und emotionale Intelligenz
    Momentan wird das 2-Faktoren-Modell präferiert.
  • Formen der Intelligenz (Intelligenztheorie nach CATTELL):
    • Fluide Intelligenz (sinkt mit dem Alter): Fähigkeit, Probleme ohne Rückgriff auf Wissen zu lösen (kulturunabhängig); → Grundintelligenztest (CFT): verschiedene Fassungen für verschiedene Altersgruppen, v. a. logische Fragestellungen
    • Kristalline Intelligenz (bleibt im Alter erhalten oder nimmt sogar zu): Fähigkeit, Probleme mit Rückgriff auf Wissen zu lösen (kulturabhängig)
  • Neurophysiologische Korrelate:
    • Größe und Plastizität des Gehirns,
    • psychische und neuronale Verarbeitungsgeschwindigkeit und –komplexität.
  • Einflüsse auf die Intelligenz
    • Genetischer Einfluss:
      • Intelligenz-Anstieg:
        • Bis zur Adoleszenz sind 50 % der Varianz zwischen Individuen hinsichtlich des IQs (80 % hinsichtlich des g-Faktors) genetisch bedingt. Intraindividuelle (Alters-)Unterschiede sind aber erst ab dem dritten Lebensjahr erkennbar.
        • Danach steigt der genetische Einfluss stärker an (aktive Gen-Umwelt-Korrelation): Individuen mit hoher Intelligenz suchen intelligenzfördernde Umwelten auf.
      • Flynn-Effekt: Anstieg der Intelligenz von Generation zu Generation aufgrund besserer Lebensverhältnisse.
      • Intelligenz und Bildungsniveau: Intelligenz lässt sich als Fähigkeit zu höherer Bildung auffassen, denn der IQ korreliert stark mit Bildungsniveau und Berufsstatus (r = 0,7); manche Autoren halten den sozialen Status daher für ein Persönlichkeitsmerkmal (weitgehend genetisch bedingt).
    • Umwelteinfluss: Übungseffekte haben dennoch einen nicht zu unterschätzenden Effekt auf den IQ. Umweltfaktoren sind notwendig (aber nicht hinreichend) für die Entfaltung von Intelligenz (vgl. Deprivation, Unterernährung).


Merke: Intelligenz ist ein Konstrukt und lässt sich auffassen als Fähigkeit zum Problemlösen. Der Intelligenzquotient (im Sinne eines Abweichungs-IQ) lässt sich mittels Intelligenztests bestimmten (z. B. HAWIE, HAWIK) und wird auf die gesamte Altersstufe bezogen (Abweichung vom Durchschnitt einer Altersstufe). Für die Struktur und Form der Intelligenz gibt es verschiedene Theorien: einige Forscher nehmen an, dass es eine Grundintelligenz gibt (g-Faktor), die sich auf die einzelnen intellektuellen Leistungen auswirkt (dieses Modell wird gegenwärtig favorisiert); andere postulieren zwei Grundintelligenzen (fluide und kristalline Intelligenz), wiederum andere glauben, dass die psychischen Funktionen unabhängig voneinander sind und keinen gemeinsamen Grundfaktor besitzen (THURSTONE). Intelligenz zeigt eine hohe Stabilität, interindividuelle Intelligenzunterschiede werden mit der Zeit sogar noch größer.


Weblinks:   Intelligenz,   Intelligenzquotient,   g-Faktor,   Intelligenztest,   Fluide Intelligenz,   Kristalline Intelligenz,   Denken,   Flynn-Effekt


Selbsttest:

  1. Intelligenz weist eine sehr hohe zeitliche Stabilität auf (r = 0,9 über 10 Jahre). Woran kann das liegen?
  2. Erläutern Sie das 2-Faktorenmodell nach SPEARMAN!
  3. Unterscheiden Sie die Modelle nach SPEARMAN, CATTELL und THURSTONE!
  4. Ordnen Sie die Begriffe "fluide Intelligenz" und "kristalline Intelligenz" folgenden Aussagen zu: A: bleibt im Alter erhalten, B: bezieht sich auf "geistige Beweglichkeit", C: ist kulturunabhängig, D: bezieht sich auf Erfahrungswissen, E: nimmt mit dem Alter ab.
  5. Wie viele Personen einer bestimmten Altersstufe muss man mittels HAWIE testen, um 250 Personen mit einem IQ von über 130 zu ermitteln?



Emotionen sind neuronal verankerte Funktionen, die sich aus fünf Komponenten zusammensetzen, und man unterscheidet Basisemotionen und sekundäre Emotionen

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Allgemeine Grundlagen der Emotions-Psychologie

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Allgemeines:

  • Grundeinteilung:
    • Affekt (kurz und heftig)
    • Gefühl
    • Stimmung (lang, geringe Intensität)
  • Sowohl bewusste als auch unbewusste Prozesse sind an der Entstehung von Emotionen beteiligt.
  • Evolutionäre Entwicklung der Emotion: Emotionen unterstützen den Organismus darin, lebenswichtige Situationen zu bewältigen und stellten somit einen Überlebensvorteil dar.
  • Die subkortikalen Prozesse aller Säugetiere ähneln sich, allerdings gibt es interindividuell unterschiedliche Ausprägungen der genauen Abläufe.
  • Beim Menschen: Emotionen unterliegen einer Regulation durch die Kognition (bewusst oder aufgrund von Lernprozessen), die soziale Umwelt kann Emotionen auslösen.

Neuronale Verankerung von Emotionen in Emotionssystemen

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Neurobiologische Grundlagen:

  • Emotionen sind verankert in abgrenzbaren neuronalen Netzwerken (phylogenetisch alte Anteile des Gehirns: limbisches System [v. a. Amygdala: emotionale Reaktionen, Erkennen emotionaler Mimik bei anderen, emotionale Färbung von Reizen], Hypothalamus [an Emotionen beteiligt, v. a. an Angst])
  • Es existieren genetisch angelegte, durch Erfahrung und Lernvorgänge jedoch modifizierbare Emotionssysteme (PANKSEPP), die durch Auslöser (oder im Experiment durch direkte kortikale Stimulation) angesteuert werden und dann motorische und vegetative Subroutinen aktivieren, die sich evolutionär als sinnvoll erwiesen haben.
    • Wutsystem
    • Furchtsystem
    • Paniksystem

Komponenten der Emotion

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Emotionskomponenten:

  • Gefühl: "Anfühlen" im bewussten Erleben; Gefühle können aber auch unbewusst bleiben.
  • Kognition: (meist unbewusste) Bewertung einer Situation.
  • Motivation: Handlungsvorbereitung, wobei der Handlungsspielraum größer ist als bei Instinkten, die genetisch verankert sind und nach dem strengen Reiz-Reaktions-Schema ablaufen.
  • Ausdruck: Mimik, Gestik, Körperhaltung, Phonik – sie dienen (1) als Signale, welche Handlungen wahrscheinlich sind, und (2) als Signale zur Regulation von Beziehungen; an der Erkennung des emotionalen Ausdrucks eines Mitmenschen ist in erster Linie die Amygdala beteiligt, außerdem werden allein schon beim Betrachten des Ausdrucks die gleichen Emotionssysteme aktiviert wie beim handelnden Gegenüber ("Spiegelneurone" als Grundlage von Empathie); der Ausdruck ist interindividuell variabel, kann allerdings bei verschiedenen Emotionen ähnlich sein.
  • Neurobiologische Komponente: Aktivation, physiologische Reaktion (interindividuell weitgehend gleich), zentralnervöse Prozesse


Merke: Emotionen sind elementare und phylogenetisch alte psychische Prozesse und wirken sich auf den gesamten Organismus aus, also auf Kognition, Motivation, Gefühl, Handeln und Vegetativum.


Theorien der Emotion: James-Lange-Theorie, Cannon-Bard-Theorie, Lazarus-Schachter-Theorie und metatheoretische Modelle

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Emotionstheorien

  • Alltagsvorstellung: Emotion → Verhalten und körperliche Veränderungen ("wir lachen, weil wir Freude empfinden").
  • JAMES-LANGE-Theorie: bezieht sich auf die Emotionswahrnehmung.
    • Prinzip: Wahrnehmung eines Ereignisses → körperliche Veränderungen und Veränderungen des Verhaltens (mit Bewusstwerdung der Veränderungen) → Emotion ("wir empfinden Freude, weil wir lachen").
    • Diskussion:
      • Pro: Die Darstellung einer Emotion kann diese auslösen.
      • Contra:
        • Wie soll eine unspezifische Reaktion eine spezifische Emotion auslösen?
        • Eine Adrenalingabe alleine (→ körperliche Veränderung) ist nicht für eine bestimmte Emotion hinreichend.
        • Hormonabhängige Organreaktionen sind zu langsam, um die Entstehung von Gefühlen erklären zu können; sie sind jedoch Bestandteil des Vollbilds eines Gefühls.
  • CANNON-BARD-Theorie (reflexähnlich; bezieht sich auf die Emotionsentstehung): Wahrnehmung eines Ereignisses → Thalamus bewirkt gleichzeitig (1) eine physiologische Erregung (Sympathikus) und (2) Emotion.
  • LAZARUS-SCHACHTER-Theorie (auf Experimenten von SCHACHTER und SINGER basierend; erklärt den Zusammenhang zwischen psychophysischer Erregung und Kognition [Interpretation von Erregung]; die Erregung kann auf verschiedene Emotionen überspringen): Wahrnehmung eines Ereignisses → unspezifische physiologische Erregung → kognitive Bewertung dieser Erregung → Bedeutung der Erregung = Emotion; diese Zusammenhänge lassen sich analog zu einer mathematischen Funktion darstellen: K(p) = E, d. h. Kognition(physiologische Erregung) = Emotion, d. h. eine bestimmte Emotion entsteht dadurch, dass eine bestimmte "Kognitions-Funktion" mit einer bestimmten physiologischen Erregung "gefüttert" wird. Die Intensität der Emotion hängt somit ab von der unspezifischen Erregung, die kognitive Verarbeitung gibt der Emotion eine Richtung/Qualität.
  • Integratives Modell: zunächst erfolgt eine parallele Verarbeitung im limbischen System und Kortex (im limbischen System etwas früher als im Kortex), dann werden die Ergebnisse dieser Verarbeitungsprozesse integriert und über verschiedene Strukturen bestimmte Reaktionen ausgelöst (physiologische Komponente [Hypothalamus], Ausdruckskomponente [Striatum, Hirnstamm])
  • Einfache Emotionen erhalten meist keine kognitive Bewertung, für komplexe Emotionen sind kognitive Prozesse hingegen wesentlich.


Merke: James-Lange-Theorie: "Ich bin traurig, weil ich weine", Cannon-Bard-Theorie: "Ich bin traurig und weine", Lazarus-Schachter-Theorie: "Ich bin traurig, weil ich mein physiologisches Erregungslevel mit einer negativen kognitiven Bewertung versehen habe"


Unterschiede zwischen Emotion und Kognition

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Emotion versus Kognition:

  • Bei Emotionen sind viele Hirnstrukturen aktiv (da es sich hierbei um überlebenswichtig Vorgänge handelt), es überwiegen subkortikale Prozesse.
  • Bei Kognitionen sind weniger Hirnstrukturen aktiv, es überwiegen kortikale Prozesse.
  • Emotionen und Kognitionen spielen zusammen: subkortikale Prozesse stellen die emotionale Energie bereit, kortikale Prozesse geben ihr eine Richtung; die Amygdala dient dabei als Vermittler zwischen beiden (Kortex → Amygdala; Amygdala → Kortex [→ Emotionen beherrschen oft das Denken]; zudem existiert eine direkte Bahn zwischen Thalamus und Amygdala [→ unterschwellige Reize können unbewusst emotionale Reaktionen auslösen])


Merke: Neuronale Emotionssysteme sind phylogenetisch alt und daher vorwiegend subkortikal lokalisiert. Sie wirken sich stärker auf kortikale Prozesse aus (z. B. Kognitionen) als umgekehrt kortikale Prozesse auf subkortikale Prozesse.


Einteilung der Emotionen: primäre und sekundäre Emotionen

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Primäre Emotionen

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Primäre Emotionen (= Basisemotionen): angeboren und kulturübergreifend

Allgemeines
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Allgemeines:

  • Primäre Emotionen sind Grundelemente des emotionalen Lebens.
  • Mimik: Jede Basisemotion hat (1) einen spezifischen Gesichtsausdruck, der bei allen Menschen qualitativ (nicht jedoch quantitativ) ähnlich ist (facial action coding system nach EKMAN und FRIESEN: Aktivierung spezifischer Muskelgruppen durch spezifische neuronale Systeme [willkürliches Lachen ≠ unwillkürliches Lachen hinsichtlich Symmetrie und "Glattheit" des Ablaufs]; vgl. Gestik) sowie (2) ein bestimmtes physiologisches Muster (das physiologische Muster ist allerdings kein hinreichendes Zuordnungskriterium; negative Emotionen → stärkere Aktivierung).
  • Primäre Emotionen sind angeboren und treten postnatal nach wenigen Wochen spontan auf.
  • Bei Gesichtsausdrücken, die von primären Emotionen verursacht werden, sind andere Gehirnzentren beteiligt als bei willkürlichen Gesichtsbewegungen.
  • Unterdrücken negativer Emotionen ("Selbstbeherrschung"):
    • Suppressive Hemmung: die Emotion wird zwar wahrgenommen, aber nicht ausgedrückt.
    • Repressive Hemmung: die Emotion wird aufgrund von Abwehrmechanismen nicht bewusst wahrgenommen, äußert sich jedoch auf physiologischer Ebene; emotionale Implosion ("Abstumpfung") bei posttraumatischer Belastungsstörung.


Merke: Primäre Emotionen (angeboren) sind mit je spezifischen Gesichtsausdrücken korreliert; emotional bedingte Gesichtsausdrücke werden dabei von anderen neuronalen Netzen gesteuert als willkürlich gesteuerte Gesichtsausdrücke (die daher oftmals [subtil] asymmetrisch sind).


