Mensch und Kosmos: Einleitung

Von 1963 bis zu ihrem Tod im Jahr 1984 empfing die Amerikanerin Jane Roberts in rund tausend »Sitzungen« (engl. "sessions") Botschaften einer »körperlosen Persönlichkeit«, die sich Seth nannte. Jane Roberts befand sich dabei in einem tiefen Trancezustand und sprach die Mitteilungen Seths mit stark veränderter, männlicher Stimme. Ihr Mann, Robert Butts (von Seth Joseph genannt), schrieb die Botschaften mit. Bei diesen Sitzungen waren häufig auch andere Personen anwesend, auf deren Fragen Seth spontan antwortete.

In ihrem ersten Buch über diese Ereignisse (Das Seth-Material [SM]) beschreibt Jane Roberts, die von Seth Ruburt genannt wurde, die Vorgeschichte des Kontakts mit Seth und gibt einen thematisch geordneten Überblick über den Inhalt der ersten 510 Begegnungen mit Seth.

In der 511. Sitzung, am 21. Januar 1970, begann Seth ein Buch zu diktieren, das erste von insgesamt acht »Seth-Büchern«. Diese sind:

1. Seth Speaks (deutsch: Gespräche mit Seth) Sitzungen 511 – 596 (21. Jan. 1970 – 27. Sept. 1971)

2. The Nature of Personal Reality (dt. Die Natur der persönlichen Realität) Sitzungen 609 – 677 (10. April 1972 – 11. Juli 1973)

3. The "Unknown" Reality Band 1: Sitzungen 679 – 704 (4. Febr.– 17. Juni 1974) Band 2: Sitzungen 705 – 744 (24. Juni 1974 – 23. April 1975)

4. The Nature of the Psyche (dt. Die Natur der Psyche) Sitzungen 752 – 800 (28. Juli 1975 – 4. April 1977)

5. The Individual and the Nature of Mass Events (dt. Individuum und Massenschicksal), Sitzungen 801 – 873 (18. April 1977 – 15. August 1979)

6. Dreams, "Evolution" and Value Fulfilment (dt. Träume, „Evolution“ und Werterfüllung), Sitzungen 881 – 873 (13. Sept. 1979 – 8. Febr. 1982)

7. The Magical Approach 17 Sitzungen ohne Nummerierung (6. Aug.– 15 Okt. 1980)

8. The Way Toward Health 14 Kapitel (3. Jan – 30. Aug. 1984)

Alle diese Bücher sind unter dem Namen Jane Roberts erschienen.

Das gesamte Werk Seths – sowohl die in den ersten 510 Sitzungen übermittelten Aussagen wie auch das danach begonnene umfangreiche literarische Werk – dient einem einzigen Anliegen, nämlich der Verkündigung einer Reihe von Botschaften und Lehren. Von diesen sagt Seth

Was ich euch sagen werde, ist schon vor Jahrhunderten gesagt und immer dann wiederholt worden, wenn es vergessen worden war. Ich hoffe dabei auch manches berichtigen zu können, was im Laufe der Zeit entstellt wurde. (Sitzung 511)

Jedoch gilt dies nicht für alle seine Aussagen:

Von manch Anderem biete ich euch meine eigene, originale Interpretation. Ich beschreibe die Realität so, wie ich sie kennen gelernt habe und berichte über meine Erfahrungen in zahlreichen Ebenen und Dimensionen. (511)

Seth gibt sich jedoch nicht als allwissend:

Ich erzähle euch einfach, was ich weiß; es gibt aber auch vieles, was ich nicht weiß. (426)

Und er schließt auch das Auftreten von Störungen und Fehlern nicht ganz aus:

Es können (bei der Übermittlung) Störungen auftreten, so wie jede Information entstellt werden kann. Wir (d. h. Jane Roberts und Seth) sind jedoch jetzt an die Zusammenarbeit gewöhnt, daher treten Störungen sehr selten auf. (513)

Die Tatsache, dass Seth – nach eigener Aussage – nicht allwissend und die überlieferten Botschaften nicht unfehlbar sind, ist für die Rezeption und die Interpretation seiner Aussagen wichtig: Eine übereifrige und unkritische Annahme seiner Botschaften halte ich für ebenso falsch wie die Tendenz, Seth zu einem Idol oder einem Guru zu machen. Tatsächlich lassen sich nämlich in einigen Details der Botschaften, so wie sie uns übermittelt wurden, zweifelsfrei Fehler oder Mängel nachweisen, wobei allerdings nachträgliche Übertragungsfehler oft nicht auszuschließen sind. Auch weisen die vorliegenden Übersetzungen – von ihrer sprachlichen Qualität einmal ganz zu schweigen – gelegentlich erhebliche Mängel auf. All das sind gute Gründe, eine kritische Distanz nicht ganz aufzugeben. Mit diesen Bemerkungen will ich aber nicht in Frage stellen, dass Seth uns Wichtiges mitzuteilen hat. Er selbst sagt dazu:

