Junktor – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Junktoren sind bestimmte Symbole in der Aussagenlogik, die Aussagen miteinander verbinden oder in eine Beziehung stellen. Das Wort Junktor stammt vom lateinischen Wort „iungere“ ab, was so viel wie „verknüpfen, verbinden“ bedeutet. Junktoren kann man deshalb gut mit Bindewörtern vergleichen, wie sie in natürlichen Sprachen vorkommen (Beispiele für Bindewörter sind „und“, „oder“, „aber“). Während Junktoren in der Logik Aussagen miteinander verknüpfen, verbinden Bindewörter einzelne Satzteile in einer natürlichen Sprache. Dementsprechend gibt es (wie du noch sehen wirst) in der deutschen Sprache für Junktoren ein äquivalentes oder ähnliches Bindewort.

Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: Die Bedeutung eines Junktors ist eindeutig definiert, wohingegen Bindewörter oftmals eine unterschiedliche Bedeutung (je nach Kontext, in dem sie verwendet werden) besitzen. So bedeutet „oder“ im Satz „Gehst du nun ins Kino oder bleibst du zu Hause?“, dass die angesprochene Person die Entscheidung hat, entweder ins Kino zu gehen oder zu Hause zu bleiben (es geht nur eines von beiden). Im Satz „Er freut sich über seinen Lottogewinn oder seine neue Freundin“ besitzt „oder“ eher die Bedeutung eines „und/oder“ (die Person kann sich sowohl über den Lottogewinn als auch über die neue Freundin freuen). Im Satz „Gehst du nun ins Kino oder ins Restaurant?“ kann „oder“ sowohl ausschließend als auch einschließend gemeint sein.

Es ist wichtig, dass du die Definitionen und Eigenschaften der einzelnen Junktoren genau kennst (insbesondere diejenigen Eigenschaften, die scheinbar der Intuition widersprechen), da dir sonst leicht Fehler in der Anwendung passieren. Es ist auch wichtig, dass du klar zwischen Bindewörtern der natürlichen Sprache und aussagelogischen Junktoren unterscheidest.

Einführende Beispiele Bearbeiten

Nimm als Beispiel die folgenden zwei Aussagen:

Aussage  : „  ist durch 2 teilbar.“

Aussage  : „  ist gerade.“

Diese beiden Aussagen kannst du miteinander verknüpfen, indem du den Junktor „und“ verwendest. Du erhältst dadurch die Aussage: „  ist durch 2 teilbar und   ist gerade.“ Beachte dabei, dass hier „und“ als Junktor verwendet wird. Du kannst aber auch die beiden Aussagen auf eine ganz andere Art und Weise miteinander verknüpfen, nämlich: „Wenn   durch 2 teilbar ist, dann ist   gerade.“ Hier ist der Junktor der „Wenn-dann“-Junktor, der beide Aussagen miteinander verknüpft. Beide Beispiele zur Übersicht:

Aussage „  und  “:  

Aussage „Wenn  , dann  “:  

Für Junktoren werden Symbole verwendet. So ist für den Junktor „und“ das Symbol   und für den „Wenn-dann“-Junktor das Symbol   gebräuchlich. Damit können obige beide Aussagen folgendermaßen dargestellt werden:

Aussage „  und  “:  

Aussage „Wenn  , dann  “:  

Offene Frage: Überlege dir einige mathematische Aussagen. Welche Verknüpfungen sind in diesen Aussagen enthalten? Welche verknüpften Teilaussagen kannst du ausmachen?


Verständnisfrage: Nimm den Satz: „Wenn   eine natürliche Zahl ist und   gerade ist, dann ist   durch 2 teilbar.“ Wie kannst du diesen Satz in Teilaussagen und Junktoren zerlegen?

 

Und mit Symbolen:

 

Junktoren verbinden nur Aussagen Bearbeiten

Du solltest dir auch merken, dass Junktoren nur Aussagen miteinander verbinden. Die durch den Junktor verbundenen Teile müssen also selbst wieder Aussagen und keine Satzfragmente oder Ähnliches sein. Nimm hierzu den Beispielsatz:

„7 und 42 sind natürliche Zahlen.“

Hier ist „und“ kein Junktor! Wenn dem so wäre, dann müssten die Satzteile „7“ sowie „42 sind natürliche Zahlen“ Aussagen sein, was sie aber nicht sind:

 

Anders sieht die Sache aus, wenn man obigen Satz leicht umformuliert:

„7 ist eine natürliche Zahl und 42 ist eine natürliche Zahl.“

Hier ist „und“ ein Junktor, weil die einzelnen Teile wiederum Aussagen sind:

 

Du siehst an obigem Beispiel gut, dass nicht jedes Bindewort der natürlichen Sprache automatisch ein Junktor ist und dass sauber zwischen Junktoren und deren zugeordneter Übersetzung unterschieden werden muss.

