Spann, Erzeugnis, lineare Hülle – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

In der linearen Algebra ist das Erzeugnis einer Teilmenge eines Vektorraums über einem Körper die Menge aller Linearkombinationen mit Vektoren aus und Skalaren aus . Das Erzeugnis wird oft auch die lineare Hülle von oder der Spann von genannt.

Das Erzeugnis bildet einen Untervektorraum des Vektorraums . Dieser ist der kleinste Untervektorraum, der enthält.

Herleitung des Erzeugnisses Bearbeiten

Erzeugende Vektoren der  -Ebene Bearbeiten

Wir betrachten den uns wohl bekannten Vektorraum   und beschränken uns zunächst auf die  -Ebene. Das heißt, auf die Menge aller Vektoren der Form   mit  :

 
Die xy-Ebene im dreidimensionalen Raum

Jeder Vektor dieser Ebene lässt sich als Linearkombination der Vektoren   und   darstellen:

 

Mit der Menge dieser Linearkombinationen kann jeder Punkt der  -Ebene erreicht werden. Außerdem liegen die beiden Vektoren   und   selbst in der  -Ebene. Darüber hinaus liegen alle Linearkombination der beiden Vektoren   und   in der  -Ebene. Das liegt daran, dass die  -Komponente der beiden betrachteten Vektoren   ist und damit auch die dritte Komponente der Linearkombination der Vektoren immer   betragen muss.

Zusammenfassend können wir festhalten: Jeder Vektor der  -Ebene ist eine Linearkombination von   und  . Jede Linearkombination dieser beiden Vektoren ist auch ein Element dieser Ebene. Wir können auch sagen, die Vektoren   und   spannen die  -Ebene auf. Oder: Die beiden Vektoren erzeugen die betrachtete Ebene.

Die  -Ebene stellt einen Untervektorraum des Vektorraums   dar. Diesen Untervektorraum nennen wir  . Unsere beiden Vektoren spannen die Ebene   auf. Also schreiben wir

 

Wir sagen, „  ist das Erzeugnis der beiden Vektoren   und  “. Oft schreibt man auch „  ist die lineare Hülle der beiden Vektoren   und  “ oder „  ist der Spann der beiden Vektoren   und  “.

Es stellt sich nun die Frage: Sind diese erzeugenden Vektoren eindeutig? Nein, denn die Ebene   lässt sich auch durch die beiden Vektoren   und   aufspannen, denn

 

Es gilt also auch

 

Somit sind die beiden Vektoren, die wir für die Beschreibung unserer Ebene benötigen, nicht zwingend eindeutig.

Intuitiv können wir uns das Erzeugnis von Vektoren als die Menge aller möglichen Linearkombinationen vorstellen, die man aus diesen Vektoren bilden kann. In unserem Beispiel bedeutet das

 

Eine weitere Intuition ist: Das Erzeugnis einer Menge   beschreibt den Vektorraum, bei dem alle die Richtungen, die durch Elemente aus   repräsentiert werden, zu einem Vektorraum zusammengeführt werden.

Das Erzeugnis der geraden Monome Bearbeiten

Wir untersuchen nun noch ein etwas komplizierteres Beispiel: Betrachten wir den Vektorraum   der Polynome über  . Sei  . Die Elemente aus   sind die Monome  ,  ,  ,   usw. Also alle Monome, die einen geraden Exponenten besitzen. Zum Beispiel ist  . Wir betrachten  , die Menge aller Linearkombinationen mit Vektoren aus  . Zum Beispiel ist   ein Element in  . Wir überlegen uns, dass   ein Untervektorraum von   ist.

Die Menge   ist nicht leer. Denn z.B. ist  .

Betrachten wir nun zwei Polynome  . Nach Konstruktion von   bestehen   und   ausschließlich aus Monomen mit einem geraden Exponenten. Somit ergibt sich bei der Addition von   und   ebenfalls ein Polynom mit ausschließlich geraden Exponenten. Die Menge   ist also abgeschlossen bzgl. der Addition.

Das gleiche Argument liefert uns Abgeschlossenheit bzgl. skalarer Multiplikation. Somit ist die Menge   ein Untervektorraum des Vektorraums aller Polynome. Wie wir später noch sehen werden, ist es sogar der kleinste Untervektorraum, welcher   enthält.