Typen primärer Emotionen
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Typen von primären Emotionen (IZARD):

  • Furcht (hat einen Gegenstand [zweckmäßige "Realangst"]), Angst (hat keinen Gegenstand, ist unangemessen intensiv):
    • Bedeutung: ist ein Warnsignal und Gefahrenhinweis und dient als Hilfe, um bedrohlichen Situationen zu entkommen.
    • Dauer: state-anxiety (situationsbezogen), trait-anxiety (dispositionelle Persönlichkeitseigenschaft; Risikofaktor für Angststörung).
    • Umwelt- und genetische Einflüsse: Furcht ist klassisch und operant konditionierbar; sie besitzt hinsichtlich des Ausmaßes eine starke genetische Komponente (Angststörung vs. Coolness).
    • Angst in der Medizin:
      • Angst vor medizinischen Eingriffen (geringere Angst ist günstiger)
      • Trennungsangst bei Kindern (dagegen hilft "rooming-in", d. h. die mittlerweile übliche Praxis, dass Eltern mit ihren Kindern im Krankenhaus bleiben)
      • Angststörungen zählen neben Depressionen zu den häufigsten psychischen Störungen, sind allerdings nur zum Teil behandlungsbedürftig.
        • Panikstörung: kann einzeln oder zusammen mit Agoraphobie auftreten.
          • Plötzlich auftretende Angst (Angstanfall) mit charakteristischen körperlichen Symptomen (Sympathikus-Aktivierung; ca. 10 Minuten lang)
            • Teufelskreis: leichte Erregung → Fehlinterpretation → Verstärkung der Erregung → Fehlinterpretation → ...
        • Generalisierte Angststörung: objektlose Dauerangst
        • Phobien: übertriebene/unangemessene Angst vor einem Objekt; aufrechterhalten durch Vermeidungsverhalten (operante Konditionierung)
          • Agoraphobie: Angst vor großen Plätzen und Menschenansammlungen; im Hintergrund steht dabei die Angst, nicht schnell genug fliehen zu können.
          • soziale Phobie: Angst vor Blamage und Kritik oder allgemein vor Menschen
          • viele andere spezifische (= isolierte) Phobien
        • PTSD (posttraumatic stress disorder, posttraumatische Belastungsstörung): Angst/Albträume/Flashbacks nach schweren psychologischen Traumata; werden oftmals durch Faktoren aus der Umwelt getriggert; von einer PTSD spricht man erst, wenn die Symptome länger als 1 Monat auftreten (< 1 Monat: "akute Belastungsreaktion").
        • Zwänge, z. B.
          • Waschzwang
          • Kontrollzwang
          • Zählzwang


Merke: State-anxiety ist situationsbezogen, trait-anxiety hingegen eine psychische Disposition. Man unterscheidet drei elementare Angststörungen: Phobien, generalisierte Angststörung, Panikstörung.


  • Ärger/Wut:
    • Einteilung:
      • Ärger/Wut: primäre Emotion
      • Aggressivität: Persönlichkeitsmerkmal, Verhaltensdisposition
      • Aggression: verletzende Handlung
    • Erklärungsansätze:
      • Psychoanalyse: Aggressivität ist angeboren (Destrudo).
      • Instinkttheorie: Aggressivität erhält die Art.
      • Lerntherorie: Aggressivität ist erlernt.
    • Katharsishypothese (Psychoanalyse): Ausleben der Aggression senkt die Aggressionsbereitschaft, unterdrückte Aggression führt zu Wendung gegen das eigene Selbst sowie zu Depression und Suizidalität; moderne Studien sprechen aber gegen diese Hypothese (durch Ausleben der Aggressivität wird Aggressivität eher gefestigt [operante Konditionierung], zudem verschlechtert sich die Beziehung zum "Opfer" und man hat hinterher Angst [vor "Rache" des "Opfers"] und Schuldgefühle).
    • Subtypen der Aggression mit unterschiedlichen Zwecken/physiologischen Mustern/Hirnstrukturen:
      • Beuteaggression
      • Defensive Wut (Frustration aufgrund eines Hindernisses) und offensive Wut (Bedrohung aufgrund eines Gegners)
      Beim Menschen können beide Systeme miteinander kommunizieren.
    • Einflussfaktoren:
      • Umwelteinflüsse:
        • Kränkungen, Beschämungen ("narzisstische Kränkung"), Ängste
        • Geschlechtsrollenstereotyp
        • Hormonelle Konstitution (Testosteron vs. Progesteron)
        • Elternverhalten: körperliche Misshandlung
        • Verhaltenstherapie: Ärgerbewältigungstraining
      • Genetische Einflüsse: je höher die Aggressivität, desto leichter sind Aggressionen auslösbar.
  • Trauer: Reaktion auf schweren Verlust; aber nicht universell, kein notwendiger Bestandteil der Verlustverarbeitung;
    • Kultur-relativer "normaler Trauerprozess" (idealtypisch, empirisch nicht bestätigbar): 1. Schock, 2. Sehnsucht und Protest, 3. Anerkennung, 4. Auflösung und Aufnahme neuer Beziehungen
    • Trauer versus Depression: Während es sich bei Trauer um eine Basisemotion handelt, setzt sich die Depression aus vielen verschiedenen negativen Basisemotionen zusammen, oftmals fehlt die Fähigkeit, Trauer zu empfinden (innere Leere); bei der Depression ist daher eine Therapie angezeigt (vgl. Trauer: Unterstützung durch empathisches Zuhören).
  • Überraschung
  • Freude
  • Ekel
  • Verachtung
  • Interesse, Begeisterung

Sekundäre Emotionen

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Sekundäre Emotionen: von primären Emotionen abgeleitet; im Lauf der Sozialisation erworben


Weblinks:   Emotion,   James-Lange-Theorie,   Cannon-Bard-Theorie,   Lazarus-Schachter-Theorie,   Mimik,   Furcht,   Angststörung,   Ärger,   Trauer,   Überraschung,   Freude,   Ekel,   Verachtung,   Interesse


Selbsttest:

  1. Erläutern Sie kurz die Lazarus-Schachter-Theorie der Emotion!
  2. "Ich bin wütend, weil ich mit der Faust auf den Tisch schlage." – zu welcher Emotionstheorie passt diese Aussage?
  3. A: Zusammengezogene Augenbrauen, zusammengepresste Lippen, angespannte Augenlider; B: angehobene Mundwinkel, angespannte Unterlider – welchen Basisemotion korrespondieren diese Gesichtsausdrücke?
  4. Warum beherrschen oft Gefühle unser Denken?
  5. Differenzieren Sie die Panikstörung und die generalisierte Angststörung voneinander!
  6. Immer nachdem Kathrin ihre Wohnung verlassen hat, muss sie sofort zurückkehren, um zu sehen, ob sie den Herd ausgeschaltet hat – und das etwa 30 Mal. Bis sie ihre Wohnung endgültig verlässt, vergeht eine Viertelstunde. Welches Symptom liegt vor?
  7. Vor welchen Objekten haben Sie Angst? Erfüllt dies die Kriterien einer Phobie?
  8. Warum wird die Katharsishypothese mittlerweile als falsch angesehen?



Innerhalb der Motivations-Forschung unterscheidet man primäre und sekundäre Motive, und Motive können miteinander in Konflikt geraten

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Allgemeine Grundlagen der Motivations-Psychologie

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Allgemeines:

  • Motiv: Beweggrund des Handelns, "Handlungstriebfeder"
  • Motivation:
    • Definition: Motive führen im Zusammenspiel mit Umgebungsreizen zur Auslösung, Steuerung und Aufrechterhaltung von Handlungen.
    • Motivationsspezifität:
      • intrinsisch ("innerliche Motivation")
      • extrinsisch (von außen induzierte Motivation)

Einteilung der Motive: primäre und sekundäre Motive

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Motive lassen sich in primäre und sekundäre Motive unterteilen; die Grenze zwischen ihnen ist allerdings unscharf.

Primäre Motive

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Primäre Motive sind biologisch festgelegt (d. h. angeboren) und werden durch Umweltfaktoren nur gering moduliert; sie sind wichtig für das Überleben von Individuum oder Art.

  • Einteilung:
    • Homöostatische Motive: zur Beseitigung eines Mangelzustands (im Hypothalamus ablaufender Vergleich: Ist-Wert vs. Soll-Wert; Homöostase = Erhaltung eines inneren Gleichgewichts)
    • Nichthomöostatische Motive: z. B. Sexualität
  • Neuropsychologische Grundlagen:
    • Hunger:
      • Hypothalamus: Steuerung durch NPY (→ Hungergefühl), CCK (→ Sättigungsgefühl), Leptin (von Fettzellen sezerniertes "Dünnmacherhormon"; → Sättigungsgefühl), Noradrenalin, Dopamin (eher appetithemmend), Serotonin; es gibt einen im ZNS codierten, langfristig stabilen Set-Point des Körpergewichts.
      • Magen: Dehnung wirkt als Sättigungsreiz, Ghrelin wird bei Glucose-Mangel im Magen sezerniert und fördert die Nahrungsaufnahme.
      • Außerdem: Geschmackspräferenzen, endokrine Einflüsse, Lernerfahrungen
    • Durst
    • Körpertemperatur
    • Atmung
    • Schmerzvermeidung
    • Exploration (Neugier, d. h. zielgerichtetes, wunschgeleitetes Verhalten): das Suchsystem erzeugt Vorfreude (vor Zielerreichung) und Erregung (bei Zielerreichung); es existiert dabei eine enge Beziehung mit Selbststimulierungssystemen; das Suchsystem ist lokalisiert in mesolimbischen und mesokortikalen Netzwerken (Neurotransmitter: Dopamin).
    • Sexualität: nicht homöostatisch!
      • Hormone für Sexualität (kurzfristige endokrine Veränderungen sind dabei wenig relevant): ADH (♂), Oxytocin (♀, Sorge um Nachkommen) – beide sind aus Vasotocin (bei Amphibien, Reptilien) entstanden.
      • Hormone für Sorge um Nachkommen: Oxytocin + endogene Opiate + Prolactin → Gefühle der Akzeptanz, Fürsorge und Zuneigung dem Kind gegenüber →→ dies wiederum hat Einfluss auf das Erleben des Kindes (d. h. Einfluss auf neuronale Voraussetzungen, um die Welt als gut und sicher zu erleben; vgl. vernachlässigte Kinder: Disposition zu Distress und Depression).


Merke: Homöostatische Motive zielen auf die Kompensation eines Mangelzustands ab. Sexualität ist ein nichthomöostatisches Motiv.


Sekundäre Motive

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Sekundäre Motive sind stärker von der Umwelt beeinflusst und besitzen eine geringere genetische Basis (sie sind also eher erlernt).

  • Leistungsmotiv:
    • Definition: Tendenz, als wichtig bewertete Aufgaben gemäß eines selbst festgelegten Qualitätsmaßstabs erfolgreich zu Ende zu bringen, Streben nach Höchstleistungen, Kontrolle und hohem Standard; ist v. a. durch frühe Umwelterfahrungen in der Familie erlernt (also stark kulturabhängig).
    • Erklärung mittels Handlungstheorie:
      • Erwartung-Wert-Theorie: die Motivation ist optimal, wenn Erwartung und Wert zu je mindestens 50 % ausgeprägt sind.
      • Selbstwirksamkeitstheorie
      • Attributionstheorie:
        • Dimensionen: stabil – variabel, global – spezifisch, internal (d. h. Persönlichkeitseigenschaften) – external (d. h. Umwelt)
        • Attributionsstil:
          • Erfolgsmotivierte Person: setzt sich realistischere Ziele, Positivitätsfehler im Rahmen des "gesunden Narzissmus" (d. h. Erfolg wird internal, Misserfolg external attribuiert), Hoffnung auf Erfolg.
          • Misserfolgsmotivierte Person: setzt sich unrealistische Ziele (→ Misserfolg ist programmiert), "Negativitätsfehler", d. h. umgekehrte Attribuierungen (Erfolg wird external, Misserfolg internal attribuiert), Furcht vor Misserfolg.
        • Attributionsfehler:
          • Positivitätsfehler: positive Ereignisse werden internal, stabil und global attribuiert, negative Ereignisse umgekehrt, also external, variabel und spezifisch (kultur- und altersunabhängig).
          • Fundamentaler Attributionsfehler: X handelt, Beobachter B attribuiert Xs Handlung als internal, X selbst attribuiert sie dagegen als external.
    • Weitere Aspekte:
      • Stark leistungsmotivierte Menschen sind in besonderem Maße zum Belohnungsaufschub fähig; Disziplin gilt als "Schlüssel" zum Erfolg (Intelligenz ist in der Bevölkerung normalverteilt, große Leistungen sind es aber nicht - Intelligenz allein ist also nicht hinreichend für große Leistungen).
      • Leistung wird nur dann als positiv bewertet, wenn eine gewisse Misserfolgswahrscheinlichkeit gegeben ist.
  • Sucht/Abhängigkeit: beherrschendes Motiv ist die Suche nach der Substanz → Suchtverhalten ist stark motiviertes Verhalten.
    • Entstehung: es besteht eine genetische Disposition, aber sozialpsychologische Faktoren und Lernen sind entscheidend.
    • Kriterien der Abhängigkeit nach ICD-10:
      • Zwang zum Konsum
      • Verlust der Kontrolle über den Substanzgebrauch
      • Toleranzentwicklung
      • Entzugssymptome bei Absetzen
      • Vernachlässigung anderer Interessensbereiche
      • Anhaltender Gebrauch trotz vorhandener schädlicher Folgen
    • Neurobiologie: Gemeinsame Endstrecke:
      • Strukturen: mesokortikales und mesolimbisches Dopaminsystem (Grundlage für positive Gefühle); bei Dauerstimulierung werden kompensatorische Prozesse angestoßen (Gegenregulation), d. h. Hochregulation von Signalkaskaden, Abnahme der Rezeptordichte → Toleranzentwicklung und Entzugssymptome.
      • Transmitter: Dopamin (energetisierender Aspekt), Opioide (emotionaler Aspekt)


Merke: Sekundäre Motive unterliegen einem stärkeren Umwelteinfluss als primäre Motive; zu den sekundären Motiven zählt beispielsweise das Leistungsmotiv.


Theorien zur Motivation

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Konrad Lorenz (rechts). Lorenz ist eine der zentralen Figuren der Ethologie. Legendär sind seine Experimente, bei denen es ihm gelang, frisch geschlüpfte Entenküken auf sich zu prägen.

