Der elektrische Strom – Eigenschaften und Wirkungen: Teil III

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Elektrische Stromkreise

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Zählpfeile

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Zur Berechnung elektrischer Stromkreise hat sich die Einführung von Zählpfeilen bewährt, die an einem einfachen Beispiel erläutert werden sollen:

 

Links ist eine Gleichspannungsquelle (Quellenspannung U0), rechts ein Bauteil (»Widerstand«), das (nur) einen Ohmschen Widerstand R besitzt, etwa ein dünner langer Draht. Der Ohmsche Widerstand der Leitungen und der »innere Widerstand« der Spannungsquelle seien vernachlässigbar klein. (Sollte dies einmal nicht der Fall sein, müssen sie durch »Ersatzschaltglieder« berücksichtigt werden.) Das gleiche soll für die Induktivität und die Kapazität der Leitungen gelten.

Die Zählpfeile zeigen nicht unbedingt in Richtung des tatsächlichen Stromflusses bzw. Spannungsabfalls, sondern definieren die Richtung, in der die Größen Strom bzw. Spannung positiv gewertet werden. Ergibt eine Berechnung z. B. einen negativen Wert für den Strom, heißt das, dass der Strom entgegen der Zählpfeilrichtung fließt - der Zählpfeil ist dennoch gültig.

Bei positiven Werten der Spannung gilt:

Die Spannungszählpfeile weisen in Richtung abnehmenden Potentials, also von Plus nach Minus. UR ist die vom Strom I zur Überwindung des Widerstandes »verbrauchte« Spannung, für die gilt UR = I · R.

Bei positiven Werten des Stroms gilt:

Der Stromzählpfeil zeigt die technische Stromrichtung an, weist also im äußeren Teil des Stromkreises ebenfalls von Plus nach Minus, innerhalb der Spannungsquelle jedoch von Minus nach Plus.

Bei positiver Leistung P = U · I gilt:

Wo Strom- und Spannungszählpfeil dieselbe Richtung haben, wird Energie freigesetzt (hier in Form von Wärme), wo sie entgegengesetzte Richtung haben, wird dem Stromkreis Energie zugeführt.

Macht man in beliebiger Richtung einen geschlossenen Umlauf im Stromkreis, so ist die Summe aller durchlaufenen Spannungen (Potentialdifferenzen) unter Berücksichtigung ihrer Richtung (auch in komplizierteren Stromkreisen) gleich Null (2. Kirchhoffsches Gesetz). Hier also ist

UR - U0 = 0

Dieser Umlauf stellt eine geschlossene Kurve in einem Potentialfeld dar. Aus dieser Gleichung und aus der Tatsache, dass (z. B. bei Stromverzweigungen) die Summe aller Teilströme konstant und gleich der Stromstärke im unverzweigten Teil des Kreises ist, können die bekannten Gesetze für den Gesamtwiderstand von parallel- und hintereinandergeschalteten Widerständen berechnet werden.

   

Gleichspannungskreise

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Schaltelemente

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Es gibt drei Typen von »Schaltelementen«:

  • Ohmsche Widerstände (kurz: »Widerstände); Formelzeichen R,
  • Spulen mit Selbstinduktion (»Induktivitäten«); Formelzeichen L,
  • Kondensatoren (»Kapazitäten«); Formelzeichen C.

Da der Ohmsche Widerstand eines Schaltkreises (unter Normalbedingungen) niemals gleich Null ist (weil anderenfalls unendlich große Stromstärken aufträten), müssen wir im Folgenden immer einen Ohmschen Widerstand im Kreis annehmen, der mindestens gleich der Summe der Leitungswiderstände und des inneren Widerstandes der Spannungsquelle ist. Insbesondere haben Spulen immer einen kaum zu vernachlässigenden Ohmschen Widerstand. Daher werden wir in den folgenden Fällen immer einen Ohmschen Widerstand im Stromkreis vorsehen, der die genannten anderen Widerstände (mit) vertritt.