Definition des Erzeugnises Bearbeiten

Wir haben uns schon überlegt, dass das Erzeugnis einer Menge   die Menge aller Linearkombinationen mit Vektoren aus   ist. Intuitiv ist das Erzeugnis der Untervektorraum, der sich aus dem Zusammenschluss aller Richtungen ergibt, die durch Vektoren aus   gegeben sind.

Definition (Erzeugnis oder Spann)

Sei   ein Vektorraum über dem Körper  .   sei eine nicht-leere Menge. Das Erzeugnis von   definieren wir als die Menge aller Vektoren aus  , welche sich als eine endliche Linearkombination von Vektoren aus   darstellen lassen und bezeichnen sie als  :

 

Für die leere Menge definieren wir:

 

Alternativ kann man das Erzeugnis einer Menge auch Spann oder lineare Hülle nennen.

Hinweis

Die Summe hat immer nur endlich viele Summanden, selbst wenn M unendlich ist.

Hinweis

Gelegentlich wird für das Erzeugnis auch die Schreibweise   verwendet. Die Schreibweise hat den Vorteil, dass hierbei deutlich wird, über welchen Körper der Vektorraum definiert ist. Es macht nämlich einen Unterschied, welchen Körper wir zu Grunde legen. Zum Beispiel für   gilt, dass  , aber  . Es kann gezeigt werden, dass   und  .

Beispiele Bearbeiten

 
Der Vektor   spannt eine Ursprungsgerade auf

Beispiel (Ursprungsgerade als Erzeugnis)

Sei  . Betrachten wir die Menge   als Teilmenge des Vektorraums  . Das Erzeugnis   ist die Gerade durch den Nullpunkt mit dem Richtungsvektor  .

 

Beispiel (Ursprungsebene als Erzeugnis)

Seien   und   zwei Vektoren aus  . Das Erzeugnis dieser beiden Vektoren ist die  -Ebene. Folgende Umformung zeigt dies:

 

Übersicht: Eigenschaften des Erzeugnisses Bearbeiten

Sei   ein  -Vektorraum,  ,   Teilmengen von   und   ein Untervektorraum von  , dann

  • Für einen Vektor   gilt  
  • Wenn  , dann  
  • Aus   folgt im Allgemeinen nicht  
  •  
  •   ist ein Untervektorraum
  • Für einen Untervektorraum   ist  
  •   ist der kleinste Untervektorraum von  , der   enthält
  •  
  •  

Eigenschaften des Erzeugnisses Bearbeiten

Das Erzeugnis eines Vektors   in   Bearbeiten

Für einen Vektor   gilt  . Für den Nullvektor   besteht das Erzeugnis wieder nur aus dem Nullvektor, also  . Gilt  , dann ist   genau die Menge der Elemente, die auf der Ursprungsgeraden zu dem Richtungsvektor   liegen.

Erzeugnis erhält Teilmengenbeziehung Bearbeiten

Satz (Erzeugnis erhält Teilmengenbeziehung)

Sei   ein  -Vektorraum und seien  . Ist  , dann ist  .

Beweis (Erzeugnis erhält Teilmengenbeziehung)

Da   und   ein Element im Erzeugnis jeder Menge ist, gilt  .

Damit können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit voraussetzen, dass  . Wir betrachten ein beliebiges Element  . Nach der Definition des Erzeugnisses existieren Vektoren   und   derart, dass  . Wegen   gilt für alle   mit  , dass  . Dann ist auch  . Folglich gilt  .

Hinweis

Die Umkehrung obigen Satzes gilt im Allgemeinen nicht! Damit meinen wir: Aus   folgt im Allgemeinen nicht  .

Ein mögliches Gegenbeispiel hierfür ist:

 

Dann ist:

 

Also ist  , da wir in beiden Fällen genau die Vielfachen des Vektors   erhalten. Da die beiden Teilmengen gleich sind, gilt insbesondere  , aber  . Daher kann die Umkehrung des Satzes im Allgemeinen nicht gelten.

Die Menge   ist in ihrem Erzeugnis enthalten Bearbeiten

Satz (  ist in ihrem Erzeugnis enthalten)

Sei   ein  -Vektorraum und  . Dann gilt  .

Beweis (  ist in ihrem Erzeugnis enthalten)

Ist  , so ist   , und die Behauptung ist richtig.

