Radioonkologie (PORT)/ Diagnosen/ Hodentumoren/ Seminom

Übersicht

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- s. übergeordnetes Kapitel -

Diagnostik

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- s. übergeordnetes Kapitel -

Histologie

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reines Seminom

spermatozystisches Seminom: Erkrankungsalter ca. 50. Metastasieren nie, ausser die seltenen mit Sarkomkomponente

anaplastisches Seminom (synonym: atypisches Seminom): sind aggressiver.

Lokalisation

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ausgehend von den Keimzellen erfolgt die weitere Ausbreitung in: Tunica albuginea, Rete Testis, Nebenhoden, Samenstrang und Skrotum

Ausbreitung

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primär lymphogene vor sekundär hämatogenen Metastasen. Bei einem Stadium I Seminom ohne LK-Metastasen ist eine Lebermetastasierung ausgeschlossen.

Höheres Risiko für eine lymphogene Metastasierung im CS I, wenn Tumor > 4 cm oder Infiltration des Rete testis.

lymphogen in 30%, im Stadium I zu 20% okkult.

Die Lymphbahnen begleiten die Gefäße, fasern erst nach Überkreuzung der Ureteren auf und drainieren in die paraaortalen / parakavalen LK (Lnn lumbales). Lymphabfluss geschieht auch in die oberen externen Iliakal-LK ipsilateral. LK-Metastasen finden sich zu 71% ipsilateral, zu 20% bilateral und zu 9% kontralateral. Bei der LK Metastasierung gibt es Seitenunterschiede:

re.

Bevorzugt von LK-Metastasen sind befallen: aortokaval, präkaval, rechts-paraaortal. Alle LK bis zur Aortalbifurkation können befallen sein. Bei allen rechtsseitigen Hodentumoren zusammen betrachtet, kommt es zu 20% kontralateral paraaortal zu LK-Metastasen. Dies reflektiert, dass die Lymphbahnen  der rechten Paraaortalregion in Höhe LWK 1-3 (in Höhe des Nierenstiels) nach links kreuzen.

li.

Eine Kreuzung der li.-seitigen Lymphbahnen wird vermutet, ist aber nicht lymphographisch nachgewiesen. Bevorzugt links paraaortalen und präaortalen LK, und zwar häufiger die, die kranial der Nierenvene liegen.

hämatogen v. a. Lunge, auch ZNS, Skelett

Stadieneinteilung

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- s. Stadieneinteilung (direkter Link) im übergeordneten Kapitel Hoden- Ca. (allgemein) -

Therapieprinzipien

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primär:

Operativer Standard ist die inguinale Orchiektomie. Ein skrotaler OP-Zugang geht mit einem signifikant erhöhtem Lokalrezidivrisiko einher: 0,4 vs. 2,9%

adjuvant

Stadium I (Tumor auf Hoden begrenzt)

Adjuvant sind drei Vorgehensweisen möglich: adjuvante Strahlentherapie, adjuvante Chemotherapie mit Carboplatin und aktive Überwachung ("Surveillance"). Letztere wird von der europäischen Konsensuskonferenz bei fehlenden Risikofaktoren (s. Prognose) favorisiert [1], obwohl die Risikofaktoren bislang nicht prospektiv überprüft sind. Die Effektivität der adjuvanten Chemotherapie mit Carboplatin AUC 7 und einer Strahlentherapie sind nach 3 Jahren mit einem rezidivfreien Überleben von 95,9% bzw. 94,8% gleich effektiv [2]. Langfristige Ergebnisse stehen nochaus. Die akuten Nebenwirkungen waren unter Chemotherapie ausgeprägter, aber die Erholung war rascher als nach Strahlentherapie.

Ziel des abwartenden Verhaltens (Surveillance) ist, Nebenwirkungen einer unnötigen Therapie zu vermeiden. Das Rezidivrisiko betrug in den entsprechenden Studien 13 - 20%. Empfohlen werden im ersten Jahr CT Kontrollen nach 0, 3 und 12 Monaten[1]. Im gesamten Verlauf fallen 7 (Royal Marsden Hospital, London) bis 20 CTs (Princess Margret Hospital, Toronto) an [3].