Induktivität im Gleichspannungskreis

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Zur Vereinfachung und Vermeidung von Verwirrung wird vereinbart, dass der Zählpfeil für UL dieselbe Richtung wie der Zählpfeil für I hat und das unselige Minuszeichen in der Gleichung UL = - L dI/dt weggelassen wird. Bei zunehmender Stromstärke ist dI/dt positiv und die induzierte Spannung hat (wie die Spannung am ohmschen Widerstand) oben den Pluspol. Sie wirkt damit der Quellenspannung und dem Anwachsen der Stromstärke entgegen. Anders gesagt: An der Spule wird, genau wie am Widerstand, ein Teil der angelegten Spannung verbraucht, nur ist dieser proportional zu dI/dt und nicht proportional zu I. Es gilt nun wieder

 

und mit UR = I · R und UL = L dI/dt


 

Die allgemeine Lösung dieser inhomogenen Differentialgleichung ist (wie schon früher gezeigt) die Summe aus der allgemeinen Lösung der homogenen Gleichung und einer partikulären Lösung der inhomogenen Gleichung und lautet:


 


Die Konstante k wird wie folgt aus den Anfangsbedingungen bestimmt: Der Vorgang beginne zur Zeit t = 0 (Einschaltzeitpunkt) mit der Stromstärke 0. Daraus ergibt sich:


 


und somit ist


 


Die Stromstärke nähert sich also asymptotisch von unten dem Wert


 


und zwar umso langsamer, je kleiner R/L ist.

Für die Spannungen UR und UL gilt:


 


Wie zu erkennen, ist tatsächlich stets


 


Zur Zeit t = 0 ist wegen I(0) = 0 auch UR(0) = 0 und daher UL(0) = L dI/dt = U0

und somit


 


Die Steigung der Kurve I = I(t) ist also von R unabhängig.

Für R = 0 wird die Funktion I = I(t) unbestimmt, nämlich gleich 0/0. Um sie zu bestimmen, gehen wir so vor: Für R = 0 ist stets (d. h. für alle Werte t) UL = U0. Die Gleichung (A) gilt dann für alle Werte von t, und durch Integration ergibt sich:


 


Der Strom steigt also linear an.

Für R gegen 0 nähert sich die Kurve I = I(t) mehr und mehr dieser Geraden.


 


Besonders interessant ist die vom Strom an der Spule aufgebrachte Arbeit WL. Wir berechnen sie für den Fall R = 0; das Ergebnis ist dann leicht zu verallgemeinern. Die Leistung des Stromes ist


 


Daraus ergibt sich die im Intervall 0 bis t aufgewendete Arbeit:


 


Dieses Ergebnis stimmt mit einem früher auf einem anderen Weg ermittelten überein und kann so interpretiert werden:

Fließt in einer Spule mit der Induktivität L der Strom I, so ist die Energie des Magnetfeldes der Spule


 


Diese Energie ist im Magnetfeld (konservativ) gespeichert und kann in andere Energieformen umgesetzt werden. Bei dem nachfolgend behandelten Ausschaltvorgang wird sie im Widerstand R in Wärme umgewandelt.

Für den Ausschaltvorgang (beim Abschalten der Spannungsquelle und gleichzeitigem Kurzschließen der Spule über R) findet man analog:


 


wobei IA die Stromstärke im Moment des Ausschaltens ist.


 

Kapazität im Gleichspannungskreis

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Auch hier haben die Zählpfeile für I und UC dieselbe Richtung: die obere Kondensatorplatte wird durch den Strom positiv, die untere negativ aufgeladen.

Es gilt nun

 ,     Q = Ladung des Kondensators


und somit


 


Differenzieren nach t liefert mit dQ/dt = I:


 


Der Ansatz


 


führt zu


 


und zu


 


War der Kondensator beim Einschalten (t = 0) leer, also Q(0) = 0, dann ist


 


und somit


 


Die Spannung des Kondensators kann am einfachsten berechnet werden aus


 


Wird der Kondensator (bei abgeschalteter Spannungsquelle) über den Widerstand R entladen, nachdem er die Spannung UA angenommen hatte, ist


 


Die beim Transport der Ladung dQ gegen die Spannung UC des Kondensators verrichtete Arbeit ist

 


wobei Q die momentane Ladung des Kondensators ist.

Zum Aufbringen der Ladung Q benötigt man die Arbeit


 


 


Strom- und Spannungsverlauf beim Ein- und Ausschalten


Wie man sieht, sind die Kurven für Strom und Spannung bei Induktivität und Kapazität »über Kreuz« austauschbar.


 
Einschaltvorgang
 
Ausschaltvorgang

 

 

Induktivität und Kapazität im Gleichspannungskreis

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Hier ist


 


Durch Differenzieren nach der Zeit ergibt sich:


 


Diese Differentialgelichung (in der übrigens U0 gar nicht mehr auftritt) entspricht genau der Differentialgleichung der gedämpften harmonischen Schwingung (siehe Wikibook "Schwingbewegungen" unter "Gedämpfte harmonische Schwingungen")


 


wobei m die Masse des schwingenden Körpers, μ der Reibungskoeffizient und k die Federkonstante ist.

