Lehrbuchrhetorik im Medizinstudium: Vorwort

"Dieser Abschnitt handelt von der größten Zeitverschwendung, die es gibt. Wieviel Arbeitsstunden durch falsches Lernen täglich vergeudet werden, wieviel Aufwand durch schlechte Lehrbücher umsonst ist, läßt sich nicht ermessen." (Helmut Benesch, Hermann Freiherr von Saalfeld)


Lehrbücher werden mit dem allgemeinen Ziel geschrieben, den Adressaten zu belehren. Im Hinblick auf diese Wirkungsintention und den daraus abgeleiteten gezielten Einsatz bestimmter sprachlicher und gestalterischer Mittel und Maßnahmen ist Lehrbuchschreiben eine Spielart der Rhetorik. Zwar muss sich jeder rhetorische Text und somit auch jedes Lehrbuch eng am je spezifischen Publikum und Kontext orientieren; dennoch gibt es einige allgemeine Prinzipien und Werkzeuge, die den Wirkerfolg eines Lehrbuchs wahrscheinlicher machen. Diese allgemeinen Methoden sollen in dieser knappen Broschüre dargestellt werden; sie beruhen zum einen auf theoretischen (psychologischen, philosophischen, didaktischen) Erkenntnissen, zum anderen auf Herangehensweisen, die sich in der Praxis bewährt haben: rhetorische Strategien, die über Jahrhunderte hinweg in engem Praxisbezug entwickelt wurden, und formal-gestalterische Strategien, die in den heutigen Lehrbüchern erfolgreich eingesetzt werden.

Der erste Teil ("Grundlagen") stellt elementare psychologische, philosophische und didaktische Konzepte, Gedanken und Modelle dar, die man für eine fundierte und gewinnbringende Auseinandersetzung mit Lehrbuchrhetorik und -didaktik kennen sollte. Der zweite Teil ("Lehrbuchrhetorik") enthält erstens eine prägnante Einführung in die Grundlagen der Rhetorik und zweitens eine systematische Darstellung lehrbuchspezifischer Gestaltungsprinzipien und -elemente (extrahiert aus Dutzenden medizinischer Lehrbücher), die aus einem rhetorischen Text einen effektiven didaktischen Text machen.

Diese Broschüre wendet sich in erster Linie an Wikibooks-Autoren im Fachbereich Medizin. Sie ist selbst kein offizielles Lehrbuch im eigentlichen Sinn, sondern ein praxisbezogenes "Metalehrbuch" für Insider, die sowohl als Anleitung und Tippsammlung als auch als Diskussionsbeitrag und Reflexionsanreiz gelesen werden kann. Sie hat ihren Zweck dann erfüllt, wenn sie Gedanken über die eigene Methodik des Lehrbuchschreibens anregt – und vielleicht auch eine Diskussion über effektive Lehrbuchgestaltung entzündet.

Und nun: viel Spaß beim Lesen!

Oktober 2009, OnkelDagobert