MathemaTriX ⋅ Theorie nach Thema. Beweise
Der Begriff des mathematischen Beweises
BearbeitenIn diesem Kapitel lernen wir, wie ein Beweis funktioniert. Oft wird gefragt, wozu Mathematik im Alltag wichtig sein kann. Ein Teil der Antwort dieser Frage sehen wir in diesem Kapitel. In Mathematik lernen wir, wie wir logisch argumentieren können. In einer Zeit, wo Ad Hominem Argumente und andere Formen der Meinungsmanipulation nicht selten benutzt werden, ist der Wert dieses Wissens nicht gerade gering.
Allerdings muss betont werden: Alle Beweise basieren auf Axiome. Axiome sind Sätze, die wir allgemein intuitiv akzeptieren. Die meisten Axiome der Logik sind notwendig, damit wir überhaupt kommunizieren können. Es muss gleichzeitig betont werden: Wenn Axiome gelten dann gilt auch das Theorem. [1]
Wenn ein Satz schon bewiesen wurde, kann man diesen Satz benutzen, um weitere Sätze zu beweisen. Daher sprechen wir in Mathematik über Prämisse, also Axiome und/oder Sätze, die schon über Axiome bewiesen wurden, die dann benutzt werden, um weitere Sätze zu beweisen.[2]
Ziel dieses Kapitels ist selbstverständlich nicht alle Beweise zu zeigen (ihre Anzahl ist unglaublich groß), sondern nur ganz wenige, um zu verstehen, wie sie funktionieren. Hier ist eine Skizze dieses Weges: "Intuitiver" Beweis (Addition von Brüchen) → „Beweis“ wegen Definition (Potenzen) → Allgemeiner direkter Beweis (Pythagoras) → Beweis durch Widerspruch - indirekter Beweis (Existenz von irrationalen Zahlen) → Induktiver Beweis (Summe von endlichen Folgen natürlicher Zahlen. Es wird also versucht, das Verständnis des Begriffs des Beweises schrittweise zu erzeugen.
Intuitive Einführung zum Beweisbegriff in der Mathematik
BearbeitenAddition von Brüchen
BearbeitenErst sehen wir eine Art von „intuitivem“ Beweis. Mit Hilfe der Geometrie können wir den Vorgang bei der Addition (und die Subtraktion) von ungleichnamigen Brüchen erklären. Dies hat mit unserer alltäglichen Erfahrung zu tun und ist daher noch keiner Beweis in einem strengeren Sinn.
Wenn man den gleichen Nenner hat, ist es leicht mit einer Figur zu verstehen, warum die angegebene Regel gilt. Man kann sehen:
wenn zwei gleiche Schokoladentafeln in 7 geteilt werden und von einer Schokoladentafel 3 Teile (drei Siebtel) und von der anderen 2 Teile (zwei Siebtel) genommen werden, hat man insgesamt 5 Teile (also fünf Siebtel).
Was ist aber, wenn man nicht den gleichen Nenner hat (ungleichnamige Brüche), wie z.B. mit
?
Das Ergebnis ist:
Um dies zu zeigen, haben wir das erste Rechteck horizontal in 5 Teile geteilt und das zweite senkrecht in 7. Wir teilen jetzt dazu die erste Figur auch in 7 senkrechte Teile und die zweite in 5 horizontale:
Wir haben in jedem der beiden (gleichen) Rechtecken 5 mal sieben, also 35 kleine Quadrate. Jedes kleines Quadrat in den neuen Figuren ist daher des Ganzen. Wie man sehen kann, sind die gleich so viel wie und die gleich so viel wie Da wir jetzt gleichnamigen Brüchen haben, kann man die Zähler addieren:
Aus unserer alltäglichen Erfahrung können wir vermuten, dass wir diesen Vorgang auch bei allen anderen Paaren von ungleichnamigen Brüchen übertragen können (wenn auch mit viel mehr Aufwand für größeren Nennern). Das können wir dann auch auf mehrere Brüche übertragen, da wir den Vorgang erst am ersten Paar anwenden können und dann mit dem Ergebnis mit dem nächsten Bruch arbeiten können usw. Dies gilt auch für die Subtraktion von Brüchen (wenn das Ergebnis positiv ist).
