Verwaltungsrecht in der Klausur/ § 2 Die Anfechtungsklage/ C. Begründetheit/ IV. Klausurrelevante Ermächtigungsgrundlagen und ihre Prüfung/ Ermächtigungsgrundlagen des Versammlungsrechts

§ 2 Die Anfechtungsklage

C. Begründetheit

IV. Klausurrelevante Ermächtigungsgrundlagen und ihre Prüfung

3. Ermächtigungsgrundlagen des Versammlungsrechts

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Sebastian Eickenjäger

1141 Das Versammlungsrecht ist eines der Kernrechtsgebiete des besonderen Verwaltungsrechts, in Studium und Examen stets klausurrelevant[1] und nicht zuletzt auch in der Praxis von erheblicher Bedeutung. In Theorie und Praxis stellen sich aktuell Herausforderungen z.B. im Hinblick auf Versammlungen im Rahmen von Großveranstaltungen (G 20), sog. „gemischten“ Veranstaltungen,[2] Versammlungen im privaten Raum[3] (Fraport) sowie hinsichtlich neuer Protestformen (Protestcamps,[4] Blockupy Proteste, Flash- und Smartmobs,[5] virtuelle Versammlungen[6] etc.). Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG in hohem Maße durch die Rechtsprechung des BVerfG geprägt wurde und zunehmend auch eine Überlagerung des nationalen Versammlungsrechts durch europäisches, internationales und transnationales Recht[7] zu beobachten ist. Seit die Länder durch die Föderalismusreform im Jahre 2006 die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Versammlungsrechts erlangt haben, sind zudem in Bayern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein Landesversammlungsgesetze neben das Bundesversammlungsgesetz (VersammlG) getreten, die teilweise Eingriffsbefugnisse neu regeln. In den Ländern, die bisher kein eigenes Landesversammlungsgesetz erlassen haben, gilt das Versammlungsgesetz des Bundes (VersammlG) gemäß Art. 125a I 1 GG als Bundesrecht fort.

1142 Die folgende Tabelle führt die Versammlungsgesetze des Bundes und der Länder auf:

Bund Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (VersammlG) vom 15. November 1978 (BGBl. I 1789), zuletzt geändert durch Art. 2 G vom 8. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2366)
Bayern Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) vom 22. Juli 2008 (GVBl. S. 421), ab 1.10.2008; zuletzt geändert durch § 1 ÄndG vom 23.11.2015 (GVBl. S. 410)
Niedersachsen Niedersächsisches Versammlungsgesetz (NdsVersG) vom 7. Oktober 2010 ab 1.2.2011 (Nds. GVBl. S. 465, ber. S. 532)
Sachsen Gesetz über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen (SächsVersG) vom 25. Januar 2012 (SächsGVBl. S. 54); zuletzt geändert durch Art. 4 ÄndG vom 17.12.2013 (SächsGBl. S. 890)
Sachsen-Anhalt Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt über Versammlungen und Aufzüge (VersG LSA) vom 3. Dezember 2009 (GVBl. LSA S. 558), ab 12.12.2009
Schleswig-Holstein Versammlungsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (VersFG SH) vom 18. Juni 2015 (GVOBl. Schlesw.-H. 135)

a) Versammlungsrecht in der Klausurbearbeitung Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1143 In der Klausur wird es sich regelmäßig um Anfechtungssituationen im Hinblick auf Maßnahmen gegen (geplante) Versammlungen handeln. Da die Maßnahmen nach dem Versammlungsrecht typischerweise als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind, ist damit im Grundsatz die Anfechtungsklage statthaft.

1144 In Abwandlung der Grundkonstellation der Anfechtungsklage treffen Studierende zudem auf die Konstellation, dass eine geplante Versammlung unmittelbar bevorsteht. Hier ist oftmals ein Antrag auf Eilrechtsschutz nach § 80 V VwGO, gerichtet auf die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs, gegen sofort vollziehbare Maßnahmen zu prüfen (zum Antrag nach § 80 V VwGO § 8).

1145 Außerdem ist in der Klausur häufig die Fortsetzungsfeststellungklage statthaft, etwa wenn es um bereits erledigte Maßnahmen im Rahmen einer Versammlung oder um eine Auflösung der Versammlung geht. Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse wird hierbei regelmäßig aufgrund schwerwiegender Eingriffe in Art. 8 GG, eines bestehenden Rehabilitationsinteresses oder aufgrund bestehender Wiederholungsgefahr gegeben sein (zur Fortsetzungsfeststellungsklage § 4).

1146 Die Feststellungsklage nach § 43 I VwGO ist im Rahmen des Versammlungsrechts etwa bzgl. der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Erhebung und Verarbeitung von Daten einschlägig.[8] An einem anfechtbaren Verwaltungsakt fehlt es auch bei den in Klausuren immer wieder relevanten Gefährder*innenansprachen (s. hierzu auch Rn. 224 f. und 1003 (Polizeirecht)), mit denen einzelnen Personen empfohlen wird, von Veranstaltungen fernzubleiben und zugleich mitgeteilt wird, dass ihnen gegenüber ansonsten Maßnahmen nach dem Polizei- oder Versammlungsrecht vorgenommen werden, soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen (zur Feststellungsklage näher § 6).

1147 Examenswissen: Entsprechende Anschreiben oder Ansprachen enthalten hinweisende Elemente (Mitteilung des Kenntnisstandes der Behörde bezüglich der betreffenden Person), empfehlende Elemente (den Hinweis, bestimmte Dinge zu tun bzw. zu unterlassen) und auch warnende Elemente (es drohen bestimmte behördliche Maßnahmen, wenn die Person nicht wie empfohlen handelt), geben jedoch kein Tun, Dulden oder Unterlassen rechtsverbindlich auf. Da die Ansprachen damit nicht darauf gerichtet sind, eine verbindliche Rechtsfolge festzusetzen und es mithin an einer Regelung im Sinne des § 35 1 VwVfG fehlt, sind sie nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Die statthafte Klageart wäre somit entweder die allgemeine Leistungsklage (wenn die Ansprache oder ein Anschreiben für gegenstandslos erklärt werden soll) oder die Feststellungsklage (wenn festgestellt werden soll, dass die Behörde nicht berechtigt war, eine entsprechende Ansprache vorzunehmen oder ein entsprechendes Schreiben aufzusetzen) (zur allgemeinen Leistungsklage näher § 5).

1148 Die genannten Klausurkonstellationen setzen jeweils voraus, dass die zentralen Eingriffsgrundlagen des Versammlungsrechts geprüft werden können. Im Folgenden werden daher die für die Fallbearbeitung wichtigsten Eingriffsgrundlagen vorgestellt. Hierbei werden zwei Unterscheidungen vorgenommen: Zum einen zwischen Ermächtigungsgrundlagen für Eingriffe in Versammlungen unter freiem Himmel und Versammlungen in geschlossenen Räumen und zum anderen zwischen den Eingriffsbefugnissen nach dem Bundesversammlungsgesetz (VersammlG) und den Landesversammlungsgesetzen.

b) Ermächtigungsgrundlagen Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1149 Bevor in der Klausur Eingriffsgrundlagen des Versammlungsrechts (hierzu unten dd) herangezogen werden, ist zunächst (zumindest gedanklich) zu prüfen, ob der Anwendungsbereich der Versammlungsgesetze des Bundes und der Länder überhaupt eröffnet ist. Dies kann verneint werden, wenn keine Versammlung im Sinne der jeweiligen Versammlungsgesetze vorliegt (aa), wenn das jeweilige Versammlungsgesetz nur auf öffentliche Versammlungen Anwendung findet, es sich jedoch um eine nichtöffentliche Versammlung handelt (bb), und zuletzt, wenn ausnahmsweise die Sperrwirkung des Versammlungsrechts (sogenannte Polizeirechtsfestigkeit des Versammlungsrechts, s. dazu auch Rn. 1037 ff.) nicht greift (cc).

aa) Versammlungsbegriffe der Versammlungsgesetze Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1150 Zunächst zu der Frage, wann eine Veranstaltung nach den der Versammlungsgesetze jeweils zugrundeliegenden Versammlungsbegriffen als Versammlung zu qualifizieren ist:

1151 Das Bundesversammlungsgesetz sieht keine Definition des Begriffs der Versammlung vor. In der Literatur besteht deshalb Uneinigkeit bzgl. der Frage, ob zwischen dem Begriff des § 1 VersammlG und dem des Art. 8 I GG zu unterscheiden oder von einem einheitlichen Versammlungsbegriff auszugehen ist.[9] Eine Unterscheidung ist jedenfalls dort vorzunehmen, wo der Schutzbereich des Art. 8 I GG und der Regelungsbereich des VersammlG auseinanderfallen.[10] Zu beachten ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass Art. 8 I GG die Versammlungsfreiheit dem Wortlaut nach als Bürgerrecht vorsieht,[11] nach § 1 I VersammlG jedoch „jedermann“ berechtigt ist. Außerdem schützt Art. 8 I GG öffentliche wie nichtöffentliche Versammlungen, während das VersammlG gemäß § 1 I grds. nur öffentliche Versammlungen umfasst (s. hierzu Rn. 1157 f.). Schließlich sind vom VersammlG auch unfriedliche Versammlungen umfasst, obwohl diese vom Schutzbereich des Art. 8 I GG ausgeschlossen sind.[12]

1152 Von diesen Unterschieden abgesehen ist auf den Versammlungsbegriff des Art. 8 I GG in der Ausprägung durch die Rechtsprechung des BVerfG abzustellen, wonach es sich bei Zusammenkünften mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung um eine Versammlung handelt.[13] In der Literatur besteht im Hinblick auf diese Definition Uneinigkeit darüber, welche Mindestteilnehmer*innenzahl gegeben sein muss und welche materiellen Anforderungen an den Zweck einer Veranstaltung zu stellen sind.