Dabei entsprechen einander

  • Auslenkung x und Stromstärke I,
  • Masse m und Induktivität L,
  • Reibungskoeffizient μ und Ohmscher Widerstand R,
  • Federkonstante k und Kehrwert 1/C der Kapazität.

Somit sind alle Ergebnisse von dort analog übertragbar.

Der Ansatz


 


führt zu der charakteristischen Gleichung


 


mit den beiden Lösungen


 


die beide negativ sind.

Je nachdem die Diskriminante (der Term unter der Wurzel) größer, kleiner oder gleich null ist, ergeben sich unterschiedliche Lösungen.


1. Fall:

 


Die beiden Lösungen bezeichnen wir mit –α und –β, wobei 0 < α < β ist.

Die allgemeine Lösung ist dann


 


Aus der Anfangsbedingung I(0) = 0 ergibt sich sofort B = - A. Eine zweite Gleichung für A und B gewinnen wir aus der Betrachtung von


 


Wenn der Kondensator anfangs die Ladung 0 hat, ist UC(0) = 0. Ferner ist UR(0) = I(0) R = 0. Somit muss


 


sein. Also ist


 


und somit


 


Diese Differenz zweier abklingender e-Funktionen hat – wie man leicht nachweisen kann - für t = tM ein Maximum und für t = tW einen Wendepunkt. Dabei ist


 


 


2. Fall:

 


Die Lösung der Differentialgleichung ist dann


 


wobei mit den Anfangsbedingungen wie oben A = 0 und B = U0 / L wird.

Also ist


 


Der Verlauf dieser Funktion unterscheidet sich nicht wesentlich von dem oben wiedergegebenen. Das Maximum liegt bei tM = 1/β, der Wendepunkt bei tW = 2 tM.


3. Fall:

 


Die Wurzel wird dann imaginär und die Lösungen sind periodische Funktionen. Beim Ein- und Ausschalten der Spannungsquelle (letzteres wieder bei geschlossenem Stromkreis) nähern sich die Spannung und die Ladung des Kondensators in Form von abklingenden Schwingungen dem jeweiligen Endwert. Der Endwert der Spannung beträgt beim Einschalten U0, beim Ausschalten 0. Der Endwert der Kondensatorladung ist beim Einschalten gleich C U0, beim Ausschalten gleich 0.

Der Strom nähert sich in beiden Fällen oszillierend dem Wert 0.



 

 


Wechselspannungskreise

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Zeigerdarstellung von Wechselspannungen und –strömen

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Technische Wechselspannungen sind überwiegend sinusförmig. (Wenn nicht, können sie mit einer Fourier-Reihe als Summe von sinusförmigen Spannungen dargestellt werden.)

Wegen der Verwandtschaft der e-Funktion mit imaginärem Exponenten mit der Sinus- und der Kosinusfunktion können diese mit vielfältigen Vorteilen durch rotierende »Zeiger« in der Gaußschen Zahlenebene dargestellt werden.

 

Setzt man


 


dann ist der Realteil von z = Re z = U cos ωt

und der Imaginärteil von z = Im z = U sin ωt.

Dabei ist ω = 2 π f die Kreisfrequenz von U, und t die Zeit. Der Zeiger rotiert dann mit dieser Kreisfrequenz in der Gaußschen Ebene.

Zeigerdiagramme sind nützlich zur Addition phasenverschobener Spannungen und Ströme und lassen sich auch zur Darstellung und Behandlung komplexer Widerstände und Leitwerte (siehe unten) verwenden.


Induktivität im Wechselspannungskreis

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Da Spulen nie ohne Ohmschen Widerstand sind, behandeln wir die Induktivität L von Anfang an in einer Reihenschaltung mit einem Ohmschen Widerstand R. (Dies ist eine Ersatzschaltung für die Spule, bei der Induktivität und Ohmscher Widerstand eigentlich auf unendlich viele verschwindend kleine Elemente dL und dR verteilt sind, welche nacheinander vom Strom durchlaufen werden, also hintereinander geschaltet sind. Wie die Erfahrung bestätigt, dürfen die Elemente dL und dR je für sich zur Gesamtinduktivität L = Σ dL und zum Gesamtwiderstand R = Σ dR addiert und diese dann als in Reihe geschaltet aufgefasst werden.)

