Wikijunior Alte Zivilisationen/ Seevölker


In der ersten Hälfte des 13. Jh v. Chr. hatte die späte Bronzezeit ihre Blüte erreicht. Die Großkönige hatten die Welt unter sich aufgeteilt. Schiffe mit Handels- und Luxusgütern kreuzten das Mittelmeer: Bernstein, Zinn vom Tigris, Kupfer aus Zypern, Töpferwaren aus Kanaan.

Die Katastrophe kam unerwartet: In der zweiten Hälfte des 13. Jh v. Chr. gingen mehrere Zivilisationen unter. In nur 50 Jahren verschwanden die meisten Hochkulturen im östlichen Mittelmeerraum aus der Geschichte: Die Hethiter verschwinden spurlos. Troja wird zerstört. Minoer, Mykener und Kanaan verschwinden, selbst Ägypten wurde schwer getroffen und erreichte nie wieder seine frühere Größe. Im frühen Griechenland ging die Schrift verloren und die Fähigkeit, Großbauten zu errichten.

Bei Untersuchungen und Ausgrabungen auf Kreta wurden hoch im Gebirge zahlreiche feste Siedlungen (Katalimata, Korfi und weitere 80) gefunden, die sich mit Befestigungsanlagen vor Angreifern von See schützten. Die Menschen hatten in Massen die fruchtbaren Küstenregionen verlassen. Was war es, das eine blühende Zivilisation in die unwirtlichen Berge getrieben hatte?

An vielen Stellen im östlichen Mittelmeerraum wurden verlassene Städte und umfangreiche Zerstörungen gefunden, die in diesen Zeitraum fallen. Es handelt sich also nicht nur um lokale Ereignisse.

Was könnten die Ursachen gewesen sein? Eine einzelne Ursache hätte vermutlich nicht solche Auswirkungen gehabt.

Tektonische Ursachen Bearbeiten

Den Bereich, wo die Kontinentalplatten aufeinanderstoßen, nennt man Verwerfung. In der Region stoßen mehrere Erdplatten zusammen. Die nordanatolische Verwerfung (Nordtürkei), die südanatolische Verwerfung (im Mittelmeer zwischen Türkei und Ägypten) und die Tektonische Verwerfung unter dem toten Meer liegend.

Wenn die Erdplatten aneinander reiben, entstehen Erdbeben. Wenn sich Kräfte über Jahrtausende aufgestaut haben, kann ein einziges Erdbeben die Spannungen nicht entladen. Es kann zu einem „tektonischen Sturm“ kommen: Über Jahrzehnte hinweg gibt es alle paar Jahre ein Erdbeben. Für den fraglichen Zeitraum wurde eine starke Häufung von Erdbeben nachgewiesen. Aber: Vor Erdbeben flieht man nicht ins Hochgebirge. Einige Erdbeben haben vermutlich Tsunami hervorgerufen. Wenn man Tsunami befürchtet, siedelt man vielleicht ein paar Meter weiter vom Strand, aber nicht 1000 Meter hoch. Vermutlich haben die Menschen solche Katastrophen als Strafe der Götter gesehen, gegen die man ohnehin nichts machen kann.

Klimatische Ursachen Bearbeiten

Nachweislich war der Wasserspiegel des Mittelmeeres deutlich niedriger als im Durchschnitt. Im Bereich der Ägäis war es viel trockener als sonst. Ein Brief des Großkönigs der Hethiter wurde gefunden, in dem er den Pharao anbettelte: Schick Getreide! Es geht um Leben und Tod! Ägypten hatte keine Probleme mit Trockenheit. Der Nil führte genug Wasser aus Zentralafrika heran und die jährlichen Überschwemmungen machten die Felder fruchtbar. Der Pharao schickte ein paar Getreideschiffe. Zu wenige.

Die hungernden Menschen zogen mit Hab und Gut, aufgeladen auf Ochsenkarren, nach Süden, um besseres Siedlungsland zu finden.

Der Seevölkersturm Bearbeiten

Die Zeit war kriegerisch. In der Stadt Ugarit (an der Ostküste des Mittelmeeres) wurde eine Tontafel gefunden, in der ein König einen anderen warnt: „Bewaffne dich! Die Angreifer kommen überraschend von See!“ Wir wissen, dass der Pharao sie „Seevölker“ nannte. Sie hatten unterschiedliche Sprachen und Kulturen.

Es gab kaum große Schlachten, sondern immer wieder Überfälle, mehrere Angriffswellen.