1153 Bzgl. der erforderlichen Anzahl der Teilnehmer*innen geht die h.M. von einer Mindestanzahl von zwei Personen aus, während andere mindestens drei[14] oder – mit Verweis auf die Mindestpersonenzahl für die Gründung von Vereinen – sieben Personen fordern.[15]

1154 Im Hinblick auf die Anforderungen an den Zweck einer Veranstaltung besteht Einigkeit darüber, dass bloße Ansammlungen mangels innerer Verbindung nicht von der Versammlungsfreiheit geschützt werden. Davon abgesehen werden ein enger und ein weiter Versammlungsbegriff vertreten. Der weite Versammlungsbegriff will eine Öffnung zugunsten von unpolitischen und privaten Formen des sich-versammelns umfassen, so dass auch ausschließlich genussorientierte Sport- und Musikveranstaltungen umfasst wären, solange kollektive Öffentlichkeit besteht.[16] Der enge Versammlungsbegriff, zu dem wohl auch das BVerfG tendiert,[17] verlangt, dass über das bloße Sich-Versammeln hinaus eine Meinungskundgabe erfolgen muss, die das Ziel hat, auf die Öffentlichkeit einzuwirken.[18]

1155 Examenswissen: Der EGMR hat zuletzt ausdrücklich davon abgesehen, den Versammlungsbegriff (des Art. 11 I EMRK) zu definieren oder Kriterien zur Bestimmung festzulegen, um die Gefahr einer restriktiven Interpretation zu vermeiden.[19] Im Anschluss daran wird in der Literatur für einen offenen Versammlungsbegriff plädiert, der sich von formellen (insbesondere körperliche Anwesenheit oder Mindestteilnehmer*innenzahl) und materiellen (bestimmter Zweck der Meinungsbildung) Kriterien freimacht und das Vorliegen einer Versammlung bejaht, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Versammlung der kommunikativen Entfaltung in der Öffentlichkeit dient und es sich um einen Beitrag zur demokratischen Öffentlichkeit handelt.[20]

1156 Die Versammlungsgesetze Bayerns, Niedersachsens, Sachsens und Schleswig-Holsteins haben den engen Versammlungsbegriff des BVerfG übernommen.[21] In § 2 I VersFG SH wurde eine Mindestteilnehmer*innenzahl von drei Personen und in Art. 2 I BayVersG, § 2 NdsVersG sowie § 1 III SächsVersG von zwei Personen bestimmt. § 1 VersG LSA ist wortgleich mit § 1 VersammlG, womit diesbezüglich auf die Ausführungen zum Bundesversammlungsgesetz verwiesen werden kann.

bb) Öffentliche und nichtöffentliche Versammlungen Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1157 Die Versammlungsgesetze des Bundes und der Länder beantworten die Frage, ob sie sowohl auf öffentliche als auch auf nichtöffentliche Versammlungen anwendbar sind oder nicht, ganz unterschiedlich.

1158 Bzgl. des VersammlG – dessen Eingriffsbefugnisse nicht auf nichtöffentliche Versammlungen anzuwenden sind – geht eine Ansicht davon aus, dass die Bestimmungen des VersammlG analog anzuwenden sind.[22] Hierfür spreche insbesondere, dass es sinn- und systemwidrig wäre, wenn die nichtöffentliche Versammlung – die weniger gefährdet und gefährlich sei als die öffentliche Versammlung – auf der Grundlage des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts leichter eingeschränkt werden dürfte als eine öffentliche auf der Grundlage des Versammlungsrechts. Eine andere Ansicht geht von der Anwendbarkeit des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts aus mit der Maßgabe, dass eine „verfassungsorientierte Interpretation“ der Ermächtigungsgrundlagen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts vorzunehmen sei, im Rahmen derer der besonderen Bedeutung des Art. 8 GG Rechnung zu tragen sei.[23]

1159 Für das BayVersG gilt, dass dieses ausdrücklich gemäß Art. 2 III BayVersG im Hinblick auf die hier relevanten Eingriffsbefugnisse nur auf öffentliche Versammlungen Anwendung findet. Die Versammlungsgesetze in Sachsen (SächsVersG) und Sachsen-Anhalt (VersG LSA) beschränken sich ebenfalls (wie das VersammlG) auf öffentliche Versammlungen. Da hier eine analoge Anwendung des jeweiligen Landesversammlungsgesetzes offensichtlich mangels planwidriger Regelungslücke ausscheidet, kann in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt gegenüber nichtöffentlichen Versammlungen auf die allgemeinen Befugnisse nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht zurückgegriffen werden.[24] Da auch nichtöffentliche Versammlungen in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fallen, sind hierbei jedoch stets die strengen Anforderungen des Art. 8 GG zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf nichtöffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen, bei denen ein Einschreiten nur bei Verstößen gegen das Waffenverbot, den Friedlichkeitsgrundsatz und zum Schutz gleichgewichtiger Verfassungsgüter zulässig ist.[25]

1160 Anders verhält es sich beim NdsVersG, das gleichermaßen auf öffentliche und nichtöffentliche Versammlungen Anwendung findet und deshalb grds. Sperrwirkung gegenüber dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht entfaltet.[26] Das VersFG SH gilt grds. genauso wie das NdsVersG gemäß §§ 1 I und 2 III VersFG SH für öffentliche wie für nichtöffentliche Versammlungen.

1161 Folgende Tabelle stellt die vorherigen Ausführungen überblicksartig dar:

Im Geltungsbereich der folgenden Versammlungsgesetze ... ... auf nichtöffentliche Versammlungen anwendbares Recht.
VersammlG

E.A.: analoge Anwendung VersammlG

A.A.: verfassungskonform interpretierte Bestimmungen des allgemeinen Polizeirechts

BayVersG Verfassungskonform interpretierte Bestimmungen BayPAG
NdsVersG NdsVersG
SächsVersG Verfassungskonform interpretierte Bestimmungen SächsPolG
VersG LSA Verfassungskonform interpretierte Bestimmungen SOG LSA
VersFG SH VersFG SH

cc) Polizeirechtsfestigkeit des Versammlungsrechts Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1162 Die Formel der Polizeirechtsfestigkeit des Versammlungsrechts (hierzu auch Rn. 1037 ff.) beschreibt die Abgrenzung des Versammlungsrechts (als lex specialis) vom allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht (als lex generali) und dient dem besonderen Schutz der in Art. 8 I GG garantierten Versammlungsfreiheit.[27] In Versammlungen soll grds. nur nach Maßgabe der strengen Vorgaben des Versammlungsrechts eingegriffen werden können. Zudem zeichnen sich die Steuerungskonzepte der Bundes- und Landesversammlungsgesetze dadurch aus, dass sie Veranstalter*innen und Leitung in hohem Maße die Verantwortung für die Einhaltung des gesetzlichen Rahmens der Versammlungsfreiheit übertragen.[28] Insofern dient die „Sperrwirkung“ des Versammlungsrechts auch der Sicherstellung der „Autonomie“ der Versammlung. Der Rückgriff auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit ist daher nur zulässig, wenn die Versammlungsgesetze selbst keine abschließenden Regelungen enthalten.

1163 Im Vorfeld der Versammlung entfalten die Bestimmungen der Versammlungsgesetze gegenüber der Gesamtversammlung mangels Regelungslücke vollumfänglich Sperrwirkung. Ein Rückgriff auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht ist jedoch ausnahmsweise zulässig, soweit es sich um Maßnahmen gegenüber einzelnen Teilnehmer*innen handelt.[29] Hierzu zählen etwa Gefährder*innenansprachen, Meldeauflagen, Personenkontrollen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen sowie Teilnahmeuntersagungen. Das Bundesversammlungsgesetz sieht hierfür keine Ermächtigungsgrundlagen vor. Und da es der Versammlung (bzw. den Veranstalter*innen und der Leitung) auch an organisatorischen Möglichkeiten und der nötigen Infrastruktur fehlt, um selbst (d.h. autonom) im Hinblick auf anreisende Teilnehmer*innen für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu sorgen, können die Behörden hier ausnahmsweise auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht zurückgreifen.[30] Zu beachten ist jedoch, dass manche Landesversammlungsgesetze solche „Vorfeldmaßnahmen“ gegenüber einzelnen Teilnehmer*innen teilweise bereits gesetzlich geregelt haben (s. hierzu Rn. 1086 ff. und 1204 ff.).

1164 Während der Versammlung können die Behörden nach der h.M. vermittelt über § 15 I VersammlG bzw. § 13 I 2 VersammlG Eingriffe auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht stützen, wenn hierdurch die eingriffsintensive Auflösung vermieden werden kann.[31] Als so genannte „Minusmaßnahmen“ (hierzu Rn. 1218 ff.) kommen etwa die Sicherstellung gefährlicher Gegenstände, der Austausch von Leiter*innen und Ordner*innen, der Ausschluss von Teilnehmer*innen sowie das Verbot der Verwendung einzelner strafrechtlich relevanter Musikstücke oder Plakate in Betracht. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass mittlerweile manche Landesversammlungsgesetze entsprechende Minusmaßnahmen ausdrücklich geregelt haben (hierzu Rn. 1186 ff. und 1204 ff.).

1165 Die h.M. in der Literatur und Rechtsprechung geht zudem davon aus, dass – entgegen der Sperrwirkung bzw. der Polizeirechtsfestigkeit des Versammlungsrechts – bzgl. „nicht versammlungsspezifischer Gefahren“ (etwa bau-, feuer-, oder gesundheitspolizeilicher Art) auf die Regelungen des allgemeinen Polizeirechts zurückgegriffen werden kann.[32]

1166 Examenswissen: In diesem Zusammenhang von Bedeutung ist insbesondere das Urteil des VGH Mannheim zur Auflösung eines in geschlossenen Räumen abgehaltenen Konzerts einer rechtsextremistischen Skinhead-Band auf der Grundlage der polizeilichen Generalklausel aus feuerpolizeilichen Gründen zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer*innen.[33] Die Entscheidung steht stellvertretend für Eingriffe aufgrund des Polizei- und Ordnungsrechts – egal ob Verbot oder Auflösung – aufgrund nicht versammlungsspezifischer Gefahren.