Die Junktoren Bearbeiten

Im Folgenden stellen wir die für die Mathematik wichtigsten Junktoren vor. Um eine übersichtliche Notation zu erreichen, werden wir, wie es in der Mathematik üblich ist, als Platzhalter für Aussagen Großbuchstaben wie  ,   und   verwenden. Beachte, dass diese Platzhalter auch für Aussagen stehen können, die selbst wieder eine Verknüpfung von mehreren Aussagen sind. Neben jedem Junktor findest du eine sogenannte Wahrheitstabelle des jeweiligen Junktors. Sie gibt den Wahrheitswert der zusammengesetzten Aussage in Abhängigkeit der Wahrheitswerte der einzelnen Teilaussagen wieder.   steht dabei für „wahr“ und   steht für „falsch“.

Negation – die Verneinung einer Aussage Bearbeiten

Wahrheitstabelle: Negation
   
   
   

Der erste Junktor, den wir vorstellen, ist die Verneinung einer Aussage, welche Negation genannt wird. Die Negation kehrt den Wahrheitswert einer Aussage um: Aus „wahr“ wird durch Negation „falsch“ und analog aus „falsch“ wird „wahr“. Mit anderen Worten: Eine negierte Aussage   ist genau dann wahr, wenn die Aussage   falsch ist. Dies kannst du auch rechts der Wahrheitstabelle zur Negation entnehmen. Das Symbol der Negation ist  . Wenn du also die Verneinung einer Aussage   ausdrücken möchtest, so schreibst du   auf (gesprochen „nicht A“). Es gibt aber auch die Notation   (gesprochen „A quer“) beziehungsweise  , um die Negation von   aufzuschreiben.

 
Es muss nicht unbedingt die Sonne scheinen, wenn es nicht regnet.

Es ist wichtig, dass du lernst, wie man eine Aussage richtig negiert. So ist zum Beispiel die Negation der Aussage „Es regnet“ nicht die Aussage „Es scheint die Sonne“, sondern die Aussage „Es regnet nicht“. Es könnte ja zum Beispiel sein, dass es bewölkt ist, es aber nicht regnet. Um eine logische Aussage zu negieren, gibt es einfache Umformungsregeln, die du beachten musst. Diese werden wir später im Kapitel „Aussagen negieren“ erklären.

Konjunktion – die Und-Verknüpfung Bearbeiten

Wahrheitstabelle: Konjunktion
     
     
     
     
     

Eine wichtige Verknüpfung zwischen zwei Aussagen   und   ist die Konjunktion, die Und-Verknüpfung „  und  “. Das Symbol für „und“ ist   (als Merkhilfe kannst du an ein großes A vom Englischen „and“ für „und“ denken). Wenn du also notieren möchtest, dass sowohl die Aussage   als auch die Aussage   wahr ist, schreibst du  . Wie du aus der Wahrheitstabelle entnehmen kannst, ist eine Aussage   dann und nur dann wahr, wenn sowohl   als auch   wahr sind. Wenn bereits eine der beiden Teilaussagen falsch ist, ist die gesamte Aussage falsch. Dies deckt sich mit dem alltäglichen Gebrauch des Bindewortes „und“.

Disjunktion – die Oder-Verknüpfung Bearbeiten

Wahrheitstabelle: Disjunktion
     
     
     
     
     

Außerdem kann man Aussagen noch über eine Oder-Verknüpfung miteinander verbinden. Dazu gibt es in der Logik die Disjunktion mit dem Symbol  . Wenn du sagen möchtest, dass mindestens eine der beiden Aussagen  ,   wahr ist, schreibst du   („  oder  “ ausgesprochen).

Beachte: In der Umgangssprache besitzt „oder“ zwei verschiedene Lesarten: So benutzen wir „oder“ im Sinne von „und/oder“ („Dieses Angebot richtet sich an junge Leute oder Kunstinteressierte.“) und in der Bedeutung als „entweder oder“ („Kommst du mit? Ja oder nein?“). Die Disjunktion ist das nicht-ausschließende Oder im Sinne von „mindestens“ („Der Bus hält, wenn jemand einsteigen oder jemand aussteigen will“).

