Innere Medizin kk: Sekundenherztod

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Reanimation mit Herzdruckmassage und Beatmung

Das Wichtigste Bearbeiten

  • Der   Sekundenherztod ist nach wie vor ein großes medizinisches Problem, welches wohl nie komplett in den Griff zu bekommen ist.
  • Durch die großzügige Handhabung der Indikation zum ICD kann man besondere Risikogruppen mittlerweile gut davor schützen.
  • Durch die großzügige Behandlung von vorübergehend gefährdeten Patienten mit einer Intensivüberwachung oder einer Lifevest wird die Häufigkeit des plötzlichen Herztodes gesenkt.
  • Die Abgrenzung des Sekundenherztodes vom plötzlichen Tod nicht kardialer Ursache bereitet nach wie Schwierigkeiten.
  • Jeder Patient der plötzlich und unerwartet verstorben ist, sollte obduziert werden, auch wenn dies manchmal nicht dem Willen der Angehörigen entspricht und organisatorische Probleme mit sich bringt.

Titel Krankheitsnummer ( ICD ) Bearbeiten

I21-I22     Plötzlicher Tod bei Myokardinfarkt
I44-I45     Plötzlicher Tod bei Erregungsleitungsstörung
I46.0       Herzstillstand mit erfolgreicher Wiederbelebung
I46.1       Plötzlicher Herztod, so beschrieben
R96.        Plötzlicher Tod ohne nähere Angaben

Definition engl Bezeichnung + Abkürzungen Bearbeiten

Der Sekundenherztod muß abgegrenzt werden gegenüber einem Sekundentod aus einer nicht kardialen Ursache. Solange man nicht weiß, ob das Herz die Ursache des Todes ist, sollte man vom Sekundentod sprechen. Eine andere synonyme Bezeichnung ist plötzlicher Herztod (PHT).

Definition Bearbeiten

  • der Tod tritt aus kardialer Ursache
    • innerhalb einer Stunde nach Beginn der Symptome ein
    • zuvor besteht völliges Wohlbefinden

Die Definition des Plötzlichen Herztodes (Sudden Cardiac Death, SCD) der European Society of Cardiology lautet:

  • 'Natural death due to cardiac causes, heralded by abrupt loss of consciousness within one hour of the onset of acute symptoms; preexisting heart disease may have been known to be present, but the time and mode of death is unexpected.
  • Priori S G, Aliot E, Blomstrom-Lundqvist C et al.:
    • Task Force Report – Task force on sudden cardiac death of the European Society of Cardiology.
      • Europ Heart J 2001; 22: 1374-1450

Probleme der Defintion Bearbeiten

Der Begriff "Plötzlicher Herztod" enthält zwei Wörter , die nicht eindeutig definiert sind.

  • Was heißt plötzlich ?
    • innerhalb einer Stunde nach Symptombeginn oder innerhalb 24 h nach WHO
    • unerwartet und plötzliches Versterben
  • Was heißt Herztod ?
    • nicht traumatische Todesursache
    • Vorliegen einer kardialen Erkrankung , die zum Tod führen kann: wie Zustand nach Myokardinfarkt

Beispiele von Definitionen Bearbeiten

  • plötzliches Versagen der Herzfunktion durch eine primär kardiale Ursache
  • natürlicher und unerwarteter Tod nach plötzlichem Bewusstseinsverlust innerhalb einer Stunde nach akutem Symptombeginn
    • Braunwald
  • fehlender Hinweis auf eine nicht kardiale Ursache

Abkürzungen Bearbeiten

  • ARVC arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy;
  • AS Aortenstenose
  • CAD coronary artery disease
  • KHK Koronare Herzerkrankung
  • CM cardiomyopathy;
  • LAD left anterior descending;
  • LVH left ventricular hypertrophy
  • MVP mitral valve Prolapse
  • PHT plötzlicher Herztod
  • SCD Sudden Cardiac Death

Einteilungen Bearbeiten

Ätiologie Ursachen Bearbeiten

Ursachen des plötzlichen Herztodes Alter < 35 Jahre Bearbeiten

Ursache                                      Häufigkeit
-------------------------------------------------------
Hypertrophe Herzerkrankung                   36 %
Unklare Ursache                              30 %
Koronaranomalien                             17 %	
Myokarditis                                   6 %
Arrhythmogene Rechtsventrik.Kardiomyopathie   4 %
Maligne Herzrhythmusstörungen spezieller Art  3 %
  Brugada Syndrom
  Long QT Syndrom
  Short QT Syndrom
  WPW Syndrom
  katecholaminerge polymorphe VT 
  frühzeitige Repolarisation bei idiopath KF
Herzklappenerkrankungen
  Aortenstenose                                3 %
  Mitralklappenprolaps                         
Kongenitale Herzerkrankungen                   2 %
Aortenruptur ( zb Marfan )                     2 %
Systemerkrankungen Sarkoidose Amyloidose etc   1 %
Commotio cordis
Koronarspasmen zb durch Kokain 