1167 Mit der Beendigung einer Versammlung und nach einer Auflösung der Versammlung entfällt auch der Vorrang der Versammlungsgesetze.[34] Auflösungen können dann durch die Behörden etwa mit Platzverweisen nach Maßgabe des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts durchgesetzt werden.

1168 Zu beachten ist jedoch, dass auch bei Vorfeldmaßnahmen, Minusmaßnahmen und Maßnahmen gegenüber Teilnehmer*innen im Rahmen der Abreise von der Versammlung der Schutz aus Art. 8 I GG greift und etwaige Maßnahmen auf der Grundlage des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 I GG genügen müssen. In diesem Sinne darf z.B. die Anreise nicht durch Kontrollen unzumutbar erschwert und das Recht auf einen geordneten Abzug nach Beendigung oder Auflösung der Versammlung nicht beeinträchtigt werden.[35]

dd) Die einzelnen Ermächtigungsgrundlagen der Versammlungsgesetze Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1169 Für die Beschränkung von Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen sehen die Versammlungsgesetze des Bundes und der Länder eine Reihe von Eingriffsbefugnissen vor. Die wichtigsten Eingriffsmöglichkeiten stellen dabei Verbote, Beschränkungen (Auflagen) und die Auflösung dar. Darüber hinaus von Relevanz sind insbesondere die Ermächtigungen zu Maßnahmen gegenüber einzelnen Teilnehmer*innen.

1170 In den folgenden zwei Tabellen werden die zentralen Ermächtigungsgrundlagen bzgl. Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen aufgeführt. Unter „d) Materielle Rechtmäßigkeit“ (Rn. 1177) erfolgt sodann eine systematische Darstellung der Ermächtigungsgrundlagen im Hinblick auf ihre materiell-rechtlichen Voraussetzungen.

1171 Die wichtigsten Eingriffsbefugnisse (Beschränkungen, Verbot und Auflösung) zu Versammlungen unter freiem Himmel im Überblick:

Versammlungsgesetze Maßnahmen
VersammlG

Beschränkungen: § 15 I

Verbot: § 15 I

Auflösung: § 15 III

BayVersG

Beschränkungen: Art. 15 I und IV

Verbot: Art. 15 I

Auflösung: Art. 14 IV

NdsVersG

Beschränkungen: § 8 I und IV

Verbot: § 8 II 1 und IV

Auflösung: § 8 II

SächsVersG

Beschränkungen: § 15 I

Verbot: § 15 I

Auflösung: § 15 III

VersG LSA

Beschränkungen: § 13 I

Verbot: § 13 I

Auflösung: § 13 IV

VersFG SH

Beschränkungen: § 13 I

Verbot: § 13 I

Auflösung: § 13 I

1172 Die wichtigsten Eingriffsbefugnisse zu Versammlungen in geschlossenen Räumen im Überblick:

Versammlungsgesetz Maßnahmen
VersammlG

Verbot: § 5

Auflösung: § 13

BayVersG

Verbot: Art. 12 I

Auflösung: Art. 12 II

Beschränkungen: Art. 12

NdsVersG

Verbot: § 14 II 1

Auflösung: § 14 II 1

Beschränkungen: § 14 I

Besondere Maßnahmen (gegenüber einzelnen Personen): § 15

SächsVersG

Verbot: § 4

Auflösung: § 13

VersG LSA

Verbot: § 4

Auflösung: § 11

VersFG SH

Verbot: § 20 I

Auflösung: § 20 I

Beschränkungen: § 20 I

Maßnahmen gegenüber einzelnen Personen: § 9 I und II i.V.m. § 20 I

c) Formelle Rechtmäßigkeit Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1173 Die Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit gliedert sich in die Prüfungspunkte Zuständigkeit, Verfahren und Form (zur Prüfung im Allgemeinen ausführlich Rn. 579 ff.). Folgende versammlungsrechtliche Besonderheiten bestehen:

aa) Zuständigkeit Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1174 Die Zuständigkeiten für die dargestellten Eingriffsbefugnisse ergeben sich aus landesrechtlichen Bestimmungen und stellen sich danach in den einzelnen Bundesländern wie folgt dar:[36]

Bundesland Landesrechtliche Bestimmungen Zuständige Behörden
Baden-Württemberg Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz (VersGZuVO) v. 25.5.1977 (GBl. 196), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO vom 17.12.2008 (GBl. 2009 S. 5)
  • gem. § 1 I die Kreispolizeibehörden als untere Verwaltungsbehörden (also nach § 15 I Nr. 1 VwG BW in den Landkreisen die Landratsämter, in den Stadtkreisen gem. § 15 I Nr. 2 VwG BW die Gemeinden)
  • bei Maßnahmen „der Polizei“ (§§ 9 II, 12, 12a, 13 I, 18, 19 IV, 19a VersammlG): Polizeivollzugsdienst
Bayern Art. 24 BayVersG
  • II S. 1: Kreisverwaltungsbehörden (gem. Art. 37 I 1 LKrO das Landratsamt bzw. nach Art. 9 I 1 GO die kreisfreie Gemeinde)
  • II S. 2: ab Beginn der Versammlung und in unaufschiebbaren Fällen kann auch die Polizei (Polizeivollzugsdienst) Maßnahmen treffen
Berlin

Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin

(Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz – ASOG Bln) in der Fassung v. 11.10.2006 (GVBl. S. 930), zuletzt geändert durch Art. 5 G zur Umsetzung der Seveso-III-RL und zur Änd. zuständigkeitsrechtlicher Vorschriften v. 16.3.2018 (GVBl. 186)

  • gem. § 2 IV 1 i.V.m. Nr. 23 II der Anlage: Polizeipräsident*in Berlin
Brandenburg Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz (ZustVO VersamG), v. 29.10.1991 (GVBl. S. 470), zuletzt geändert durch Art. 2 G zur Ersetzung von § 16 des VersammlungsG v. 26.10.2006 (GVBl. I 114)
  • gem. § 1: Polizeipräsidium (in Potsdam)
  • bei Maßnahmen „der Polizei“ (§§ 9 II, 12, 12a, 13 I, 18, 19 IV, 19a VersammlG): Polizeivollzugsdienst
Bremen

Verordnung über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden nach dem Versammlungsgesetz v. 9.2.1993

(Brem.GBl. S. 63), zuletzt geändert durch Nr. 2.3 i.V.m. Anl. 3 und Nr. 2.4 i.V.m. Anl. 4 ÄndBek. V. 2.8.2016 (Brem.GBl. S. 434)

  • gem. § 1 I für Maßnahmen nach §§ 14 I, 15 I, 17a III und IV, 18 II VersammlG[37] die Ortspolizeibehörden (gem. §§ 65 I Nr. 2, 67 II BremPolG in der Stadtgemeinde Bremen das Ordnungsamt und in der Stadtgemeinde Bremerhaven der Oberbürgermeister als Vertreter des Magistrats)
  • bei Maßnahmen „der Polizei“ (§§ 9 II, 12, 12a, 13 I, 18, 19 IV, 19a VersammlG) sowie Maßnahmen nach § 15 III und IV VersammlG[38]: Polizeivollzugsdienst
Hamburg Anordnung über Zuständigkeiten im Versammlungsrecht und öffentlichen Vereinsrecht v. 10.12.1968 (Amtl. Anz. 1968, 1513), zuletzt geändert durch Artikel 37 der Anordnung v. 26.10.2010 (Amtl. Anz. S. 2129, 2132)
  • gem. Nr. I Abs. 1 Nr. 1 die Behörde für Inneres und Sport
  • bei Maßnahmen „der Polizei“ (§§ 9 II, 12, 12a, 13 I, 18, 19 IV, 19a VersammlG): Polizeivollzugsdienst
Hessen Verordnung zur Durchführung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und des Hessischen Freiwilligen-Polizeidienst-Gesetzes (HSOG-DVO) vom 12.6.2007 (GVBl. I S. 323), zuletzt geändert durch Art. 1 Vierte ÄndVO v. 23.10.2012 (GVBl. S. 326)
  • gem. § 1 1 Nr. 2: allgemeine Ordnungsbehörden
  • Gemeinde mit weniger als 7.500 Einwohner*innen: Kreisordnungsbehörde (also die/der Landrät*in)
  • bei Maßnahmen „der Polizei“ (§§ 9 II, 12, 12a, 13 I, 18, 19 IV, 19a VersammlG): Polizeivollzugsdienst
Mecklenburg-Vorpommern Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz (VersG-ZustVO) v. 21.7.1994 (GVOBl. M-V S. 804), zuletzt geändert durch Erste ÄndVO vom 19.1.2007 (GVOBl. M-V S. 30)
  • gem. § 2 die Landrät*innen und die Oberbürgermeister*innen der kreisfreien Städte als Kreisordnungsbehörden
  • bei Maßnahmen „der Polizei“ (§§ 9 II, 12, 12a, 13 I, 18, 19 IV, 19a VersammlG): Polizeivollzugsdienst
Niedersachsen § 24 NdsVersG

vor Versammlungsbeginn (I 1 Nr. 1): untere Versammlungsbehörde (Landkreise, kreisfreien Städte, großen selbständigen Städte und selbständigen Gemeinden wahr, auf dem Gebiet der Landeshauptstadt Hannover die Polizeidirektion Hannover)

nach Versammlungsbeginn (I 1 Nr. 2): die Polizei (Polizeivollzugsdienst)