Motivationstheorien:

  • Ethologie (LORENZ): Motive sind Instinkte, d. h. angeborene, stereotyp ablaufende Verhaltensweisen (Mangelzustand → Appetenzverhalten [Suche nach Schlüsselreizen] → Schlüsselreiz → AAM [Angeborener Auslösemechanismus, = starre Endhandlung] → Abnahme des Handlungsantriebs).
    • Schlüsselreize werden während einer bestimmten kritischen Phase besonders gut gelernt (Prägung).
    • Wenn ein Konflikt besteht zwischen gleich starken Motiven mit einander unvereinbaren Endhandlungen, dann kommt es zu einer Übersprungshandlung (Handlung, die keiner der beiden Endhandlungen gleicht). Beispiel: ein Hahn mit einem Konflikt der Motive Flucht und Kampf fängt plötzlich an, Körner zu picken.
    • Wenn ein starkes Motiv, aber kein Schlüsselreiz vorhanden ist, dann kommt es zu einer Leerlaufhandlung.
    • Beim Menschen gibt es kaum mehr Instinkte.
  • Psychodynamischer Ansatz: durch widersprechende Motive entstehen intrapsychische Konflikte → Abwehrmechanismen halten die Konflikte unbewusst; implizite (unbewusste) Motive entstehen aufgrund früher Erfahrungen, explizite (bewusste) Motive aufgrund späterer Erfahrungen (Erziehung etc.).
    • Abhängigkeits-Autonomie-Konflikt; evtl. Risikofaktor für psychische Störungen
    • Ödipaler Konflikt
    • Konflikt zwischen Es und Überich
  • Lerntheorie: motiviertes Verhalten wird durch Situationsfaktoren reguliert.
    • Auslösung von Suchtverhalten aufgrund von klassischer Konditionierung
    • Aufrechterhaltung von Verhalten aufgrund von operanter Konditionierung, d. h. Steuerung des Verhaltens durch Erwartungen (Antizipation der positiven Verhaltens-Konsequenz)
  • Handlungstheorie: Erwartung (Erreichbarkeit?) x Wert (Bedürfnisbefriedigung?) = Stärke eines Motivs; die Motivstärke ist am höchsten, wenn Erwartung und Wert jeweils mindestens 50 % betragen.
  • Triebreduktionstheorie: fehlende Homöostase → Triebe → triebreduzierendes Verhalten → Homöostase; Imitation/Verstärkung von Trieben durch äußere Anreize
  • Erregungstheorie: Motive, Neugier sind erforderlich, um eine vorgegebenes psychophysisches Erregungsniveau zu erreichen.
 
Bedürfnispyramide nach Maslow. Diesem Modell zufolge sind die menschlichen Bedürfnisse hierarchisch angeordnet; die Befriedigung eines niederen Bedürfnisses (Pyramidenbasis) führt dazu, dass ein höheres Bedürfnis auftritt.

Motivationshierarchie: MASLOWs Bedürfnishierarchie unterscheidet niedere Mangelbedürfnisse (physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse) von höheren Wachstumsbedürfnissen (Selbstverwirklichung, Transzendenz), wobei die Erfüllung niederer Bedürfnisse hinreichend für das Erwachen höherer Bedürfnisse ist; dem liegt die Annahme zugrunde, dass jedem Menschen die Tendenz zur Entfaltung seines Potentials innewohnt. Kritik an MASLOWs Bedürfnishierarchie: idealistisch (da es keine negativen Motive enthält), zu mechanistisch, Überbewertung geistiger Bedürfnisse.


Merke: Die ethologischen Konzepte zu Motivation und Handlung passen zwar auf Tiere gut, auf Menschen jedoch schlecht, da unser Verhalten kaum mehr rein instinktgesteuert ist; was aber auch auf den Menschen zutrifft, ist das Konzept der Prägung, d. h. dass bestimmte Reizmuster während einer bestimmten Phase besonders gut erlernt werden können, außerhalb dieser Phase jedoch kaum mehr erlernbar sind ("was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr").


Konflikte zwischen Motiven

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Motivationskonflikte (LEWIN): Objekte/Ziele haben Aufforderungscharakter (= Valenz), und zwar positiv (→ Appetenz [Annäherung des Individuums ans Ziel]) oder negativ (→ Aversion [Abwendung des Individuums vom Ziel]). Wenn zwei Ziele je unterschiedliche Valenzen besitzen oder dasselbe Ziel zwei unterschiedliche Valenzen besitzt, kommt es zu Konflikten:

  • Auf zwei Ziele bezogen:
    • Appetenz-Appetenz-Konflikt: Beide Ziele werden positiv bewertet.
    • Aversion-Aversion-Konflikt: Beide Ziele werden negativ bewertet.
  • Auf ein Ziel bezogen: Appetenz-Aversion-Konflikt (= Ambivalenzkonflikt): dasselbe Ziel hat positive und negative Valenzen; doppelter Appetenz-Aversions-Konflikt: zwei ambivalente Ziele

Annäherungs- und Vermeidungsgradient: für ein Ziel mit positiven und negativen Seiten gilt: je näher man dem Ziel kommt, desto mehr steigt die Appetenz, kurz vor dem Ziel nimmt aber die Aversion stark zu; wenn die Aversion so stark ist wie die Appetenz, kommt es zu einem Konflikt.


Merke: Appetenz-Appetenz-Konflikt: "die Qual der Wahl", Aversions-Aversions-Konflikt: "die Wahl der Qual", Appetenz-Aversions-Konflikt: "zwei Seiten derselben Medaille"


Weblinks:   Motivation,   Motiv,   Hunger,   Sexualität,   Leistungsmotiv,   Ethologie,   Abraham Maslow,   Bedürfnishierarchie,   Motivationskonflikt


Selbsttest:

  1. Welche Motive sind homöostatisch, welche nicht: Hunger, Sexualität, Durst?
  2. Was besagt die Erwartung-Wert-Theorie?
  3. Was versteht man unter dem Positivitätsfehler?
  4. Ordnen Sie folgende Begriffe (die sich auf die Handlungen eines Frosches beziehen) den jeweiligen ethologischen Beschreibungskategorien zu: Hunger, Maul öffnen und Zunge in Richtung Ziel schleudern, Fliege, Nahrungssuche, Abnahme des Hungergefühls!
  5. Was bedeutet der Begriff "Prägung"?
  6. Welche Bedürfnisse bilden die Basis und welche die Spitze der Bedürfnishierarchie nach MASLOW?
  7. Melanie kann sich nicht zwischen zwei Schokoriegeln entscheiden. Welcher Motivationskonflikt liegt vor?
  8. Der kleine Franz-Josef erhält von seinem Lehrer ein Angebot: entweder zwei Stunden nachsitzen oder zuhause 100 Mal schreiben: "Ich darf während des Unterrichts keine Handstände auf dem Lehrerpult machen." Welcher Motivationskonflikt liegt vor?



Innerhalb der differentiellen Psychologie gibt es verschiedene Modelle zur Typisierung von Persönlichkeiten und diverse Theorien zur Erklärung des Phänomens "Persönlichkeit"

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Allgemeine Grundlagen der differentiellen Psychologie

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Allgemeines:

  • Persönlichkeitspsychologie = differentielle Psychologie, Psychologie der individuellen Unterschiede
  • Persönlichkeit: Summe aller Persönlichkeitseigenschaften
  • Persönlichkeitseigenschaften: Konstrukte, die aus dem Verhalten oder aus der Selbsteinschätzung des Probanden (mittels Fragebogen) ermittelt werden; sie sind zeitlich und transsituativ (d. h. über verschiedene Situationstypen hinweg) relativ stabil.
    • Hohe mittelfristige (Monate, Jahre) zeitliche Stabilität der Merkmale (d. h. Trait-Merkmale): bestimmbar durch Korrelation zwischen 2 Tests; langfristige Veränderungen sind jedoch möglich (Reihenfolge der Stabilität von Eigenschaften: intellektuelle/kognitive Leistungen > Persönlichkeitseigenschaften > Einstellungen, Meinungen, Selbstbewertungen).
    • Transsituative Konsistenz der Merkmale: eine Persönlichkeitseigenschaft ist eine für verschiedene Situationen typische Reaktionstendenz eines Menschen, die allerdings durch den Kontext moduliert wird (ähnliche Situationen → ähnliches Verhalten); Psychophysiologie: individualspezifische Reaktion vs. stimulusspezifische Reaktion

Modelle der Persönlichkeitsstruktur

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Modelle:

  • Typologische Modelle: hauptsächlich von historischem Interesse, Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen
    • HIPPOKRATES: Einteilung nach 4 Körpersäften (Sanguiniker [Blut], Melancholiker [schwarze Galle], Phlegmatiker [Schleim], Choleriker [gelbe Galle])
    • Körperbautypologie nach KRETSCHMER: Leptosomer (schizothym → schizophren) , Pykniker (zyklothym → manisch-depressiv), Athletiker (viskös → Epilepsie); ist empirisch nicht bestätigt, außerdem sind Veränderung des Körperbaus möglich (z. B. Arnold Schwarzenegger: vom Athletiker zum Pykniker).
    Typologien wie die von Hippokrates und Kretschmer werden der Vielschichtigkeit des menschlichen Charakters allerdings nicht gerecht und sind daher nicht mehr aktuell.
  • Dimensionale Modelle (= statistische Modelle, gewonnen mittels eines speziellen statistischen Verfahrens [Faktorenanalyse, d. h. Reduktion von erfragten Eigenschaften auf wenige Dimensionen]): unterschiedliche Ausprägung verschiedener, frei miteinander kombinierbarer Dimensionen (Dimensionen sind voneinander unabhängig; 1 Dimension = Summe miteinander korrelierender Eigenschaften)
    • Wichtige Modelle
      • Big Five: dieses Modell postuliert 5 Persönlichkeitsdimensionen, die sich im Verlauf jahrelanger psychologischer Forschung herauskristallisiert haben; die Varianz zwischen Individuen hinsichtlich der Big-Five-Persönlichkeitseigenschaften wird dabei verursacht zu 45 % von den Genen, zu 40 % von der nichtgeteilten Umwelt und zu 15 % von der geteilten Umwelt, wobei nur die konkrete Ausgestaltung der Persönlichkeit (Gewohnheiten, Einstellungen) starken Umwelteinflüssen unterliegt; die Umweltereignisse werden zudem abhängig von der Persönlichkeit auf verschiedene Weisen erlebt. Aufgrund des starken genetsichen Einflusses lassen sich bestimmte Verhaltensstile und die Reaktionen hierauf den Genen zuschreiben (z. B. selbst mitverursachte belastende Lebensereignisse lassen sich als genetisch [mit-]bedingt ansehen).
        1. Neurotizismus (vs. Stabilität)
        2. Extraversion (vs. Introversion)
        3. Offenheit für Erfahrungen
        4. Gewissenhaftigkeit
        5. Verträglichkeit (vs. Aggressivität)
        Mit dem Alter nehmen 4 und 5 zu, während 1, 2 und 3 abnehmen.
      • Modell nach EYSENCK
        • Neurotizismus (= emotionale Labilität) vs. emotionale Stabilität
        • Psychotizismus vs. Realismus (d. h. Ausmaß der Anpassung an die Realität)
        • Extraversion vs. Introversion (Beziehungen zur Umwelt)
        • Intelligenz


Merke: Die "Big Five" der Persönlichkeitspsychologie sind: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Neues, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit.


Theorien über die Entwicklung der Persönlichkeit

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Persönlichkeitstheorien:

  • Psychodynamischer Ansatz: inadäquate Befriedigung der für die jeweilige Entwicklungsphase typischen Triebwünsche (Versagung oder Verwöhnung) → Fixierung auf die entsprechende Phase →→ Prägung der Persönlichkeit
    • Schizoider Charakter: Einzelgängertum, Empathiemangel
    • Oraler (depressiver) Charakter: Harmoniebedürfnis und Sucht
    • Analer (zwanghafter) Charakter: Ordentlichkeit, Pflichtbewusstsein
    • Phallischer (hysterischer) Charakter: Dominanzstreben und unbekümmerte Emotionalität
  • Lerntheoretischer Ansatz: die Erfahrungen (Umwelt) prägen die Persönlichkeit; Kritik: (1) die aktive Gen-Umwelt-Korrelation wird nicht berücksichtigt, (2) der genetische Einfluss ist stärker als der Umwelteinfluss (→ Persönlichkeitsveränderung durch Umweltgestaltung ist eher nur begrenzt möglich).
  • Dynamisch-interaktionistisches Modell: Umwelt und Persönlichkeit beeinflussen sich gegenseitig, wobei die Persönlichkeit stärker auf die Umwelt einwirkt als umgekehrt → langfristig ändern sich beide, also Umwelt und Persönlichkeit (Beispiel: Partnerschaftsbeginn; Erziehung [kindliches {persönlichkeitsbedingtes} Verhalten beeinflusst den elterlichen Erziehungsstil]).
    • Interaktion zwischen Dispositionen und Situation
    • Persönlichkeit = Erwartungen darüber, welche Konsequenzen bestimmte Handlungen haben

Störungen der Persönlichkeit

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Persönlichkeitsstörung: tiefgreifende Störung, die viele Bereiche des psychosozialen Erlebens/Verhaltens betrifft (unflexibles, unangepasstes Erleben/Verhalten, normabweichend)

  • Notwendige Bedingungen für die Diagnose "Persönlichkeitsstörung":
    • Leidensdruck des Patienten oder der Umwelt (subjektiv), Dysfunktionalität (objektiv)
    • zeitliche Stabilität
    • früher Beginn (Kindheit, Jugend)
    • Ausschluss einer organischen oder einer anderen psychischen Störung
  • Typen der Persönlichkeitsstörung: werden anhand spezifischer Kriterien diagnostiziert
    • Exzentrische (sonderbare, seltsame) Persönlichkeitsstörungen
    • Dramatische (emotionale, launische) Persönlichkeitsstörungen
    • Ängstliche Persönlichkeitsstörungen


Merke: Eine Persönlichkeitsstörung liegt erst dann vor, wenn Leidensdruck vorhanden ist, die Verhaltensweisen zeitlich stabil sind und bereits in der Jugend oder Adoleszenz angefangen haben; eine Persönlichkeitsstörung, die erst im 60. Lebensjahr beginnt, gibt es nicht.


Selbstbewertungen: Selbstkonzept, Selbstwertgefühl und Wohlbefinden

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"Narziss". Der griechischen Mythologie zufolge verliebte sich Narziss (Narkissos) in sein Spiegelbild, nachdem er der Nymphe Echo eine Abfuhr erteilt hatte; dabei ging er an seiner Selbstliebe zugrunde, sein Körper wurde in eine Blume verwandelt. "Gesunder Narzissmus" gilt als Bestandteil einer "normalen" Persönlichkeit.

