Spezielle Relativitätstheorie: Teil III

Auf dem Weg zum vierdimensionalen Raum Bearbeiten

Die entscheidenden Substitutionen Bearbeiten

Wenn man die Gleichungen (C) und (D) – siehe Ende des 3. Kapitels – auf beiden Seiten mit der Lichtgeschwindigkeit c multipliziert und anschließend für die Produkte c t und c t' die neue Bezeichnung w bzw. w' einführt (»substituiert«), also

c t =: w   und   c t' =: w'

setzt, ergibt sich eine gewisse formale Vereinfachung dieser beiden Gleichungen. Sie lauten dann:


 


Führt man diese Substitution auch in den Gleichungen (A) und (B) ein, so gehen sie in folgende Gleichungen über:


 


Es zeigt sich nun eine vollständige formale Symmetrie zwischen den jeweils übereinander stehenden Gleichungen. Das heißt: Wenn man w' mit x' und x mit w vertauscht, geht die obere Gleichung in die darunter stehende über und umgekehrt. Anders gesagt: Die Variablen w und w' spielen in den Gleichungen dieselbe Rolle wie x bzw. x' .

Zwischen den vier Größen x, x', w und w' besteht ein wichtiger Zusammenhang: Wie man durch Einsetzen und eine einfache algebraische Operation bestätigen kann, gilt zwischen ihnen die Beziehung:

w2 - x2 = w' 2 - x' 2

Diese Gleichung sieht ganz harmlos aus, hat es aber in sich. Bevor ich näher darauf eingehen kann, muss ich jedoch noch etwas nachtragen:

Die Bezugssysteme, die wir bisher betrachteten, waren der Einfachheit halber eindimensional: sie bestanden nur aus einer X-Achse. Ein reales Bezugssystem aber ist im Allgemeinen dreidimensional und besitzt neben der Längenausdehnung in X-Richtung auch eine Breite (Y-Richtung) und eine Höhe (Z-Richtung) mit den entsprechenden Achsen. Die Koordinaten in diesen beiden Richtungen bleiben aber von der Relativbewegung der Bezugssysteme in X-Richtung unberührt, das heißt, es gilt:

y' = y   und   z' = z

(Siehe Teil I) Ergänzt man die zuletzt betrachtete Gleichung um diese beiden Koordinaten, dann lautet sie:

w2 - x2 - y2 - z2 = w' 2 - x' 2 - y' 2 - z' 2

Bei Bedarf oder nach Belieben kann sie auch mit dem Faktor (-1) multipliziert und dann so geschrieben werden:

x2 + y2 + z2 - w2 = x' 2 + y' 2 + z' 2 - w' 2

Bevor es damit weitergeht, folgt jetzt erst ein Exkurs.

   

Exkurs: Vierdimensionale Räume Bearbeiten

E 1. Gedankliche Annäherung an vierdimensionale Räume Bearbeiten

Der Umgang mit zwei- und dreidimensionalen euklidischen Räumen ist allgemein geläufig. Bei der mathematischen Behandlung werden sie meist durch zwei- bzw. dreidimensionale kartesische Koordinatensysteme repräsentiert. (Das sind Koordinatensysteme, deren Achsen aufeinander senkrecht stehen und dieselben Einheitsstrecken haben.)

Ein vierdimensionaler Raum ist zwar nicht vorstellbar, aber sehr wohl denkbar, und seine Gesetze und Eigenheiten können mathematisch erforscht werden. Wir können uns ihm gedanklich annähern, indem wir uns mit den Eigenschaften eines vierdimensionalen euklidischen Koordinatensystems befassen. Es entsteht, indem den drei Achsen (X-, Y- und Z-Achse) eines dreidimensionalen Koordinatensystems eine vierte Achse (W-Achse) hinzugefügt wird, die auf den anderen drei Achsen senkrecht steht.