Sonst sei   beliebig. Dann lässt sich   durch   darstellen. Insbesondere ist   als skalares Produkt   eine Linearkombination mit einem Summanden aus  . Damit gilt  , da   alle Linearkombinationen von Elementen aus   enthält.

Daraus folgt die Behauptung  .

Das Erzeugnis von   ist ein Untervektorraum von   Bearbeiten

Satz (Das Erzeugnis von   ist ein Untervektorraum von  )

  ist ein Untervektorraum von  

Beweis (Das Erzeugnis von   ist ein Untervektorraum von  )

Wenn   die leere Menge ist, ist definitionsgemäß  , und das ist ein Unterraum von  . Ab jetzt dürfen wir daher davon ausgehen, dass   nicht leer ist.

Zunächst ist klar, dass gilt  . Dies ist aber nach Definition von Vektorraum und Erzeugnis offensichtlich.

Wir müssen noch zeigen   ist Unterraum von  , dazu müssen wir folgendes zeigen

  •  
  • für zwei Elemente   muss gelten   (Abgeschlossenheit der Addition)
  •   (Abgeschlossenheit der skalaren Multiplikation)

Beweisschritt:  

Da   nicht leer ist, existiert mindestens ein  . Dann kann man   als   schreiben, und daher liegt   selbst in  . Also ist diese Bedingung erfüllt.

Beweisschritt: Abgeschlossenheit der Addition

Wir zeigen die Abgeschlossenheit bzgl. der Vektoraddition.Seien  . Dann gibt es Vektoren   und  , so dass   und   ist. Damit gilt

 

Also ist   bzgl. der Addition abgeschlossen.

Beweisschritt: Abgeschlossenheit der skalaren Multiplikation

Wir zeigen die Abgeschlossenheit bzgl. der skalaren Multiplikation.

 

Damit haben wir bewiesen, dass   ein Untervektorraum des Vektorraums   ist.

Das Erzeugnis eines Untervektorraums   ist   Bearbeiten

Satz (Das Erzeugnis von   ist kleinster Untervektorraum von  )

Das Erzeugnis eines Untervektorraums   ist  

Beweis (Das Erzeugnis von   ist kleinster Untervektorraum von  )

Da   ein Untervektorraum ist, sind mit   auch alle Linearkombinationen der   in   enthalten. Daher ist  . Zusammen mit   folgt unsere Behauptung.


Das Erzeugnis von   ist der kleinste Untervektorraum von  , der   enthält Bearbeiten

Satz (Das Erzeugnis von   ist kleinster Untervektorraum von  )

Sei   ein  -Vektorraum und sei  .

Dann ist   der kleinste Untervektorraum von  , der   enthält.

Beweis (Das Erzeugnis von   ist kleinster Untervektorraum von  )

Wir wissen bereits, dass   ein Untervektorraum ist. Nun zeigen wir, dass   der kleinste Untervektorraum ist, der   enthält.

Wenn   ist, gilt die Behauptung offenbar, da dann   ist.

Sei   ein Untervektorraum von  , der   enthält. Unser Ziel ist es, zu zeigen, dass   ist. Denn dann ist der Unterraum   kleiner gleich jedem anderen Unterraum  , der   enthält.

Ist nun  , dann gibt es   und  , so dass   ist.

Da   ein Untervektorraum ist und  , sind auch alle Linearkombinationen der   in   enthalten. Daraus folgt unsere Behauptung, dass  .

Idempotenz des Erzeugnisses Bearbeiten

Satz (Idempotenz des Erzeugnisses)

Sei   ein  -Vektorraum und  . Dann gilt  . Diese Eigenschaft des Erzeugnisses wird Idempotenz genannt.

Beweis (Idempotenz des Erzeugnisses)

Für   ist   und  .

Daher können wir jetzt davon ausgehen, dass   nicht leer ist.

Wir wissen bereits, dass  . Es bleibt also nur zu zeigen, dass  .

Sei dazu  . Dann lässt sich   darstellen als

 

mit   und  . Da   für alle   ist, lässt sich jedes   als Linearkombination von Elementen aus   schreiben:

 

mit   und  . Wir ersetzen nun in der Darstellung von   die   durch ihre Darstellung als Linearkombination der  :

 

Für alle   liegt   in  , da   ein Körper ist. Also folgt, dass  , und damit auch die Aussage.