Selbstbewertungen:

  • Selbstkonzept (humanistische Persönlichkeitstheorie; Kognitionen und Wertvorstellungen spielen eine wesentliche Rolle): mittelfristig stabiles Bild, das man sich von sich selbst gemacht hat (Wahrnehmungen, Werte, Vorstellungen). Das bewusste Selbstbild wird von manchen Autoren aufgefasst als mental konstruiertes "Erklärungsmodell" (Erklärungen im Nachhinein) für unbewusst gesteuerte Handlungen. Selbst- und Fremdbeurteilung stimmen nur schlecht überein (meist sind Fremdbeurteilungen objektiver als Selbstbeurteilungen) aufgrund (1) unterschiedlicher Perspektiven, (2) unterschiedlicher Fokussierung, (3) Verzerrung (Selbstwerterhöhung) durch "gesunden Narzissmus" (vgl. pathologischer Narzissmus). Der (evolutionär durchaus sinnvolle) "gesunde Narzissmus" zeigt sich unter anderem in folgendem: systematische Selbstüberschätzung (weltweit feststellbare Überschätzung der eigenen bisherigen, aktuellen und künftigen Leistungen), Ähnlichkeit des Partners als wichtiger Faktor für Liebe, Spotlight-Effekt (Überschätzung des eigenen Wahrgenommenwerdens durch andere), unrealistischer Optimismus (Raucher: "Ich werde ganz sicher keinen Lungenkrebs bekommen"), Attributionsfehler (externale Attribution von Misserfolgen, internale Attribution von Erfolgen), Aggression bei als bedroht wahrgenommenem Selbstwertgefühl, Glauben an die eigene Unsterblichkeit, selbstwertdienliche Verzerrung (Überzeugung der eigenen Überdurchschnittlichkeit hinsichtlich fast jeder sozial erwünschten Eigenschaft), sogar die Überzeugung, vor selbstwertdienlicher Verzerrung geschützt zu sein.
  • Selbstwertgefühl: mittelfristig stabile Zufriedenheit mit sich selbst, Eigen-Bewertung.
  • Subjektives Wohlbefinden: mittelfristig stabiler individueller Sollwert, um den das persönliche Wohlbefinden schwankt; Extremausprägungen sind dabei nur von kurzer Dauer (wegen Habituation und Aufwärts- bzw. Abwärtsvergleichen). Das Wohlbefinden ist erhöht, wenn bewusste und unbewusste Motive miteinander harmonieren. Adäquate materielle Umstände sind notwendig, aber nicht hinreichend für Wohlbefinden, zu starkes Streben nach Reichtum macht sogar tendenziell unglücklich.
    • Wohlbefinden wird von den objektiven Lebensumständen mittel- und langfristig wenig beeinflusst, emotionale Schwankungen nach oben und unten scheinen sich mittel- und langfristig auszugleichen.
    • Stärker beeinflusst wird es durch Gefühl der Selbstwirksamkeit, Religiosität, hohes Selbstwertgefühl, Optimismus, enge soziale Beziehungen, körperliche Fitness.


Merke: Narzisstische Komponenten sind Grundbestandteile "gesunden" menschlichen Erlebens und Verhaltens.

Das subjektive Wohlbefinden wird mittel- und langfristig nur gering von den objektiven Lebensumständen (z. B. materieller Wohlstand) beeinflusst.


Verhaltensstile: besondere Tendenzen des individuellen Verhaltens

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Verhaltensstile

  • Sensation-Seeking: Tendenz, sich in stimulierende Situationen zu begeben (um geringe Noradrenalin-Aktivität zu kompensieren)
  • Novelty-Seeking: Tendenz zur Suche nach Neuem, Aufregendem (um geringen Dopamin-Spiegel zu kompensieren).
  • Reaktion auf bedrohliche Ereignisse: Sensitization (Aufmerksamkeitszuwendung, ein Sensitizer nimmt Gefahrenreize sehr wachsam wahr) vs. Repression (Abwendung, d. h. Flucht, Verleugnung der Gefahren oder Nichtbeachten; bei Informationsüberflutung kann der Bewältigungsstil des Repressors labilisiert werden); im medizinischen Kontext: Repressoren interessieren sich für Befunde, Diagnostik etc. wenig, während Sensitizer viele Informationen erhalten wollen.
  • Interferenzneigung: tendenzielle Ablenkbarkeit (Erfassung mittels Stroop-Test: Farbwörter in unterschiedlichen Farben).
  • Feldabhängigkeit: Ausrichten des Verhaltens an der Umgebung (statt an selbstgesetzten Werten), Unfähigkeit, Items aus ihrem Kontext herauszulösen (→ Embedded Figure Test).
  • Feindseligkeit, übermäßiges Wettbewerbsstreben...
    • als Komponenten des "Typ-A-Verhaltens" (= koronargefährendes Verhalten, d. h. hektisch, feindselig, überhöhte Ansprüche; allerdings umstritten!)
    • vgl. Typ-B- und Typ-C-Verhalten
      • Typ-B-Verhalten: ruhig, verträglich, entspannt; kein erhöhtes Gesundheitsrisiko
      • Typ-C-Verhalten: nett, nachgiebig, wenig Ausdruck von Emotionen; erhöhtes Krebsrisiko


Merke: Riskantes Verhalten (Novelty- und Sensation-Seeking wie beispielsweise typisch bei Borderline-Persönlichkeitsstörung) beruht wahrscheinlich auf einer zu geringen Aktivität von Transmittersystemen, die durch entsprechendes Verhalten kompensiert werden soll.

Nicht jeder Patient möchte über seine Diagnose umfassend informiert werden – was man als Arzt respektieren sollte.


Wechselwirkungen zwischen Persönlichkeit und Umwelt

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Interaktion von Person und sozialer Umwelt:

  • Die Art der Umweltexposition ist z. T. so stabil wie eine Persönlichkeitseigenschaft (d. h. Ursache-Wirkung-Beziehung ist unklar; Umweltfaktoren werden oft stark durch Persönlichkeitsfaktoren beeinflusst); die Persönlichkeit wirkt sich stärker auf die Umwelt aus als umgekehrt.
  • Interpersonelle Ansätze: Persönlichkeit → bestimmtes Interaktionsmuster mit anwesenden (realen/imaginären) Personen
    • (Unbewusstes) Selbst → steuert die interaktive Entstehung reziproker Interaktionsmuster (gegenseitige Verhaltensbeeinflussung)
    • Durch dauernde Fehlinterpretation → Verfestigung inadäquater Interaktionsmuster


Merke: Die Persönlichkeit wirkt stark auf die Umwelt ein, und diese wirkt entsprechend auf die Persönlichkeit zurück.


Weblinks:   Persönlichkeit,   Differentielle Psychologie,   Big Five,   Persönlichkeitsstörung,   Narzissmus,   Selbstkonzept,   Selbstwertgefühl,   Subjektives Wohlbefinden,   Repressor,   Sensation-Seeking,   Typ-A-Verhalten


Selbsttest:

  1. Welche zwei entscheidenden Kriterien müssen Verhaltenseigenschaften von Menschen erfüllen, um als Persönlichkeitseigenschaften zu gelten?
  2. Nennen Sie die "Big Five"!
  3. Welche Kriterien gelten für eine Persönlichkeitsstörung?
  4. Warum stimmen Fremd- und Selbstbeurteilung nur selten überein?
  5. Anne will alles über ihre Krankheit wissen, Georg hat dagegen kein Interesse. Wer von den beiden ist Repressor, wer Sensitizer?
  6. Wie würden Sie Ihr eigenes Verhalten einschätzen: als Typ-A-, -B-, oder -C-Verhalten?
  7. Warum ist die Art und Weise, wie die Umwelt auf das Individuum zurückwirkt, oftmals so stabil wie eine Persönlichkeitseigenschaft?



In der Kindheit finden prägende Sozialisations-Prozesse statt, wobei auch der Erziehungsstil entscheidend zu einer gelingenden Entwicklung beiträgt

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Reifung und Lernen: Zusammenspiel angeborener und erworbener Faktoren

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Neurobiopsychologische Grundlagen:

  • Sowohl genetische Faktoren als auch psychische und soziale Faktoren wirken zusammen, spezifische Lernprozesse können erst dann stattfinden, wenn das Gehirn von seiner biologischen Entwicklung her dazu bereit ist:
    • Maturation, Reifung: grobe Gestaltung der körperlichen und psychischen Entwicklung gemäß der genetischen Ausstattung; die Reifung des Gehirns ist mit der Geburt noch lange nicht abgeschlossen (Vernetzung der Neuronen bis zur Pubertät [wobei kritische, für die Entwicklung entscheidende Phasen auftreten], danach erfolgt ein Ausleseprozess [Spezialisierung], der nach dem Motto "use it or lose it" erfolgt [unbenutzte neuronale Verbindungen werden entfernt]).
    • Lernprozesse (psychische Faktoren, soziale Faktoren) besorgen die feine Ausgestaltung.
  • Beispiele:
    • Fremdenangst ("Fremdeln", d. h. aversive Reaktion, weil fremdes Gesicht nicht mit Gesicht einer Bezugsperson übereinstimmt):
      • Tritt erst auf, wenn kognitive Voraussetzungen (Gesichtsschema) und soziale Gegebenheiten (fremdes Gesicht) vorhanden sind.
      • Ist am stärksten ausgeprägt im 8. (bis zum 30.) Lebensmonat ("Achtmonatsangst").
      • Mögliche evolutionspsychologische Funktion: Bindung an den Versorger.
    • Trennungsangst:
      • Beginn im 6. bis 9. Lebensmonat, Höhepunkt im 2. bis 3. Lebensjahr
      • Evolutionspsychologische Funktion: soll das Kind davor schützen, sich zu weit von der Mutter zu entfernen.
    • Sauberkeitserziehung (ab 2 Jahren): erforderlich sind...
      • ...Fähigkeit zur Wahrnehmung der eigenen Entleerungsfunktionen (neuronale Bedingungen)
      • ...Vorbild, Hilfestellung (psychosoziale Bedingungen)


Merke: Lernprozesse können erst dann greifen, wenn die entsprechenden neuronalen und körperlichen Voraussetzungen vorhanden sind.


Pränatale Entwicklung

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Vorgeburtliche Entwicklung des Kindes (aus Perspektive der Mutter "Schwangerschaft", aus Perspektive des Kinds "Gestationszeit"; Dauer ab letzter Menstruation: ~40 Wochen [~281 Tage; Naegeleregel: Entbindungstermin = Konzeptionstermin – 1 Woche – 3 Monate + 1 Jahr]; von der 8. bis zur 12. Schwangerschaftswoche wird die Frucht als "Embryo" bezeichnet, dann als "Fetus"):

  • Allgemeine Embryonalentwicklung (ab der 32. Schwangerschaftswoche ist ein Fetus außerhalb der Mutter lebensfähig [vgl. Definition der Frühgeburt: < 259 Tage, also < Ende der 37. Schwangerschaftswoche])
    • 1. bis 3. Monat: Anlage der Organe
    • 4. bis 6. Monat: Differenzierung der Organe
    • 7. bis 9. Monat: nur noch Größenzunahme
  • Bewegungen:
    • Erste Bewegungen treten auf ab der 8. Schwangerschaftswoche.
    • Alle Bewegungsmuster des Neugeborenen sind schon ab der 14. Schwangerschaftswoche vorhanden (erste spürbare Bewegungen ab 16. bis 20. Schwangerschaftswoche).
    • Der Fetus besitzt einen von der Mutter unabhängigen Schlaf-Wach-Rhythmus; die Anpassung der Rhythmen an die Außenwelt erfolgt erst postnatal.
  • Entwicklung des ZNS:
    • Die Entwicklung beginnt in den ersten Wochen und ist besonders stark sowohl im 3. bis 5. Monat als auch von der Geburt bis zum 4. Monat nach der Geburt.
    • Die Persönlichkeitsentwicklung beginnt bereits pränatal.
    • Die Empfindungsfähigkeit ist schon früh entwickelt (→ Teilnahme am Gefühlsleben der Mutter); 17. – 24. Schwangerschaftswoche: Differenzierung von Berührung und Schmerz, Reaktion auf Musik

Frühe Kindheit

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Entwicklung in der frühen Kindheit und primäre Sozialisation:

  • Sensorik: ist beim Säugling gut ausgebildet, v. a. Geschmacks- und Geruchssinn; die Wahrnehmungsfähigkeit ist auf soziale Beziehungen ausgerichtet, so kann der Säugling die Stimme der Mutter aus mehreren Stimmen heraushören.
    • Sehen:
      • Säuglinge sind kurzsichtig und besitzen ein nur geringes Auflösungsvermögen.
      • Mit der Zeit verbreitert sich das Gesichtsfeld, das Auflösungsvermögens erhöht sich → mit 2 Jahren ist der Sehsinn ausgereift (aber: es existieren kritische Phasen, in allein denen die Wahrnehmungsfähigkeit für bestimmte Muster erlernt werden kann).
    • Hören:
      • Säuglinge besitzen ein gutes Tonunterscheidungsvermögen (Sprache, Stimme der Mutter!).
      • Säuglinge reagieren auf laute Geräusche reflexartig mit einer Zuwendung des Kopfes (dieser Reflex ist bis zur 6. Woche vorhanden), ab dem 4. Monat erfolgt die Zuwendung absichtlich; ab der 6. Woche reagieren Säuglinge auf Stimmen mit Lächeln, später tritt auch "soziales Lächeln" auf (d. h. Lächeln als Reaktion auf Gesichter).
    • Geschmack: Säuglinge besitzen ein gutes Geschmacks-Unterscheidungsvermögen sowie eine Präferenz für Süßes.
    • Geruch: Säuglinge besitzen ein gutes Geruchs-Unterscheidungsvermögen.
  • Motorik: ist v. a. ein Reifungsprozess (Üben kann Geschicklichkeit verbessern → positiv für komplexere Bewegungsabläufe)
    • Es existieren zwei "Trends" der motorischen Kontrolle:
      • Cephalocaudaler Trend: der kraniale Bereich kann früher kontrolliert werden als der kaudale.
      • Proximodistaler Trend: der proximale Bereich kann früher kontrolliert werden als der distale.
    • Zunächst sind hauptsächlich Reflexe vorhanden, später nimmt die Willkürmotorik zu (ab dem 6. bis 8. Monat: willentliches Greifen, ab dem 12. Monat: Pinzettengriff möglich).
    • Meilensteine der gesunden motorischen Entwicklung: Krabbeln mit 6 Monaten, Sitzen mit 9 Monaten, Stehen mit 12 Monaten, Laufen mit 18 Monaten
  • Emotion: es kann zu einer Fehlregulation der Emotionsentwicklung kommen, wenn die Mutter nicht adäquat auf emotionale Reaktionen des Säuglings eingehen kann.
    • Emotionszuwachs:
      • Säugling: zunächst nur unspezifische Erregung, später entwickelt sich Unlust, noch später Lust; außerdem: Ekel und Überraschung
      • Ab der 6. Woche: soziales Lächeln, Neugierde, Freude
      • Ab dem 3. bis 5. Monat: Wut, Enttäuschung, Ärger, Abscheu, Furcht
      • Ab dem 6. bis 9. Monat: immer stärkere Differenzierung; Gehobenheit, Liebe
      • Zwischen dem 19. bis 36. Monat: Entwicklung des Selbstkonzepts
    • Säuglinge zeigen zunächst eine starke Reaktion auf emotionalen Distress beim Gegenüber, mit zunehmender Reifung des präfrontalen Kortex gelingt eine bessere Kontrolle.