 


Bei der Behandlung dieser Schaltung taucht ein neuartiges Problem auf: Bei Gleichspannungskreisen war es gleichgültig, zu welcher Zeit eingeschaltet wurde, weil die Spannung immer dieselbe war. Daher verlief nach dem Einschalten das Anwachsen des Stromes immer in gleicher Weise. Im Wechselstromkreis dagegen verläuft dieser Vorgang unterschiedlich je nach dem Wert, den die Spannung beim Einschalten gerade hat. Wir haben hier also keine »zeitunabhängige« Randbedingung zur Berechnung der Konstanten bei der Lösung der Differentialgleichung. Wir können aber zunächst von dem Einschaltvorgang absehen und den sich danach einstellenden stationären Zustand untersuchen.

Nehmen wir an, die Spannung der Spannungsquelle verlaufe sinusförmig:


 


Für den Stromkreis gilt dann:


 


Wir machen für die Lösung den Ansatz


 


wobei δ ein noch zu bestimmender Phasenverschiebungswinkel ist. Mit diesem Ansatz nehmen wir an, der Strom wäre eine periodische Funktion der Zeit, deren Verlauf sich in immer gleicher Weise zyklisch wiederholt. Diese Annahme trifft jedoch für die Zeit unmittelbar nach dem Einschalten nicht zu, wie man durch eine etwas genauere Betrachtung zeigen kann. Sie gilt jedoch, wie die folgende Rechnung zeigt, für den stationären Zustand, der sich nach einiger Zeit offenbar einstellt. (Genaueres darüber später.)

Aus dem Ansatz folgt:


 


In die Differentialgleichung eingesetzt:


 


woraus folgt:


 


 


Der Koeffizientenvergleich der beiden Funktionen sin ωt und cos ωt ergibt:


 


 


Aus (2) folgt:

 


In (1) eingesetzt ergibt sich nach einigen Umformungen (wobei sin δ und cos δ durch tan δ ausgedrückt werden müssen):


 


und damit


 


Interpretation:

1. Der sinusförmige Strom hat gegenüber der Spannung eine negative Phasenverschiebung (δ < 0), die von R, und dem Produkt ωL abhängt. (Der Strom »eilt der Spannung nach«). In der folgenden Zeigerdarstellung rotieren die beiden Zeiger wie starr miteinander verbunden, entgegen dem Uhrzeigersinn.

 


2. Die Abhängigkeit des Stromes von der Spannung entspricht formal dem Ohmschen Gesetz, wobei jedoch an die Stelle des Ohmschen Widerstandes R nunmehr der Scheinwiderstand Z, im Werte von


 


tritt.

Das Produkt ωL heißt induktiver Widerstand RL (auch »Induktanz«) der Spule.

Für R gegen 0 und bei hohen Frequenzen ist der Gesamtwiderstand praktisch gleich dem induktiven Widerstand, der proportional zur Frequenz wächst. Die Phasenverschiebung geht dabei gegen – 90°. Der Strom eilt somit um beinahe 90° der Spannung nach.

Sehr nützlich ist es – besonders bei komplizierteren Schaltungen -, auch die Widerstände als Zeiger in der komplexen Zahlenebene darzustellen. Dabei wird der Ohmsche Widerstand (hier auch »Wirkwiderstand« ZW genannt) auf der reellen Achse aufgetragen, der induktive Widerstand (»Blindwiderstand« ZB) hingegen auf der positiven imaginären Achse. Der Gesamtwiderstand (»Impedanz« Z) ergibt sich dann als komplexe Zahl.


 

Der Winkel ψ ist jetzt der Phasenverschiebungswinkel der Spannung gegenüber dem Strom (also umgekehrt wie oben) und daher ψ = - δ.

 


Beachte: Die Zeiger der Widerstände rotieren nicht!

Kapazität im Wechselspannungskreis

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Hier gilt:


 


Mit dem Ansatz für den stationären Zustand


 


findet man ähnlich wie oben


 


 


und schließlich


 


Auch hier entspricht der Zusammenhang zwischen I und U formal dem Ohmschen Gesetz, wobei an Stelle von R nunmehr der Betrag des komplexen Scheinwiderstand tritt, der sie wie folgt ergibt:


 


Der Phasenverschiebungswinkel ist nun positiv, der Strom eilt also der Spannung voraus. Wenn R oder ωC gegen 0 geht, dann geht δ gegen 90°.

Der komplexe Scheinwiderstand ist hier


 


 

Serienschaltung von Induktivität und Kapazität im Wechselspannungskreis

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Hier gilt


 


Mit dem gleichen Ansatz wie oben findet man


 

und damit


 


Der Blindwiderstand ist also die Differenz von induktivem und kapazitivem Widerstand. Das Vorzeichen dieser Differenz ist gleich dem Vorzeichen der Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom.