Nordrhein-Westfalen

Verordnung über Zuständigkeiten

nach dem Versammlungsgesetz v. 2.2.1987 (GV. NRW. S. 62), zuletzt geändert durch Verordnung v. 9.9.2014 (GV. NRW. S. 500)

  • gem. § 1: Kreispolizeibehörden (gem. gem. § 2 I POG NRW die Polizeipräsidien der kreisfreien Städte und die Landrät*innen, soweit das Kreisgebiet zu einem Polizeibezirk erklärt wurde)
Rheinland-Pfalz Landesverordnung über die Zuständigkeit der allgemeinen Ordnungsbehörden in der Fassung v. 31.10.1978 (GVBl. S. 695), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Zweiten Landesgesetzes zur Kommunal- und Verwaltungsreform vom 28.9. 2010 (GVBl. 2010 S. 280)
  • gemäß §§ 1, 2 Nr. 9 die Kreisordnungsbehörde (in den Landkreisen die Kreisverwaltungen und in kreisfreien Städten die Stadtverwaltungen);

in der großen kreisangehörigen Stadt: Stadtverwaltung (§ 1 Nr. 9 HS 2)

  • bei Maßnahmen „der Polizei“ (§§ 9 II, 12, 12a, 13 I, 18, 19 IV, 19a VersammlG): Polizeipräsidien
Saarland Verordnung zur Übertragung und Änderung von Zuständigkeiten v. 17.9.1991 (Amtsblatt 1991, 1066), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 21.11.2007 (Amtsbl. S. 2393)
  • gem. § 1 1: die Landkreise, der Regionalverband Saarbrücken, die Landeshauptstadt Saarbrücken und die kreisfreien Städte
  • bei Maßnahmen „der Polizei“ (§§ 9 II, 12, 12a, 13 I, 18, 19 IV, 19a VersammlG): Polizeivollzugsdienst
Sachsen § 32 SächsVersG
  • gem. Abs. 1: Kreispolizeibehörden (nach § 64 I Nr. 3 SächsPolG die Landratsämter und die Kreisfreien Städte)
  • für die in Abs. 2 genannten Maßnahmen: Polizeivollzugsdienst
Sachsen-Anhalt

Verordnung über die Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr (ZustVO SOG)

vom 31.7.2002 (GVBl. LSA S. 328), zuletzt geändert durch Art. 3 Zweite Polizeistrukturreformrerordnung v. 18.12.2018 (GVBl. LSA S. 443).

  • gem. § 1 I Nr. 1 Landkreise bzw. die kreisfreie Stadt Dessau-Roßlau; in Halle und Magdeburg: gem. § 1 I Nr. 2 die Polizeidirektion
  • bei Maßnahmen „der Polizei“ (§§ 11 I, 16 Abs. 3, 17 IV, 18 I VersammlG LSA): Polizeivollzugsdienst
Schleswig-Holstein § 27 VersFG SH
  • gemäß Abs. 1 für Versammlungen unter freiem Himmel: Landrät*innen und die Bürgermeister*innen der kreisfreien Städte als Kreisordnungsbehörden
  • gemäß Abs. 2 für Versammlungen in geschlossenen Räumen: Bürgermeister*innen der amtsfreien Gemeinden, die/der Amtsdirektor*in, in ehrenamtlich verwalteten Ämtern die/der Amtsvorsteher*in
Thüringen Thüringer Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des Innenministeriums v. 15.4.2008 (GVBl. 2008, 102), zuletzt geändert durch Verordnung v. 8.10.2013 (GVBl. S. 311)
  • gem. § 15 I InMinZustV TH grundsätzlich die Landkreise oder die kreisfreien Städte
  • bei Maßnahmen „der Polizei“ (§§ 9 II, 12, 12a, 13 I, 18, 19 IV, 19a VersammlG): Polizeivollzugsdienst

bb) Verfahren und Form Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1175 Vor dem Erlass beschränkender Maßnahmen sind die Beteiligten anzuhören (§ 28 I VwVfG) soweit nicht ein Fall des § 28 II VwVfG (bei Maßnahmen im Rahmen von laufenden Versammlungen insbesondere Gefahr im Verzug gemäß § 28 II Nr. 1 VwVfG) vorliegt. Die Anhörung erfolgt oftmals im Rahmen eines sogenannten Kooperationsgesprächs,[39] dessen Durchführung in Landesversammlungsgesetze teilweise ausdrücklich geregelt ist (s. § 3 III VersFG SH, Art. 14 I 1 BayVersG sowie § 6 NdsVersG).

1176 Beschränkungen nach § 15 I und II VersammlG sowie §§ 5 und 13 VersammlG können grds. mündlich oder schriftlich ergehen (§ 37 II VwVfG); mündliche Verwaltungsakte sind gemäß § 37 I 2 VwVfG schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der_die Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein schriftlicher sowie ein schriftlich bestätigter Verwaltungsakt ist gemäß § 39 I 1 VwVfG mit einer Begründung zu versehen. Verfügungen nach § 13 VersammlG sind im Hinblick auf dessen Wortlaut („unter Angabe eines Grundes“) auch dann zu begründen, wenn sie mündlich erfolgen. Diese Anforderungen sind aufgrund der höheren Eingriffsintensität eines präventiven Verbots analog auf mündliche Verbote nach § 5 VersammlG zu übertragen.[40] Verfügungen sind zudem gemäß § 41 VwVfG bekannt zu geben.

d) Materielle Rechtmäßigkeit Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1177 Bei der Prüfung der Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage ist wiederum danach zu differenzieren, ob es sich um eine Versammlung unter freiem Himmel oder in geschlossenen Räumen handelt.

aa) Versammlungen unter freiem Himmel Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1178 Bei Versammlungen unter freiem Himmel muss weiter differenziert werden, ob das VersammlG des Bundes oder ein Landesversammlungsgesetz einschlägig ist.

(1) VersammlG des Bundes Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1179 Für die Beschränkung von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel sieht das VersammlG des Bundes verschiedene Eingriffsbefugnissen vor, von denen die wichtigsten die Verbote und Beschränkungen (Auflagen) nach § 15 I VersammlG und die Auflösung nach § 15 III VersammlG darstellen. § 15 I VersammlG bestimmt für das Verbot und die Erteilung von Auflagen, dass diese nur zulässig sind, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. § 15 II VersammlG ermöglicht ein Verbot oder die Erteilung von Auflagen für Versammlungen an Orten, die als Gedenkstätten von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnern. Die Auflösung nach § 15 III VersammlG ist zulässig, wenn Versammlungen nicht angemeldet sind, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwidergehandelt wird, oder wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot gegeben sind.

1180 Gemäß Art. 8 II GG stehen Versammlungen unter freiem Himmel zwar unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Das BVerfG verlangt seit der Brokdorf-Entscheidung jedoch, dass aufgrund der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für das Funktionieren der demokratischen Grundordnung die Auflösung und das Verbot nur zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und nur bei einer unmittelbaren, aus erkennbaren Umständen herleitbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter erfolgen dürfen.[41]

1181 Bzgl. der Anforderungen an beschränkende Maßnahmen ergibt sich aus der Rechtsprechung des BVerfG, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit grds. dann gegeben ist, wenn eine strafbare Verletzung der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter Dritter oder der Veranstaltungen des Staates und seiner Einrichtungen droht.[42] Die Rechtsgüter müssen dabei indes zum einen gleichwertig sein und zum anderen müssen die Versammlungsbehörden Maßnahmen auf das beschränken, was zum Schutze der Rechtsgüter erforderlich ist.[43]

1182 Dem Begriff der öffentlichen Ordnung kommt im Versammlungsrecht eine „Reservefunktion“ zu, um unvorhergesehenen und unerträglichen Störungen des öffentlichen Friedens begegnen zu können.[44] Öffentliche Ordnung meint dabei die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird.[45] Zu beachten ist, dass die öffentliche Ordnung regelmäßig nur zur Rechtfertigung von Auflagen herangezogen werden kann, da Verbote und Auflösungen im Wesentlichen nur zum Schutz elementarer Rechtsgüter in Betracht kommen.[46]

1183 Examenswissen: In der Praxis wurde die öffentliche Ordnung bisher insbesondere gegenüber rechtsextremen Versammlungen in Anschlag gebracht.[47] Das BVerfG ist dieser Rechtsprechung jedoch damit entgegengetreten, dass zur Abwehr von kommunikativen Angriffen auf Schutzgüter der Verfassung nur auf bereits geschaffene Strafrechtsnormen rekurriert werden darf und deshalb ein Rückgriff auf die in § 15 I VersammlG enthaltene Ermächtigung zum Schutz der öffentlichen Ordnung ausscheidet, soweit kein Straftatbestand erfüllt ist.[48] Die Versammlungsbehörden können gegenüber Versammlungen wegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung deshalb nur dann einschreiten, wenn – über die Gefahr der Verwirklichung von Straftaten durch das Verbreiten nationalsozialistischen Gedankenguts hinaus – provokative oder aggressive Begleitumstände zu befürchten sind, von denen im konkreten Fall eine Einschüchterung der Bevölkerung sowie ein Klima der Gewaltdemonstration bzw. potentielle Gewaltbereitschaft ausgeht.[49] Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn Personen uniformiert, mit bestimmten Gegenständen (Landsknechtstrommeln, Fahnen, Fackeln etc.) oder in Marschordnung in paramilitärischer Art und Weise auftreten.[50]

1184 Eine unmittelbare Gefährdung nach § 15 I und III VersammlG setzt laut BVerfG eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen führt.[51] Auch bei der Gefahrenprognose müssen die Versammlungsbehörden die Bedeutung der Versammlungsfreiheit berücksichtigen. Hieraus folgt, dass als Grundlage der Gefahrenprognose nur konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte zugrunde gelegt werden können und bloße Vermutungen damit nicht ausreichen.[52]

1185 Über die Befugnisse des § 15 I und III VersammlG hinaus sieht das VersammlG weitere Eingriffsmöglichkeiten vor. Zu nennen sind hier die Ermächtigung zur Durchsetzung des Schutzwaffen- und Vermummungsverbots nach § 17a IV VersammlG[53], zur Entsendung von Polizeibeamt*innen aus § 18 I i.V.m. § 12 VersammlG[54], zum Ausschluss von Teilnehmer*innen (bei Aufzügen) gemäß §§ 18 III und 19 IV VersammlG[55] und zur Vornahme von Bild- und Tonaufzeichnungen nach §§ 19a i.V.m. 12a VersammlG[56].

