Mathematik: Wahrscheinlichkeitstheorie: DW: K3: Zusammengesetzte Experimente
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K3: Zusammengesetzte Experimente
Diskrete Wahrscheinlichkeitsrechnung
3. Bedingter Wahrscheinlichkeit und Unabhängigkeit
Bearbeiten3.3 Zusammengesetzte Experimente
BearbeitenOft besteht ein Wahrscheinlichkeitsexperiment aus einer Folge von Teilexperimenten, wie z.B. das wiederholte Ausführen eines bestimmtes (Teil)Experiments. Wir werden dann die Wahrscheinlichkeitsstruktur (d.h. den Wahrscheinlichkeitsraum) jedes der Teilexperimente kennen, und daraus die Wahrscheinlichkeitsstruktur des ganzen Experiments ableiten.
Beispiel 1
BearbeitenWir werfen drei Mal eine faire Münze. Jeden einzelne Wurf können wir beschreiben als eine Kopie des symmetrischen Wahrscheinlichkeitsraums (S0,p0), mit S0 = {K,Z} und p0(K) = p0(Z) = 1/2. Der Ergebnisraum des totalen Experiments ist: S = {KKK,KKZ,KZK,ZKK,KZZ,ZKZ,ZZK,ZZZ}, und wenn die Experimente unabhängig sind, wird auch das totale Experiment symmetrisch sein, also ist p(s) = 1/8, für jede s ∈ S.
Das totale Experiment ist zusammengesetzt aus den drei unabhängigen Teilexperimenten (S1,p1), (S2,p2) und (S3,p3), mit Si= S0 und pi= p0. Es gilt: S = S1 × S2 × S3 und p(s1,s2,s3) = p1(s1)p2(s2)p3(s3). In diese letzte Beziehung sehen wir die Unabhängigkeit der Experimente reflektiert.
Was wir im Beispiel sehen, bringt uns zu der nachfolgenden Definition.
Definition 3.3.1
BearbeitenEs seien für i = 1,2,...,n die Wahrscheinlichkeitsräume (Si,pi) gegeben. Wenn S = S1× S2×....× Sn und p(s1,s2,...,sn) = p1(s1)p2(s2)...pn(sn), dann nennen wir (S,p) den Produktraum der Wahrscheinlichkeitsräume {(Si,pi)}.
Es lässt sich leicht zeigen, dass der Produktraum wieder ein Wahrscheinlichkeitsraum ist.
Satz 3.3.1
BearbeitenDer Produktraum (S,p) der Wahrscheinlichkeitsräume {(Si,pi)|i=1,2,...,n} ist ein Wahrscheinlichkeitsraum.
Wir werden ein Experiment, das aus dem nacheinander Ausführen von unabhängigen Teilexperimenten (d.h. Teilexperimente die keinen Einfluss auf einander haben) besteht, mittels des Produktraums der Wahrscheinlichkeitsräume der Teilexperimente beschreiben.
Definition 3.3.2
BearbeitenEs sei für i = 1,2,...,n das Experiment Ei beschrieben worden durch den Wahrscheinlichkeitsraum (Si,pi). Wir sagen das Experiment E sei zusammengesetzt aus den unabhängigen Teilexperimente E1,E2,...,En, wenn der Wahrscheinlichkeitsraum (S,p) von E der Produktraum ist von (S1,p1), (S2,p2), ..., (Sn,pn).
Wir werden nun zeigen, dass im Produktraum die Teilexperimente tatsächlich "unabhängig" in dem Sinne sind, dass Ereignisse, die sich nur auf die einzelnen Teilexperimente beziehen, unabhängig sind. Dabei tut sich noch eine formelle Schwierigkeit, die wir anhand eines Beispiels verdeutlichen.
Beispiel 1 (Erweiterung)
BearbeitenDas Ereignis "der erste Wurf zeigt Kopf" wird im ersten Experiment vorgestellt als die Teilmenge A = {K} von S1. Im zusammengesetzten Experiment wird dieses Ereignis vorgestellt als die Teilmenge A* = {KKK,KKZ,KZK,KZZ}, wofür wir auch schreiben können: A* = {K} × {K,Z} × {K,Z} = A × S2× S3. Die beide Ereignisse A und A* sind also zwar formell unterschiedliche Mengen, stellen aber praktisch gesehen dasselbe Ereignis dar.
Definition 3.3.3
BearbeitenEs sei für i = 1,2,...,n (Si,pi) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Zu jedem Ereignis A in (Si,pi) definieren wir das Ereignis A* im Produktraum durch: A* = S1× ... × Si-1 × A × Si+1 × ... × Sn.
Wir werden praktisch keinen Unterschied machen zwischen dem Ereignis A in einem Teilexperiment und dem Ereignis A* im Experiment des Produktraums. Im zusammengesetzte Experiment wird die Wahrscheinlichkeit von A* dieselbe sein als die Wahrscheinlichkeit von A im Teilexperiment.
Satz 3.3.2
BearbeitenEs sei für i = 1,2,...,n (Si,pi) ein Wahrscheinlichkeitsraum, und A ein Ereignis in (Si,pi), dann gilt im Produktraum (S,p):
- .
- Beweis
-
- .
Wir können nun zeigen, dass in einem Experiment, das aus unabhängigen Teilexperimenten zusammengesetzt ist, Ereignisse, die sich nur auf einzelne Teilexperimente beziehen, unabhängig sind.
Satz 3.3.3
BearbeitenEs sei für i = 1,2,...,n (Si,pi) ein Wahrscheinlichkeitsraum und Ai darin ein Ereignis. Dann sind im Produktraum die Ereignisse A1*,...,An* unabhängig.