Der komplexe Scheinwiderstand (Impedanz) ist


 


Sind induktiver und kapazitiver Widerstand gleich, ist der Blindwiderstand null und Z = R.

 
Die Blindwiderstände als Funktion von ω

Als Zeigerdiagramm:

 


 

Parallelschaltung von Wirk- und Blindwiderständen

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Solche Parallelschaltungen werden auf ähnliche Weise wie oben berechnet. Dabei ergibt sich, dass (statt der Blindwiderstände) hier zunächst die Blindleitwerte GB addiert werden. Die Blindleitwerte GL und GC von Induktivität und Kapazität sind die Kehrwerte der Blindwiderstände. Zu der Differenz der Blindleitwerte wird der Wirkleitwert des parallel geschalteten Ohmschen Widerstandes geometrisch addiert. Das ergibt dann den Scheinleitwert G.


 


 


 


In komplexer Schreibweise:


 


Natürlich können auch die Leitwerte im Zeigerdiagrammen dargestellt werden.

Bemerkenswert ist noch, dass der Blindleitwert null werden kann.

Vertauscht man in der vorletzten Abbildung (Die Blindwiderstände als Funktion von ω) die Größen L und C, so stellen die Kurven die Blindleitwerte dar.

 

 

Einschaltvorgänge in Wechselstromkreisen

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Einschaltvorgänge sind Anpassungsvorgänge, die von den speziellen Gegebenheiten der Schaltkreise und der Spannungsquelle, wie sie beim Einschalten vorliegen, asymptotisch zu den stationären Vorgängen hinführen, die wir im letzten Kapitel betrachtet haben.

Bei der Berechnung der Einschaltvorgänge wollen wir annehmen, dass unmittelbar vor dem Einschalten im Kreis keine Strom fließe und der Kondensator entladen sei. Das wesentliche Merkmal, das von der Spannungsquelle beigetragen wird, ist der Momentanwert der Spannung im Augenblick des Einschaltens. Dieser hängt vom Einschaltzeitpunkt tE ab, da


 


ist.

 

RL-Glied

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Genauere Überlegungen lassen vermuten, dass der Strom unmittelbar nach dem Einschalten aus einem gegenüber der Spannung phasenverschobenen Wechselstrom und aus einem asymptotisch verschwindenden Anteil besteht. Daher der Ansatz:


 


Daraus folgt


 


Aus der Gleichung


 


ergibt sich dann


 


 


Der Vergleich der Koeffizienten der drei Funktionen von t liefert:


 


 


 


Daraus ergibt sich nach einigen Umformungen


 


Wie zu erkennen, hat sich außer dem Zusatzglied nichts verändert: der Widerstand (Impedanz) und der Phasenwinkel sind gleich geblieben.

Die noch zu bestimmende Konstante B ergibt sich aus der Bedingung I(tE) = 0:


Damit wird


 


Bei großen Frequenzen kann R gegenüber ωL vernachlässigt werden, und der Phasenverschiebungswinkel wird nahezu - π/2. Dann ist mit guter Annäherung


 


wobei der zweite Term in der Klammer nur relativ langsam gegen 0 geht.

 

RC-Glied

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Aus der Gleichung


 


wird durch Differenzieren nach der Zeit


 


Aus dem gleichen Ansatz wie oben:


 


Durch eine ähnliche Rechnung wie oben findet man:


 


Da beim Einschalten der Kondensator entladen sein soll, ist seine Spannung null. Daraus folgt:


 


Da im Allgemeinen I(tE) nicht gleich null ist, ergibt sich für B ein etwas komplizierterer Wert:


 


und damit


 


Bei vernachlässigbar kleinem R geht k gegen unendlich und die Dauer des Einschaltvorgangs geht gegen null.

 

RCL-Glied

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Der Einschaltvorgang für solche Glieder wird bei »Schwingkreisen« (siehe unten) behandelt.

 

 

Schwingkreise

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Im einfachsten Fall besteht ein Schwingkreis aus einem Kondensator, dessen Platten mit einer Spule verbunden sind.