Erklärung des Vorgangs bei Punktrechnungen von zwei Potenzen mit der gleichen Basis
BearbeitenWas folgt ist wieder kein Beweis im engeren Sinn, obwohl hier eine Definition einer Kategorie (hier die Definition der Potenzzahl) benutzt wird, um eine Eigenschaft dieser Kategorie (also hier eine Eigenschaft der Potenzzahlen) nachzuweisen.
Warum das so ist, ist leicht zu erklären:
Die Hochzahlen addiert man, auch wenn sie negativ sind:
Allgemein kann man daher folgern:
wobei n und m irgendwelche positive oder negative reelle Zahlen sein können. Für den Fall von natürlichen Hochzahlen können wir schreiben:
In einer ähnlichen Weise können wir die Regel für die Division von zwei Potenzzahlen zeigen.
Warum das so ist, ist leicht zu erklären:
Die Hochzahlen subtrahiert man (oben minus unten), auch wenn sie negativ sind:
Da ein Bruch (fast) gleichbedeutend mit einer Division ist, kann man auch sagen, dass bei der Division von Potenzzahlen mit gleicher Basis das Ergebnis die gleiche Basis ist, mit einer Hochzahl, die die Differenz aus der Hochzahl des Dividends und der Hochzahl des Divisors ist. Allgemein kann man daher schreiben:
wobei n und m irgendwelche positive oder negative reelle Zahlen sein können.
Die Darstellung des allgemeinen Falls für natürliche Zahlen bei der Division ist etwas komplizierter als bei der Multiplikation, daher wird sie hier nicht gezeigt.
Mit Hilfe der Regel für die Division, können wir relativ leicht zeigen, dass und allgemeiner ist.
Es gilt:
und nach der Regel gilt auch:
Also ist gleichzeitig gleich 1 und gleich . Daher gilt:
|
Ein Beispiel mit konkreten Zahlen:
und nach der Regel gilt auch:
Also ist gleichzeitig gleich 1 und gleich . Daher gilt:
|
Ähnlich können wir zeigen, dass wenn die Hochzahl im Nenner um 1 größer ist als die Hochzahl im Zähler. Ein Beispiel mit konkreten Zahlen:
Nach der Regel gilt:
Also ist gleichzeitig und . Daher gilt:
Allgemeiner gilt:
Diese Regeln gelten, wenn wir Potenzzahlen mit der gleichen Basis haben. Wenn die Basis nicht die gleiche ist, gelten diese Regeln im Allgemeinen nicht.
Geometrischer Beweis der plus und minus binomische Formeln
BearbeitenEin möglicher Weg, die Geltung der plus und minus binomische Formeln zu zeigen, ist mit Hilfe der Geometrie.
Nehmen wir erst die folgende Figur, um die Geltung der plus binomischen Formel zu zeigen:
ist die Fläche des großen Quadrats.
, des Quadrats oben links, des Rechtecks oben rechts.
, des Rechtecks unten links, des Quadrats unten rechts.
Das Ganze (das große Quadrat) ist die Summe seiner Teilen.
Ähnlich können wir die Geltung der minus binomischen Formel zeigen:
ist die Fläche des großen Quadrats.
, des Quadrats oben links, des Rechtecks oben rechts.
, des Rechtecks unten links, des Quadrats unten rechts.
Das Ganze (das große Quadrat) ist die Summe seiner Teilen.
(Klammer auflösen)
(Zusammenrechnen)
(Seiten wechseln)
Diese Beweise sind sehr nah zum Begriff des strengen mathematischen Beweises.