Beweis: Für jede beliebige Gruppe von k Indices, wir nehmen dafür der Einfachheit halber die Indices 1,...,k, gilt:
-
- .
Als wichtige Anwendung werden wir das wiederholte Ausführen eines Teilexperiments mit nur zwei möglichen Ergebnissen betrachten. Wir können denken an das Werfen einer Münze, oder das Ziehen mit Zurücklegen aus einer dichotome Masse (d.h. eine Masse die in Zwei geteilt ist, z.B. Männer und Frauen, bestanden und durchgefallen, usw.)
Definition 3.3.4
BearbeitenEin Experiment mit nur zwei möglichen Ergebnissen nennen wir ein Bernoulli-Experiment (oder eine Alternative). Die Ergebnisse werden wir allgemein als Erfolg und Misserfolg (ohne Wertung) andeuten (Jacob Bernoulli, nachgelassenes Werk, 1713).
Wiederholen wir ein Bernoulli-Experiment einige Malen, auf solche Weise, dass die Teilexperimente unabhängig sind, dann sprechen wir von Bernoulli-Versuchen.
Definition 3.3.5
BearbeitenUnter Bernoulli-Versuche verstehen wir unabhängige Wiederholungen eines Bernoulli-Experiments.
Wir werden das unterliegende Bernoulli-Experiment immer beschreiben mittels dem Ergebnisraum S0= {0,1}, wo 0 das Ergebnis "Misserfolg" darstellt und 1 das Ergebnis "Erfolg", und die Wahrscheinlichkeitsfunktion p0, definiert durch die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg p = p0(1) = 1 – p0(0).
Wir können Bernoulli-Versuche auf zwei Weisen ausführen:
(a) eine zuvor festgelegtes Anzahl, sage n; ungewiss ist dann, wie viele Male wir Erfolg haben;
(b) solange weitergehen bis wir Erfolg haben; ungewiss ist dann wie viele Experimente wir ausführen müssen.
Im ersten Fall wird der Wahrscheinlichkeitsraum gegeben durch den Produktraum S = {0,1}n und p(s) = p∑s(1–p)n–∑ s. Ein Ergebnis beschreiben wir also als eine Folge 0-en und 1-en, und die Wahrscheinlichkeit ein solcher Folge durch das Produkt so vieler Faktore p als es 1-en gibt und Faktore (1–p) als es 0-en gibt. Wir nennen das Ereignis, dass wir in genau k der Teilexperimente Erfolg haben, Bk; also ist Bk= {s| ∑ si= k}.
Jedes zu Bk gehörendes Ergebnis hat die Wahrscheinlichkeit pk(1–p)n–k, und zu Bk gehört jedes Ergebnis das wir bekommen wenn wir k der n Stellen als Erfolg annehmen. Die Wahrscheinlichkeit von Bk wird im nächsten Satz gegeben.
Satz 3.3.4 (Binomial-Formel)
BearbeitenDie Wahrscheinlichkeit von genau k Erfolgen in n Bernoulli-Versuche mit Erfolgswahrscheinlichkeit p, wird für k = 0,1,...,n gegeben durch:
- .
Im Fall (b) wiederholen wir das Bernoulli-Experiment solange bis wir Erfolg haben. Wir können dieses Experiment beschreiben durch beliebig viele Bernoulli-Versuche. Das Ereignis Cn, dass wir n Versuche brauchen um Erfolg zu haben, wird gegeben durch allen Folgen die anfangen mit n–1 Mal ein 0 und direkt danach ein 1; also ist Cn = {s|si= 0 für i < n und sn = 1}. Weil die Teilexperimente unabhängig sind gilt für die Wahrscheinlichkeit von Cn:
Satz 3.3.5 (Geometrische Formel)
BearbeitenDie Wahrscheinlichkeit gn dass es in Bernoulli-Versuche mit Erfolgswahrscheinlichkeit p, beim n. Versuch zum ersten Mal Erfolg gibt, wird für n = 1,2,3,... gegeben durch:
- .
Wir können auch Experimenten begegnen, die aus abhängigen Teilexperimenten zusammengesetzt sind. Wir werden keine formelle Beschreibung geben ein solcher Experiment im Bezug auf der Teilexperimenten. Wie der Wahrscheinlichkeitsraum gewählt werden muss, ist von Fall zu Fall unterschiedlich, und folgt aus der Beschreibung des Experiments.
Zum Vergleich mit Bernoulli-Versuchen beschreiben wir das Ziehen ohne Zurücklegen aus einer dichotomen Masse. Wir benutzen das Urnenmodell und füllen eine Urne mit roten und weißen Kugeln. Wir ziehen Mal und nennen das Ziehen einer roten Kugel "Erfolg". Auch hier beschreiben wir ein Ergebnis als eine Folge von 0-en und 1-en, aber in dieser Situation ist nicht jede Folge möglich, weil maximal 1-en und 0-en zur Verfügung stehen. Das Ereignis mit Mal Erfolg, also mit genau roten Kugeln, nennen wir . Um die Wahrscheinlichkeit von zu berechnen, bedenken wir, dass die Erfolge von den roten Kugeln herstammen und die Misserfolge von den weißen Kugeln. Insgesamt ziehen wir Mal aus der Urne mit Kugeln.
Schematisch:
Rote Weiße Total Masse Stichprobe
Satz 3.3.6 (Hypergeometrische Formel)
BearbeitenDie Wahrscheinlichkeit hm von m Erfolgen in n Ziehungen ohne Zurücklegen aus einer dichotome Masse von Umfang N, wovon M Erfolgen, wird für m = 0,1,...,n gegeben durch:
- .
Dabei ist die selbstverständliche Unterstellung gemacht, dass
- , wenn k > n.