In der Praxis besitzt eine Spule einen Ohmschen Widerstand, der allenfalls bei hohen Frequenzen vernachlässigt werden kann. Streng genommen ist auch ein Kondensator nicht »verlustfrei«: die Isolation seiner Platten gegeneinander hat keinen unendlich hohen Widerstand und die Materie zwischen den Platten (das »Dielektrikum«, das Kondensatoren mit nennenswerten Kapazitäten überhaupt erst möglich macht) ist nicht verlustfrei, was sich besonders bei höheren Frequenzen bemerkbar macht. (Die Ursache dieser Verluste ist die Polarisation des Dielektrikums durch innere Ladungsverschiebung, wobei die Ladungen nicht ganz reibungslos hin und her verschoben werden, wenn der Kondensator an einer Wechselspannung liegt.) Ein Ersatzschaltbild, das alle diese Einflüsse berücksichtig, sieht so aus:

 


Zunächst wollen wir von allen Ohmschen Widerständen absehen und einen idealen Schwingkreis betrachten:


Verlustfreier Schwingkreis

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Damit überhaupt etwas geschieht, müssen wir vor dem Einschalten den Kondensator aufladen (oder nach dem Einschalten in der Spule eine Spannung induzieren). Die Ladung des Kondensators sei Q0.


 


Hier empfiehlt sich wieder einmal die Einführung von Zählpfeilen.

Ein geschlossener Umlauf im Stromkreis ergibt: UL - UC = 0 oder UL = UC.

Aus


 


Da ein Strom von der eingezeichneten Richtung (und positivem Betrag) die Ladung des Kondensators verringert, ist

 

und somit


 


Gesucht ist demnach eine Funktion I(t), die bis auf einen konstanten Faktor gleich ihrer negativen zweiten Ableitung ist. Der Ansatz


 


führt zu der Gleichung


 


woraus folgt


 


Im Moment des Einschaltens (t = 0) sei I = 0. (Die »elektrische Trägheit« der Spule verhindert einen sprunghaften Anstieg der Stromstärke, wie er bei einem Ohmschen Widerstand oder einer Kapazität an einer Spannungsquelle auftreten würde.) Daraus folgt


 


Die Konstante A ist offensichtlich gleich dem Scheitelwert I0 der Stromstärke. Ihr Wert ergibt sich aus


 


woraus folgt


 


Also ist


 


und


 


Der Strom verläuft also in Form einer ungedämpften Sinusschwingung, der Verlauf der Spannung am Kondensator und damit auch der an der Spule ist eine Kosinusschwingung gleicher Frequenz. Strom und Spannung sind um 90° phasenverschoben.

Für den Energiegehalt von Spule und Kondensator gilt:


 


 


woraus folgt


 


Die anfangs zum Aufladen des Kondensators aufgewendete Energie schwingt also verlustfrei zwischen Kondensator und Spule hin und her.

Schwingkreis mit Ohmschem Widerstand

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Aus


 


Auch diese Differentialgleichung ist uns aus der Mechanik bekannt (siehe Wikibook »Schwingbewegungen«); sie wurde dort in allen Einzelheiten behandelt. Ich begnüge mich daher mit der Angabe der den elektrischen Größen angepassten Lösungen.


1. Für

 


lautet die allgemeine Lösung


 


Bei den gleichen Anfangsbedingungen wie oben ergibt sich daraus


 


Allerdings hat ω jetzt einen anderen Wert als bei der ungedämpften Schwingung, deren »Eigenkreisfrequenz« ich zur Unterscheidung nun mit ω0 bezeichne:


 


2. Für


 


verläuft die Funktion aperiodisch:


 


Für die genannten Anfangsbedingungen ergibt sich


 


3. Der Grenzfall


 


ist ebenfalls aperiodisch und entspricht dem Grenzfall in der Mechanik.

Gedämpfter Schwingkreis an einer Wechselspannung

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Im Schwingkreis befinde sich eine Wechselspannungsquelle mit der Spannung

U = U0 cos ω t.

Die Ausgangsgleichung lautet dann:


 


und nach Differenzieren


 


oder


 


Diese Gleichung ist formal gleich der Differentialgleichung der gedämpften erzwungenen mechanischen Schwingung (siehe Wikibook »Schwingbewegungen« unter »Die gedämpfte erzwungene Schwingung«).

Dabei entsprechen einander:


 


Mit diesen Entsprechungen lässt sich die gesamte Herleitung von dort übernehmen. Die allgemeine Lösung besteht wieder aus einem abklingenden Einschwingvorgang und einem stationären Zustand. Für diesen gilt:


 


mit


 


Der Phasenverschiebungswinkel (δ) ist positiv, null oder negativ, je nachdem ob bei der Erregerfrequenz ω der induktive Widerstand größer, gleich oder kleiner als der kapazitive Widerstand ist.



 

Gekoppelte Schwingkreise

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Wir betrachten nun zwei Schwingkreise, die induktiv gekoppelt sind. Die Wechselinduktivität sei L1,2 = L2,1.