Merke: Säuglinge sehen zwar schlecht, hören, riechen und schmecken hingegen gut. Die Motorik entwickelt sich von reflexartigen Reaktionen hin zu willkürlichen Handlungen; mit einem Jahr sollte ein Kind stehen können, mit anderthalb Jahren laufen. Auch die Emotionalität wird mit der Zeit reichhaltiger; die Emotionsentwicklung ist dabei vom sozialen Umfeld abhängig.


 
Bindungsverhalten. Das mütterliche Verhalten dem Säugling gegenüber ist entscheidend für das Bindungsverhalten des Kindes. So zeigten sich im "Die fremde Situation"-Test spezifische Reaktionen des Kindes, je nach dem, ob die Mutter den Säugling einfühlsam, abweisend oder ambivalent behandelt hatte.
  • Soziale Bindung: eine Wechselwirkung zwischen Kind und Eltern
    • Bis zum 9. bis 11. Monat (nach Ausbildung von Objektpermanenz und Lokomotion): spezifische Bindung an Bezugsperson(en) (attachment), unterstützt durch viel Körperkontakt (weiche, warme Mutter oder Vater) und Stillen; kritische Phase für Vertrauenserwerb
    • Dann: Ausbildung eines Bindungsverhaltens (bleibt stabil bis ins Erwachsenenalter), weil Kind (1) Personen vermissen kann und (2) Nähe und Distanz selbst bestimmen kann; Bindungsverhalten wird in unvertrauten und ungemütlichen Situationen aktiviert → die Verhaltensweisen zum Wiederherstellen der Bindung geben Aufschluss über Qualität der Bindung zur Bezugsperson (abhängig von Temperament des Kindes und Einfühlsamkeit der Bezugsperson): "Die Fremde Situation"-Test (AINSWORTH; 3-Minuten-Phasen: Unvertrautheit – Neuheit – 2 Trennungen von der Mutter)
      • Unsicher-vermeindender Bindungsstil (Typ A): Bei Rückkehr der Mutter zeigt das Kind wenig Emotionen/Interesse (Ursache: wenig einfühlsame/fürsorgliche Mutter).
      • Sicherer Bindungsstil (Typ B): das Kind zeigt Kummer, wenn es alleine gelassen wird, bei Rückkehr der Mutter sucht es Kontakt zu ihr (Ursache: einfühlsame, fürsorgliche Mutter).
      • Ambivalent-unsicherer Bindungsstil (Typ C): das Kind zeigt deutlichen Kummer, wenn es alleine gelassen wird, bei Rückkehr der Mutter (1) sucht das Kind zwar körperliche Nähe zur Mutter, aber (2) es widersetzt sich den mütterlichen Interaktionsangeboten der Mutter → ambivalentes Verhalten (Ursache: ambivalente Mutter).
      Die frühe Eltern-Kind-Beziehung legt das spätere Beziehungsverhalten fest; fehlende Bindung (wegen Vernachlässigung, Wechsel von Bezugspersonen etc.) erhöhen die Disposition zu Angst, Rückzug, sozialen Defiziten und Aggression.
      Neurobiologie: bei Alleingelassenwerden wird das Paniksystem aktiviert (→ Trennungsschmerz [wobei die gleichen Emotionssysteme aktiv sind wie bei körperlichem Stress, d. h. anteriorer cingulärer Kortex {der durch Aktivierung des rechten präfrontalen Kortex gehemmt wird}] → Distress-Vokalisationen, die bei Wiedererscheinen der Bezugsperson sofort sistieren).
    • Hospitalismus: starke Vernachlässigung kann zu Entwicklungs- und Verhaltensstörungen führen (Deprivation: Mangel an liebevoller Zuwendung).


Merke: Als Indikator für die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung dient der "Die Fremde Situation"-Test. Die Art der frühen Eltern-Kind-Beziehung ist grundlegend für viele soziale Verhaltenstendenzen im Erwachsenenalter.


 
Büste von Piaget. Piaget untersuchte die psychologische Entwicklung von Kindern und postulierte Stadienmodelle für die kognitive und die moralische Entwicklung.
  • Kognition und Denken:
    • Stationen der Kognitions-Entwicklung:
      • Lernen (operante Konditionierung) ist schon bei Säuglingen möglich.
      • Säuglinge besitzen elementare physikalische Konzepte und Zahlensinn.
      • 6. bis 8. Monat: fehlende Objektpermanenz (z. B. hält der Säugling einen Würfel, der zugedeckt wird, für "vom Erdboden verschluckt" – nach dem Motto "aus den Augen, aus dem Sinn")
      • 10. bis 12. Monat: Objektpermanenz, aktives Suchen nach verschwundenen Gegenständen
      • 2. bis 4. Jahr: "geistiges Ausprobieren", innere Vorstellungen von Gegenständen und Abläufen
    • Kognitive Entwicklung nach PIAGET: Wahrnehmungs- und Denkprozesse entwickeln sich stufenweise und direkt an den Eindrücken der Umwelt mit der Intention, Erfahrungen Sinn zu geben, indem sie in Denkschemata eingeordnet werden und die Schemata dadurch verändert werden.
      • Assimilation und Akkomodation führen zu Adaptation (Anpassung der Denkschemata an die Umwelt):
        • Assimilation: Kind nimmt Eindrücke auf und ordnet sie in vorhandene Denkschemata ein (Beispiel: ein Kind bildet nach der Wahrnehmung eines Hundes das Denkschema "Wauwau", in das fortan alle vierbeinigen Tiere eingeordnet werden).
        • Akkomodation: Änderung der Denkschemata, wenn bestimmte Informationen nicht mehr in vorhandene Denkschemata hineinpassen (Beispiel: das Kind lernt, dass eine Katze nicht in das Denkschema "Wauwau" passt, was dazu führt, dass dieses Denkschema verfeinert wird).
        • Äquilibration: Ruhepause zwischen Denksprüngen, in denen sich Erfahrung und Denkschemata aneinander anpassen (temporäres Gleichgewicht durch die Wechselwirkung von Assimilation und Akkomodation).
      • Vier Stufen der Entwicklung
        • 0-2 Jahre: Sensumotorische Phase: Entwicklung sensomotorischer Handlungsmuster, Entwicklung der Koordination der Muskulatur, Entwicklung der Objektpermanenz, elementares Zahlenverständnis, physikalisches Weltkonzept, Konzeption zur Interpretation von Handlungen Anderer; das Selbstkonzept (Gefühl von eigener Identität und eigenem Wert) entwickelt sich mit 18 Monaten (Flecke-Spiegel-Test: Sich-im-Spiegel-Erkennen als hinreichendes Kriterium für Bewusstsein seiner selbst).
        • 2-7 Jahre: Präoperationale Phase (egozentrisches Denken [Unvermögen, sich in andere hineinzuversetzen], nur 1 Dimension erfassbar, kein Verständnis für Mengeninvarianz, symbolhaftes Spielen, "Theory of Mind" [Fähigkeit, auf Gefühle andere zu schließen], innerer Dialog)
          • 2-4 Jahre: vorbegrifflich-symbolisches Denken
          • 4-7 Jahre: anschauliches Denken, noch keine Mengeninvarianz
        • 7-11 Jahre: Konkretlogische Operationen (Benutzung von logischen Denkoperationen, Lösung von konkreten Zahl-, Raum- und Zeitproblemen, Konzept der Mengenerhaltung)
        • Ab 12 Jahren: Formallogische Operationen (bewusst vorgenommene, systematische Denkoperationen [um über hypothetische Probleme nachzudenken], Verstehen von Symbolen, Schlussfolgerungen [kontrafaktische Konditionale])
      Kritik: Die Entwicklung verläuft weniger sprunghaft, sondern ist ein eher kontinuierlicher Prozess mit fließenden Übergängen.


Merke: PIAGET zufolge geschieht die kognitive Entwicklung über Einpassung von Erfahrungsinhalten in Denkschemata und Änderung dieser Denkschemata. Er postuliert vier Entwicklungsphasen: sensumotorische Phase, präoperationale Phase, konkretlogische und formallogische Operationen.


  • Erinnerungsvermögen: Bewusste Erinnerungen sind erst ab circa 3,5 Jahren möglich, da erst dann die hierfür erforderlichen neuronalen Strukturen ausgereift sind.
  • Stationen der Sprachentwicklung: Lallstadium → Einengung auf Umgebungslaute → Einwortstadium → Zweiwortstadium → komplexere Strukturen
    • 1. Monat vokalreiche Gurrlaute
    • 3. Monat: singende Laute, Nachahmung von Eltern-Lauten
    • 6. Monat: komplexere Lautverbindungen, Verstehen mancher Wörter
    • 7. bis 8. Monat: direkte Nachahmung von Lauten
    • 8. bis 10. Monat: Lautketten ("ba-ba", "ma-ma")
    • wenige Monate später: Laute erhalten Bedeutungen
    • 9. Monat: Zuhören, Verstehen sozialer Gesten
    • 12. Monat: Kind weiß Namen von Gegenständen und Personen (Einwortstadium)
    • 18. Monat: Fähigkeit zur Benennung von Gegenständen, Zwei- oder Mehrwortsätze (Zweiwortstadium, Telegrammstil)
  • Leistungsmotivation
    • 3. bis 4. Jahr: Zuschreibung von Erfolg/Misserfolg
    • Ab dem 4. bis 5. Jahr: Anstrengungen zur Vermeidung von Misserfolg
  • Primäre Sozialisation:
    • Definition: Entwicklungsprozess des Hineinwachsens in die Gesellschaft (→ Entwicklung zur gesellschaftlich handlungsfähigen Person)
    • Eigenschaften der primäre Sozialisation (0-3 Jahre): die primäre Sozialisation findet in der Kernfamilie statt.
      • Die Grundstrukturen von Denken, Sprechen und sozialem Verhalten werden festgelegt.
      • Internalisierung sozialer Normen
      • Grundlegung der Leistungsmotivation
      • Moralentwicklung:
        • Modell nach PIAGET:
          • Im Vorschulalter: moralischer Realismus
          • Bis zur Adoleszenz: heteronomes Begründungsmuster
          • Ab der Adoleszenz: autonomes Begründungsmuster
        • Modell nach KOHLBERG:
          • präkonventionelle Stufe
            • Stufe 1 (2. bis 6. Jahr): Orientierung an Bestrafung
            • Stufe 2 (6. bis 10. Jahr): egozentrischer instrumenteller Austausch
          • konventionelle Stufe
            • Stufe 3 (10. bis 12. Jahr): Orientierung an Anderen
            • Stufe 4 (12. bis 20. Jahr): Orientierung an Regeln
          • postkonventionelle Stufe
            • Stufe 5 (2. bis 3. Lebensjahrzehnt): Orientierung an Sozialverträglichkeit, Altruismus
            • Stufe 6 (ab dem 3. Lebensjahrzehnt): Orientierung an ethischen Prinzipien

Einflüsse von Erziehung, Peer-Group und Medien auf Entwicklung und Sozialisation

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Soziokulturelle Einflüsse auf Entwicklung und Sozialisation: Verstärkung von positiven oder negativen Verhaltensweisen (z. B. hinsichtlich Gewaltbereitschaft)

Regulation, Kontrolle
viel wenig
Nähe, Unterstützung viel autoritativ permissiv
wenig autoritär vernachlässigend
  • Eltern bilden die soziale Primärgruppe (hohe Dauer, hohe affektive Dichte der sozialen Interaktion)
    • Der Erziehungsstil hat Einfluss auf die Entwicklung des Kindes (hin zu Eigenständigkeit, Kompetenz, Gemeinschaftsfähigkeit), Erziehung ist aber ein reziproker Prozess (das Kindverhalten beeinflusst auch das elterliche Erziehungsverhalten).
      • Autoritär: viel Regulation/Orientierung, wenig Nähe/Unterstützung
      • Vernachlässigend: wenig Regulation, wenig Nähe
      • Permissiv: wenig Regulation, viel Nähe (= Laissez-faire, d. h. keine Grenzen setzend)
      • Autoritativ: viel Regulation, viel Nähe; unterstützt unter passenden Rahmenbedingungen am ehesten eine positive Persönlichkeitsentwicklung (hohes Selbstwertgefühl, hohe soziale Kompetenz).
    • Erziehungsziele:
      • Unterschicht: Gehorsam, Ordnung
      • Mittelschicht: Eigenverantwortung
    • Erziehungsverhalten:
      • Unterschicht: körperliche Sanktionierung unerwünschter Verhaltensweisen
      • Mittelschicht: Beeinflussung der Absichten des Kindes mittels Argumenten und Liebesentzug
    • Der Sprach- und Kommunikationsstil innerhalb der Familie ist prägend für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes; ungünstige Stile prädisponieren möglicherweise für psychische Störungen.
      • Restringierter Code (v. a. in der Unterschicht): einfache Struktur, wenige Verben und Adjektive, oftmals Anweisungen ohne Erläuterung (→ keine Einsicht in Zusammenhänge →→ möglicher Stressfaktor [kann psychische Störungen begünstigen])
      • Elaborierter Code (v. a. in der Mittelschicht): komplexer, größerer Wortschatz, eher individuumsbezogen
      Die Unterscheidung in RC und EC sowie ihre Zuordnung zu sozialen Schichten sind allerdings idealtypisch; der Sprachcode ist außerdem nicht mit der Intelligenz korreliert.
  • Peer Group und Vorschule/Schule: das Kind macht neue Erfahrungen in einer neuen sozialer Umwelt (peer group).
    • Ausbildung eines differenzierten Selbstkonzepts (Selbsteinschätzung)
    • Entwicklung des Sozialverhaltens unter Gleichrangigen (Peergroup)
 
Gewaltdarstellung. Es existiert eine Korrelation zwischen Gewaltbetrachtung und -ausübung; sie ist zwar vergleichsweise gering, aber immerhin stärker als die Korrelation zwischen Hausaufgaben und schulischen Leistungen.
  • Medien: Gewaltdarstellung korreliert mit gewaltbereitem Verhalten, jedoch nur in relativ geringem Ausmaß (wichtiger sind die Einstellungen der Eltern gegenüber Gewalt); allerdings hat mediale Gewaltdarstellung einen stärkeren Effekt auf Gewaltbereitschaft als Hausaufgaben auf schulische Leistungen, führt zu Desensibilisierung und dadurch mitunter zur Verhaltensänderung.


