Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler: Lineare Gleichungssysteme

Nehmen wir uns noch einmal das Beispiel mit dem Tante-Emma-Laden in der Einführung vor:

Es sollen beide Gleichungen zugleich gelten, also schreibt man eigentlich korrekt

.

Sind Missverständnisse ausgeschlossen, können die „und“ weggelassen werden.

In Matrizenschreibweise kann man das System darstellen als

,

allgemein

mit der Koeffizientenmatrix , dem Variablenvektor und dem Lösungsvektor .


Lösung linearer Gleichungssysteme Bearbeiten

Gaußscher Algorithmus Bearbeiten

In der Matrizenrechnung wird aus praktischen Gründen das Eliminationsverfahren verwendet.

Wie löst man idealerweise ein lineares Gleichungssystem (kurz: LGS)?

Betrachten wir ein Beispiel:

 

in Matrizenschreibweise

 , bzw.
 ,

Wie lösen wir dieses Gleichungssystem? Am besten rekursiv von unten nach oben. Rekursiv heißt, dass man die Informationen der vorherigen Schritte für den nächsten Lösungsschritt verwendet.

 

Wir beginnen mit Zeile 4:

 

Wir erhalten

 .

Wir nehmen uns nun die dritte Gleichung vor und berechnen  :

 .

Für die zweite Gleichung ergibt sich

 .

Schließlich bestimmen wir  :

 

Unser Ergebnis ist also

 .

Dieses Gleichungssystem war einfach zu lösen, denn die Gleichungen bauten aufeinander auf und ermöglichten ein rekursives Lösungsverfahren. Wir können die Rekursivität unmittelbar der Koeffizientenmatrix entnehmen, denn sie ist eine Dreiecksmatrix.

Wie sieht es nun beispielsweise aus mit der Lösung des Gleichungssystems

 
 
 

in Matrizenschreibweise

 

bzw.

 ?

Nett wäre es, wenn man auch hier   auf Dreiecksgestalt wie oben in der Form   bringen könnte. Das kann man mit dem Eliminationsverfahren erreichen. Man wendet nun so genannte Zeilenoperationen an. Zulässige Zeilenoperationen sind:

  1. Multiplikation einer Zeile mit einer Konstanten.
  2. Addition zweier Zeilen.
  3. Vertauschen zweier Zeilen.

Für die manuelle Durchführung der Zeilenoperationen fasst man alle Zahlen zweckmäßigerweise in einem so genannten Tableau zusammen, d.h. man trägt die Koeffizienten und die Lösungen in einer Tabelle zusammen.

Bemerkung: Wenn man nun Klammern darumsetzte, hätte man eine erweiterte Koeffizientenmatrix, was uns inhaltlich aber nicht weiter bringt. Das hervorgehobene "manuell" deutet an, dass es hier vor allem darum geht, die Funktionsweise des Lösungsverfahren zu erfassen. Normale Menschen verwenden spezielle Programme für die Lösungen. Studierende werden aber gequält. Sie müssen sich ja das Examen verdienen.

Tableau:

 

Die Spalten des Tableaus werden nun von links nach rechts abgearbeitet:

Die 1.Spalte soll sein  .

Ein Vielfaches der 1. Zeile wird von einem Vielfachen der 2. Zeile subtrahiert:

 

Ein Vielfaches der 1. Zeile wird von einem Vielfachen der 3. Zeile subtrahiert:

 

Die erste Spalte ist fertig und wir wollen nun ein neues Tableau als Zwischenergebnis festhalten.

 

Nun wird die zweite Spalte transformiert. Die 2.Spalte soll sein  .

Ein Vielfaches der 2. Zeile wird von einem Vielfachen der 3. Zeile subtrahiert:

 


Wir speichern Berechnungen als Tableau ab und sehen, dass wir mit den Zeilentransformationen fertig sind, denn unsere Koeffizientenmatrix hat Dreiecksgestalt.

 

Das entspricht dem Gleichungssystem

 

das nun rekursiv von unten nach oben gelöst werden kann:

 
 
 

Wir erhalten den Lösungsvektor   bzw. etwas platzsparender  .

Man nennt dieses Verfahren, nämlich das Gleichungssystem in Dreiecksgestalt umzuwandeln,

  • Gaußschen Algorithmus,
  • Gaußsches Iterationsverfahren,
  • Gaußsches (teilweises) Eliminationsverfahren.

Bemerkung:

Oftmals sind in der Koeffizientenmatrix   Nullen enthalten, die bei geschickter Platzierung das Eliminationsverfahren erleichtern. Hier können bei Bedarf die Spalten von   vertauscht werden. Allerdings muß auf die Reihenfolge der Variablen geachtet werden, z.B.

     


Vollständiges Eliminationsverfahren Bearbeiten

Das Gaußsche Eliminationsverfahren ermöglicht eine rekursive Berechnung der Variablen von unten nach oben. Das lineare Gleichungssystem kann aber weiter umgeformt werden, so dass z.B. ein Tableau der Form

 

entsteht. Hier kann die Lösung direkt abgelesen werden:

  ,   ,   .