Direkte und indirekte Beweise
BearbeitenBeweis des Satzes von Pythagoras
BearbeitenDer erste, der entdeckt hatte, dass es Zahlen gibt, die nicht rationale Zahlen sind, war Hippasos von Metapont, ein Schüler von Pythagoras. Diese Entdeckung war noch ein Schritt zur Forschung der Unendlichkeit, da die irrationale Zahlen unendlich viele nicht periodische Nachkommastellen haben. Zu dieser Entdeckung hat vielleicht der Satz von Pythagoras beigetragen, ein Satz der allerdings nicht von Pythagoras entdeckt wurde aber vielleicht nur bewiesen (wenn überhaupt).
Für den Beweis werden wir erst einmal folgenden Zusammenhang brauchen:
In der Figur sieht man ein großes Quadrat, das vier kongruente (sozusagen gleiche) rechtwinkelige Dreiecke und ein kleineres Quadrat beeinhaltet. Wie man in einer Formelsammlung finden kann, ist die Fläche jedes rechtwinkeligen Dreiecks (und es gibt 4 solche Dreiecken). Die Fläche des kleinen Quadrats in der Mitte ist . Die Seite des großen Quadrats ist die Summe von a und b, Daher ist seine Fläche . Das Ganze (das große Quadrat) ist aber die Summe seiner Teilen. Es gilt daher:
Wie schon gezeigt, es gilt Wir ersetzten also in der letzten Formel durch Dazu kürzen wir den Bruch: Es gilt daher:
und daher:
(Satz von Pythagoras)
Ähnlich ist der Beweis für die folgende Figur:
Für den Beweis werden wir erst einmal folgenden Zusammenhang brauchen:
Die Fläche des großen Quadrats (gesamte Fläche) ist jetzt und des kleinen Quadrats in der Mitte . Das Ganze (das große Quadrat) ist die Summe seiner Teilen. Es gilt daher:
und daher:
Es gibt außerdem zahlreiche andere Beweise für diesen Satz, die die Vielfalt und die Kreativität des mathematischen Denkens zeigen.
Existenzbeweis irrationaler Zahlen
BearbeitenHier gehen wir noch einen Schritt weiter in die Beweisstrenge. Wir führen einen indirekten Beweis, genauer gesagt einen Widerspruchsbeweis. Die Idee ist die Folgende: Wir nehmen an, dass ein bestimmter Satz gilt. Wir führen dann die Beweisschritte und zeigen, dass, wenn dieser Satz gilt, dann auch der Gegensatz gilt. Das ist in der Logik nicht möglich.[3] Es kann nicht sein bspw., dass eine Variable gleichzeitig 2 und 3 ist.
Hier werden wir zeigen, dass die keine rationale Zahl sein kann, also kein Bruch von natürlichen Zahlen. Ähnlich (wenn auch aufwändiger) kann man dies auch für , , und weitere Zahlen zeigen.
Der Beweis ist ein sogenannter Widerspruchsbeweis. Wir werden vermuten, dass ein Bruch von teilerfremden Zahlen ist, also von Zahlen, deren Primfaktorzerlegung aus unterschiedlichen Primzahlen besteht. Wir werden dann zeigen, dass dies nicht möglich ist und daher, dass kein Bruch von natürlichen Zahlen sein kann.
Erst zeigen wir, dass das Quadrat von geraden Zahlen (die durch 2 teilbar sind) immer auch eine gerade Zahl und das Quadrat von ungeraden Zahlen (die durch 2 nicht teilbar sind) immer auch eine ungerade Zahl ist:
Sei m eine gerade Zahl. Wir können sie dann durch 2 teilen. Nennen wir das Ergebnis der Teilung k. Dann gilt:
Also: das Quadrat einer geraden Zahl ist auch eine gerade Zahl.
Sei n eine ungerade Zahl. Wir können diese Zahl so schreiben: . Dann gilt:
Also: das Quadrat einer ungeraden Zahl ist auch eine ungerade Zahl.
Daraus folgt:
Satz 1: Wenn das Quadrat einer Zahl gerade ist, dann kann diese Zahl nur auch gerade sein,...