Merke: Im Allgemeinen verläuft Erziehung in unteren Gesellschaftsschichten eher rigide, in mittleren Schichten dagegen eher auf Einsicht des Kindes abzielend.


Weblinks:   Entwicklungspsychologie,   Maturation,   Fremdenangst,   Pränatale Entwicklung,   Die-fremde-Situation-Test,   Hospitalismus,   Jean Piaget,   Sprachentwicklung,   Moralentwicklung,   Erziehung,   Peergroup,   Gewaltdarstellung,


Selbsttest:

  1. Warum tritt Fremdenangst ("Fremdeln") nicht schon bei Geburt, sondern erst nach einigen Monaten auf?
  2. Der kleine Jean-Jacques wird von seiner Mutter alleine gelassen und fängt dann zu weinen an. Als die Mutter dann wieder erscheint, krabbelt er zu ihr und sucht ihre Nähe, als sie ihn aber knuddeln will, wehrt er ab. Welchem Bindungsstil ist dieses Verhalten zuzuordnen?
  3. Was versteht man unter "Objektpermanenz"? Ab wann tritt sie auf?
  4. Wie nennt man nach PIAGET das Anpassen von Denkschemata an Erfahrungen?
  5. Welche Phasen der kognitiven Entwicklung unterscheidet PIAGET?
  6. Warum können Sie sich nicht an Ihre eigene Geburt erinnern?
  7. Erläutern Sie grob das Modell der Moralentwicklung nach KOHLBERG!
  8. Welcher Erziehungsstil ist wahrscheinlich am förderlichsten? Charakterisieren Sie diesen Erziehungsstil genauer!
  9. Warum gilt ein intrafamiliärer angewandter RC als Risikofaktor für spätere psychische Störungen?



Von der Adoleszenz bis zum Alter finden entscheidende Entwicklungsschritte statt

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Physische und psychische Veränderungsprozesse während der Adoleszenz

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Adoleszenz

  • Allgemeines:
    • frühe Adoleszenz 11-14 Jahre, mittlere Adoleszenz 15-17 Jahre, späte Adoleszenz 18-21 Jahre ("weiche" Definition: vom Einsetzen der Geschlechtsentwicklung bis zur Unabhängigkeit und Selbstständigkeit)
    • Pubertät: derjenige Adoleszenz-Abschnitt mit den größten körperlichen und sexuellen Veränderungen; Abgrenzung auch anhand von sozialer Reife oder Entwicklung von Funktionsbreichen.
  • Entwicklungsaufgaben: es führt zu Problemen, wenn diese Aufgaben nicht erfüllt werden.
    • Aufbau eines Freundeskreises
    • Übernahme der jeweiligen Geschlechtsrolle
    • Akzeptanz des eigenen körperlichen Erscheinungsbildes
    • Emotionale Unabhängigkeit von den Eltern
    • Eigene Identität entdecken, eigene Werte finden etc.
  • Pubertät:
    • (Vorübergehend disproportioniertes) Wachstum gemäß einer genetisch festgelegten Reihenfolge, Entwicklung motorischer Bahnen
    • Geschlechtsentwicklung: die Sequenz der Veränderungen ist genetisch festgelegt; sie beginnt bei Jungen etwa zwei Jahre später als bei Mädchen, schreitet dann unterschiedlich schnell voran (mittlerweile ist der Reifungsprozess deutlich beschleunigt); unterschiedliche Rückkopplung des sozialen Umfelds auf diesen Entwicklungsprozess.
  • Sexualität: heute Vorverlagerung der sexuellen Aktivitäten (frühere Geschlechtsreife, frühere Koituserfahrungen [circa 15 Jahre])
    • Die Hinwendung zum anderen Geschlecht erfolgt schon zwei Jahre vor der Pubertät.
    • Geschlechtstypische Einstellungen haben sich im Vergleich zu früher kaum verändert (Mädchen: eher mit Beziehung, Jungen: eher ohne Beziehung).
    • Das Wissen über Empfängnisverhütung und Sexualität ist jedoch nach wie vor recht gering.
  • Veränderung des Körperbilds
  • Auseinandersetzung mit der Geschlechtsrolle (= gesellschaftliche Verhaltenserwartungen, die mit dem biologischen Geschlecht verknüpft sind): Übernahme der Geschlechtsrolle und Identifikation mit der Geschlechtsrolle → geschlechtstypisches Verhalten; androgyne Rollenprägung (jedes Individuum hat einen "Männlichkeits-" und "Weiblichkeitswert") fördert das psychische Wohlbefinden stärker als eine Rollenprägung gemäß der streng dichotomen Geschlechtsstereotype; am deutlichsten sind Geschlechtsunterschiede am Ende der Adoleszenz ausgeprägt.
  • Emotionales, unüberlegtes Handeln, weil der Reifungsprozess des Frontallappen dem des limbischen Systems hinterherhinkt.
  • Kognition: Entwicklung einer kritischen Denkweise (zunächst solipsistisch), Erlernen von Moral, Ausbildung von Charakter.
  • Entwicklung der Fähigkeit, Intimität zuzulassen und zu erleben
  • Das Selbstwertgefühl sinkt während der Pubertät zunächst und steigt danach wieder an.
  • Identitätsfindung:
    • Bei Männern steht das Finden der eigenen Identität im Mittelpunkt, bei Frauen das Knüpfen von Beziehungen.
    • Arten von Identität:
      • Personale Identität (= Stabilität in der Sicht einer Person [Eigen- oder Fremdbeurteilung]): Streben nach Selbsterkenntnis sowie nach Veränderung/Selbstgestaltung
      • Soziale Identität: hängt ab von der Zugehörigkeit zu und der Identifikation mit einer Peergroup (= Subgruppe mit typischen Verhaltensweisen ["symbolische Selbstergänzung"], sie ist wichtig für den Aufbau sozialer Kompetenzen [möglich dank symmetrischer Kommunikation], Entwicklung von Koordination, Konformität und Autonomie, Ausprobieren verschiedener Rollen)
    • Gründe für Probleme der Identitätsentwicklung:
      • Mangel an Autonomie, zu hohe Konformität mit der Herkunftsfamilie (Abhilfe: psychische und räumliche Ablösung von der Herkunftsfamilie)
      • Konflikte bei der Ablösung von Herkunftsfamilie: widersprüchliche Erwartungen von Peergroup (z. B. pro Piercing) und Eltern (contra Piercing); allerdings: bei Eltern mit hoher Akzeptanz können Abgrenzungsprobleme auftreten (je mehr Verhaltensweisen des Kindes die Eltern akzeptieren, desto "extremer" muss sich das Kind verhalten, um sich von den Eltern abgrenzen zu können).
      • Konformitätsdruck innerhalb der Peergroup, zu geringe Entfaltungsmöglichkeiten der eigenen Autonomie; Ablehnung durch die Peergroup erhöht die Disposition zu Einsamkeit, geringem Selbstwertgefühl und Depression.
  • Riskantes Gesundheitsverhalten in der Adoleszenz: Ausprobieren neuer Verhaltensweisen (z. B. Drogenkonsum; auch aufgrund des Konformitätsdrucks in der Peergroup, aber auch wegen bestimmter Persönlichkeitsfaktoren); Langzeitfolgen (schädliches Gesundheitsverhalten und Substanzabhängigkeit beginnen meist in der Adoleszenz [Einstiegsdroge: Cannabis])
  • Suizid im Jugendalter (wobei 80 % davon angekündigt werden; 25 % der Überlebenden wiederholen den Suizidversuch innerhalb von 2 Jahren): v. a. wegen Konflikten im privaten Bereich

Rollenübernahme und Rollenkonflikte während des frühen und mittleren Erwachsenenalters

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Frühes und mittleres Erwachsenenalter

  • Allgemeines: frühes Erwachsenenalter 20-40 Jahre, mittleres Erwachsenenalter 40-60 Jahre, spätes Erwachsenenalter ab 60 Jahren
  • Übernahme neuer Rollen (Beruf, Partnerschaft, Familie) → legt den zukünftigen Status fest
    • berufliche Rolle (soziales Ansehen, materieller Wohlstand)
    • Partnerrolle
    • Elterrolle (Familienrolle)
  • Rollenkonflikte, psychosoziale Konflikte aufgrund von Belastungen
    • Anforderungs-Kontroll-Modell: eine hohe subjektive Belastung liegt dann vor, wenn (1) hohe Anforderungen bei (2) geringen Kontrollmöglichkeiten (mangelnde Entwicklungsfähigkeit eigener Fähigkeiten, geringer Entscheidungsspielraum) und (3) geringem sozialem Rückhalt am Arbeitsplatz erlebt werden (Beispiel: Busfahrer); eine hohe Belastung steigert das Herzinfarkt-Risiko.
    • Gratifikationskrisen-Modell: eine Gratifikationskrise (kann zu gesundheitlichen Problemen führen, z. B. Herzinfarkt) entsteht dann, wenn hohe Verausgabung (extrinsische [Arbeitsanforderungen, Verpflichtungen] und intrinsische Investitionen ["Herzblut"]) bei geringer Belohnung (materiell [Geld], immateriell [Anerkennung, Sicherheit]) erlebt werden, d. h. hoher Einsatz bei wenig Gewinn; diejenige Arbeit macht glücklich, die den eigenen Interessen und Kompetenzen entspricht.
  • Die körperlichen Fähigkeiten erreichen ihren Zenit etwa um das 25. Lebensjahr.


Merke: Anforderungs-Kontroll-Modell: eine hohe Belastung entsteht bei hohen Anforderungen, geringer Kontrolle und geringem sozialem Rückhalt; Gratifikationskrisen-Modell: eine Gratifikationskrise entsteht, wenn hohen Kosten ein geringer Gewinn gegenübersteht.


Veränderungsprozesse im Alter

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Veränderungen und Krisen bis zum Senium

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Entwicklung und Sozialisation im Alter

  • Allgemeines: das Senium beginnt mit 60-65 Jahren und wird unterteilt in junges Alter (bis 80 Jahre) und altes Alter (ab 80 Jahren).
  • Wechseljahre: Übergangsphase ins Senium
    • Midlifecrisis (v. a. Männer betroffen): Desillusionierung früherer Erwartungen
    • Biologische Veränderungen
      • Klimakterium (♀): altersbedingte Hormonveränderungen (sind erst ab 50 Jahren relevant; Beschwerden wie Hitzewallungen, Schwindel, Übelkeit, Libidostörungen, Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Depressionen [emotionale Belastungen, Selbstbild, Selbstwert] sind von subjektiver Bewertung abhängig und häufen sich ab dem 50. Lebensjahr); Menopause
      • ♂: die Testosteronproduktion sinkt ab 40 Jahren um 1 % pro Jahr und führt zu verminderter Erektionsfähigkeit und verringerter Spermienzahl; die Auswirkungen sind insgesamt jedoch viel weniger gravierend als bei Frauen.
    • Lebenskrisen (Live events) → Schwächung des Immunsystems, Erhöhung der Suizidgefahr (Männer und alte Menschen töten sich "sicherer" [d. h. weniger "erfolglose" Suizidversuche als z. B. bei Frauen; Frauen begehen jedoch mehr Suizidversuche mit allerdings geringerer "Erfolgsrate"]; Suiziddrohungen immer ernst nehmen!); Ehe und Partnerschaft sind Schutzfaktoren für Lebenskrisen.

Entwicklungsprozesse im höheren Alter: Verlust und Kompensation von Funktionen

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Psychosoziale Entwicklung im höheren Entwicklungsalter

  • Kompetenzmodell des Alterns: Theorie, wie sich Menschen ans Altern anpassen
    • Betonung der Entwicklungsfähigkeit im Alter (→ Kompetenz: kompetente Personen können sich mit ihren Ressourcen an die Situation anpassen und ggf. neue Fähigkeiten erwerben; körperliche Fitness [steigert mentale Leistungsfähigkeit])
    • Zusammenwirken von Selektion, Optimierung und Kompensation:
      • Arten von Selektion: elektive Selektion (d. h. Selektion von subjektiv wertvollen, den eigenen Fähigkeiten entsprechenden Zielen), verlustbasierte Selektion (d. h. Modifikation/Aufgabe von Zielen)
      • Optimierung: Verbesserung von Ressourcen, um Ziele zu erreichen
      • Kompensation bestimmter Ressourcen durch andere Ressourcen
      Alte Menschen wollen bestimmte (Selektion) neue Kompetenzen erwerben und verbessern (Optimierung), um verlorengegangene Kompetenzen auszugleichen (Kompensation); z. B. Kompensation verlorengegangener Kontakte durch qualitative Intensivierung vorhandener Kontakte (nicht: Ausweitung des Kontaktnetzes).
  • Konzepte des Alterns:
    • Normales und pathologisches Altern (ein Konzept aus den 1960ern)
      • Normales Altern (auf einen statistischen Erwartungswert bezogen)
        • Funktionsverluste (betreffen Schnelligkeit, Genauigkeit und Koordination, außerdem Sehen und Hören), geringere Widerstands- und Anpassungsfähigkeit des Organismus, erhöhte Vulnerabilität (wegen progredienter Schwächung des Immunsystems); alte Menschen können an Einflüssen sterben, die aus der Sicht eines Zwanzigjährigen harmlos sind.
        • Wissen und Kompetenz nehmen quantitativ und qualitativ zu (Altersweisheit; Verknüpfung vieler Informationen), allerdings kommt es zu einem progredienten Neuronenverlust ab dem frühen Erwachsenenalter (→ v. a. das Gedächtnis ist betroffen); Kompensation durch Aktivität ("Gehirn als Muskel").
        • Die Persönlichkeit wird weniger flexibel, es findet mehr externale Attribution statt.
        • Optimistische Gesundheitswahrnehmung (subjektives Befinden ist besser als objektiver Befund), korreliert mit Anstieg der Lebenserwartung.
      • Pathologisches Altern = normales Altern + zusätzliche Krankheit (M. Alzheimer, Diabetes mellitus, Tumoren etc.); Funktionen nehmen stark ab, Lebensqualität und Lebensdauer nehmen ab.
    • Disengagement-Theorie: alte Menschen ziehen sich sozial und psychisch zurück.
    • Aktivitätstheorie: auch alte Menschen streben nach sozialer Aktivität.
    • Heutige Konzepte:
      • Differenzielles Altern: es gibt interindividuelle Unterschiede hinsichtlich des Zeitpunkts und des Ausmaßes altersbedingter Veränderungen.
      • Erfolgreiches Altern: Erhaltung sowohl von physischen/psychischen Fähigkeiten als auch von Zufriedenheit (→ Kompetenzmodell des Alterns).