Kontravalenz – die Entweder-oder-Verknüpfung Bearbeiten

Wahrheitstabelle: Kontravalenz
     
     
     
     
     

Die Kontravalenz ist ein Junktor im Sinne einer Entweder-oder-Verknüpfung. Man benutzt für sie das Symbol   („exklusiv oder“). Eine Aussage   ist genau dann wahr, wenn entweder   oder  , aber nicht beide Aussagen gleichzeitig wahr sind. Die Kontravalenz entspricht damit dem ausschließenden Oder im Sinne von „Dieses Jahr gewinnt (entweder) Bayern oder Dortmund die deutsche Fußballmeisterschaft“. Die Kontravalenz wird in der Mathematik seltener verwendet als die Disjunktion.

Implikation – die Wenn-dann-Verknüpfung Bearbeiten

Wahrheitstabelle: Implikation
     
     
     
     
     

Eine wichtige Verknüpfung in der Aussagenlogik ist die Implikation, welche als Wenn-dann-Verknüpfung aufgefasst werden kann. Ihr Symbol ist  ; weitere weniger gebräuchliche Schreibweisen sind   und  . So bezeichnet   die Aussage „Wenn  , dann  “. Weitere Sprechweisen für   sind „Aus   folgt  “, „  impliziert  “, „  ist eine hinreichende Bedingung für  “ und „  ist eine notwendige Bedingung für  “. Dabei wird   Prämisse und   Konklusion genannt:

 
 
Eine Straße kann nass sein, ohne dass es regnet.

Die Bedeutung von   ist demnach, dass wenn bereits die Aussage   gilt, auch die Aussage   gelten muss. Dabei muss aber kein kausaler Zusammenhang zwischen   und   vorliegen (was du vielleicht durch die Formulierung „Wenn  , dann  “ vermuten könntest). So ist die Aussage   („Aus   folgt  “) eine wahre Aussage, auch wenn aus der Tatsache, dass   ist, nicht kausal die Tatsache folgt, dass   ist.

Leicht begeht man bei der Implikation   den Fehler zu glauben, dass dann auch   gelten müsse. So gehen einige davon aus, dass aus dem Satz „Wenn es regnet, ist die Straße nass“ folgen müsse, dass, wenn die Straße nass ist, es auch regne. Dies ist aber nicht der Fall! So kann die Straße aufgrund einer Straßenreinigung nass sein oder es kann vor kurzem geregnet haben, ohne dass es momentan regnet.

Warnung

Viele mathematische Sätze sind als Implikationen definiert (aus gewissen Bedingungen   folgt eine Tatsache  ). Deshalb ist es wichtig, dass du dir merkst, dass eine Implikation nicht umkehrbar ist (der Pfeil geht schließlich nur von   nach   und nicht umgekehrt). Sonst passiert es dir schnell, dass du Fehler in deinen Beweisen machst.

Frage: Überlege dir selbst mathematische Beispiele, mit denen du andere Leute überzeugen kannst, dass Implikationen im Allgemeinen nicht umkehrbar sind.

Ein Beispiel ist die Implikation „Wenn viel Schnee draußen liegt, ist es kalt“. Die Umkehrung wäre „Wenn es kalt ist, dann liegt Schnee draußen”. Nun hat jeder von uns schon kalte Tage ohne Schnee erlebt, womit die umgekehrte Implikation nicht wahr sein kann.

Ein weiteres Beispiel ist:

 

Die Umkehrung wäre die Aussage:

Wenn die Ableitung einer Funktion   an der Stelle   gleich null ist, dann ist   in   differenzierbar und besitzt in   ein lokales Extremum.

Ein Gegenbeispiel ist die Funktion  . Bei dieser Funktion ist die erste Ableitung bei   null, da   und   ist, aber diese Funktion besitzt keine lokale Extremstelle bei  .

Beachte auch, dass nach der Wahrheitstabelle die Implikation bereits dann wahr ist, wenn die Prämisse   falsch ist. So ist die Aussage   („Wenn   ist, dann ist  “) eine wahre Aussage, auch wenn   ist. Dieses Prinzip der Implikation wird ex falso quodlibet genannt oder zu Deutsch: „Aus Falschem folgt Beliebiges.“ Demnach ist eine Implikation nur dann und genau dann falsch, wenn die Prämisse   wahr ist und die Konklusion   falsch ist. Diese Tatsache kann zu recht kontraintuitiven Aussagen führen, die aber dennoch wahr sind. Betrachte dazu folgende Verständnisfrage:

Verständnisfrage: Welche der folgenden Aussagen sind wahr und welche sind falsch?

  1. Wenn Berlin in England liegt, ist Schnee schwarz.
  2. Wenn Berlin in England liegt, ist Schnee weiß.
  3. Wenn Berlin in Deutschland liegt, ist Schnee schwarz.
  4. Wenn Berlin in Deutschland liegt, ist Schnee weiß.
  5. Wenn der Mond aus grünem Käse besteht, ist heute Sonntag.