Am Ende der Bronzezeit waren Streitwagen mit einer schwer gepanzerter Besatzung das Rückgrat der Armee, die entscheidende High-Tec-Waffe. Es scheint, die jeweiligen Könige kannten jeden ihrer Wagenlenker beim Namen. Die Streitwagen gingen frontal aufeinander los. Hinter den Streitwagen kamen die kaum gepanzerten Fußtruppen und erledigten den Rest. Dieses Fußvolk bestand zum Teil aus den "eigenen" Landsleuten, zum Teil aus Söldnern. Sie kämpften in der Hoffnung auf reiche Beute.

Die Seevölker ignorierten alle damaligen Regeln des Krieges. Sie hatten weder Streitwagen noch Pferde. Sie hatten eine ähnliche Bewaffnung wie das Fußvolk des Pharao. Zusätzlich verwenden sie Speere, die früher nur für die Jagd verwendet waren.

Sie kamen auf Schiffen, und sie waren schnell. Bevor das Heer Aufstellung nehmen konnte, waren sie schon wieder weg. Wenn sie auf ein Heer stießen, griffen sie es nicht frontal, sondern an mehreren Stellen an. Unerhört! Sie brauchten nur ein Pferd treffen, und ein Streitwagen war außer Gefecht. Die schwer gepanzerten Wagenbesatzungen hatten gegen die flinken Angreifer kaum eine Chance.

Der Pharao war rechtzeitig gewarnt worden. Die Hauptstadt wurde in den Süden verlegt. Im Jahr 1177 vor Christus siegt Ramses III über die Seevölker. Er kam auf die geniale Idee, die Angreifer gar nicht erst landen zu lassen. Zwischen der Flotte des Pharao und den Bogenschützen an Land wurden die Angreifer aufgerieben.

Offensichtlich hat er nur einen Teil der Seevölker vernichtet, denn es wurde eine Vereinbarung eines Teils der Seevölker mit dem Pharao gefunden. Er siedelte sie in Kanaan an, das damals eine ägyptische Provinz war. Nachweislich hat er ihnen Getreide geschickt. Allmählich vermischten sie sich mit der örtlichen Bevölkerung.

Wo kamen die Seevölker her? Bearbeiten

Sicher ist, dass ein Teil von ihnen aus der Ägäis kam. Sie flohen vor dem Hunger. Ein Teil der Bewohner der überfallenen Gebiete hat sich angeschlossen, die wohl auch Hunger hatten. Vermutlich hatten sie auch arbeitslose Söldnern dabei. Nanu? Arbeitslose Söldner?

Jahrzehnte/Jahrhundertelang haben Ägypten und die Hethiter untereinander und mit anderen Nachbarn im Krieg gelegen. Das war eine verlässliche Einnahme- und Beutequelle. Nun hatten aber Ramses und Hattusili im Jahr 1259 v. Chr. einen Friedens- und Bündnispakt geschlossen, den ersten der bekannten Weltgeschichte. Jetzt verhielten sich auch die „alten Feinde“ ruhiger, um es nicht mit der geballten Macht der verbündeten Großmächten zu tun zu bekommen. Ägyptische Quellen sprechen von einer langen, friedlichen Periode. Das Heer wurde verkleinert. Wen hat wohl der Pharao zuerst entlassen? Das „eigene“ Fußvolk kostete ihm wenig. Je nach Bedarf konnte er seine Untertanen in die Dörfer zurückschicken und jederzeit erneut mobilisieren. Die Söldner aber waren teuer, sie wollte regelmäßig Sold und Beute. Was sollten die Entlassenen tun? Was hatten die Söldner gelernt, außer zu töten? In den alten Reichen ging alle Macht vom König aus. Nichts geschah ohne seinen Willen. Alles entschied der König. Diese Verwaltung ist straff, aber für ein Großreich nicht effizient. Vor allem ist diese Art der Verwaltung unflexibel, wenn man keine schnellen Kommunikationsmittel hat. Durch den Seevölkersturm wurden die alten, starren Großreiche hinweggefegt.

Anstelle der zerfallenen entstanden neue Königreiche: Phönizier, Assyrer und Griechen sind die Erben. Ein technologischer Aufschwung begann: Die Eisenzeit. Die Kriegsführung änderte sich: Gut bewaffnete Fußtruppen wurden zum Kern jedes Heeres. Mit den Stadtstaaten begann ein neuer Aufschwung. Die Diktatur der Könige war vorbei, die Demokratie wurde erfunden.