Beim Segeln wird Windkraft in Bewegung umgesetzt. Der Wind ist kostenlos und zählt zu den erneuerbaren Energien, da er immer wieder von neuem kommt. Eine saubere Sache eigentlich.

Nun will man nicht immer dahin, wo der Wind einen hintreibt, sondern unabhängig vom Wind flexibel sein. Dafür ist es wichtig, verschiedene Kurse zum Wind segeln zu können. Bevor erklärt wird, wie das funktioniert, wird zuerst auf die Arbeitsweise eines Segels eingegangen.

Physikalische Grundlagen

Bearbeiten

Auf ein Schiff wirken im wesentlichen zwei Kräfte: der Windwiderstand und der Wasserwiderstand. Die Kraft, die der Wind erzeugt, sollte stärker sein als der Windwiderstand. Der Wasserwiderstand kann aber auch unabdingbar sein, um überhaupt segeln zu können. Dazu später mehr.

Es gibt zwei grundsätzliche Funktionsarten eines Segels: einmal als riesige Fläche, die sich dem Wind entgegenstellt, ähnlich wie ein Fallschirm, das andere Mal ähnlich wie der Flügel eines Flugzeuges, bei dem laminare Strömungen am Segel den Vortrieb erzeugen.

Winddruck

Bearbeiten

Trifft der Wind von hinten oder schräg hinten, stehen die Segel fast rechtwinklig zur Windrichtung. Der Luftstrom wird dabei unterbrochen; vor dem Segel staut sich die Luft und erzeugt einen Überdruck, und hinter dem Segel entstehen Wirbel und erzeugen einen Unterdruck. Dadurch schiebt der Wind das Boot im Wasser vor sich her.

Es gibt nun Segel, die extra für diesen Kurs genäht werden, um das Ausmaß der Luftstauung vor und der Verwirbelungen hinter dem Segel zu maximieren. Dazu gehören beispielsweise der Spinnaker und mit Einschränkungen der Gennaker. Generell ist diese Vortriebsart aber nicht besonders anspruchsvoll. Unter Seglern gibt es auch das Sprichwort „vor dem Wind treibt auch ein Ballen Stroh“.

Tragflächeneffekt

Bearbeiten

Kommt der Wind von der Seite oder schräg von vorne (das werden wir als Halbwind- oder Amwindkurse bezeichnen), reicht der Winddruck alleine nicht aus. Wenn der Wind von schräg vorne kommt, müsste er das Boot sogar rückwärts schieben. Dass das in der Regel trotzdem nicht passiert, zeigt uns, dass wir einen zweiten physikalischen Effekt bemühen müssen. Dabei arbeitet ein Segel ähnlich wie die Tragfläche eines Flugzeuges. Ein Flügel besitzt eine Wölbung nach oben. Dadurch muss die Luft oberhalb der Tragfläche einen längeren Weg zurücklegen als unterhalb. Jetzt entsteht oberhalb des Flügels ein geringerer Druck als unterhalb und damit auch der erhoffte Auftrieb.

Auch die Segel sind gewölbt. Die Tiefe und Form der Wölbung ist ausschlaggebend für die Geschwindigkeit des Bootes. Ein Segel wird deshalb nie ganz flach getrimmt. Nun läuft die Luft an der Lee- wie an der Luvseite des Segels laminar vorbei, das heißt, der Luftstrom darf nicht abreißen. Sie legt an der Leeseite des Segels eine längeren Weg zurück als an der Luvseite und erzeugt dadurch einen Auftrieb. Dieser Auftrieb wirkt senkrecht zum Segel, also schräg nach vorne und im Extremfall mehr zur Seite als in Fahrtrichtung.

 
Kräftediagramm am Wind. Der Großteil der Kraft zieht das Schiff zur Seite. Beschriftung leider auf Portugiesisch

Ein großer Teil der Kraft wirkt also nicht in die Richtung, in die wir die bräuchten. Jetzt kommt der Wasserwiderstand in's Spiel. Unter jedem Segelboot sitzt entweder ein Schwert oder ein Kiel, eine große Fläche parallel zur Fahrtrichtung. In Fahrtrichtung erzeugt diese Fläche kaum Wasserwiderstand, wird das Boot aber seitwärts getrieben, ist dieser Wasserwiderstand immens. Der Wasserwiderstand wirkt also der Windkraft entgegen, die das Boot zur Seite schieben will. Übrig bleibt im Idealfall die Kraft in Fahrtrichtung und eine starke Krängung. In der Realität bewegt sich das Boot tatsächlich nach vorne, erlebt aber am Wind eine Drift, die Bauartbedingt und abhängig von der Windstärke 5° bis 10° betragen kann.

Kurse zum Wind

Bearbeiten

Wenn man das im Hinterkopf hat, ist es leicht zu verstehen, wie man die Segel auf einzelnen Kursen stellen muss. Man unterscheidet in der Seglersprache vier verschiedene Kurse: Am-Wind, Halbwind, Raumschot, Vor-dem-Wind. Dafürgibt es zwei Definitionen, unterschiedlich in Lehrbüchern und Praxis: a) nach dem wahren Wind, b) nach dem scheinbaren Wind. Dabei ist a) in Bezug auf das Erlernen von Manövern methodisch-didaktisch sinnvoller, b) aber weiter verbreitet. Insbesondere beim Halbwindkurs und beim Lernen von Mann-über-Bord-Manövern ist der Unterschied zwischen a) und b) offensichtlich. Beim Vorwindkurs gibt es hingegen keinen Unterschied.

Vor dem Wind

Bearbeiten

Vor dem Wind segelt man, wenn der Wind genau von achtern kommt. Dabei wirkt lediglich der Winddruckeffekt. Die Segel sollen so weit wie möglich aufgefiert werden und im Idealfall einen 90°-Winkel zur Schiffsachse beschreiben. In der Realität erzwingen die Wanten in der Regel einen geringfügig kleineren Winkel.

 
Schmetterling

Vor dem Wind würde das Vorsegel im Windschatten des Großsegels einfallen. Dann ist es sinnvoll, das Großsegel auf der einen und das Vorsegel auf der anderen Seite zu führen; man spricht dann vom Schmetterlingssegeln. Dabei muss man aber tatsächlich „platt vor dem Wind“ segeln, mit geringfügigen Toleranzen. Ein kleiner Fehler kann zu einer Patenthalse führen, das heißt, das Großsegel schlägt unkontrolliert von der einen Seite auf die andere. Dadurch kann beträchtliche Gefahr für Material und Crew entstehen. Der Schmetterling erfordert also eine gewisse Übung und viel Konzentration vom Steuermann. Auf längeren Vorwind-Kursen oder zur Entlastung des Steuermanns wird oft ein Bullenstander gesetzt und damit der Grossbaum vor einer Patenthalse geschützt.

 
Segelyacht unter Spinnaker

Eine andere Möglichkeit, den Winddruck möglichst gut zu nutzen, bieten große bauchige Segel, die speziell für diese Kurse geschnitten wurden, zum Beispiel der Spinnaker. Häufig ist aber der Vorwindkurs an sich ineffizient. Viele Boote sind schneller, wenn man statt dessen Raumschotskurse mit mehreren Halsen fährt. Womit wir beim nächten Kurs sind.