(2) Landesversammlungsgesetze Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1186 Das BayVersG regelt in Art. 15 entsprechend der Regelung in § 15 VersammlG Beschränkung, Verbot und Auflösung von Versammlungen (Abs. 1 bis 4). In Art. 15 V BayVersG findet sich eine Ermächtigung zum Ausschluss von Störer*innen (vgl. § 18 VersammlG).

1187 Die zentrale Eingriffsnorm im NdsVersG stellt § 8 dar. Hier sind Beschränkung (Abs. 1 und 4), Verbot (Abs. 2 S. 1 und Abs. 4) und Auflösung (Abs. 2) geregelt. Im Gegensatz zum VersammlG unterschiedet die Regelung in § 8 NdsVersG bzgl. der Eingriffsbefugnisse nicht nach dem Zeitpunkt (vor oder während der Versammlung), sondern nach der Schwere der Gefahr.[57]

§ 10 NdsVersG sieht die Möglichkeit der Vornahme „besonderer Maßnahmen“ vor. Nach Abs. 1 S. 2 kann die Versammlungsbehörde Leiter*innen ablehnen oder den Einsatz von Ordner*innen untersagen. Abs. 2 ermöglicht ein Vorgehen gegen einzelne Teilnehmer*innen im Vorfeld und während der Versammlung; Abs. 3 ermächtigt zum Ausschluss von Teilnehmer*innen.

1188 § 15 SächsVersG entspricht im Hinblick auf Beschränkungen (Abs. 1), Verbot (Abs. 1) und Auflösung (Abs. 3) § 15 VersammlG.[58]

1189 § 13 VersammlG LSA regelt Beschränkungen, Verbote und die Auflösung von Versammlungen. Im Unterschied zu § 15 I VersammlG sieht § 13 I VersammlG LSA vor, dass Verbote und Beschränkungen nur bei dem Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit möglich sind, die öffentliche Ordnung mithin nicht umfasst ist. Abs. 2 und 3 regeln Verbote und Beschränkungen im Hinblick auf Gedenkstätten und Gedenktage. Die Regelungen zur Auflösung in Abs. 4 und 5 entsprechen den Regelungen in § 15 III und IV VersammlG.

1190 Das VersFG SH sieht Eingriffsbefugnisse in den §§ 13 bis 15 vor. Die zentrale Vorschrift ist § 13 VersFG SH, welche Beschränkungen, das Verbot und die Auflösung regelt. Nach § 13 I VersFG SH kann die zuständige Behörde die Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel beschränken oder verbieten, die Versammlung nach deren Beginn auch auflösen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Maßnahmen erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. § 13 IV regelt Beschränkungen, Verbote und die Auflösung im Hinblick auf Gedenkstätten. § 14 VersFG SH ermöglicht die Untersagung der Teilnahme einzelner Personen (Abs. 1) bzw. den Ausschluss einzelner Teilnehmer*innen und § 15 VersFG SH die Durchsuchung, Sicherstellung und Identitätsfeststellung.

bb) Versammlungen in geschlossenen Räumen Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1191 Bei Versammlungen in geschlossenen Räumen besteht die Besonderheit, dass diese gemäß Art. 8 II GG schrankenlos gewährleistet sind. In der Praxis sind die Einschränkungsmöglichkeiten besonders bei so genannten Skinhead-Konzerten von Relevanz.[59]

(1) VersammlG des Bundes Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1192 Das VersammlG des Bundes sieht für Versammlungen in geschlossenen Räumen das Verbot nach § 5 und die Auflösung nach § 13 VersammlG vor. Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Verbot und Auflösung ist der Beginn der Versammlung. Auf der Grundlage des § 5 VersammlG können Versammlungen bis zum Beginn der konkreten Versammlung verboten werden. Nach Beginn kommt nur die Auflösung gemäß § 13 VersammlG in Betracht.

1193 Examenswissen: Laut zutreffender Ansicht des VGH Mannheim hat eine Versammlung begonnen, wenn sie der im Versammlungsgesetz vorgesehenen Ordnungsgewalt der Versammlungsleiter*innen unterliegt.[60] Eine Ausnahme bzgl. der strengen Abgrenzung zwischen Verbot und Auflösung im Hinblick auf den Beginn der Versammlung ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen § 5 Nr. 2 und § 13 I 1 Nr. 3 VersammlG. Laut § 13 I 1 Nr. 3 VersammlG kommt eine Auflösung in Betracht, wenn die Leitung Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 III mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt. Gemäß § 5 Nr. 2 VersammlG kommt ein Verbot nach Beginn einer Versammlung (!) in Betracht, wenn weiteren Teilnehmer*innen, die Waffen oder Gegenstände im Sinne des § 2 III VersammlG mit sich führen, der Zutritt gewährt wird. § 5 Nr. 2 VersammlG regelt danach den Fall, dass bewaffneten Teilnehmer*innen (aktiv) Zutritt gewährt wird und § 13 I 1 Nr. 3 VersammlG den Fall, dass sich bewaffnete Teilnehmer*innen mangels Kontrolle Zugang verschaffen.

(a) § 5 – Verbot von Versammlungen in geschlossenen Räumen Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1194 § 5 VersammlG regelt insgesamt vier Verbotstatbestände, aufgrund derer bzgl. versammlungsspezifischer Gefahren gegenüber Versammlungen in geschlossenen Räumen vorgegangen werden kann.

1195 § 5 Nr. 1 VersammlG sieht die Möglichkeit des Verbots vor, wenn Veranstalter*innen unter die Vorschriften des § 1 II Nr. 1 bis 4 fallen und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist. § 5 Nr. 1 VersammlG knüpft damit an den Ausschluss von der Versammlungsfreiheit nach § 1 II Nr. 1 bis 4 VersammlG an. Gleichzeitig bezieht sich § 5 Nr. 1 VersammlG nur auf die Person des/der jeweils betreffenden Veranstalters*in. Im Einzelnen regelt § 5 Nr. 1 VersammlG folgende Konstellationen:

  • Nr. 1 i.V.m. § 1 II Nr. 1 VersammlG regelt die Möglichkeit eines Verbots für den Fall, dass jemand (als natürliche oder juristische Person) gemäß Art. 18 GG das Grundrecht der Versammlungsfreiheit verwirkt hat.
  • Nr. 1 i.V.m. § 1 II Nr. 3 VersammlG ermöglicht ein Verbot gegenüber einer Partei, die nach Art. 21 II GG durch das BVerfG für verfassungswidrig erklärt worden ist.
  • Für ein Verbot nach Nr. 1 i.V.m. § 1 II Nr. 2 VersammlG muss ebenfalls eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei gemäß Art. 21 II GG durch das BVerfG vorliegen; darüber hinaus ist hier jedoch auch ein Verbot gegenüber natürlichen Personen möglich.
  • Laut Nr. 1 i.V.m. § 1 II Nr. 4 VersammlG kann eine Versammlung verboten werden, wenn der/die Veranstalter*in eine gemäß Art. 9 II GG verbotene Vereinigung ist.

1196 Ein Verbot kann daneben auf § 5 Nr. 2 VersammlG gestützt werden, wenn bewaffneten Personen der Zutritt zur Versammlung gewährt wird.

1197 § 5 Nr. 3 VersammlG ermöglicht ein Verbot für den Fall, dass Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass Veranstalter*innen oder ihr Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben. Die Voraussetzungen „gewalttätig“ und „aufrührerisch“ stellen eine Konkretisierung des Friedlichkeitsgebots aus Art. 8 I GG dar. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass laut BVerfG eine Versammlung nicht schon dann unfriedlich ist, wenn von einzelnen Teilen oder Teilnehmer*innen der Versammlung Gewalt ausgeht.[61] Ein Verbot kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn eine Demonstration im Ganzen einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt[62] bzw. von der Versammlung insgesamt ein aggressives Verhalten ausgeht.

1198 Der Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG setzt voraus, dass Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der/die Veranstalter*in oder sein/ihr Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht auf Beschränkungen der Versammlungsfreiheit verweist, die sich bereits aus dem GG selbst ergeben, sondern vielmehr an strafbares Verhalten[63] der Veranstalter*innen selbst bzw. des Anhanges anknüpft.[64]

(b) § 13 – Auflösung von Versammlungen in geschlossenen Räumen Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1199 § 13 VersammlG enthält – ebenso wie § 5 VersammlG – insgesamt vier Tatbestände, die eine Auflösung von Versammlungen in geschlossenen Räumen ermöglichen:

1200 § 13 I 1 Nr. 1 VersammlG ermöglicht eine Auflösung, wenn – genauso wie bei einem Verbot nach § 5 Nr. 1 VersammlG – im Hinblick auf Veranstalter*innen die Voraussetzungen des § 1 II VersammlG erfüllt sind (hierzu Rn. 1195).

1201 § 13 I 1 Nr. 2 Alt. 1 VersammlG ist vergleichbar mit § 5 Nr. 3 VersammlG und ermöglicht eine Auflösung, wenn die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt (hierzu Rn. 1197).[65] § 13 I 1 Nr. 2 Alt. 2 VersammlG ermöglicht zudem eine Auflösung bei unmittelbarer Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer*innen.