Da ich nicht mehr mit einem Körper verbunden bin, weiß ich um einige Wahrheiten, die viele von euch anscheinend vergessen haben. Ich hoffe, euch daran zu erinnern. Dabei spreche ich weniger zu dem Teil von euch, den ihr für euer Ich haltet, als vielmehr zu dem Teil, den ihr nicht kennt, den ihr teils verleugnet, teils auch vergessen habt. Dieser Teil von euch liest dieses Buch genauso wie »ihr«. (511)

Hier begegnet uns erstmals ein im Werk Seths sehr häufiges und sehr wichtiges Phänomen: Seth spricht mit derselben Anrede »du« oder »ihr« (oder auch »meine Leser«) oft im selben Satz verschiedene »Teile« oder »Schichten« der Persönlichkeit an. Dies muss man wissen und beachten, um manche Aussagen richtig verstehen zu können. Auch bedarf es dazu einiger Erklärungen, die später folgen. (Eigentlich müssten mehrere aufeinander folgende Kapitel nebeneinander gelesen werden, um sie richtig verstehen zu können. Da dies schwer möglich ist, empfiehlt sich eine wiederholte Lektüre.)

Die religiöse und weltanschauliche Orientierung seiner Leser ist für Seth belanglos:

Ich spreche zu denen, die an Gott glauben, und zu denen, die es nicht tun; ich spreche zu denen, die glauben, dass die Naturwissenschaft irgendwann alle Fragen über die Natur der Realität beantworten wird, und zu denen, die dies nicht glauben. Und ich hoffe euch Hinweise geben zu können, die es euch ermöglichen, euch wie nie zuvor selbständig mit dem Wesen der Realität auseinander zu setzen. (511)

Diese »Toleranz« Seths bedeutet jedoch nicht, seine Botschaften wären weltanschaulich neutral oder die Einstellung seiner Leser wäre beliebig:

Manche meiner Leser mögen glauben, sie wären ihrer Natur nach körperliche Wesen und ihr Bewusstsein wäre an ihren Körper gebunden, ja es würde sogar von diesem hervorgebracht. Wenn ihr aber glaubt, eure Existenz hinge von eurem Körper ab, dann fühlt ihr euch von der Auslöschung bedroht; denn keine physische Form überdauert, und kein Körper – so schön er in der Jugend sein mag – bewahrt seine Vitalität und seine Anmut auch im Alter unvermindert. Wenn ihr euch also mit eurer Jugend, eurer Schönheit, eurer Intelligenz oder euren Leistungen identifiziert, dann nagt an eurem Selbstbild das Wissen, dass diese Eigenschaften jederzeit vergehen können und irgendwann auch vergehen werden.
Ich schreibe dieses Buch, um euch zu versichern, dass dieser Glaube falsch ist. Im Grunde seid ihr ebenso wenig körperliche Wesen, wie ich eines bin. Ich aber habe zahlreichere Körper besessen, als ich jetzt aufzählen möchte – und wieder abgelegt. Dennoch existiere ich offenbar; denn Personen, die nicht existieren, können keine Bücher schreiben. Ich bin völlig unabhängig von einem Körper – und ihr seid es auch.
Das Bewusstsein erschafft den Körper – nicht umgekehrt.
Nur weil ihr so sehr mit euren Alltagsangelegenheiten beschäftigt seid, merkt ihr nicht, dass es in euch einen Teil gibt, der weiß, dass seine Kräfte denen eures gewöhnlichen Ich (damit ist das Ich gemeint, mit dem wir uns meist identifizieren) weit überlegen sind.
Ihr könnt nicht verstehen, was ihr seid und was ich bin, solange ihr das Wesen der menschlichen Persönlichkeit nicht versteht und die Eigenschaften des Bewusstseins nicht kennt. Wenn ihr glaubt, euer Bewusstsein wäre irgendwo in eurem Schädel eingesperrt und könnte nicht daraus entfliehen, oder wenn ihr meint, euer Bewusstsein endete an der Oberfläche eures Körpers, dann unterschätzt ihr euch – und müsst andererseits mich für eine Täuschung halten. (511)