Die vier Koordinatenachsen bestimmen genau 6 Koordinatenebenen, nämlich die XY-Ebene, die XZ-Ebene, die XW-Ebene, die YZ-Ebene, die YW-Ebene und die ZW-Ebene. Ferner bestimmen die Koordinatenachsen (oder, wenn man will, die Koordinatenebenen) vier dreidimensionale Koordinatenräume, nämlich den XYZ-Raum, den XYW-Raum, den XZW-Raum und den YZW-Raum. So wie aus einem dreidimensionalen Raum (z. B. dem XYZ-Koordinatenraum) drei Koordinatenebenen (und beliebig viele andere – zu den Achsen »schiefe« – Ebenen) »herausgeschnitten« werden können, so können aus dem vierdimensionalen Koordinatenraum vier dreidimensionale Koordinatenräume (und beliebig viele andere dreidimensionale Räume) herausgeschnitten werden. Jeder der vier dreidimensionalen Koordinatenräume ist für sich darstellbar (und vorstellbar), nicht dagegen ihre Zusammensetzung zum vierdimensionalen Raum. Die Ursache dafür liegt in der Struktur unseres Bewusstseins, unseres Wahrnehmungs- und Vorstellungsvermögens. Den uns umgebenden Raum (unseren »Erfahrungsraum« oder »Wahrnehmungsraum«, also der Raum, in dem wir leben, eben unsere Welt) nehmen wir als dreidimensional wahr. Es gibt für uns neben »rechts und links, vorn und hinten, oben und unten« keine vierte räumliche Richtung für eine vierte Dimension. Sollte es in der Realität eine vierte Dimension geben und sollten darin Gegenstände sein – vierdimensionale Körper –, dann könnten wir davon nur wahrnehmen, was innerhalb unseres dreidimensionalen Raumes, unseres Erfahrungsraumes, liegt. Dies soll an einem Vergleich anschaulich gemacht werden, der um eine Dimension verkürzt ist: Stellen wir uns im Raum eine Kugel vor sowie eine horizontale Ebene, die sich von unten nach oben durch die Kugel hindurchbewegt.

 
Abb. 19: Schnitte einer Ebene mit einer Kugel

Nehmen wir an, in dieser Ebene lebten zweidimensionale, flache Lebewesen, deren Wahrnehmung auf zwei Dimensionen beschränkt wäre, so wie die unsere auf drei beschränkt ist. Diese Lebewesen nehmen von der Kugel nur den Kreis wahr, in dem ihre Ebene die Kugel schneidet. Bei der Bewegung ihrer Ebene von unten nach oben bemerken sie plötzlich das Auftreten eines Punktes, der gleich darauf zu einem Kreis wird. Dieser wird zunächst größer, dann wieder kleiner und ist schließlich wieder verschwunden. Sie beobachten dabei eine Bewegung des Kreisumfangs – erst sein Wachsen und dann sein Schrumpfen –, eine Bewegung, die es in der dreidimensionalen Realität gar nicht gibt. Dafür entgeht ihnen die Bewegung ihrer eigenen Ebene (ihres Erfahrungsraumes oder ihrer Welt) völlig. Analog dazu ist es denkbar, dass unser dreidimensionaler Erfahrungsraum nur ein Ausschnitt aus einem vierdimensionalen Raum wäre und dass die dreidimensionalen Körper in unserem Erfahrungsraum – einschließlich unserer eigenen Körper – dreidimensionale Ausschnitte aus vierdimensionalen Körpern wären, deren vierdimensionale Realität für uns nicht wahrnehmbar wäre.

 

E 2. Der Abstand eines Punktes vom Ursprung des Koordinatensystems Bearbeiten

In einem zweidimensionalen Koordinatensystem ist der Abstand OP eines Punktes P vom Ursprung O des Koordinatensystems


 

(Satz des Pythagoras)


 
Abb. 20: Abstand eines Punktes P vom Ursprung O des Koordinatensystems

Der Satz des Pythagoras gilt in dieser Form übrigens nur in einer der uns geläufigen ebenen Flächen, oder genauer gesagt, in einer euklidischen Ebene. Er gilt zum Beispiel nicht auf der Oberfläche einer Kugel. Die Gültigkeit des »Pythagora«“ ist ein wesentliches Merkmal einer euklidischen Ebene, ebenso die Tatsache, dass die Winkelsumme eines Dreiecks 180° beträgt.

Seit geraumer Zeit beschäftigen sich die Mathematiker auch mit anderen, nichteuklidischen Ebenen und Räumen. Ihnen ist auch eine Ebene – zwar nicht vorstellbar – aber denkbar, in der gilt


 


Solche Ebenen werden als pseudoeuklidisch bezeichnet, weil sie immerhin eine gewisse Verwandtschaft mit einer euklidischen Ebene haben.