1202 § 13 I 1 Nr. 3 VersammlG ist vergleichbar mit § 5 Nr. 2 VersammlG und ermöglicht eine Auflösung für den Fall, dass die Leitung Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 III mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt. Im Unterschied zu § 5 Nr. 3 VersammlG kommt es nicht darauf an, dass die Leitung bewaffneten Personen den Zutritt gewährt und selbst dafür verantwortlich ist, dass Waffen eingeführt werden. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Leitung trotz der Kenntnis von bewaffneten Personen nicht für einen Ausschluss dieser sorgt.[66]

1203 Auf der Grundlage des § 13 I 1 Nr. 4 VersammlG kommt eine Auflösung in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und die Leitung dies nicht unverzüglich unterbindet. Dieser Tatbestand geht über die Vorgaben des § 5 Nr. 4 VersammlG hinaus und ist aufgrund seiner weiten Fassung in besonderem Maße im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 8 GG zu betrachten. Im Hinblick auf die in Frage kommenden Straftaten sind in diesem Sinne einerseits Art. 8 I GG, der nur friedliche Versammlungen und Versammlungen ohne Waffen schützt und andererseits Art. 8 II GG, wonach Versammlungen in geschlossenen Räumen keinem Gesetzesvorbehalt unterliegen, zu berücksichtigen.[67] In diesem Sinne führt die Verwirklichung von Meinungsäußerungsdelikten einerseits nicht zur Unfriedlichkeit einer Versammlung, da es bei entsprechenden Straftaten an einer (physischen) Gefährlichkeit mangelt. Andererseits kann sich eine Auflösung nach § 13 I 1 Nr. 4 VersammlG auf Meinungsäußerungsdelikte stützen, die auf den Schutz von Verfassungsgütern und Grundrechten Dritter (verfassungsimmanente Schranken) abzielen. Allerdings erscheint die Möglichkeit einer Auflösung aufgrund jeglicher Verfassungsgüter und Grundrechte Dritter im Hinblick auf die Bedeutung des schrankenlos gewährleisteten Rechts auf Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen zu weitgehend. In der Literatur wird vor diesem Hintergrund argumentiert, dass nur Verstöße gegen Strafgesetze, die auf den Schutz der Art. 1 und Art. 20 GG[68] gerichtet sind, zu einer Auflösung berechtigen. Eine andere Ansicht spricht sich dafür aus, eine Beschränkung auf den Schutz des Art. 1 GG vorzunehmen.[69]

(2) Landesversammlungsgesetze Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1204 Die Eingriffsgrundlagen für Versammlungen in geschlossenen Räumen sind auf Landesebene ganz unterschiedlich ausgestaltet worden.

1205 Die Regelungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt zum Verbot und der Auflösung (§§ 4 und 13 SächsVersG und §§ 4 und 11 VersammlG LSA) entsprechen den Regelungen des VersammlG. Insofern kann auf die Ausführungen zu §§ 5 und 13 VersammlG verwiesen werden.

1206 In Bayern sind die Eingriffsbefugnisse für Versammlungen in geschlossenen Räumen zusammenfassend in Art. 12 BayVersG geregelt. Art. 12 I BayVersG regelt das Verbot und Art. 12 II BayVersG die Auflösung. Die Verbots- und Auflösungstatbestände entsprechen weitgehend denen der §§ 5 und 13 VersammlG.[70] Im Gegensatz zum VersammlG ist in Art. 12 I und II BayVersG jeweils ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, anstatt eines Verbots oder (nach Beginn der Versammlung) einer Auflösung sonstige Beschränkungen (insbesondere sogenannte „Minusmaßnahmen“) vorzunehmen. Art. 12 II 2 BayVersG bestimmt in diesem Sinne ausdrücklich für die Auflösung, dass diese in den Fällen von Satz 1 Nr. 2 bis 4 nur zulässig ist, wenn andere Maßnahmen der zuständigen Behörde, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen. Insofern ist die Auflösung subsidiär gegenüber den Minusmaßnahmen.

1207 Das NdsVersG fasst das Verbot und die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen in § 14 II 1 NdsVersG zusammen. Im Gegensatz zu §§ 5 und 13 VersammlG gilt bzgl. beider Maßnahmen, dass diese verfügt werden können, wenn die Friedlichkeit der Versammlung unmittelbar gefährdet ist und die Gefahr nicht anders abgewehrt werden kann. § 14 NdsVersG orientiert sich mithin an Art. 8 II GG, wonach Versammlungen in geschlossenen Räumen ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistet sind. § 14 I NdsVersG sieht zudem vor, dass die zuständige Behörde eine Versammlung in geschlossenen Räumen beschränken kann, also sogenannte „Minusmaßnahmen“ verfügen kann, wenn ihre Friedlichkeit unmittelbar gefährdet ist. Laut Abs. 2 S. 1 sind Verbote und Auflösungen ausdrücklich nur dann zulässig, wenn eine vorliegende Gefahr nicht anders, insbesondere durch Maßnahmen nach Abs. 1, abgewehrt werden kann. Über § 14 NdsVersG hinaus regelt § 15 NdsVersG so genannte „besondere Maßnahmen“, die gegenüber einzelnen Personen erlassen werden können.

1208 Auch das VersFG SH fasst in § 20 I das Verbot und die Auflösung in einer Norm zusammen. Die zuständige Behörde kann danach eine Versammlung in geschlossenen Räumen verbieten, oder nach Beginn der Versammlung auflösen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Maßnahmen erkennbaren Umständen eine unmittelbare Gefahr (1.) eines unfriedlichen Verlaufs der Versammlung, (2.) für Leben oder Gesundheit von Personen oder (3.) dafür besteht, dass in der Versammlung Äußerungen erfolgen, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen darstellen. Neben dem Verbot und der Auflösung besteht unter denselben Voraussetzungen nach Abs. 1 die Möglichkeit, die Versammlung zu beschränken, d.h. so genannte „Minusmaßnahmen“ zu erlassen. Verbote und Auflösungen sind nach Abs. 2 subsidiär gegenüber Beschränkungen und demnach nur zulässig, wenn entsprechende Maßnahmen nicht ausreichen.

Neben den in § 20 VersFG SH genannten Maßnahmen kommen nach § 9 I und II i.V.m. § 20 I VersFG SH Maßnahmen gegenüber einzelnen Versammlungsteilnehmer*innen in Betracht. § 9 VersFG SH verweist hierzu auf Maßnahmen nach dem LVwG, d.h. dem allgemeinen Polizeirecht, sieht über den Verweis in II auf § 20 VersFG SH für deren Anwendung jedoch vor, dass zusätzlich das Vorliegen einer Gefahr im Sinne von § 20 I VersFG SH gegeben sein muss. Insofern handelt es sich bei dem Verweis auf § 20 I VersFG SH um eine qualifizierte Rechtsgrundverweisung.

cc) Adressat*innen und Pflichtigkeit im Versammlungsrecht Bearbeiten

Sebastian Eickenjäger

1209 Als Adressat*innen von Maßnahmen im Zusammenhang von Versammlungen kommen Teilnehmer*innen, Leiter*innen und Veranstalter*innen in Betracht.

1210 Examenswissen: Veranstalter*innen sind diejenigen Personen, die zu der Versammlung einladen und für das Zustandekommen, Inhalt, Ausgestaltung und Durchführung der Versammlung zuständig sind.[71] Die Leiter*innen sind für die Organisation und Ordnung der laufenden Versammlung zuständig und bestimmen über Eröffnung, Unterbrechung und Beendigung der Versammlung.[72] Teilnehmer*innen sind alle Personen, die sich aktiv im Rahmen einer Versammlung beteiligen oder nur zuhören, nicht jedoch zufällig anwesende Passant*innen oder etwa unbeteiligtes Ausschankpersonal.[73]

1211 Soweit die Versammlungsgesetze des Bundes und der Länder selbst keine Störer*innenbestimmungen enthalten, sind die entsprechenden Bestimmungen des allgemeinen Polizeirechts (hierzu Rn. 1118 ff.) heranzuziehen.[74]

1212 Vor der Versammlung sind Veranstalter*innen die richtigen Adressat*innen von Verbotsverfügungen oder Auflagen. Adressat*innen von Auflösungsverfügungen und nachträglichen bzw. während der Versammlung verfügten Beschränkungen sind die Leiter*innen und alle Teilnehmenden. (Potentielle) Teilnehmer*innen können vor der Versammlung Adressat*innen sein, wenn es sich um sogenannte Vorfeldmaßnahmen und dabei insbesondere um Teilnahmeuntersagungen[75] handelt. Gegen externe Störer*innen, d.h. solche Personen, die Versammlungen stören, nicht aber selbst an einer (Gegen)Versammlung teilnehmen, kann nach Maßgabe des allgemeinen Polizeirechts vorgegangen werden.[76]

1213 Soweit es zu Störungen durch Dritte kommt, ist unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes auch eine Inanspruchnahme von Nichtstörer*innen möglich. Der polizeiliche Notstand ist mittlerweile teilweise in den neuen Landesversammlungsgesetzen ausdrücklich geregelt:

  • Niedersachsen: § 8 III NdsVersG (Versammlungen unter freiem Himmel) und § 14 III NdsVersG (Versammlungen in geschlossenen Räumen)
  • Schleswig-Holstein: § 13 II VersFG SH (Versammlungen unter freiem Himmel) und § 20 III VersFG SH (Versammlungen in geschlossenen Räumen)