Und nun nennt Seth seine vorbereitenden Anliegen:

Es gibt einige Tatsachen, mit denen ich euch vertraut machen möchte:
Ihr seid nicht in die Zeitspanne eures Lebens eingesperrt wie eine Fliege in eine Flasche.
Ihr könnt euch nicht darauf verlassen, dass eure Sinne euch ein getreues Bild der Wirklichkeit vermitteln. Sie sind sympathische Lügner und erzählen euch phantastische Geschichten so überzeugend, dass ihr auf sie hereinfallt.
Ihr seid, wenn ihr träumt, manchmal weiser, kreativer und weitaus kenntnisreicher, als wenn ihr wacht.

Dann kommt Seth zu seiner eigentlichen Botschaft, über die zu sprechen er niemals müde wird und die er in seinen ersten Büchern immer weiter entfaltet:

Ich spreche zu euch vor allem als Lehrer mit einer Botschaft: Ihr selbst erschafft die Welt, die ihr kennt. Euch ist die vielleicht furchtbarste aller Gaben verliehen worden: die Fähigkeit, eure Gedanken nach außen in körperliche Formen zu projizieren.
Diese Gabe bringt Verantwortung mit sich, und viele von euch, die sich einerseits zu ihren Erfolgen im Leben gratulieren, sind andererseits geneigt, für ihre Fehlschläge Gott, das Schicksal oder die Gesellschaft verantwortlich zu machen. Auch neigt die Menschheit insgesamt dazu, ihre Schuld und ihre Irrtümer auf einen Vater-Gott zu projizieren, der dieser vielen Anschuldigungen nachgerade überdrüssig sein müsste. Ihr könnt das Unglück der Welt auch nicht dem Teufel anlasten, denn ihr seid aufgeklärt genug, um zu wissen, dass der Teufel eine Projektion eurer Psyche ist. Andererseits aber seid ihr noch nicht weise genug, eure Kreativität konstruktiv anzuwenden.
Tatsächlich erschafft jeder von euch seine physische Realität selbst, und alle zusammen erschafft ihr sowohl die Herrlichkeiten als auch die Schrecken der Erde. Und solange ihr nicht erkennt, dass ihr die Schöpfer all dessen seid, weigert ihr euch natürlich, die Verantwortung dafür zu übernehmen. (511)

Hier geht es eigentlich um zwei verschiedene Dinge:

  1. die Erschaffung der »körperlichen Formen« in der Welt, der »physischen Realität«
  2. die Gestaltung der Vorgänge in der Welt, ihrer »Herrlichkeiten und Schrecken«

Ich meine, dass seit dem Jahr 1970, als Seth diese Worte diktierte, in vielen Menschen das Bewusstsein gewachsen ist, dass das unermessliche Leid auf der Erde von den Menschen selbst verursacht wurde und noch immer verursacht wird.

Weniger verbreitet mag der Gedanke sein, dass zum Beispiel die schier unglaublichen, unvorhersehbaren und völlig unwahrscheinlichen Vorgänge in Mittel- und Ostdeutschland sowie in Osteuropa überhaupt, die schließlich zum Zusammenbruch der dortigen Diktaturen geführt haben, ein Ergebnis der Sehnsucht von Millionen Menschen nach Freiheit waren.

Ganz unglaublich aber mutet uns die Behauptung Seths an, wir würden durch unsere Gedanken auch die materielle Welt erschaffen. Später wird sich zeigen, dass Seth damit eigentlich die Gedanken, genauer: die psychische Energie, unseres inneren Ich meint. (Siehe dazu den obigen Hinweis auf verschiedene Teile oder Schichten unserer Persönlichkeit.)

Durch diese Vorstellung allerdings könnten wir uns auch überfordert fühlen, oder sie könnte uns dazu verleiten, uns selbst zu überfordern – oder aber zu resignieren. Darum sagt Seth:

Kümmere dich um das, was unmittelbar vor dir liegt. Du bist nicht für die Rettung der ganzen Welt verantwortlich, noch dafür, alle ihre Probleme zu lösen – wohl aber ist es deine Aufgabe, dich um deine eigene Nische des Universums zu kümmern. Wenn jeder Mensch das tut, rettet die Welt sich selbst. (Aus einer persönlichen Botschaft für Jane Roberts am 23. Oktober 1981, in: Träume, „Evolution“ und Werterfüllung; Vorwort)