...weil, wenn sie ungerade wäre, ihr Quadrat doch auch ungerade wäre.
Nehmen wir also jetzt an, dass , wobei a und b teilerfremd sind. Dann gilt:
Nach Satz 1 bedeutet dies, dass a eine gerade Zahl ist (da ihr Quadrat auch eine gerade Zahl ist). Schreiben wir also: , wo der Quotient von a durch 2 ist. Dann gilt:
was dann nach Satz 1 bedeutet, dass b AUCH eine gerade Zahl ist. Das kann auch nicht sein, weil wir angenommen haben, dass a und b teilerfremd sind, also dass sie keinen gemeinsamen Primfaktor haben.
Wenn wir also vermuten, dass , also ein Bruch von natürlichen Zahlen, ist, sollten diese Zahlen gleichzeitig teilerfremd sein UND 2 als gemeinsamen Teiler haben. Dies ist selbstverständlich nicht möglich. Daher kann es nicht sein, dass ein Bruch von natürlichen Zahlen, also eine rationale Zahl, ist. Diese neue Art von Zahlen nennen wir dann irrational.
Gaußsche Summenformel
BearbeitenHier geht es um eine andere Form eines direkten Beweises, die vollständige Induktion. Wir nehmen an, dass ein Regel für irgendeine natürliche Zahl gilt. Wir zeigen, dass diese Regel dann auch für die nächste natürliche Zahl gilt. Wir zeigen dann, dass diese Regel auch für eine kleine natürliche Zahl gilt (z.B. für 1). Dann muss sie aber auch für jede nächste natürliche Zahl gelten (also auch für 2, 3, 4 usw., ohne Ende). Wir werden in dieser Weise zeigen, dass:
Diese Symbole bedeuten: Wenn wir alle natürliche Zahlen von 1 bis n addieren, wird die Summe (hier mit dem griechischen Buchstabe gezeigt) gleich Bspw. wird die Summe von 1 bis 100 (also 1+2+3+...+100, d.h. wenn n=100 ist) gleich sein.
Wir zeigen erst einmal, dass, wenn diese Formel für eine zufällige natürliche Zahl m gilt, dann wird sie auch für m+1 gelten (also für die nächste natürliche Zahl). Wir nehmen also an, dass schon gilt. Wenn wir m durch m+1 ersetzen, bekommen wir die Formel:
Wird diese Formel auch gelten?
(nächster Schritt: auf beide Seiten m+1 addieren)
(nächster Schritt: rechts gemeinsamen Nenner erzeugen)
(nächster Schritt: Brüche mit gemeinsamer Nenner als ein Bruch schreiben)
(nächster Schritt: (m+1)Herausheben)
Wir haben also gezeigt, dass, wenn die Formel für irgendeine natürliche Zahl gilt, dann wird sie sicherlich auch für die nächste gelten. Zeigen wir jetzt, dass diese Formel für m=1 gilt:
...was selbstverständlich gilt. Daher gilt der Satz für alle natürliche Zahlen.
Laut einer Anekdote wurde diese Formel vom neunjährigen Gauß benutzt, um in wenigen Sekunden zu zeigen, dass die Summe aller Zahlen von 1 bis 100 gleich 5050 ist. Er hat gedacht, dass man 100 mit 1 addieren kann, dann 99 mit 2, 98 mit 3 usw., was 50 mal 101, also 5050, ergibt. In der Formel können wir n durch 100 ersetzen um dieses Ergebnis zu überprüfen:
Notizen
- ↑ Ähnlich könnte man in der Ethik behaupten, dass wenn ein moralisches Axiom allgemein akzeptiert wird, dann sollte er für alle gelten.
- ↑ Es gibt allerdings Sätze außerhalb der Axiome, auch in der Mathematik, die weder bewiesen noch widerlegt werden können, wie der Unvollständigkeitssatz von Gödel gezeigt hat.
- ↑ Wir werden uns hier nicht damit beschäftigen, ob dies in der Natur auch gelten oder nicht gelten kann.