Merke: Pathologisches Altern liegt dann vor, wenn zusätzlich zu den üblichen Einbußen während des Alterungsprozesses bestimmte Krankheiten hinzutreten, so dass Lebenserwartung und -qualität rapide sinken. Heutige Konzepte betonen die interindividuellen Unterschiede des Alterungsprozesses sowie die Anpassungsfähigkeit alter Menschen mittels Selektion, Optimierung und Kompensation.


Weblinks:   Adoleszenz,   Anforderung-Kontroll-Modell,   Gratifikationskrise,   Mittellebenskrise,   Klimakterium,   Lebenskrise,   Kompetenzmodell des Alterns,   Pathologisches Altern,   Differenzielles Altern,   Erfolgreiches Altern


Selbsttest:

  1. Definieren Sie den Begriff "Adoleszenz" und grenzen sie den Begriff "Pubertät" dagegen ab!
  2. Überlegen Sie sich einige Beispiele zu Gratifikationskrisen!
  3. Was ist das Senium?
  4. Erläutern Sie kurz das Konzept des Kompetenzmodells des Alterns!
  5. Welche körperlichen und geistigen Veränderungen während des Alterungsprozesses gelten als normal?



Soziodemographische Faktoren beeinflussen den Lebenslauf des Individuums

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Grundbegriffe der Demographie

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Grundlagen:

  • Bevölkerungsaufbau und –entwicklung sind abhängig von der Geburten- und Sterbezahl (→ natürliche Bevölkerungsentwicklung) sowie von Ein- und Auswanderung.
  • Grundbegriffe:
    • Nuptialität: = Anzahl verheirateter Paare (Rahmenbedingung für Fertilität)
    • Fertilität (= allgemeine Fruchtbarkeitsziffer): = (Lebend-)Geburten/alle gebärfähige Frauen
    • Natalität (= allgemeine Geburtenziffer): = Geburten/(1000 Einwohner x 1 Jahr)
    • Altersspezifische Geburtenziffer: = Geburten/1000 Frauen einer bestimmten Altersgruppe (Maximum derzeit bei circa 29 Jahren)
    • Zusammengefasste Geburtenziffer: = Kinder/1 Frau (muss mindestens 2 betragen, damit sich die Bevölkerung in entwickelten Ländern reproduzieren kann)
    • Nettoreproduktionsziffer (Maßzahl für "Reproduktion der Fruchtbarkeit"): = neugeborene Mädchen/alle gebärfähige Frauen (muss 1 sein, damit sich die Bevölkerung reproduzieren kann)
    • Geschlechtsspezifische Geburtenziffer: = neugeborene Mädchen oder Jungen/1000 Einwohner; Geschlechterproportion: zwar werden mehr Jungen geboren, allerdings sterben auch mehr Jungen bis zum Erwachsenwerden
    • Säuglingssterblichkeit: = Zahl der verstorbenen Säuglinge im 1. Jahr/alle Geburten in einem Jahr; in D kontinuierliche Abnahme, jetzt 6/1000
    • Mortalität: = Anteil der Sterbefälle in der Bevölkerung; Sterbeziffer m = Sterbefälle in der Durchschnittsbevölkerung x Zeitintervall
    • Letalität: = Zahl der Sterbefälle an einer bestimmten Krankheit; Letalitätsrate L = Sterbefälle aufgrund von Krankheit K/1000 Erkrankte x Zeitintervall
    • Lebenserwartung: = Jahre, die Menschen einer bestimmten Altersgruppe durchschnittlich noch leben werden
    • Altenquote: = Über-60-Jährige/20-60-Jährige
    • Belastungsquotient: = (Über-60-Jährige + Unter-20-Jährige)/20-60-Jährige
    • Natürliche Bevölkerungsbewegung: = Veränderung der Bevölkerungszahlen aufgrund Änderung des Quotienten aus Geburten/Sterbefällen


Merke: Damit sich die Bevölkerung reproduzieren kann, muss die zusammengefasste Geburtenziffer mindestens 2 und die Nettoreproduktionsziffer mindestens 1 betragen.


 
Voraussichtlicher Altersaufbau für Deutschland im Jahre 2050. Die gegenwärtigen Reproduktionsbedingungen vorausgesetzt, wird sich der Altersaufbau immer mehr einer Urnenform annähren. Der Altersaufbau gibt außerdem Auskunft über wörtlich "einschneidende" demographische Veränderungen; so ist beispielsweise der "Pillenknick" (Geburtenrückgang nach Einführung oraler Kontrazeptiva) deutlich erkennbar.
  • Formen des Altersaufbaus: ♂|♀ (x-Achse) von 0-100 Jahren (y-Achse)
    • Pyramide/Pagode
    • Glocke (Übergangsstadium zu Gesellschaft mit stationärer Bevölkerung) → Geburtenrate ≈ Sterberate
    • Pilz/Urne (schrumpfende Bevölkerung) → demographisches Altern
 
Schema der demographischen Transformation. Dieses Modell beschreibt die demographischen Veränderungen während der Industrialisierung eines Landes. Der Wendepunkt der Wachstumskurve liegt demnach in der dritten Phase.
  • Schema der demographischen Transformation (= Transition): Änderung der Bevölkerungsstruktur während der Industrialisierung, weil die Kinderzahl abnimmt und die Lebenserwartung zunimmt; vorübergehende Bevölkerungsexplosion beim Übergang von einer hohen Geburten- und Sterberate zu einer niedrigen Geburten- und Sterberate, weil die Sterberate vor der Geburtenrate abfällt.
    • Erste Phase (prätransformative Phase): langsames Bevölkerungswachstum bei hohem Bevölkerungsumsatz (hohe Geburtenrate, hohe Sterberate [hohe Säuglingssterblichkeit])
    • Zweite Phase (frühtransformative Phase): schnelles, "explosives" Bevölkerungswachstum (hohe Geburtenrate, geringere Sterberate [geringere Säuglingssterblichkeit])
    • Dritte Phase (mitteltransformative Phase, Umschwungphase): Wachstum überschreitet seinen Höhepunkt (Wendepunkt der Bevölkerungszuwachskurve; Sterberate fällt, Geburtenrate bleibt zunächst hoch und fällt anschließend ab)
    • Vierte Phase (spättransformative Phase): abfallendes Wachstum (sinkende Geburtenrate, geringe Sterberate)
    • Fünfte Phase (posttransformative Phase): Wachstum bleibt auf einem niedrigen Wert stehen (niedrige Geburtenrate, niedrige Sterberate)
    • Sechste Phase (= zweiter demographischer Übergang): Zahl der Geburten bleibt langfristig unter dem zur Bevölkerungsreproduktion notwendigen Mindestniveau → Schrumpfen der Bevölkerung (in Deutschland: Ausgleich fehlender Geburten durch Einwanderung)


Merke: Aufgrund der Änderung der Geburten- und Sterberaten im Laufe der Industrialisierung nimmt das Bevölkerungswachstum (= Änderung der Bevölkerungsgröße) zunächst zu, überschreitet dann einen Höhepunkt, verringert sich anschließend und pendelt sich schließlich auf ein niedriges Niveau ein (eventuell so niedrig, dass die Bevölkerung schrumpft [negatives Wachstum]).


  • Wanderung, Migration, Mobilität:
    • Richtung:
      • Horizontal (Wechsel des Aufenthaltsorts, keine Änderung des Status)
      • Vertikal (Wechsel der sozialen Position, d. h. Statusänderung)
    • Bezug:
      • Intragenerationenmobilität: während des Lebens eines Individuums (z. B. Bauarbeiter wird Lottomillionär)
      • Intergenerationenmobilität: zwischen zwei Generationen (z. B. Sohn eines Klinikdirektors wird Ziegenhirte)

Veränderungen der Erwerbsstruktur

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Erwerbssektoren: die Hypothese von FOURASTIÉ postuliert einen Wandel der Erwerbsstruktur aufgrund von (1) technischem Fortschritt (je größer, desto geringer der Personalbedarf) und (2) Nachfrage (je größer, desto größer der Personalbedarf).

  • Primärer Sektor: Landwirtschaft; Nachfrage gleichbleibend, Fortschritt schwach ansteigend → Arbeitsplatzabbau (durch maschinellen Ersatz menschlicher Arbeit)
  • Sekundärer Sektor: Industrie; Nachfrage steigend, Fortschritt stark ansteigend → Arbeitsplatzabbau
  • Tertiärer Sektor: Dienstleistung, Handel; Nachfrage steigend, Fortschritt gleichbleibend (aufgrund der geringen Technisierbarkeit) → Arbeitsplatzzuwachs
  • Quartärer Sektor: Kommunikation von Wissen und Information (z. B: mittels Lehrbüchern)


Merke: FOURASTIÉ zufolge schrumpfen primärer und sekundärer Sektor, während der tertiäre Sektor (Dienstleistungen) wächst.


Demographisches Altern in Industrienationen und dessen Auswirkungen auf das Sozial- und Gesundheitssystem

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Demographisches Altern:

  • Zunahme der Lebenserwartung (wichtigster Indikator für Qualität der Lebenbedingungen und Gesundheitsversorgung; Zunahme im 19./20. Jh.): z. Z. bei Frauen 82 Jahre, bei Männern 75 Jahre; Anstieg jedes Jahr um 3 Monate → in 50 Jahren wird 1/3 der Bevölkerung in Deutschland älter als 60 Jahre sein →→ Mehrausgaben für das Gesundheitssystem (wegen Multimorbidität im Alter)
    • Rektangularisierung ("Rechteck-Werdung") der Überlebenskurve (Überlebenswahrscheinlichkeit aufgetragen gegen Alter): plötzlicher Abfall der Überlebenswahrscheinlichkeit im höheren Alter
    • Kompression der Morbidität: "Verschiebung" von Krankheiten ins hohe Alter (Menge der gesunden Lebenszeit steigt an; der größte Gesundheitskostenanteil entfällt aufs letzte Lebensjahr); ist auch ein gesundheitspolitisches Ziel (d. h. länger gesund leben; vgl. chronische Krankheiten im Alter).
  • Änderung des generativen Verhaltens: es werden weniger Kinder geboren, als zur Reproduktion der Bevölkerung nötig sind (sozialpolitisch kurzfristig nicht behebbar), mehr Singles, mehr kinderlose Paare.
    • Gebärzeitpunkt wird von Frauen (bewusst) in immer spätere Lebensphasen verschoben; 1/3 bleibt kinderlos
    • Familiengründung und Kinder (laut Umfragen wird eine Kinderzahl von zwei als ideal gesehen) werden positiv bewertet.
    • Negative Seiten der Familiengründung werden weniger wahrgenommen.
    • Änderung des Familienzyklus (Gliederung des Lebenslaufs): Schmälerung der Familienphase (Aufzucht und Pflege; wegen geringer Natalität und längerer Lebenserwartung), Ausdehnung der nachelterlichen Phase
  • Kenngrößen des demographischen Alterns (siehe auch oben):
    • Altenquotient = Rentner/Erwerbstätige
    • Belastungs- oder Altersabhängigkeitsquotient = (Rentner + sonstige Nichterwerbstätige)/Erwerbstätige
  • Folgen des demographischen Alterns
    • Sozialpolitische Folgen: Belastung der Rentenversicherung (Umlage von wenigen Erwerbstätigen auf viele Rentner)
    • Gesundheitspolitische Folgen: Zunahme an chronischen Krankheiten (80 % der Gesundheitsleistungen)


Merke: Das demographische Altern ("Überalterung der Bevölkerung") beruht auf der erhöhten Lebenserwartung und auf der Änderung des generativen Verhaltens (weniger Geburten, späteres Gebäralter).


Horizontale Wanderung und Anpassung

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Migration und Akkulturation:

  • Akkulturation (Einleben in die neue Kultur) < Integration (gute Beziehungen zur neuen Kultur) < Assimilation (Aufgabe der ursprünglichen kulturellen Identität und vollständige Anpassung an die neue Kultur)
  • In anderen Kulturen werden Krankheiten anders erlebt.
  • Maß: Wanderungsbilanz W = (Zuzüge – Fortzüge in Gebiet G) x Zeitintervall

Sozialstrukturelle Faktoren üben ebenfalls einen wichtigen Einfluss auf den Lebenslauf des Individuums aus

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Charakteristika des Wandels in modernen Gesellschaften

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Modernisierungsprozess von Gesellschaften

  • Zweckrationales Handeln als Ideal
  • Affektkontrolle, Kontrolle spontaner (v. a. aggressiver) Handlungen
  • Individualisierung:
    • Zunehmende Unabhängigkeit von den Traditionen der Herkunftsfamilie, von der Region, von der Schicht
    • Damit einhergehend: Wertepluralismus und Selbstverwirklichung
    • Zunehmende Unplanbarkeit der Lebensläufe (erreichter Bildungsstandard ist kein Garant mehr für sozialen Aufstieg)
    • Selbstgeknüpfte soziale Netze statt traditioneller Bindungen
  • Zunehmendes Bedürfnis nach emotionaler Anteilnahme und Zusammengehörigkeit (→ Esoterik, Bewunderung von Idolen)

Wandel der Erwerbsstruktur

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Änderung der Erwerbsstruktur: von der Industrie- zur Informationsgesellschaft

  • Erwerbssektoren (s. o.)
  • Hypothese von FOURASTIÉ (Tertiarisierung): die ersten beiden Erwerbssektoren verlieren an Bedeutung, der dritte Sektor nimmt zu, weil er weniger technisierbar ist.
  • Erwerbsquote (= Erwerbstätige/Bevölkerung; Untergliederung nach Alter, Geschlecht, Regionen):
    • Arbeitslosigkeit (zu wenig Arbeitsgelegenheiten bei zu viel verfügbarer Arbeitsleistung)
      • Strukturell (bedingt durch Eigenschaften der Wirtschaftsstruktur und Technologien)
      • Saisonal
      • Konjunkturell (abhängig von Konjunkturzyklus)
      • Friktionell (vorübergehend, aufgrund von Arbeitsplatzwechsel etc.; fluktuierend)
    • Zunahme der strukturellen Arbeitslosigkeit aufgrund hoher Arbeitskosten (Löhne + Lohnnebenkosten) und geringer Flexibilität des Arbeitsmarkts; kapitalintensive Arbeitsplätze bleiben eher erhalten; Arbeitslosigkeit ist ein Risikofaktor für Krankheit.