Dreht man das oben betrachtete Koordinatensystem um einen beliebigen Winkel um seinen Ursprung (oder führt man ein neues, gedrehtes Koordinatensystem ein), so ändert sich dabei der Abstand OP nicht, obwohl die Koordinaten des Punktes P im neuen System andere sind. Es gilt also (in der euklidischen Ebene) auch für die neuen Koordinaten x' und y' des Punktes P


 


und folglich ist


 



 
Abb. 21: Der Abstand OP im ursprünglichen und im gedrehten Koordinatensystem

In den erwähnten pseudoeuklidischen Ebenen gilt analog

,

 


und somit


 


Entsprechend gilt in einem drei- bzw. vierdimensionalen euklidischen Raum:



 


und bei Einführung eines gedrehten Koordinatensystems, in dem der Punkt P die Koordinaten (x', y', z' ) bzw. (x', y', z', w' ) hat:


 


Man kann sich nun auch pseudoeuklidische Räume denken, in denen zum Beispiel gilt:


 


(Es sind noch andere pseudoeuklidische Räume denkbar, die sich darin voneinander unterscheiden, wie der Abstand OP berechnet wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von der »Metrik« des Raumes.)

In allen diesen Räumen ändert sich der Abstand OP und damit auch (OP)2 bei Drehung des Koordinatensystems um seinen Ursprung oder beim Übergang zu einem gedrehten Koordinatensystem (X', Y', Z') nicht, und es gilt daher zum Beispiel:


 


Damit haben wir alles bereitgestellt, was für die nun folgenden Überlegungen nötig ist, und können den Exkurs beenden.

 

Der Minkowski-Raum Bearbeiten

Die Einführung der Substitutionen w := c t und w'  := c t' (siehe 1.1 Die entscheidenden Substitutionen) in den Lorentz-Transformationen hat eine wichtige Konsequenz: An die Stelle der Zeiten t und t' treten die Strecken w und w' . Die Größe w stellt den Weg dar, den ein Lichtstrahl in der Zeit t zurücklegt (Weg = Geschwindigkeit mal Zeit), und analog ist w' der Weg, den ein Lichtstrahl in der Zeit t' zurücklegt. Welche Folgen hat das?

1. Die formale Gleichberechtigung der Größen x und w sowie x' und w' in der neuen Form der Lorentz-Transformationen (siehe Kapitel 5.1.):

 


 

legt den Gedanken nahe, die Größen w und w' – zumal sie ja Strecken darstellen – ebenfalls als Koordinaten zu interpretieren. Neben den drei Koordinaten x, y und z ist w dann die vierte Koordinate eines Punktes in einem vierdimensionalen Koordinatensystem K4 (X, Y, Z, W), und analog ist w' neben x', y' und z' die vierte Koordinate dieses Punktes in einem anderen vierdimensionalen Koordinatensystem K' 4 (X', Y', Z', W' ). Beide Koordinatensysteme liegen in einem vierdimensionalen Raum und sind Erweiterungen der beiden dreidimensionalen Koordinatensysteme, die zu den Bezugssystemen S und S' gehören, die relativ zueinander bewegt sind. Dabei sind (x, y, z) die Koordinaten eines Punktes in S, und (x', y', z' ) die Koordinaten desselben Punktes in S' .

Der vierdimensionale Raum, in dem K4 und K' 4 liegen, wird Minkowski-Raum oder auch Minkowski-Welt genannt. Diese ist jedoch entgegen der üblichen Interpretation keine Raum-Zeit, sondern ein vierdimensionaler Raum mit vier wesensgleichen Dimensionen von der Größenart LÄNGE.

Es fragt sich nun, welche Bedeutung die vierte Koordinate w bzw. w' hat. Sie ersetzt die Zeitangabe t bzw. t' , die im Bezugssystem S bzw. S' (dem betreffenden Erfahrungsraum) nötig war, um den Zeitpunkt eines Ereignisses, zum Beispiel das Einschlagen eines Blitzes oder das Eintreffen eines Lichtimpulses an einem bestimmten Ort, zu erfassen. An die Stelle einer Zeitangabe tritt im Minkowski-Raum nun die Angabe einer Längenkoordinate w bzw. w' in der vierten Dimension. Das bedeutet: Ein Ereignis tritt hier nicht zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort des dreidimensionalen Erfahrungsraumes ein, sondern an einem bestimmten Ort des vierdimensionalen Minkowski-Raumes, wobei sich eine Zeitangabe erübrigt. (Der Zeitpunkt des Ereignisses im dreidimensionalen Raum kann bei Bedarf aus der vierten Längenkoordinate w berechnet werden: t = w/c).