1214 Wo es keine entsprechenden Regelungen gibt, sind die sich aus der Rspr. des BVerfG ergebenden Vorgaben zu berücksichtigen. Danach besteht grds. die dahingehende Schutzpflicht des Staates, die Durchführung einer rechtmäßigen Versammlung gegenüber Störungen durch Nichtteilnehmer*innen unter allen Umständen und unter Heranziehung aller zur Verfügung stehenden Mittel und Ressourcen sicherzustellen.[77] Behördliche Maßnahmen sind zudem primär gegen die Störer*innen zu richten.[78] Von diesem Grundsatz darf nur abgewichen werden, „wenn gravierende irreparable Schäden an den Rechtsgütern Leben und Gesundheit drohen, wenn die Polizei tatsächlich der Gewalt nicht mehr Herr werden und die Entwicklung der Gewalt durch eigene Mittel nicht mehr steuern oder begrenzen kann (echter polizeilicher Notstand), oder wenn die Polizei in eine Gewalteskalation hineingezogen wird, die durch Gefahren für Leben und Gesundheit höchsten Ausmaßes für Versammlungsteilnehmer, Polizei, Unbeteiligte und Störer führen, dann steht es im Ermessen der Polizei, den Nicht-Störer in Anspruch zu nehmen (unechter polizeilicher Notstand).“[79] Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Vorgehen gegen Nichtstörer*innen auf der Grundlage des polizeilichen Notstands liegt bei der Behörde; diese muss detailliert und substantiiert darlegen, welche Maßnahmen und Anstrengungen (insbesondere im Hinblick auf das Ersuchen um Amtshilfe) unternommen wurden, um die sichere Durchführung der Versammlung sicherzustellen.[80]

dd) Rechtsfolge: Ermessen Bearbeiten

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1215 Im Hinblick auf die zuvor dargestellten versammlungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen steht den zuständigen Behörden auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen zu (s. zum Ermessen Rn. 729 ff.). Mithin sind die entsprechenden Maßnahmen auf Ermessensfehler hin zu untersuchen (s. zur Ermessensprüfung Rn. 744 ff.).

1216 Bzgl. des Verhältnisses der genannten Maßnahmen untereinander gilt, dass Verbote und die Auflösung nur zulässig sind, wenn zuvor alle sinnvoll anwendbaren milderen Mittel, insbesondere die Erteilung von Auflagen (etwa nach § 15 I VersammlG), ausgeschöpft wurden, um friedliche Demonstrationen zu ermöglichen.[81]

1217 Gemäß § 13 I 2 VersammlG, Art. 12 II 2 BayVersG, § 13 I 2 SächsVersG, § 11 I 2 VersG LSA gilt zudem für Versammlungen in geschlossenen Räumen ausdrücklich, dass eine Auflösung – im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – nur zulässig ist, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung der Versammlung nicht ausreichen. Gemäß §§ 13 II und 20 II VersFG SH setzten (sowohl bei Versammlungen in geschlossenen Räumen als auch bei Versammlungen unter freiem Himmel) Verbote oder Auflösungen voraus, dass Beschränkungen nicht ausreichen.

1218 Das BVerwG geht davon aus, dass neben dem Verbot oder der Auflösung der Erlass so genannter „Minusmaßnahmen“ zulässig und im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz u.U. geboten ist.[82] Die zuständigen Behörden müssten im Rahmen der ihnen zustehenden Befugnisse ein milderes und angesichts der konkreten Sachlage angemesseneres Mittel zur Abwehr der von der Versammlung ausgehenden unmittelbaren Gefahren – wie z.B. die Sicherstellung eines beleidigenden Spruchbandes oder das Verbot von Musikstücken oder Bands, wenn durch das Spielen der Stücke oder dem Auftritt einer Band zu erwarten ist, dass hierdurch Straftatbestände erfüllt werden – als mildere Maßnahme gegenüber der Auflösung einsetzen.[83]

1219 Zu beachten ist hierbei, dass mehrere Landesversammlungsgesetze entsprechende Minusmaßnahmen ausdrücklich geregelt haben (hierzu Rn. 1186 ff. und 1204 ff.).

1220 Examenswissen: In der Literatur wird dem Ansatz der Rspr. mit dem systematischen Argument entgegengetreten, dass es sich bei entsprechenden Maßnahmen um Aliud- und nicht um Minusmaßnahmen handelt und die Anwendung von Minusmaßnahmen das im VersammlG angelegte Konzept der versammlungsrechtlichen Selbstverantwortung (Grundsatz der Autonomie der Versammlung) unterminiere.[84] Hierfür wird angeführt, dass einerseits Behörden mit Auflagen unmittelbaren Gefahren begegnen könnten und andererseits Veranstalter*innen die Obliegenheit hätten, die Einhaltung der gesetzlichen und behördlichen Vorgaben sicherzustellen sowie mit den ihnen an die Hand gegebenen Mitteln die Teilnehmer*innen zu rechtskonformen Verhalten anzuhalten.[85] Soweit die Veranstalter*innen ihrer Obliegenheit nicht nachkämen oder sich zu einem Vorgehen gegenüber störenden Teilnehmer*innen nicht der Unterstützung der Ordnungsbehörden bedienen würden, stünde den Behörden nach der Konzeption des VersammlG das Mittel der Auflösung zur Verfügung.[86] Aufgrund des Grundsatzes der Autonomie der Versammlung dürften „Minusmaßnahmen“ danach nur angeregt, nicht aber unmittelbar angeordnet werden. [87]

e) Literaturhinweise Bearbeiten

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1221 Lehrbücher: Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 23; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht mit Versammlungsrecht, 10. Aufl. 2018, §§ 19 - 22; Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, 1. Kapitel; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 360 ff.

Aktuelle Beiträge aus der Ausbildungsliteratur: Bünnigmann, Polizeifestigkeit im Versammlungsrecht, JuS 2016, 695; Gröpl/Leinenbach, Examensschwerpunkte des Versammlungsrechts, JA 2018, 8

Aktuelle Fallbesprechungen: Buchholtz, Streit um missglückte „Hagida“-Demo, JuS 2018, 889; Herrmann, Ärger am Bahndamm, JuS 2017, 1093; Lassahn, Unerwünschte Gesellschaft, JuS 2016, 730; Marxsen/Lehners, Camp in Gipfelnähe, JuS 2018, 701; Schmitz, Versammlungsfreiheit und Gegendemonstration, JuS 2017, 753; Spilker/Wenzel, Pro-Asyl-Demonstration mit Hindernissen, JuS 2016, 337