Phänomene der Differenierung von Gesellschaften: Status, Mobilität und Auswirkungen auf gesundheitsbezogenes Verhalten

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Soziale Differenzierung:

  • Funktionelle Differenzierung (nach unterschiedlicher Aufgabenzuteilung), vertikale Differenzierung (höher/niedriger in Bezug auf soziale Kriterien)
  • Soziale Schicht (= sozioökonomischer Status): 1 Dimension
    • Der soziale Status wird bestimmt durch Ausbildung, Beruf und Einkommen (= meritokratische Triade).
    • Es handelt sich um einen erworbenen Status (d. h. durch Leistung erworben); vgl. zugeschriebener Status in vormodernen Gesellschaften.
    • Die Höhe der Belohnung eines sozialen Status ist idealerweise abhängig von dessen Wichtigkeit.
    • Statuskristallisation (Statuskonsistenz): der Statusinhaber nimmt die gleiche Position auf allen drei Kriterien der meritokratischen Triade ein, alle drei Kriterien korrelieren bei ihm stark miteinander (Beispiel: Dipl.-Ing., leitender Angestellter einer Firma, fährt BMW®); vgl. Statusinkonsistenz (auf jedem Merkmal müsste die Person einem anderen Status zugerechnet werden; kommt v. a. in mittleren Schichten vor; Beispiel: Dr. rer. nat, der in einer Fahrradwerkstatt arbeitet)


Merke: Die meritokratische Triade ist maßgebend für den sozialen Status und besteht aus (Aus-)Bildung, Beruf, Einkommen. Bei Statuskristallisation wird der Statusträger auf jedem Kriterium dem gleichen Status zugerechnet.


  • Soziale Lage (zur Beschreibung der sozialen Differenzierung): Hinzunahme einer zweiten Dimension zur sozialen Schicht, d. h. Hinzunahme von Kriterien, die quer zur sozialen Schicht liegen (z. B. Lebensstil)
  • Soziale Mobilität:
    • In modernen Gesellschaften gibt es eine hohe vertikale Mobilität (die aber v. a. in der mittleren Schicht ausgeprägt ist); Einflussfaktoren: Intelligenz und Bildung
    • Sozialer Abstieg bei Schizophrenie: Leistungseinbruch, Depression, Rückzug etc. treten oft schon Jahre (ca. 5 Jahre) vor dem Ausbruch der auffälligen Symptome auf (früher als post-hoc-ergo-propter-hoc gedeutet, d. h. man glaubte, dass der soziale Abstieg die Ursache von Schizophrenie ist; heute sieht man den sozialen Abstieg als Symptom der Prodromalphase der Schizophrenie).
  • Die Schichtzugehörigkeit ist mit bestimmten Einstellungen und Werten verbunden: z. B. mittelschichtspezifische Werte (Zukunftsorientierung, Bedürfnisaufschub, Autonomie, Erfolgsorientierung, Vertrauen in Veränderbarkeit der eigenen Lage, hohe Bedeutung der Gesundheit [vgl. Unterschicht: instrumentelle Einstellung, die auch zum Schichtgradienten bei Morbiditäts- und Mortalitätsrisiken beiträgt])
  • Soziale Lebensstile (Lebensformen): stabile, wiederkehrende Muster der allgemeinen Lebensführung (v. a. Freizeit- und Konsumbereich) haben eine identitätsstiftende Funktion
  • Soziale Milieus (Menschengruppen mit gleicher Wertorientierung, Lebensgestaltung, Lebenszielen): abhängig von Schichtzugehörigkeit, veränderbar
  • Einkommensdisparität: Ungleichverteilung von Einkommen innerhalb einer Bevölkerung
  • Soziale Randgruppen (schlecht integrierte Personengruppen)
  • Zusammenhänge von Bildung und Gesundheit: geringe Bildung → eher weniger Vorsorgemaßnahmen, verstärktes Auftreten von Adipositas


Weblinks:   Demographie,   Altersaufbau,   Demographische Transformation,   Mobilität,   Jean Fourastié,   Demographisches Altern,   Akkulturation,   Arbeitslosigkeit,   Soziale Schicht,   Meritokratische Triade,   Soziale Lage


Selbsttest:

  1. In welcher Phase der demographischen Transformation befinden wir uns derzeit (in Deutschland)? In welcher Phase liegt der Wendepunkt der Wachstumskurve?
  2. Ordnen Sie die Begriffe "vertikale Mobilität" und "horizontale Mobilität" folgenden Sachverhalten zu: A: Umzug von München nach Berlin; B: Annahme eines geringer bezahlten Arbeitsplatzes
  3. Warum nimmt laut FOURASTIÉ der sekundäre Sektor ab, der tertiäre Sektor dagegen zu?
  4. Was versteht man unter "Rektangularisierung der Überlebenskurve", was unter "Kompression der Morbidität"?
  5. Was ist friktionelle Arbeitslosigkeit?
  6. Ordnen Sie folgende Begriffe nach zunehmendem "Verwachsen" mit einer fremden Kultur: Assimilation, Akkulturation, Integration!
  7. Nennen Sie die meritokratische Triade!



Zusammenfassung

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Was psychologisch ist, ist auch biologisch und beruht auf Aktivität von neuronalen Netzen des Gehirns, welches sich in drei entscheidende Strukturen unterteilt: zentraler Kern, limbisches System und Endhirn. Die Aktivität des Gehirns kann man mittels verschiedener Methoden sichtbar machen (Bildgebung, Messung elektrischer Aktivität). Entscheidend für die intrazerebrale Informationsübermittlung sind Neurotransmitter, dabei vor allem Serotonin, Dopamin, GABA und Acetylcholin, die jeweils mit charakteristischen Funktionen assoziiert sind.

Lernen ist ein basaler psychologischer Vorgang. Man unterscheidet hierbei nichtassoziatives (Habituation, Dishabituation, Sensitivierung) und assoziatives Lernen, welches die klassische und operante Konditionierung sowie das Modelllernen (welches ein Spezialfall der operanten Konditionierung ist) umfasst; darüber hinaus gibt es Lernen durch Eigensteuerung (operante Selbstkonditionierung) und durch Einsicht (Aha-Erlebnis).

Kognition bedeutet allgemein gedankliche Informationsverarbeitung. Voraussetzung für bewusste Informationsverarbeitung und Wahrnehmung ist selektive Aufmerksamkeit, die auf komplexen neuronalen Mechanismen beruht und deren Kapazität vom LCCS verwaltet wird. Wahrnehmung ist ein Aspekt der Kognition und wird stark von Erwartungen beeinflusst. Ein anderer Aspekt ist Sprache: Kleinkinder lernen ihre Muttersprache(n), indem sie Wörter abspeichern und syntaktische und semantische Regeln unbewusst aus dem Sprachinput extrahieren. Aphasien sind Sprachstörungen; je nach Ort der Läsion unterscheidet man dabei unter anderem die Broca- (motorische Aphasie), die Wernicke- (sensorische Aphasie) und die Leitungsaphasie (Nachsprech-Störung). Das Gedächtnis erlaubt es, kognitive Inhalte, aber auch motorische, emotionale oder andere Aspekte abzuspeichern. Man unterscheidet hierbei grob das Kürzest-, das Kurz- und das Langzeitgedächtnis mit je unterschiedlichen Retentionsdauern und -kapazitäten. Zunächst wird das Material encodiert, dann abgespeichert (wobei Langzeitpotenzierung eine zentrale Rolle spielt) und steht dann zum Abruf bereit; Gedächtnisstörungen beruhen auf Abrufstörungen, auf Gedächtniszerfall oder auf Interferenz von Gedächtnisinhalten. Das Denken "arbeitet" mit Vorstellungen, Konzepten und Definitionen, dient unter anderem der Problemlösung und Entscheidung und bedient sich Prozessen der Wahrnehmung, der Intuition und des Nachdenkens. Intelligenz ist eine Eigenschaft bestimmter psychischer (dabei meist kognitiver) Funktionen und lässt sich grob als Fähigkeit zum Problemlösen auffassen; letztlich ist Intelligenz jedoch nur das, was der Intelligenztest misst. Es gibt verschiedene solcher Tests, sie dienen der Ermittlung eines Intelligenzquotienten (Abweichungs-IQ); Grundlage der Tests bilden Theorien über die Struktur des Gedächtnisses: man geht davon aus, dass es neben den spezifischen Intelligenzfaktoren für jede Leistung einen Grund-Intelligenzfaktor (g-Faktor) gibt, der sich auf sämtliche kognitive Leistungen auswirkt; außerdem unterscheidet man die fluide Intelligenz ("gedankliche Beweglichkeit") von der kristallinen Intelligenz ("Wissen").

Emotionen sind entscheidende Faktoren des menschlichen Erlebens und Verhaltens; sie wirken sich auf die Gesamtheit des Organismus aus (kognitive, motivationale, Verhaltens- und vegetative Komponente) und lassen sich in gewissen Grenzen kognitiv steuern (wenngleich Emotionen umgekehrt oft das Denken stark beherrschen). Die wichtigsten Theorien zur Emotion sind die James-Lange-Theorie ("ich bin glücklich, weil ich lache"), die Cannon-Bard-Theorie ("ich bin glücklich und ich lache") und die Lazarus-Schachter-Theorie (Kognitionen geben der physiologischen Erregung eine Richtung). Primäre Emotionen sind auf einer breiten genetischen Basis verankerte Grundbausteine des menschlichen Gefühlslebens und mit spezifischen, bei allen Menschen der Erde ähnlichen Gesichtsausdrücken verbunden; sekundäre Emotionen sind Ableitungen der primären Emotionen und besitzen eine stärkere Umweltkomponente.

Auch bei den Motiven (Handlungsantrieben) unterscheidet man primäre und sekundäre. Primäre Motive lassen sich dabei in homöostatische (einen körperlichen Mangel ausgleichende) und nichthomöostatische (z. B. Sexualtität) unterscheiden. Sekundäre Motive sind beispielsweise das Leistungsmotiv oder das Anschlussmotiv. In Maslows Bedürfnispyramide sind die Motive hierarchisch klassifiziert; demnach führt die Befriedigung basaler (z. B. physiologischer) Bedürfnisse dazu, dass Motive einer höheren Stufe (z. B. Sicherheitsmotive) erwachen. Es gibt zudem Motivationskonflikte, etwa dann, wenn man sich zwischen zwei als positiv bewerteten Objekten entscheiden muss.

Die Persönlichkeit eines Menschen wird bestimmt von seinen Persönlichkeitseigenschaften, d. h. zeitlich stabilen und transsituativ konsistenten Verhaltenstendenzen. Es gibt unzählige Modelle zur Beschreibung und Klassifizierung der Persönlichkeit, letztlich haben sich jedoch die "Big Five" (Neurotizismus, Offenheit, Extraversion, Verlässlichkeit, Verträglichkeit) als die entscheidenden Persönlichkeitsfaktoren herauskristallisiert. Eine Persönlichkeitsstörung liegt dann vor, wenn Persönlichkeitseigenschaften seit der Jugend so ausgeprägt sind, dass sie Leid verursachen. Narzissmus ist dabei per se kein pathologischer Persönlichkeitszug, sondern findet sich vielmehr bei so gut wie allen Menschen in allen Kulturen. Es gibt zudem bestimmte Verhaltensstile, wobei einige dieser Stile (z. B. Aufsuchen gefährlicher Situationen) auf der Kompensationsbedürftigkeit gestörter Transmitterhaushalte beruhen. Die Persönlichkeit wirkt außerdem stark auf die soziale Umwelt ein und diese entsprechend auf die Persönlichkeit zurück.

Die psychische Entwicklung eines Menschen beginnt bereits im Mutterleib – viele entscheidende Funktionen sind bereits vor der Geburt vorhanden. Nach der Geburt differenzieren sich die Funktionen aus, wobei die einzelnen Stationen (Meilensteine der Entwicklung) genetisch vorgegeben sind, die Zeit für das Erreichen dieser Stationen jedoch interindividuell variiert; dies gilt beispielsweise für motorische Fähigkeiten ebenso wie für emotionale oder soziale Fähigkeiten. Gerade letztgenannte werden während der frühen Kindheit entscheidend geprägt; das mütterliche Verhalten in dieser Zeit wirkt sich auf das Bindungsverhalten im Erwachsenenalter aus. Bei der Entwicklung der Kognition geht Piaget von vier Phasen aus, in denen sich die Wahrnehmungs- und Denkprozesse auf charakteristische Weise formen. Auch für die Moralentwicklung existieren Stufenmodelle. Die Adoleszenz ist die Zeit der Identitätsfindung, wobei die Peergroup eine wichtige Rolle spielt. Im Erwachsenenalter spielt der Beruf die Hauptrolle, wobei es zu Gratifikationskrisen oder zu Problemen aufgrund zu hohen Anforderungen und zu geringer Kontrolle kommen kann. Im höheren Alter kommt der Selektion, Kompensation und Optimierung von psychischen und physischen Fähigkeiten eine entscheidende Rolle zu; daneben existieren zahlreiche andere Modelle, die Aspekte des Alterns beschreiben und ordnen.

Gerade in modernen Industrienationen spielen demographische Aspekte eine wichtige Rolle. Während der Industrialisierung finden dabei charakteristische Veränderungen der Geburten- und Sterberate statt, was zunächst zu explosivem, später aber zu stagnierendem oder rückläufigem Wachstum führt (demographische Transformation). Auch die Erwerbsstruktur verändert sich, wobei Fourastié zufolge der tertiäre Sektor im Gegensatz zum primären und sekundären Sektor zunimmt. Demographisches Altern ist gerade heutzutage ein hochaktuelles Thema; einerseits nimmt die Lebenserwartung zu, andererseits werden weniger Kinder geboren – mit entsprechenden sozialdemographischen Folgen, die durch Immigration teilkompensiert werden müssen. Auch die Sozialstruktur ist im Wandel; so gilt beispielsweise Bildung – ein Aspekt der meritokratischen Triade (Bildung, Beruf, Einkommen) – mittlerweile nicht mehr als Garant für späteren Aufstieg; Wertepluralisierung, Selbstverwirklichung und Unplanbarkeit von Lebensläufen sind hierbei relevante Begriffe.


Wichtige Prüfungsthemen (alphabetisch geordnet, näher erläutert im Glossar): Anforderungs-Kontroll-Modell, Bedürfnispyramide, Big Five, Demographische Transformation, Demographisches Altern, Emotionstheorien, Entwicklung der sozialen Bindung, Erziehungsstile, Ethologie, FOURASTIÉ-Hypothese, Gedächtnisstörungen, Gratifikationskrisen-Modell, Intelligenzmodelle, Intelligenzquotient, Interaktion von Persönlichkeit und Umwelt, Klassische Konditionierung, Meilensteine der motorischen Entwicklung, Modelllernen, Moralentwicklung, Motivationskonflikte, Nettoreproduktionsziffer, Neurotransmitter, Operante Konditionierung, Persönlichkeitsmodell nach EYSENCK, Primäre und sekundäre Motive, Soziale Schicht, Speicherarten, Stufen der kognitiven Entwicklung nach PIAGET, Verhaltensstile