Zivilprozessrecht im 2. Staatsexamen: Das Mahnverfahren


Das gerichtliche Mahnverfahren, geregelt in den §§ 688 ff. ZPO, ist ein potentiell schneller und günstiger Weg, an einen Vollstreckungstitel zu gelangen und in der Praxis entsprechend wichtig.

Verjährungshemmende Wirkung

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Nach § 204 Nr. 3 BGB hemmt die Zustellung des Mahnbescheids die Verjährung. Dabei ist gleichgültig, ob der Mahnbescheid fehlerhaft oder unzulässig ist, es sei denn die Zustellung eines eigentlich unzulässigen Mahnbescheids wurde bewusst erschlichen.[1] Der geltend gemachte Anspruch muss aber so eindeutig individualisiert sein, dass der Empfänger weiß, was woraus gefordert wird. § 167 ZPO ist anwendbar.

Der Ablauf ist weitgehend automatisiert. Der Mahnantrag, der auch online gestellt werden kann, geht beim zuständigen Mahngericht ein. Der Antrag wird auf formelle Richtigkeit und Statthaftigkeit geprüft und anschließend ein Mahnbescheid gem. § 692 ZPO erlassen. Eine inhaltliche Prüfung des Anspruchs erfolgt nicht.

Der Mahnbescheid wird dem Schuldner dann nach § 693 ZPO förmlich zugestellt. Dieser kann daraufhin Widerspruch einlegen, § 694 ZPO. Tut er das nicht, ergeht frühestens zwei Wochen nach der Zustellung auf Antrag des Gläubigers beim Amtsgericht ein Vollstreckungsbescheid, § 699 ZPO. Dieser steht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten ersten Versäumnisurteil gleich. Der Gläubiger kann damit unmittelbar die Zwangsvollstreckung betreiben, wenn der Schuldner nicht einen gesonderten Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung stellt und diesem (in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung) stattgegeben wird. Wird kein Einspruch nach § 700 Abs. 1, § 338 ZPO eingelegt, wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig und dient gem. § 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO als Vollstreckungstitel.

Erhebt der Schuldner hingegen entweder Widerspruch gegen den Mahnbescheid oder Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid, wird das Verfahren (beim Widerspruch nur auf Antrag) an das für das streitige Verfahren zuständige Gericht abgegeben, es folgt ein normales Erkenntnisverfahren, beim Einspruch allerdings mit der vorgeschalteten Frage, ob der Einspruch zulässig war.

Behandlung im Urteil

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Das Mahnverfahren wird im Urteil nur insofern erwähnt, als es Auswirkungen auf die Entscheidung hatte.

Tatbestand

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Im Tatbestand muss das Mahnverfahren erwähnt werden, wenn der Kläger Zinsen ab dem Tag beantragt, an dem der Mahnantrag zugestellt wurde. Das Zustellungsdatum wird dann im Tatbestand in der Prozessgeschichte erwähnt. Um die Anträge verständlich zu machen muss außerdem gegebenenfalls erwähnt werden, dass der Beklagte nur gegen einen Teil der gemahnten Forderung Widerspruch eingelegt hat.

Liegt bereits ein Vollstreckungsbescheid vor, wird dieser im Urteil wie ein Versäumnisurteil behandelt. In der Prozessgeschichte wird vor den Anträgen berichtet, dass ein Vollstreckungsbescheid erlassen wurde, er dem Beklagten zugestellt wurde und der Einspruch des Beklagten eingegangen ist.

Tenorierung

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Die Tenorierung beim Verfahren nach Widerspruch ist identisch mit der im normalen Erkenntnisverfahren. Die Tenorierung beim Verfahren nach Einspruch erfolgt hingegen weitgehend wie beim Versäumnisurteil: Da mit dem Vollstreckungsbescheid bereits ein vollstreckbarer Titel vorliegt, wird nicht erneut die Zahlungsverpflichtung tenoriert, sondern nur das Schicksal des Vollstreckungsbescheids bestimmt.

War der Einspruch unzulässig oder der Schuldner im Einspruchstermin säumig, genügt es den Einspruch zu verwerfen:

"I. Der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg vom 6. Oktober 2012 wird verworfen."

Ist der Einspruch zulässig, wird der Vollstreckungsbescheid entweder aufgehoben und die Klage abgewiesen oder der Bescheid wird aufrechterhalten.

Entscheidungsgründe

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Liegt ein Einspruch vor, muss in den Entscheidungsgründen zunächst festgestellt und begründet werden, dass der Einspruch zulässig statthaft ist. Ansonsten ist das Mahnverfahren für die Entscheidungsgründe unerheblich.

Für Klausuren in denen aus Anwaltsperspektive beraten werden soll ist auch relevant, welche Kosten durch das Mahnverfahren entstehen. Nach § 12 Abs. 3 S. 1, S. 2 GKG, Nr. 1100 Anl. 1 zum GKG beträgt der Gerichtskostenvorschuss 0,5 Gebühren, die Anwaltsgebühren nach Nr. 3305 Anl. 1 zum RVG 1,0 Gebühren. Die bereits für das Mahnverfahren geleisteten Gebühren werden bei Übergang ins streitige Verfahren angerechnet.

Fußnoten

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  1. Bei bewusstem Erschleichen kann sich der Mahnende nach § 242 BGB nicht auf die Verjährungshemmung berufen, BGH NJW 2012, 995