Stadium IIA, IIB (LK-Metastasen infradiaphragmal)

Die adjuvante Radiatio des Lymphabfluss paraortal und ipsilateral iliakaler Lymphabfluss ist im Stadium IIA weiterhin unbestrittener Standard. Im Stadium IIB wird eine Polychemotherapie von der europäischen Konsensuskonferenz als ähnlich effektive Alternative angesehen, insbesondere wenn retroperitoneal zahlreiche und große Metastzasen bestehen. Die Toxizität ist allerdings höher, weil eine Monochemotherapie mit Carboplatin nicht ausreicht. Zur Anwendung kommt eine Polychemotherapie mit 3 Zyklen Bleomycin, Cisplatin und Etoposid (BEP) oder 4 Zyklen Cisplatin/ Etoposid (PE). [4].

Indikation RT

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CS I- II vgl. [1],[4]

CS I
besteht mindestens ein Risikofaktor, ist die adjuvante Strahlentherapie Standard. Eine Chemotherapie mit Carboplatin ist gleichwertig.
CS IIA
Standard ist die postoperative Radiatio retroperitoneal und ipsilateral iliakal.
CS IIB
Standard ist die postoperative Radiatio retroperitoneal und ipsilateral iliakal. Eine Polychemotherapie kann eine Alternative darstellen, insbesondere, wenn das Metastasierungsrisiko außerhalb der Bestrahlungsregion erhöht eingeschätzt wird- beispielsweise bei zahlreichen und großen paraaortalen Metastasen.
Hirnmetastasen
Inzidenz metaanalytisch 1,25%. Primäre Hirnmetastasen bei ED haben eine 5-J-ÜLR von 30-40% und werden mit kurativer Intention behandelt. Empfohlen werden 4 Zyklen Cisplatinhaltige Standardkombinationen und eine gleichzeitige Radiatio mit 36 Gy, Boost auf Metastase(n) bis 45 Gy. Zweitbeste Möglichkeit: Erst Chemo, dann RT. Ob nach kompletter Remission nach Chemo eine RT folgen soll, ist ungeklärt. Treten cerebrale Metastasen unter oder metachron nach Therapie auf, beträgt die 5-J-ÜL-Wahrscheinlichkeit nur 2-5%

Zielvolumen

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Vorbemerkung: Die Angaben in den Studien, Konsenspublikationen und Leitlinien kranken an der Orientierung an knöchernen Strukturen, die eine mangelnde Berücksichtigung einer zeitgemäßen CT- gestützten Bestrahlungsplanung widerspiegelt. So wird als untere Feldgrenze LWK 5 vorgeschrieben, damit die Aortenbifurkation sicher erfaßt wird. Im Stadium II soll "ipsilateral iliakal" bestrahlt werden. Es wird nicht zwischen iliakal intern und -extern differenziert. Folgende Angaben entsprechen dem akzeptierten Konsens. Zur Verminderung des kardiovaskulären Risikos wird eine kraniale Feldgrenze bei Oberkante BWK 12 überlegt.[3]. Begründete Abweichungen entsprechend einer CT gestützten Planung könnten zu einer sicheren Zielvolumenerfassung und einem geringeren Toxizitätsrisiko führen.

CS I
Oberkante BWK 11 bis Unterkante LWK 5. Laterale Feldgrenzen bis zu den Querfortsätzen der Wirbelkörper. Der ipsilaterale Nierenhilus muß darüber hinaus komplett erfaßt werden.
CS II
paraaortal und ipsilateral iliakaler LAW. Oberkante BWK 12 bis Oberrand Acetabulum. Laterale Grenzen an den Querfortsätzen der WK. Beim Iliakalfeld laterale Grenze durch Verbindung des Querfortsatzes von LWK4 und Außenrand der Hüftpfanne. Mediale Grenze orientiert sich am medialen Rand des Foramen obturatoriums. Manifeste LK-Metastasen müssen mit einem Sicherheitsabstand von 1 - 2 cm erfasst werden.

Dosis RT

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Die Gesamtdosis beträgt standardmäßig

CS I
20 Gy
CS IIA
30 Gy (20 Gy + 10 Gy auf makroskopischen Metastasenanteil)
CS IIB
36 Gy (20 Gy + 16 Gy auf makroskopischen Metastasenanteil)

bestrahlt wird in allen Fällen mit standardmässig 2 Gy täglich.