Dies soll am Beispiel der beiden Blitze (Siehe: Teil I, 2.2 Zweites Gedankenexperiment und Teil II, 1.2 ) dargestellt werden, die im System S gleichzeitig einschlagen. Dabei tritt eine uns schon bekannte Schwierigkeit auf: Es ist uns nicht möglich, ein vierdimensionales Koordinatensystem abzubilden. Wir können uns aber behelfen, indem wir auf die Wiedergabe einer der drei Achsen des Systems S – im Allgemeinen der Z-Achse – verzichten. Da sich die betrachteten Vorgänge ohnehin nur auf der X-Achse abspielen, werden wir zur weiteren Vereinfachung meist auch auf die Y-Achse verzichten. (Wer will, kann sich diese auf der Zeichenebene senkrecht stehend und von vorn nach hinten verlaufend denken.)

 
Abb. 22: Weg zweier Lichtimpulse im Minkowski-Raum

Die beiden Blitze schlagen zur Zeit t1 = 0 (ihr entspricht die Koordinate w1 = 0) 300 m links und rechts von O ein. Von ihnen gehen zwei Lichtimpulse aus, die sich auf der X-Achse mit Lichtgeschwindigkeit in Richtung O bewegen. Sie begegnen einander in O zur Zeit t2 = 1 µs. Dieser Zeit t2 entspricht die W-Koordinate w2 = 300 m. Das Zusammentreffen der beiden Lichtimpulse findet also im Minkowski-Raum 300 m über dem Ausgangspunkt statt. Da sich aber die beiden Lichtimpulse die ganze Zeit über auf der X-Achse bewegt haben, muss sich diese mit entsprechender Geschwindigkeit – nämlich ebenfalls mit Lichtgeschwindigkeit – gleichmäßig nach oben bewegt haben und sich im Moment des Zusammentreffens in 300 m Höhe befinden. Die Wege der Lichtimpulse auf der X-Achse stellen sich im Minkowski-Raum daher als zwei um 45° geneigte gerade Linien dar, die vom Einschlagspunkt der Blitze zu dem sich verschiebenden Punkt O laufen. Unterwegs befinden sie sich in jedem Moment auf der entsprechend nach oben bewegten X-Achse.

In einer wirklichkeitsgetreuen, aber leider unmöglichen vierdimensionalen Darstellung würde sich analog der ganze XYZ-Erfahrungsraum mit Lichtgeschwindigkeit längs der W-Achse nach oben bewegen.


2. Wir kehren nun zur letzten Gleichung des Kapitels 5.1. zurück. Sie lautet:


 


Die Gleichung kann man so interpretieren:

a) Der vierdimensionale Minkowski-Raum besitzt eine bestimmte pseudoeuklidische Metrik, und

b) das zweite Koordinatensystem ist gegenüber dem ersten um den gemeinsamen Ursprung O gedreht.

Leider sind wir jetzt noch nicht in der Lage, das gedrehte Koordinatensystem K' 4 (und sei es auch auf nur zwei Dimensionen reduziert) darzustellen. Das wird später nachgeholt.

3. Unter diesen Annahmen sind die Lorentz-Transformationen die Gleichungen für die Koordinatentransformation beim Übergang von dem einen vierdimensionalen Koordinatensystem zum anderen.

Wie wir an obigem Beispiel gesehen haben, können Ort und Zeit eines Ereignisses vollständig durch seinen Ort im Minkowski-Raum beschrieben werden. Dabei wird die Zeit des Ereignisses durch die vierte räumliche Koordinate w repräsentiert. Das könnte so verstanden werden, als wäre die W-Koordinate nur ein Ersatz für die Zeit. Dabei ist es wohl eher umgekehrt: Da wir uns die Bewegung unseres dreidimensionalen Erfahrungsraumes durch den vierdimensionalen Raum nicht vorstellen können, haben wir zur Erklärung der dabei in unserem Erfahrungsraum auftretenden Veränderungen die Zeit »erfunden«. Dabei ist wichtig, dass unsere Zeitwahrnehmung – der Eindruck, dass kontinuierlich Zeit vergeht – wesentlich mit Veränderungen in unserer Umgebung und in unserem Körper zusammenhängt. In unserem Körper finden ständig Veränderungen statt: der Pulsschlag, die Bewegung von elektrischen Impulsen in Nervenbahnen und viele andere. Gäbe es keine Veränderungen, würden wir wohl auch keine Zeit wahrnehmen. Wir verknüpfen also Veränderungen mit dem Ablauf oder Verrinnen von Zeit, wenngleich die Zeit nicht die Ursache der Veränderungen ist. Wenn Sie sich dagegen das Beispiel der Ebene vergegenwärtigen, die sich durch eine Kugel bewegt (Abb. 19 in Kapitel 5.2.), dann werden Sie erkennen, dass man sehr wohl eine Veränderung auch mit einer Bewegung verknüpfen kann. Dann ist die Bewegung sogar die Ursache der Veränderung. Der Einwand, dass Bewegung ohne Zeit nicht denkbar ist, und dass sogar zur Definition der Geschwindigkeit die Zeit benötigt wird (Geschwindigkeit = Weg:Zeit), ist nicht unbedingt stichhaltig. Wir sind es lediglich so gewöhnt, und es könnte sehr wohl umgekehrt sein, indem man zum Beispiel die Zeit mit Hilfe der (Licht-)Geschwindigkeit definiert:

Zeit(spanne) = Lichtweg : Lichtgeschwindigkeit

Der Erfahrungsraum (in unserer Abbildung allein durch die X-Achse vertreten) ist also ein dreidimensionaler Ausschnitt aus dem vierdimensionalen Minkowski-Raum (mathematisch ausgedrückt: ein dreidimensionaler Schnitt des vierdimensionalen Minkowski-Raumes) und bewegt sich in ihm mit Lichtgeschwindigkeit »aufwärts«. Auf diese Bewegung werde ich später noch genauer eingehen. – Ein Ereignis wird also im Erfahrungsraum genau dann gegenwärtig und erfahrbar, wenn es in den Erfahrungsraum zu liegen kommt, wenn es – in unseren vereinfachten Abbildungen – die X-Achse oder die XY-Ebene (siehe Abb. 23) durch den entsprechenden »Ereignispunkt« geht. Solange ein Ereignispunkt oberhalb der XY-Ebene liegt, ist das Ereignis für einen Beobachter im Erfahrungsraum noch zukünftig; liegt ein Ereignispunkt unterhalb der XY-Ebene, dann ist das entsprechende Ereignis für ihn bereits vergangen. In Wirklichkeit ist der Erfahrungsraum natürlich dreidimensional, aber die Ereignispunkte künftiger Ereignisse liegen auch hier in Richtung der W-Achse gesehen »oberhalb« des Erfahrungsraumes, und die Ereignispunkte vergangener Ereignisse liegen in Richtung der W-Achse »unterhalb« des Erfahrungsraumes, nur sind diese »oberhalb« und »unterhalb« unseres Erfahrungsraumes gelegenen Räume für uns nicht vorstellbar.

 
Abb. 23: Bewegung der XY-Ebene durch den Minkowski-Raum.

Das in der Ebene E2 gelegene Ereignis E ist für einen Beobachter in der Ebene E1 noch zukünftig, für einen Beobachter in der Ebene E3 bereits vergangen und nur für einen Beobachter in der Ebene E2 gegenwärtig.

Anstelle dieser nicht vorstellbaren und nicht wahrnehmbaren Bewegung empfinden wir etwas, was wir den Ablauf der Zeit nennen. Für unsere Wahrnehmung existiert nichts außerhalb des dreidimensionalen Erfahrungsraumes oder »Gegenwartsraumes«, das heißt, es existiert nichts, was nicht im betrachteten (gegenwärtigen) Moment in unserem Erfahrungsraum gegenwärtig ist. Anders ausgedrückt: Von den Inhalten des vierdimensionalen Minkowski-Raumes sind in der Gegenwart für uns nur diejenigen Körper und Ereignisse existent und wahrnehmbar, die momentan dieselbe W-Koordinate haben wie unser Erfahrungsraum.

Wenn in unserem Erfahrungsraum zwei Bezugssysteme sich relativ zueinander bewegen, dann sind die ihnen entsprechenden vierdimensionalen Koordinatensysteme gegeneinander gedreht. Die Beschleunigung eines Bezugssystems führt also zu einer Drehung des entsprechenden vierdimensionalen Koordinatensystems. Auch darauf werde ich noch genauer eingehen. Dann werde ich auch zeigen, dass die pseudoeuklidische Metrik dieses Raumes und die relative Drehung der Koordinatensysteme die Ursachen aller relativistischen Effekte sind.

Fortsetzung: Spezielle Relativitätstheorie: Teil IV

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