Antwort: Die Aussagen (1) und (2) sind wahr, weil bereits die Prämisse „Berlin liegt in England“ falsch ist. Auch Aussage (4) ist wahr, weil sowohl die Prämisse als auch die Konklusion wahr ist. Nur Aussage (3) ist falsch (Prämisse ist wahr und Konklusion falsch). Aussage (5) ist an jedem Tag wahr.

Äquivalenz – die Genau-dann-wenn-Verknüpfung Bearbeiten

Wahrheitstabelle: Äquivalenz
     
     
     
     
     

Der letzte Junktor, den wir vorstellen möchten, ist die Äquivalenz. Die Äquivalenz wird mit dem Doppelpfeil   dargestellt. Die Sprechweise von   ist dabei „Genau dann  , wenn  “, „  ist gleichwertig mit  “ oder „  ist äquivalent zu  “. Eine Aussage   ist genau dann und nur dann wahr, wenn die beiden Aussagen   und   denselben Wahrheitswert besitzen. Ist eine der beiden Aussagen wahr und die andere falsch, ist   falsch. Die Äquivalenz wird auch Bijunktion genannt.

Die Bedeutung der Aussage   ist dabei, dass aus der Aussage   die Aussage   folgt und dass aus der Aussage   die Aussage   folgt. Dies erkennst du auch am Doppelpfeil – während bei der Äquivalenz der Pfeil von   nach   und umgekehrt geht, geht der Pfeil in der Implikation nur in eine Richtung (und zwar von der Prämisse zur Konklusion). Die Äquivalenz drückt damit eine Gleichwertigkeit zwischen zwei Aussagen aus, da zwei in Äquivalenz stehende Aussagen immer denselben Wahrheitswert besitzen (genau so ist die Äquivalenz definiert).

Verständnisfrage: Überlege dir Beispiele für eine Äquivalenzbeziehung.

Ein einfaches Beispiel aus der Mathematik ist

„Genau dann wenn   durch 2 teilbar ist, ist   gerade.“

Ein weiteres Beispiel aus dem Alltag ist

„Genau dann wenn Schaltjahr ist, hat der Februar 29 Tage.“

Ein Schaltjahr ist nämlich als ein solches Jahr definiert, wo der Februar 29 Tage hat[1].

Verständnisfrage: Sei  . Ist dann   notwendige oder hinreichende Bedingung von   und wie sieht es umgekehrt aus?

Weil bei   aus   die Aussage   folgt und umgekehrt, ist   sowohl notwendige als auch hinreichende Bedingung für   und umgekehrt.

Bindungsreihenfolge der Junktoren (Präzedenzregeln) Bearbeiten

Aus der Arithmetik kennst du bereits das Phänomen, dass bestimmte Operatoren stärker binden als andere. So bindet die Multiplikation   stärker als die Addition   („Punktrechnung geht vor Strichrechnung“). Beispielsweise muss man   als   lesen. Jedoch ist diese Bindungsreihenfolge in der Logik nicht immer komplett und du musst Klammern einsetzen, um dem Leser die richtige Bindungsreihenfolge zu zeigen. Folgende Bindungsreihenfolge ist aber allgemein akzeptiert:

Negation bindet stärker als Konjunktion und Disjunktion bindet stärker als Implikation und Äquivalenz

Manchmal wird auch eine vollständige Bindungsreihenfolge definiert. Diese lautet dann meistens (der am stärksten bindende Junktor steht am Anfang):

  1. Negation  
  2. Konjunktion  
  3. Disjunktion  
  4. Implikation  
  5. Äquivalenz  

Die Kontravalenz   hat keinen festen Platz in der obigen Liste. Sie bindet stärker als die Implikation und schwächer als die Negation. Wenn aber die Kontravalenz zusammen mit der Disjunktion   oder der Konjunktion   auftritt, solltest du deinen Ausdruck entsprechend Klammern[2].

Nach obiger Bindungsreihenfolge muss also die Aussage   als   gelesen werden. Ich empfehle dir aber (und werde dies auch im Buch umsetzen), bei der Unterscheidung der Bindung zwischen Konjunktion und Disjunktion sowie zwischen Implikation und Äquivalenz Klammern einzusetzen.

Wenn mehrere Implikationen nacheinander ohne Klammerung verwendet werden, gilt in der Literatur meistens folgende Definition:

  bedeutet  

Verständnisfrage: Wie musst du die Klammern in folgenden Ausdrücken richtig setzen (nach der vollständigen Liste zur Bindungsreihenfolge)?

  1.  
  2.  
  3.  

Antwort:

  1.  
  2.  
  3.