Fußnoten

  1. S. hierzu die in Rn. 1221 angeführten Literaturhinweise.
  2. S. hierzu Petersen, DÖV 2019, 131.
  3. S. BVerfG, Urt. v. 22.2.2011, Az.: 1 BvR 699/06 = BVerfGE 128, 266 – Fraport sowie Scharlau, Schutz von Versammlungen auf privatem Grund, 2018.
  4. S. hierzu etwa Hartmann, NVwZ 2018, 200 und Friedrich, DÖV 2019, 55.
  5. S. hierzu Lenski, VerwArch 103 (2012), 539; Neumann, NVwZ 2011, 1171.
  6. S. hierzu etwa Kersten, JuS 2017, 193; Möhlen, MMR 2013, 221; Vogelsang, Kommunikationsformen des Internetzeitalters im Lichte der Kommunikationsfreiheiten des Grundgesetzes, 2017.
  7. S. hierzu Ripke, Europäische Versammlungsfreiheit, 2012; Eickenjäger/Fischer-Lescano, Transnationalisierung des Versammlungsrechts, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Kommentar Versammlungsrecht, i.E.
  8. S. BVerwG, Urt. v. 25.10.2017, Az.: 6 C 45.16 = BeckRS 2017, 138147, wo mit der Erhebung der Feststellungsklage u.a. die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anfertigung von Bildaufnahmen mittels des Einsatzes von Tornado-Kampfflugzeugen begehrt wurde.
  9. Laut BVerwG entspricht der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes demjenigen des Grundgesetzes, Urt. v. 16.05.2007, Az.: 6 C 23/06 = BVerwGE 129, 42 [45]. Zu dem Streitstand s. Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 174 ff. m.w.N.
  10. Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 174.
  11. S. hierzu Fischer-Lescano, Deutschengrundrechte: Ein Anachronismus, 2019, i.E.
  12. Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 175.
  13. S. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 27.10.2016, Az.: 1 BvR 458/10 = BVerfGE 143, 161 (210).
  14. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.09.1998, Az.: Ss Z 225–98 (106–98) = NStZ-RR 1999, 119.
  15. S. hierzu Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 62.
  16. So etwa Depenheuer in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8, 48. EL 2006, Rn. 47.
  17. Petersen, DÖV 2019, 131 (132), m.w.N.
  18. BVerwG, Urt. v. 25.10.2017, Az.: 6 C 46/16 = NJW 2018, 716 (719).
  19. EGMR, Urt. v. 15.11.2018, Az.: 29580/12, 36847/12, 11252/13, 12317/13, 43746/14 (Navalnyy/Russland), Rn. 98.
  20. S. hierzu Eickenjäger/Fischer-Lescano, Transnationalisierung des Versammlungsrechts, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Kommentar Versammlungsrecht, i.E.
  21. Enders, in: Dürig-Friedel/Enders, Versammlungsrecht, 2016, § 1 VersammlG, Rn. 51 ff., 62 ff., 69 f., 77 f. Vgl. auch Kniesel, in: Dietel/Kintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl. 2016, § 1 VersammlG, Rn. 17 ff.; Petersen, DÖV 2019, 131 (132).
  22. S. etwa Rühl, NVwZ 1988, 577 (579, 581); Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 16.
  23. S. BVerwG, Urt. v. 23.3.1999, Az.: 1 C 12/97 = NVwZ 1999, 991 (992); Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, K, Rn. 21 f.
  24. Kniesel, in: Dietel/Kintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl. 2016, § 1 VersammlG, Rn. 20, 27 f.
  25. Heinhold, in: Wöchtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 1. Aufl. 2011, Art. 2, Rn. 36.
  26. Miller, in: Wefelmeier/Miller, NdsVersG, 1. Aufl. 2012, § 2, Rn. 4.
  27. Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 23 Rn. 38.
  28. Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, K, Rn. 24.
  29. BVerwG, Urt. v. 25.10.2017, Az.: 6 C 45.16 = BeckRS 2017, 138147, Rn. 16.
  30. Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, K, Rn. 36 f.
  31. Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 23 Rn. 39. Hierzu kritisch: Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, K, Rn. 26 ff.
  32. S. etwa Enders, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 1. Aufl. 2016, § 5 VersammlG, Rn. 4.; Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 23 Rn. 39; Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 418 ff.; kritisch hierzu Eickenjäger/Haerkötter/Vetter, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, i.E., § 5 VersammlG, Rn. 54 und Eickenjäger/Ewering/Kohlmeier, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, i.E., § 13 VersammlG, Rn. 20 ff.
  33. VGH Mannheim, Urt. v. 12.7.2010, Az.: 1 S 349/10 = BeckRS 2010, 52002.
  34. Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 23 Rn. 39.
  35. Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei Vorfeldmaßnahmen s. Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 23 Rn. 22. Zu der „Nachwirkung von Art. 8 I GG s. Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 418 ff.
  36. S. hierzu ausführlich die Ausführungen unter „Landesrechtliche Zuständigkeits-, Verfahrens- und Kostenregelungen“ zu den einzelnen Bundesländern in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, i.E.
  37. Obwohl § 5 VersammlG hier nicht genannt wird, ist davon auszugehen, dass für Verbote nach § 5 VersammlG ebenfalls die Ortspolizeibehörden zuständig sind. Es ist jedenfalls nicht nachvollziehbar, warum die Zuständigkeit für Verbote von Versammlungen in geschlossenen Räumen anders ausfallen soll als die Zuständigkeit für Verbote von Versammlungen unter freiem Himmel.
  38. So jedenfalls VG Bremen, Urt. v. 4.9.2014, Az.: 5 K 1145/13; kritisch hierzu Fischer-Lescano, Zuständigkeits-, Kosten und Verfahrensregeln Bremen, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Kommentar Versammlungsrecht, i.E.
  39. Hettich, Versammlungsrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2018, S. 222, Rn. 211.
  40. Eickenjäger/Haerkötter/Vetter, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Kommentar Versammlungsrecht, i.E., § 5 VersammlG, Rn. 63.
  41. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, Az.: 1 BvR 233, 341/81 = BVerfGE 69, 315 (348 f., 353 f.).
  42. S. Barczak, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, i.E., § 15 VersammlG, Rn. 95 ff.
  43. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, Az.: 1 BvR 233, 341/81 = BVerfGE 69, 315 (348 f., 353 f.).
  44. S. hierzu Barczak, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Kommentar Versammlungsrecht, i.E., § 15 VersammlG, Rn. 162.
  45. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, Az.: 1 BvR 233, 341/81 = BVerfGE 69, 315 (352).
  46. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, Az.: 1 BvR 233, 341/81 = BVerfGE 69, 315 (352 f.).
  47. S. hierzu die Rspr. des OVG Münster, etwa die Beschl. v. 23.3.2001, Az.: 5 B 395/01 = NJW 2001, 2111; v. 12.4.2001, Az.: 5 B 492/01 = NJW 2001, 2113; v. 29.6.2001, Az.: 5 B 832/01 = NJW 2001, 2986 und v. 02.3.2004, Az.: 5 B 392/04 = BeckRS 2004, 21977.
  48. S. hierzu die Beschl. des BVerfG v. 24.3.2001, Az.: 1 BvQ 13/01 = NJW 2001, 2069; v. 7.4.2001, Az.: 1 BvQ 17/01 u.a. = NJW 2001, 2072; v. 12.4.2001, Az.: 1 BvQ 19/01 = NJW 2001, 2075; v. 1.5.2001, Az.: 1 BvQ 22/01 = NJW 2001, 2076; v. 1.5.2001, Az.: 1 BvQ 21/01 = NJW 2001, 2078.
  49. BVerfG, Beschl. v. 23.6.2004, Az.: 1 BvQ 19/04 = NJW 2004, 2814 (2815 f.) und Beschl. v. 19.12.2007, Az.: 1 BvR 2793/04 = NVwZ 2008, 671 (673 f.).
  50. S. hierzu Barczak, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Kommentar Versammlungsrecht, i.E., § 15 VersammlG, Rn. 168. Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 24.3.2001, Az.: 1 BvQ 13/01 = NJW 2001, 2069 (2071). Laut BVerfG kann die öffentliche Ordnung auch verletzt sein, wenn ein rechtsextremer Aufzug an einem speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Gedenktag so durchgeführt werden soll, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen, Beschl. v. 26.1.2006, Az.: 1 BvQ 3/06 = NVwZ 2006, 585.
  51. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, Az.: 1 BvR 2793/04 = NVwZ 2008, 671 (672).
  52. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, Az.: 1 BvR 2793/04 = NVwZ 2008, 671 (672).
  53. Näher hierzu Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 248 ff.
  54. Näher hierzu Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 350 ff.
  55. Näher hierzu Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 376 ff.; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht mit Versammlungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 21, Rn. 7 ff.
  56. Näher hierzu Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht mit Versammlungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 20, Rn. 46 ff. und § 21 Rn. 5 f.; Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 358 ff.; Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 23 Rn. 30 ff.
  57. Enders, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 1. Aufl. 2016, § 15 VersammlG, Rn. 204.
  58. Allein die Regelung zu Verboten oder Beschränkungen im Zusammenhang mit Gedenktagen oder Gedenkstätten (Abs. 2) weist Abweichungen zu § 15 VersammlG auf, indem hier eine Gleichsetzung „der nationalsozialistischen und der kommunistischen Gewaltherrschaft“ vorgenommen wird. S. hierzu Scheidler, NVwZ 2011, 924.
  59. S. hierzu etwa VGH Mannheim, Urt. v. 12.7.2010, Az.: 1 S 349/10 = BeckRS 2010, 52002.
  60. VGH Mannheim, Urt. v. 26.1.1998, Az.: 1 S 3280/96 = NVwZ 1998, 761 (763); so auch Enders, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 1. Aufl. 2016, § 5 VersammlG, Rn. 7.
  61. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, Az.: 1 BvR 233, 341/81 = BVerfGE 69, 315 (359 ff.).
  62. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, Az.: 1 BvR 233, 341/81 = BVerfGE 69, 315 (361).
  63. Zu einem Verbot führen können die folgenden Straftatbestände: §§ 80 a, 81, 82, 90 a, 94, 95, 105, 106, 111, 126, 130, 140, 240, 241, 353 d StGB.
  64. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dieses Tatbestands s. Eickenjäger/Haerkötter/Vetter, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, i.E., § 5 VersammlG, Rn. 46 ff.
  65. Im Gegensatz zu § 5 Nr. 3 VersammlG kommt es hier jedoch nicht darauf an, ob Veranstalter*innen oder deren Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben, sondern nur, ob tatsächlich die Versammlung einen entsprechenden Verlauf annimmt.
  66. S. Kniesel, in: Dietel/Kintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl. 2016, § 13 VersammlG, Rn. 16; Eickenjäger/Ewering/Kohlmeier, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, i.E., § 13 VersammlG, Rn. 27.
  67. S. hierzu ausführlich Eickenjäger/Ewering/Kohlmeier, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Kommentar Versammlungsrecht, i.E., § 13 VersammlG, Rn. 28 ff.
  68. So Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, K, Rn. 131-133.
  69. So Eickenjäger/Ewering/Kohlmeier, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, i.E., § 13 VersammlG, Rn. 30 f.
  70. Zu den Unterschieden s. Haerkötter/Kohlmeier, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, i.E., Art. 12 BayVersG, Rn. 2 ff. sowie Heinhold, in: Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 1. Aufl. 2011, Art. 12.
  71. Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 197.
  72. Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 199.
  73. Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 203 ff.
  74. Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 428.
  75. Näher hierzu Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 326 ff.
  76. VGH Mannheim, Urt. v. 12.02.1990, Az.: 1 S 1646/89 = NVwZ-RR 1990, 602 (603 f.).
  77. St. Rspr. BVerfG. S. zuletzt etwa BVerfG, Beschl. v. 11.9.2015, Az.: 1 BvR 2211/15; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, Az.: 1 BvR 2794/10 = NVwZ 2013, 570 (571).
  78. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, Az.: 1 BvR 2794/10 = NVwZ 2013, 570 (571).
  79. Rühl, NVwZ 1988, 577 (584).
  80. BVerfG, Beschl. v. 11.9.2015, Az.: 1 BvR 2211/15; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, Az.: 1 BvR 2794/10 = NVwZ 2013, 570 (571).; BVerfG, Beschl. v. 10.5.2006, Az.: 1 BvQ 14/06, NVwZ 2006, 1049 (1049 f.).
  81. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, Az.: 1 BvR 233, 341/81 = BVerfGE 69, 315 (353).
  82. S. BVerwG, Urt. v. 8.9.1981, Az.: 1 C 88.77 = BVerwGE 64, 55 (58). S. auch BVerwG, Beschl. v. 14.01.1987, Az.: 1 B 219/86 = NVwZ 1988, 250; BVerwG, Beschl. v. 23.8.1991, Az.: 1 B 77/91 = BeckRS 1991, 31230188.
  83. S. BVerwG, Urt. v. 8.9.1981, Az.: 1 C 88.77 = BVerwGE 64, 55 (58).
  84. Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, K, Rn. 24 ff.; Wittmann, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Kommentar Versammlungsrecht, i.E., § 15 VersammlG, Rn. 39 ff.
  85. Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, K, Rn. 24 ff.; Wittmann, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Kommentar Versammlungsrecht, i.E., § 15 VersammlG, Rn. 39 ff.
  86. Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, K, Rn. 24 ff.; Wittmann, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, i.E., § 15 VersammlG, Rn. 39 ff.
  87. So Friedl, in: Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 1. Aufl. 2016, § 13 VersammlG, Rn. 15 und 17; Eickenjäger/Ewering/Kohlmeier, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, i.E., § 13 VersammlG, Rn. 32 ff.