Benutzer:Jürgen-Michael Glubrecht/Mächtigkeit

Wann sind zwei Mengen gleich groß?

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Äquivalenzsatz von Cantor-Bernstein-Schröder

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Satz (Äquivalenzsatz von Cantor-Bernstein-Schröder)

Ist   schmächtiger als   und   schmächtiger als  , dann sind   und   gleichmächtig:

 

Dieser Satz liefert ein weiteres Kriterium dafür, wie die Gleichmächtigkeit zweier Mengen bewiesen werden kann. Indem nämlich zwei Funktionen angegeben werden:   und  . Wir beweisen den Satz in mehreren Schrtten und zeigen zunächst die Äquivalenz mit dem Zwischenmengensatz.[1]

Satz (Zwischenmengensatz)

Liegt eine Menge   zwischen einer Menge   und einem injektiven Bild von  , so sind   und   gleichmächtig.

 

Wir zeigen zunächst, dass der Äquivalenzsatz und der Zwischenmengensatz äquivalent sind:

Satz

 

Beweis

" ": Es gelte der Äquivalenzsatz von Cantor-Bernstein-Schröder. Weiterhin sei   und es gelte  . Setze  , dann bildet   Injektiv in   ab. Mit dem Satz von Cantor-Bernstein-Schröder folgt  .

" ": Gelte nun der Zwischenmengensatz, sowie   injektiv und   Injektiv. Dann ist auch die Verkettung injektiv   und es gilt:  . Mit dem Zwischenmengensatz folgt  . ✔

Für den Beweis des Zwischenmengensatzes definieren wir noch eine spezielle Halbordnung:

Definition (Spezielle Halbordnung)

Es sei   eine Funktion von   in  . Dann ist   die Menge der Fixpunkte von  . Für zwei beliebige Funktionen   und   ist die Relation   wie folgt definiert:

 

  besagt, dass   mehr Fixpunkte als   hat, aber ansonsten mit   übereinstimmt.

Aufgabe: Zeige, dass   eine Halbordnung ist.

Zu zeigen ist,   ist reflexiv, transitiv und antisymmetrisch.

reflexiv: Es gilt   und  , also auch  .

transitiv: Gelte   und  . Dann folgt   und  . Daraus ergibt sich  . Für   ist   kein Fixpunkt von   und auch kein Fixpunkt von  . Also folgt   und somit  .

antisymmetrisch: Gelte   und  . Dann gilt   und   also  . Daher stimmen beide Funktionen überein   und es gilt:  .

Die Beweisidee ist folgende: wir betrachten alle injektiven Funktionen  , die zwar mehr Fixpunkte haben als die gegebene Funktion  , aber ausserhalb dieser Fixpunkte mit   übereinstimmen. Je mehr Fixpunkte diese Funktionen haben, desto weniger Funktionswerte stimmen mit   überein. Unter diesen Funktionen gibt es (hoffentlich) welche, deren Bildbereich weitere Elemente von   umfasst. Diese müssen Fixpunkte sein, denn ansonsten sind keine Abweichungen von   erlaubt. Wenn es unter den betrachteten Funktionen eine gibt, in deren Bildbereich alle Elemente von   liegen, haben wir eine Bijektion   gefunden.

Beweis (Zwischenmengensatz, Äquivalenzsatz)

Sei nun   und gelte  . Sei weiterhin:

 

  ist die Menge aller injektiven Funktionen  , die mehr Fixpunkte als   haben. Es gilt  , denn   ist nach Voraussetzung Injektiv,   und es gilt  . Wir definieren:

 

  ist die Fixpunktmenge aller Funktionen aus  . Es gilt  , denn wenn   gibt es ein   dessen Fixpunkt   ist und da   gilt  . Wir definieren schliesslich die gesuchte Bijektion:

 

 , da   injektiv ist, und es gilt nach Definition von  :

( )    

Da ja  , wie oben gezeigt, gilt  . Wir zeigen nun:  . Seien   und gelte  . Sind  , dann folgt  . Sind   folgt   aus der Injektivität von  . Bleibt als letzter Fall   und  . Dann gibt es   mit   und es folgt:   mit der Injektivität von  . Insgesamt haben wir gezeigt:

 

Als letzten Schritt beweisen wir, dass   surjektiv auf   ist und zeigen dazu  . Wir definieren die Funktion   wie folgt:

 

  ist injektiv wegen der Injektivität von  . Weiterhin gilt  , denn   hat allenfalls mehr Fixpunkte als   und für   gilt  . Mit   folgt daraus   wegen wegen der Transitivität von  . Insgesamt haben wir gezeigt:  . Daraus folgt mit ( )   und mit der Antisymmetrie von   ergibt sich  . Nach Definition von   gilt   und mit der Gleichheit   folgt  . Das ist aber nur möglich, wenn   gilt, also:  . Also:

 , also:  

Damit ist der Beweis des Zwischenmengensatzes und des Äquivalenzsatzes von Cantor-Bernstein-Schröder beendet. ✔

Beispiel

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Wir verwenden die Bezeichnungen wie im Beweis des Zwischenmengensatzes.