Man nennt dieses Verfahren vollständiges Gaußsches Eliminationsverfahren. Das Verfahren ist zwar aufwendiger, wird aber aus verschiedenen praktischen Gründen häufig angewendet, vor allem im EDV-Einsatz. Beispiel:

Gegeben ist das Tableau

 

das mit Hilfe der vollständigen Elimination umgeformt werden soll. Man geht spaltenweise von links nach rechts vor, zeilenweise von oben nach unten.

Die 1.Spalte soll sein  .

Man nennt die Zeile, in der schließlich 1 stehen soll, Pivotzeile.

1. Zeile (Pivotzeile):

 

2. Zeile:

 


3. Zeile: Ist schon o.k.

Neues Tableau als Zwischenergebnis:

 

Die 2.Spalte soll sein  . Pivotzeile ist also nun Zeile 2.

 

1. Zeile ist schon o.k.

3. Zeile:

 


Neues Tableau als Zwischenergebnis:

 

Die 3.Spalte soll sein  . Pivotzeile ist nun Zeile 3.

 

1. Zeile:

 

2. Zeile:

 

Neues Tableau als Ergebnis:

 

Wir erhalten die Lösungen

 ,  ,   bzw. den Lösungsvektor  . Für unsere Zwecke dieses Mathekurses genügt i.a. das teilweise Gaußsche Eliminationsverfahren.

Lösbarkeit linearer Gleichungssysteme Bearbeiten

Aus den bisherigen Ausführungen wurde ersichtlich, daß z.B. für die Bestimmung von 3 Unbekannten i.a. drei Gleichungen benötigt werden, d.h. für die Bestimmung von   Unbekannten braucht man möglicherweise   Gleichungen.

Fragen: Genügen immer   Gleichungen? Was ist, wenn mehr als   Gleichungen vorhanden sind? Ist das System dann noch lösbar?

Wir bemühen das Beispiel mit Lisa und Familie Meier und werden damit die Lösbarkeit von Gleichungssystemen erkunden.

Im Juni haben wir die Konstellation

 

als Gleichungssystem

 

Wir haben also zwei Gleichungen und zwei Unbekannte und lösen nun das LGS wie gewohnt. Wir gehen aus vom Tableau

 

und wollen die Koeffizientenmatrix zur Dreiecksmatrix umwandeln:

 

Tableau:

   

Ein Schokoriegel kostet also 2€ und eine Tüte Chips 3€. Es gibt nur eine Lösung für   und  . Dieses Gleichungssystem ist eindeutig lösbar.

Im Juli kauft Lisa wie gewohnt einen Schokoriegel und zwei Tüten Chips und zahlt 8 Euro. Familie Meier kauft vier Schokoriegel und acht Tüten Chips und zahlt 32 Euro. Wir interessieren uns wieder für die Preise der Artikel.

Wir gehen aus vom Tableau

 

und wollen die Koeffizientenmatrix umwandeln:

 

Hmmm...

Das neue Tableau wird nicht besser:

 

Wenn wir unser Gleichungssystem genauer betrachten, sehen wir, dass in diesem Fall die zweite Gleichung eigentlich nur das Vierfache der ersten Gleichung ist. In II ist keine neue Information enthalten, so dass wir im Grunde nur eine Gleichung haben. Genau das verrät uns das neue Tableau.

Wir erhalten   bzw.  . Mehr Infos sind nicht zu bekommen. Wir haben hier letztlich zwei Unbekannte, aber nur eine Gleichung. Wir können allerdings für   einen Wert festlegen und dann   entsprechend berechnen:   oder   usw. Es gibt theoretisch unendlich viele Lösungen, je nach Wert von  . Dieses System ist also mehrdeutig lösbar. Eine spezielle Lösung ist die so genannte Basislösung, also die Lösung für  : .

Meistens finden die Leute eine eindeutige Lösung schicker als eine mehrdeutige. Allerdings hat man bei einer mehrdeutigen mehr Spielraum, etwa bei der Produktionsplanung.

Im August haben wir die Konstellation

 

als Gleichungssystem

 

als Tableau

 

Wir erhalten durch Zeilentransformation

 
 

Wir haben hier die Situation, dass   ist. Sogar einem Meerschweinchen würde auffallen, dass wir hier eine inkonsistente Gleichung haben, dass also keine Lösung möglich ist.

Es sind bei einem Linearen Gleichungssystem folgende Lösungsmöglichkeiten denkbar:

1. Eine (einzige) eindeutige Lösung

2. Unendlich viele Lösungen

3. Keine Lösung

Es gibt verschiedene Methoden, herauszufinden, inwieweit eine Lösung existiert. Das Gaußsche Eliminationsverfahren ist beispielsweise geeignet: Man bringt die erweiterte Koeffizientenmatrix, also   zusammen mit   bzw. das entsprechende Tableau auf Trapezgestalt, d.h. man formt   so weit wie möglich auf Dreiecksgestalt um. Schließlich ergeben sich Konstellationen wie oben erläutert.

Beispiele für Ergebnistableaus:

I

 

II

 

III

 

IV

 

V

 

VI

 

VII

 

VIII

 

Lösung für die Tableaus:

  • I eindeutig lösbar
  • II eindeutig lösbar
  • III eindeutig lösbar, vierte Zeile überflüssig
  • IV alle   trivial
  • V mehrdeutig lösbar
  • VI mehrdeutig lösbar
  • VII mehrdeutig lösbar
  • VIII keine Lösung

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