 


Analog wie oben bei einem einzelnen Schwingkreis ergibt sich hier:

 


Die Lösung dieses Gleichungssystems in seiner allgemeinsten Form ist sehr kompliziert. Ich beschränke mich daher auf den praktisch wichtigen Sonderfall, dass die beiden Schwingkreise völlig identisch sind. Es sei also L1 = L2= L, R1 = R2 = R und C1 = C2 =C.

Dann lauten die Differentialgleichungen

 

Zur Integration dieser Gleichungen bilden wir ihre Summe und ihre Differenz und erhalten dadurch zwei einfachere Differentialgleichungen für (I1 + I2) und (I1 - I2), die jetzt noch mit C multipliziert werden:

 

Beide Gleichungen haben nun dieselbe Form wie die Gleichung für den einfachen Schwingkreis (siehe oben), nur ist L in der einen durch (L + L12) und in der anderen durch (L - L12) ersetzt worden. Wir können die Lösungen von dort übernehmen, wobei wir uns jeweils auf die periodische Lösung beschränken können, wie sie für hinreichend kleinen Dämpfung (d. h. für hinreichend kleinen Ohmschen Widerstand R gilt. Die Lösungen lauten:

 

Wie man erkennt, sind die beiden Stromstärken im Allgemeinen trotz der Identität der beiden Schwingkreise keineswegs gleich.

Zur Vereinfachung der Diskussion der Lösung nehmen wir zunächst an, es sei R = 0. Dann ist der Vorgang ungedämpft, und die Gleichungen lauten:

 


Wegen der vier Integrationskonstanten, die von den Anfangsbedingungen abhängen, sind die Lösungen recht vielgestaltig. Das ist nicht verwunderlich, denn die Anfangsbedingungen mit ihren vier Parametern können sehr unterschiedlich sein. Wir wollen daher zunächst zwei sehr spezielle Fälle betrachten und dann einen typischen, etwas allgemeineren Fall.

1. Wir fragen zunächst danach, ob und unter welchen Bedingungen I1 = I2 sein kann. Dies ist für A2 = 0 der Fall. Die beiden Schwingkreise schwingen dann synchron und gleichsinnig. Zur Veranschaulichung ist hier der analoge Fall zweier gleicher gekoppelter Pendel nützlich. Auch diese können bei geeigneten Anfangsbedingungen synchron und gleichsinnig schwingen.

2. Ist es möglich, dass I2 = - I1 ist? Dies ist der Fall für A1 = 0. Die Schwingkreise schwingen dann synchron, aber gegensinnig. Auch dieser Fall kann bei zwei gekoppelten Pendeln beobachtet und daran veranschaulicht werden.

3. Wir wollen nun zwei einfache, plausible Anfangsbedingungen festlegen: Es sei I1(0) = I2(0) = 0.

Dann muss δ1 = δ2 = 0 sein. Diesen Fall betrachten wir nun genauer. Es ist dann:

 


Es treten hier also zwei Sinusschwingungen mit unterschiedlichen Kreisfrequenzen auf, von denen keine mit der Eigenkreisfrequenz der beiden Schwingkreise übereinstimmt, und wovon die erste kleiner, die zweite größer als die Eigenkreisfrequenz ist. Wir setzen nun

A2 = A1 + B,

wobei B positiv oder negativ sein kann. Damit wird:

 


Interpretation:

Der erste Term in jeder Gleichung ist eine Sinus- bzw. Kosinusschwingung, deren Kreisfrequenz das arithmetische Mittel von ω1 und ω2 ist, und dessen Amplitude sich gemäß einer Kosinus- bzw. Sinusfunktion mit der (deutlich kleineren) halben Differenz von ω1 und ω2 ändert. In der Akustik wird einer solcher Vorgang als Schwebung bezeichnet.

Die zweiten Terme sind gegenläufige Schwingungen gleicher Frequenz, die sich der Schwebung überlagern. Sie sind möglich, treten aber nur dann auf, wenn sie zu Beginn des Vorgangs in geeigneter Weise angeregt wurden. Normalerweise ist das nicht der Fall, und dann ist B = 0 und A2 = A1.

Falls in den Schwingkreisen Ohmsche Widerstände R vorhanden sind, beeinflussen sie die Frequenzen der Schwebung nicht, dämpfen aber deren Amplitude: der Schwebungsvorgang klingt exponentiell ab.

