Soziologische Klassiker/ Geschlechterforschung/ Ferdinand Tönnies

Ferdinand Tönnies Bearbeiten

Macht und Herrschaft Bearbeiten

Aus Tönnies Ausführungen geht deutlich hervor, dass das männliche Geschlecht über dem weiblichen steht. Dies wird am Beispiel familiärer Strukturen deutlich, in denen der Vater die beherrschende Rolle inne hat. Im Bild des Mannes als Vaterfigur vereinen sich nach Tönnies die drei Arten der Würde (Alter, Stärke und Weißheit).

Männliche Dominanz wird als von der Natur vorgeschriebener Kulturzustand befürwortet und gleichzeitig dadurch legitimiert. Im gesellschaftlichen Rahmen können zwei Prinzipien gelten, das männliche und weibliche, um Orientierung in der sozialen Welt zu finden. Dennoch erkennt Tönnies den erstarrenden und unbeweglichen Gegensatz der Geschlechter.

Weiblicher Wesenwille und männlicher Kürwille Bearbeiten

Als anschlussfähiger Theoretiker der 20.Jahrhunderts zeigen sich gerade bei Tönnies auffallende Interpretationsschwierigkeiten, wenn es sich um das Geschlechterverhältnis handelt. Tönnies selbst stellt in einem Aufsatz “ Begriff der Gemeinschaft” fest, dass der wesentliche Unterschied des Menschen, in der von der Natur vorgegeben Unterscheidung des Geschlechts begründet liegt. Das Männliche verbindet Tönnies unwiderruflich mit Kraft und der von der Natur vorgegebenen Führungsposition, die sich nicht zuletzt in der Arbeitsaufteilung von Mann und Frau widerspiegelt. Die Frau hingegen ist für Erziehung und Haushalt vorbestimmt. Dennoch stellt Tönnies dabei noch keine hinreichende soziologische Geschlechtertheorie auf, sondern verweist lediglich auf die natürliche Geschlechterdifferenz. Ausgehend von der naturbedingten Geschlechterdifferenz wird Mann und Frau durch den jeweiligen Platz in der Gesellschaft und Gemeinschaft definiert. Gemeinschaft und Gesellschaft tragen in sich zwei gegensätzliche Formen des Zusammenlebens von Menschen. Hierbei schlägt Tönnies eine Brücke zwischen Geschlecht und Gesellschaft/Gemeinschaft. Die Theorie basiert auf Willensformen, welchen verschiedene Schwerpunkten folgen. Die Gesellschaft orientiert sich nach Tönnies am Wesen ideeller und mechanischer Bildung, die Gemeinschaft dagegen folgt dem Wesen des realen und organisierten Lebens. Die Gegenüberstellung beider Willensformen ist mit weiteren Gegensätzen (z.B. Vertrautheit vs. Öffentlichkeit; dauerhaftes Zusammenleben vs. Vorübergehendes Zusammenleben; Einheitlichkeit vs. Differenziertheit) ausgestattet, die sich auch auf die Geschlechterdifferenzierung übertragen lassen. Die Geschlechtscharaktere sind nach Tönnies denen der Gesellschaft/ Gemeinschaft zuzuordnen. Soziale Verhältnisse entstehen hierbei durch vollzogene Akte des Willens, wobei zwei Formen zu unterscheiden sind: Unter Wesenswille (auf die Gemeinschaft bezogen) versteht er den Willen, in dem Denken miteinbezogen wird und der Kürwille (auf die Gesellschaft bezogen) enthält Denken, in dem der Wille eingeschlossen ist. Der Kürwille wird dem Wesenwille übergeordnet, indem er als Konstrukt und Basis des Denkens (=Subjekt des Denkens) gesehen wird und durch ihn Wahrheits- und Wirklichkeitsgehalt erfährt. Aus ihm kann dann der Wesenwille heraus verstanden und definiert werden. Dennoch ist hierbei unklar, ob die Unterscheidung zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft nun auch sinngemäß auf die des Geschlechterverhältnisses übertragen werden kann. Tönnies äußert sich deutlich über die Zuordnung der Willensformen. Die Frau, welcher der männliche Kürwille fehlt, orientiert sich an Gefühlen. Der Mann hingegen wird vom Kürwillen, der Verstand voraussetzt, geleitet. Dem Mann wird die Führungs- und Leitungsposition zugeschrieben, da er verantwortlich ist für die Nahrungssuche, daher muss er einen Blick in die Ferne blicken und zukunftsnah planen( =temporale Struktur). Der Blick der Frau bleibt stattdessen im Raum, an ihre heimische Umgeben gebunden. Der Unterschied logisch zu kombinieren und im Voraus zu überlegen schreibt dem Mann die Eigenschaft des abstrakten Denkvermögens zu. Der Frau fehlt das, ihr Denken wird von Tönnies als synthetisch charakterisiert. Sie verkörpert den rundherum natürlichen Menschen, da sie ein unmittelbares Verhältnis zu Situationen und Dingen aufbaut. Ihr entspringen Wesenszüge wie Naivität und Leidenschaft, sie ist gesinnt, gewissenhaft und gutmütig. Der Mann dagegen steht für den künstlichen Mensch, der sein Handeln plant und mit Hilfe des Verstandes organisiert. Männliche Wesenszüge sieht Tönnies im Bestreben, der Berechnung von Situationen und dem darüber allgegenwärtigen Bewusstsein. Ebenso wird die gesellschaftliche Zugehörigkeit beider Geschlechter in Tönnies Theorie aufgezeigt. Der Mann wird mit dem öffentlichen Leben und der Welt außerhalb des Hauses in Verbindung gebracht, der Frau dagegen bleibt diese Sphäre verwehrt.

Literatur Bearbeiten

  • Michael Meuser (1998)
    Geschlecht und Männlichkeit: Soziologische Theorie und kulturelle Deutungsmuster'
    Leske + Budrich, Opladen