Beispiel (Zwischenmengensatz)

Es sei   die Menge der natürlichen Zahlen,   die Menge der natürlichen Zahlen größer oder gleich   und   die Funktion, die jede Zahl um 2 erhöht.   ist injektiv und es gilt:

 

  ist eine echte Obermenge von  , denn die   ist kein Bild unter  . Wir definieren   folgendermassen:

 

  ist injektiv und alle ungeraden Zahlen sind Fixpunkte. Auf den geraden Zahlen stimmt   mit   überein. Da   keine Fixpunkte hat, gilt also  . somit gilt  . Da   ist, ist   eine Bijektion auf  .

Mehr Fixpunkte als   kann aber keine Funktion aus   haben, denn die geraden Zahlen können keine Fixpunkte sein. Das folgt durch Induktion:   ist kein Fixpunkt, denn  , tritt also nicht als Bild auf. Sei nun   gerade und nach Induktionsvoraussetzung kein Fixpunkt. Dann ist das Bild von   aber  . Also kann   auch kein Fixpunkt sein. Daher ist   in diesem Beispiel tatsächlich die Funktion, deren Existenz im Beweis gezeigt wird.

 

Vertiefung zum Thema Mächtigkeit

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Wir haben definiert, dass zwei Mengen   und   genau dann gleichmächtig sind, wenn es zwischen ihnen eine bijektive Abbildung gibt:  . Die Relation   ist eine Äquivalenzrelation auf der Klasse aller Mengen.

Hinweis

Die Klasse aller Mengen ist zu groß für eine Menge, sie ist eine echte Klasse, vgl. "Axiomatische Mengenlehre".

Frage: Zeige dass   eine Äquivalenzrelation ist.

Um zu zeigen, dass eine Relation eine Äquivalenzrelation ist, müssen wir zeigen, dass sie reflexiv, symmetrisch und transitiv ist. Im folgenden seien   beliebige Mengen.

Reflexiv: Die Identitätsabbildung   ist eine Bijektion der Menge   auf sich. Also gilt  .

Symmetrisch: Gelte  . Dann gibt es eine bijektive Abbildung  . Daher ist die Umkehrfunktion   ebenfalls bijektiv und bildet die Menge   auf die Menge   ab:  . Also gilt  .

Transitiv: Gelte   und  . Dann gibt es bijektive Abbildungen   und  . Die Komposition dieser beiden Abbildungen   ist als Komposition zweier bijektiven Abbildungen ebenfalls bijektiv und bildet   auf   ab:  . Also gilt  . ✔

Da die Relation   eine Äquivalenzrelation ist, zerfällt die Klasse aller Mengen unter dieser Relation in Äquivalenzklassen gleichmächtiger Mengen. Da diese Äquivalenzklassen ebenfalls echte Klassen sind, geht man zu einem Repräsentantensystem über, den sogenannten Kardinalzahlen:

Definition (Kardinalzahlen)

Die Kardinalzahlen sind Mengen und bilden ein Repräsentantensystem für die Äquivalenzklassen gleichmächtiger Mengen.

  bezeichnet die Kardinalzahl, die zu der Äquivalenzklasse von   gehört.

Anmerkung: Die Schreibweise   sollte nicht mit den mit den Betragsstrichen oder der Determinantenfunktion aus der Linearen Algebra verwechselt werden.

Definition (Ordnung der Kardinalzahlen)

Die folgende Definition ist repräsentantenunabhängig:

 

Es ist leicht zu zeigen, dass die Relation   reflexiv und transitiv ist. Die Antisymmetrie folgt mit dem Äquivalenzsatz von Cantor-Bernstein-Schröder.   ist also eine Halbordnung. Mit dem Auswahlaxiom kann man zeigen, dass   eine Totalordnung ist:

Satz

  ist eine Totalordnung auf den Kardinalzahlen.

Kardinalzahlen lassen sich also der Größe nach vergleichen. Sie sind verallgemeinerte natürliche Zahlen, die die Mächtigkeit einer Menge beschreiben. Im Fall einer endlichen Menge ist ihre Kardinalzahl nichts anderes als die Anzahl ihrer Elemente. Die endlichen Kardinalzahlen sind also die natürlichen Zahlen  . Beispielsweise ist   und  .

Die unendlichen Kardinalzahlen werden mit   bezeichnet (der Buchstabe Aleph   ist der erste Buchstabe des hebräischen Alphabets).

  ist die kleinste Mächtigkeit, die eine unendliche Menge haben kann: man kann zeigen, dass jede unendliche Menge eine Mächtigkeit größer oder gleich   besitzt. Außerdem hat Cantor im Satz von Cantor gezeigt, dass jede Potenzmenge   mächtiger als ihre zugrunde liegende Menge   ist. Man kann zeigen, dass   ist. Es stellt sich nun die Frage, ob es eine Menge gibt, die mächtiger als  , aber weniger mächtig als   ist. Cantor vermutete, dass dies nicht der Fall ist, konnte seine Vermutung aber nicht beweisen. Diese Vermutung wird Kontinuumshypothese genannt. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese Hypothese in der Mengenlehre mit den Axiomen von Zermelo-Fraenkel einschliesslich Auswahlaxiom weder beweisbar noch widerlegbar ist.

  1. Wolfgang Rautenberg, Uber den Cantor-Bernsteinschen Aquivalenzsatz, Berlin 2007,[PDF]