Kleiner Führer zu Burgen, Schlössern und Rittersitzen: Essen und Umgebung: Vorwort
Rauchende Schlote, rußverschmierte Bergleute, deren Schicht in den Kohlezechen gerade vorüber ist, und überalterte, beinahe abrissreife Gebäude von Stahlwerken ... Das ist das Bild, welches auch heute noch in den Köpfen vieler „Auswärtiger“ herumspukt, wenn es gilt, sich eine Vorstellung vom Ruhrgebiet zu machen. Und selbstverständlich gehört Essen dazu! Diese Stadt, die gemeinsam mit Bochum quasi das Herz des Ruhrgebiets bildet.
Umso erstaunter sind viele, wenn man ihnen von romantischen Schlössern, trutzigen Burgen und vornehmen Herrenhäusern auf Essener Stadtgebiet und seiner näheren Umgebung berichtet. Adelssitze mitten im Ruhrgebiet? Das passt so gar nicht in das soeben skizzierte Klischee des „Kohlenpotts“, das auch heute noch viele im Sinn haben. Aber es ist wahr, das heutige Essen hat eine Geschichte, die weit älter ist als die industrielle Revolution, wo Kohleabbau und Schwerindustrie dort rasant zu wachsen begannen. Und so gibt es rund um Essen eine Vielzahl heute noch erhaltener adeliger Residenzen, die auf eine wesentlich ältere Geschichte zurückblicken können als jede Zeche und jede metallverarbeitende Industrie.
Im Mittelalter war das heutige Essener Stadtgebiet begehrtes Siedlungsterritorium und ständiger Zankapfel einflussreicher Parteien, die zu jener Zeit um Macht und Einfluss stritten. Da war zum einen die Abtei Werden, deren Äbte etwa seit dem Jahr 800 reichsunmittelbare Fürsten waren. Sie erhielten mit dem Beginn des 10. Jahrhunderts durch das nahe gelegene und ebenfalls reichsunmittelbare Damenstift Essen erst geistliche „Konkurrenz“, dann auch weltliche Mitbewerber um die regionale Macht, denn die Essener Äbtissinnen wurden den Werdener Äbten im 13. Jahrhundert als Fürstinnen gleichgestellt. Doch die Damen lagen seit dem 14. Jahrhundert beinahe im ständigen Streit mit der Bürgerschaft Essens, denn die Stadt forderte die Selbstverwaltung und bekam 1377 die Reichsunmittelbarkeit zugesprochen. Bis zur Auflösung des Stifts im 19. Jahrhundert sollte sich der Konflikt zwischen Stadt und Stift hinziehen. Und in deren Kampf um die Macht im Essener Raum mischten sich auch die weltlichen Statthalter des Essener Stifts und der Werdener Abtei; namentlich die Kölner Kurfürsten, die als Erzbischöfe von Köln ohne ihre Kurwürde in weltlichen Dingen auch nichts zu melden gehabt hätten, und deren weltliche Widersacher, die Grafen von der Mark. Diese fünf Parteien bestimmten lange Zeit das Schicksal Essens und seiner Umgebung. Sie führten Kriege und Fehden in wechselnden Bündnissen, errichteten Wehranlagen zur Sicherung ihrer Machtansprüche und sorgten mit ihren baulichen Hinterlassenschaften dafür, dass rund 1.000 Jahre Essener Geschichte auch heute noch anschaulich und lebendig sind.
Viele der Bauwerke sind heute im Besitz von Städten und Gemeinden, weil ihr Unterhalt für Privatpersonen finanziell nicht zu bewerkstelligen ist, und dienen oft als Veranstaltungsort für kulturelle Events und offizielle Anlässe. Sie stehen damit in den meisten Fällen der Öffentlichkeit für einen Besuch offen. Dieses Buch stellt einige ausgewählte Adelssitze in Essen und seiner Umgebung vor und richtet sich damit an reiselustige Burgen- und Schlösserfans sowie Hobbyhistoriker ab 16 Jahren. Vorkenntnisse zum Thema sind nicht nötig.