Nebenwirkungen

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akut:

  • Übelkeit
  • Erbrechen, therapiebedürftig: 5%
  • Durchfälle, therapiebedürftig in 2%

chronisch :

  • Dosisabhängig: unter 25 Gy sehr selten (< 0,55%), unter 35 Gy 1%, über 35 Gy: 3%
  • Darmstenosen
  • Duodenalulcera
  • Azzospermie bei 1 Gy reversibel, bei 1Gy-1,5 Gy teireversibel, bei mehr als 1,5 Gy irreversibel. Abhängig von Fraktionierung. Wenn mehr als 9 cGy täglich eingestrahlt werden, ist eine bleibende Azoospermie wahrscheinlich. Durch Hodenkapsel bei iliakaler Mitbestrahlung wird die Dosis auf 1,6% der Zentralstrahldosis (entspricht 3,2 cGy/d) gesenkt. Ohne Hodenkapsel bei etwa 80% irreversible Azoospermie posttherapeutisch, allerdings keine prätherapeutischen Werte. Eine Erholung der Spermiogenese dauert 2-3 Jahre. Fazit: bei iliakaler Mitbestrahlung: Hodenkapsel.
  • kein erhöhtes Mißbildungsrisiko. Dennoch wird sicherheitshalber empfohlen, ein Jahr nach Therapie bei Kinderwunsch zu warten.
  • Zweitmalignome: In einer interkontinentalen epidemiologischen Studie mit über 40.000 Patienten betrug das relative Risiko 35 Jahre nach alleiniger Radiatio sekundärer Malignome 2,0, nach alleiniger Chemotherapie 1,8 (bei durchschnittlich kürzerer Nachbeobachtungszeit), nach beidem 2,9.[5].

Prognose

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Heilung bei Seminomen, alle Stadien, über 90%. Rückfälle durch hämatogene Metastasen zu erklären, da sämtliche Rezidive ausserhalb der Bestrahlungsregionen auftauchen. Selbst im metastasierten Stadium gehören Seminome nie zur Gruppe der schlechten Prognose.

CS I

Bei adäquater Therapie und Nachsorge normale Lebenserwartung, Heilung bei fast 100%. Rückfallfreies Überleben zu 96 bis 97%, dann steht ja noch die sehr effektive Salvage Chemotherapie zur Verfügung.

CS II

Metaanalyse: Rückfallquote 7% (IIA) und 14%(IIB). Durch effektive Salvagetherapie (Carboplatin) erreicht man nahezu 100% krankheitsspezifisches Überleben.

Hirnmetastasen

  • bei ED kurativer Ansatz, 5-J-ÜL-Rate 30-40%
  • bei sekundärer ZNS-Metastasierung meist Chemo-Vortherapie wegen Stadium III: 2-5% langfristiges Überleben.
  • bei ZNS-Metastasen und primärer Chemotherapieresistent : <2%

Nachsorge

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CS I und II, ajuvant:

Rö Tx, Sono Abd., zusätzlich 1x/Jahr CT Abdomen / Becken, Labormarkerbestimmung

CS I,surveillance:

Rö Tx, zusätzl. CT Tx einmal/Jahr, CT Abd./Becken, Labormarkerbestimmung

5% Risiko für Zweitmalignom des Hodens

Intervalle

1. und 2. Jahr: alle 3 Monate

3. Jahr: alle 4 Monate

4. und 5. Jahr: alle 6 Monate

nach 5. Jahr: alle 12 Monate

Literatur

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  1. 1,0 1,1 1,2 Krege S, Beyer J, Souchon R, et al. European consensus conference on diagnosis and treatment of germ cell cancer: a report of the second meeting of the European Germ Cell Cancer Consensus group (EGCCCG): part I. Eur Urol. 2008;53(3):478-96.
  2. Oliver RTD, Mason MD, Mead GM, et al. Radiotherapy versus single-dose carboplatin in adjuvant treatment of stage I seminoma: a randomised trial. Lancet. 366(9482):293-300.
  3. 3,0 3,1 Schmidberger H:Therapie des Seminoms im Stadium I in Roth SL, Albers P, Budach W (Hrsg): Klinische Onkologie 2009/ 2010. Band 4 Uroonkologie. düesseldorf university press, Düsseldorf 2009. ISBN 978-3940671185
  4. 4,0 4,1 Krege S, Beyer J, Souchon R, u. a. European consensus conference on diagnosis and treatment of germ cell cancer: a report of the second meeting of the European Germ Cell Cancer Consensus Group (EGCCCG): part II. Eur Urol. 2008;53(3):497-513.
  5. Travis LB, Fosså SD, Schonfeld SJ, u. a. Second cancers among 40,576 testicular cancer patients: focus on long-term survivors. J Natl Cancer Inst. 2005;97(18):1354-65.