Alternativer Beweis (Idempotenz des Erzeugnisses)

Wir wissen, dass   ein Untervektorraum von   ist, und dass das Erzeugnis   eines Untervektorraums   wieder   ist.

Daher ist   wieder  .

Mehr Elemente im Erzeugnis verändern das Erzeugnis nicht Bearbeiten

Satz (Mehr Elemente im Erzeugnis verändern das Erzeugnis nicht)

Sei   ein  -Vektorraum und  ,  . Dann gilt

 

Beweis (Mehr Elemente im Erzeugnis verändern das Erzeugnis nicht)

Wir beweisen die beiden Implikationen   und  :

Beweisschritt:  

Die Aussage   gilt immer, da  . Es bleibt also nur zu zeigen, dass   gilt. Betrachten wir dazu ein Element  . Dieses können wir schreiben als

 

mit  ,  ,   und  . Da  , kann man   für alle   als Linearkombination von Elementen aus   schreiben:

 

mit   und  . Nun setzen wir diese Darstellung von   in die vorherige Formel ein:

 

Wir haben damit   als Linearkombination von Vektoren aus   darstellen können und somit gilt:  .

Beweisschritt:  

Wir zeigen diese Aussage mit einem Widerspruchsbeweis. Angenommen, es gibt ein   aber  . Wir definieren nun ein Element  , mit   und  .

Nun ist   eine Linearkombination von Vektoren aus  . Es gilt damit  , da  . Allerdings gilt auch  , da  . Dies widerspricht aber der Voraussetzung  .

Damit ist unsere Voraussetzung falsch und es muss gelten  .

Alternativer Beweis (Erster Beweisschritt)

Man kann auch so argumentieren: es sind  . Also ist auch  .

Wir haben schon bewiesen, dass dann   ist. Diese Menge ist wegen der Idempotenz des Erzeugnisses dasselbe wie  , also  .

Überprüfen, ob bestimmte Vektoren zum Erzeugnis gehören Bearbeiten

Nachdem wir einige Eigenschaften des Erzeugnisses kennengelernt haben, wollen wir in diesem Abschnitt beispielhaft darstellen, wie wir nachweisen können, ob ein Vektor eines Vektorraums   innerhalb des Erzeugnisses einer Teilmenge dieses Vektorraums liegt oder nicht. Wir werden feststellen, dass wir, um diese Frage beantworten zu können, ein lineares Gleichungssystem lösen müssen.

Beispiel (Ebene und Ursprungsgerade)

Sehen wir uns zu Beginn ein einfaches Beispiel aus dem   an. Wir betrachten die Ursprungsgerade   mit der einelementigen Teilmenge   der Ebene  . Die Fragestellung lautet nun, ob der Vektor   im Erzeugnis von   liegt. Man kann sofort sehen, dass

 

gilt. In anderen Worten

 

Rein formal liegt die Aufgabe im Lösen eines Gleichungssystems. In unserem einfachen Beispiel also konkret darin, ob es uns gelingt ein   zu finden, derart, dass

 

Aus dieser Gleichung gewinnen wir das lineare Gleichungssystem

 

mit der offensichtlichen Lösung  .

Beispiel (Polynome)

Untersuchen wir nun ein Beispiel, dessen Lösung nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist. Dafür betrachten wir die Teilmenge der Monome   und das Polynom  . Wir wollen zeigen, dass das Polynom nicht im Erzeugnis von   liegt. Dazu genügt es nachzuweisen, dass   nicht als Linearkombination der Monome von   dargestellt werden kann. Das können wir sehen, indem wir das Polynom umformen zu

 

Wir sehen, dass ein Summand das Monom   enthält, dieses Monom ist aber nicht in   enthalten. Damit liegt das Polynom nicht im Erzeugnis der Menge  .

Beispiel (Vektoren aus dem  )

Wir betrachten die Teilmenge   des   und wollen beweisen, dass der Vektor  . Dafür müssen zeigen, dass es Koeffizienten   gibt, derart, dass

 

Aus dieser Darstellung erhalten wir das lineare Gleichungssystem

 

mit der Lösung  ,  ,  ,  . Damit gilt

 

und somit  .