 

 

Die Maxwellschen Gleichungen

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Maxwells Hypothese und die 1. Maxwellsche Gleichung

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Zunächst eine kurze Wiederholung:

Das Amperesche Gesetz für das Magnetfeld eines unendlich langen zylindrischen Leiters besagt, dass das Linienintegral der magnetischen Feldstärke H über eine geschlossene Kurve gleich der Summe I aller von der Kurve umschlossenen Ströme ist. (Siehe dazu: Wikibook: »Der elektrische Strom; 5.3. Das magnetische Durchflutungsgesetz«.)


 


und in Differentialschreibweise


 


Betrachten wir nun einen Plattenkondensator mit Dielektrikum, der an einer Wechselspannung liegt. (Siehe dazu: Wikibook: »Elektrostatik, 6.2. Dielektrikum im elektrischen Feld«.) Das Dielektrikum wird durch Ladungsverschiebung polarisiert. Die Flächenladungsdichte σ an den Grenzflächen des Dielektrikums heißt auch Polarisation P und beträgt:


 


Dabei ist E die (hier wechselnde) elektrische Feldstärke im Kondensator. Wenn die Feldstärke sich ändert, ändert sich proportional dazu auch die Polarisation. Dabei werden ständig elektrische Ladungen verschoben. Dies ist gleichwertig mit einem elektrischen Wechselstrom, für den gilt:

 

Dabei ist A die Fläche des Kondensators.

Die Stromdichte dieses Stromes ist


 


Dieser »Verschiebungsstrom« liefert natürlich auch einen Beitrag zum magnetischen Feld, das den Stromkreis umgibt, und für das analog wie oben gilt


 


Maxwells Hypothese war nun, dass es auch im Vakuum (im »Äther«) so etwas wie einen Verschiebungsstrom IV gäbe, dessen Stromdichte


 

sein müsste. Zusammen mit dem Verschiebungsstrom im Dielektrikum gäbe das die gesamte Stromdichte


 


Demnach müsste für die gesamte, von den Verschiebungsströmen erzeugte Feldstärke HG gelten:


 


Das ist Maxwells Hypothese.

Nun hat sich das Konzept des »Äthers« und damit auch das des Verschiebungsstroms im Äther längst als unhaltbar erwiesen. (Wie überhaupt die Ätherhypothese kein Ruhmesblatt in der Geschichte der Physik war.) Man braucht dieses Konzept aber auch gar nicht, denn in der obigen Gleichung treten die Verschiebungsströme gar nicht mehr explizit auf. Als eigentliche Ursache der »elektromagnetischen Induktion« erscheint nämlich die zeitliche Ableitung (also die Änderungsgeschwindigkeit) der elektrischen Feldstärke. Daher lautet eine

Moderne Formulierung der Maxwellschen Hypothese:

Magnetische Felder werden nicht nur durch elektrische Ströme hervorgerufen, sondern auch durch wechselnde elektrische Felder (wobei dann auch das Magnetfeld ein Wechselfeld ist).

Die Erzeugung magnetischer Wechselfelder durch elektrische Wechselfelder ist als eigenständiges Phänomen aufzufassen, das nicht auf andere Phänomene zurückgeführt und durch diese erklärt werden kann. (Wie ja auch die Erzeugung eines Magnetfeldes durch einen Strom nicht weiter erklärt werden kann.)

Beim gleichzeitigen Auftreten eines elektrischen Stromes der Dichte j und eines elektrischen Wechselfeldes der Änderungsgeschwindigkeit dE/dt in einem Punkt gilt für die dadurch induzierte magnetische Feldstärke H in diesem Punkt:


 


wobei ρ der spezifische elektrische Widerstand des Mediums ist.

Dies ist übrigens die einzige der vier so genannten Maxwellschen Gleichungen, die tatsächlich auf Maxwell zurückgeht (1864). Die übrigen drei waren schon vor ihm bekannt. Auch gab es zur Zeit Maxwells zunächst keine experimentelle Begründung seiner Gleichung. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte aber wurden alle daraus abgeleiteten Folgerungen experimentell bestätigt. Die eindrücklichste Bestätigung der Maxwellschen Hypothese war der Nachweis der Existenz elektromagnetischer Wellen durch Heinrich Hertz (1888/89), deren Möglichkeit aus den Maxwellschen Gleichungen abgeleitet werden konnte.


Die drei anderen Maxwellschen Gleichungen

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Die übrigen drei Gleichungen lauten


 


Die erste Gleichung dieser Zeile stellt das Gesetz der magnetischen Induktion dar, nach der zweiten Gleichung ist die Quelldichte des Vektors εr ε0 E gleich der elektrischen Raumladungsdichte ρ. Die dritte Gleichung konstatiert die Quellenfreiheit des magnetischen Feldes.