Quelle: Recommendations and Considerations Related to Preparticipation Screening for Cardiovascular Abnormalities in Competitive Athletes: 2007 Update A Scientific Statement From the American Heart Association Council on Nutrition, Physical Activity, and Metabolism Endorsed by the American College of Cardiology Foundation Barry J. Maron, MD, Chair; Paul D. Thompson, MD, FAHA, Co-Chair; Michael J. Ackerman, MD, PhD; Gary Balady, MD, FAHA; Stuart Berger, MD; David Cohen, MD; Robert Dimeff, MD; Pamela S. Douglas, MD, FAHA; David W. Glover, MD; Adolph M. Hutter, Jr, MD, FAHA; Michael D. Krauss, MD; Martin S. Maron, MD; Matthew J. Mitten, JD; William O. Roberts, MD; James C. Puffer, MD Maron BJ Thompson PD Ackermann siehe http://circ.ahajournals.org/content/115/12/1643.full.pdf

Ursachen des plötzlichen Herztodes Bearbeiten

  • Koronare Herzerkrankung
  • Idiopathische dilatative Kardiomyopathie
  • Hypertrophe Kardiomyopathie
  • Rechtsventrikuläre Dysplasie
  • Verlängerung der QT-Zeit
  • Proarrhythmische Wirkung von Antiarrhythmika
  • Elektrolytstörungen
  • Angeborene Herzerkrankungen
  • Herzklappenfehler
  • Akute Myokarditis
  • Kokainkonsum
  • Sarkoidose
  • Amyloidose
  • Kardiale Tumoren
  • WPW-Syndrom
  • Bangungut, oder nächtlicher plötzlicher Herztod bei Süd-Ost-Asiaten
  • Thyreotoxikose

Quelle : Poole JE et al., 1995

Epidemiologie Statistik Kosten Bearbeiten

Daten vom Augsburger MONICA Register Bearbeiten

  • 10688 Herzinfarkte
    • 6212 letal
    • Anzahl der prähospitalen Herzstillstände 3987

Quelle: Löwel H, Hörmann A, Gostomzyk J et al. Epidemiologie des plötzlichen Herztodes: Was hat sich verändert? Ergebnisse des MONICA Augsburg Herzinfarktregisters 1985 – 1995. Herzschr Elektrophys 1999; 10 Suppl 2: II/1 – II/7

Plötzlicher Herztod USA 1989 - 1998 Bearbeiten

  • 66 % Kammerflimmern
  • 15 % Bradykardien
  • 5 – 10 % andere Ursachen, z. B. Aortenruptur, Perikardtamponade oder Lungenembolie.

Quelle: Zheng Z J, Croft J B, Wayne H G et al.: Sudden cardiac death in the United States, 1989 to 1998. Circulation 2001; 104: 2158-2163

Plötzlicher Herztod bei Risikopatienten mit malignen Tachyarrhythmien vor der ICD Zeit Bearbeiten

Autor                  Jahr        Patienten (n)      Plötzlicher Herztod / Jahr (%)
------------------------------------------------------------------------------------
Liberthson u. Mitarb.  1974        301                21
Cobb u. Mitarb.        1975        245                24
Myerburg u. Mitarb.    1984         91                10
Ritchie u. Mitarb.     1985        154                 9

Pathologie Pathophysiologie Bearbeiten

typische Kaskade Bearbeiten

  • Normaler Rhythmus > ventrikuläre Tachykardie > Kammerflimmern > Asystole.

Herzfrequenzvariabilität HRV Bearbeiten

Daten von LangzeitEKG Auswertung von Patienten, die während des LEKGs verstorben sind, zeigen eine ausgeprägte Abnahme der HRV vor dem Ereignis.

Quelle: Am J Cardiol 1987; 59: 256 – 262 Bigger J T, Fleiss J S, Steinmann R C et al.: Frequency domain measures of heart period variability and mortality after myocardial infarction. Circulation 1992; 85: 164 – 171

Ursache der Arrhythmien Bearbeiten

80 % der Fälle        Koronare HK 
10 – 15 % der Fälle   kongestive oder hypertrophische Kardiomyopathien 
5 %                   Sonstige Ursachen wie angeborene Defekte der an der Erregungsleitung beteiligten Ionenkanäle 

Quelle : Huikuri H V, Castellanos A, Myerburg R J: Sudden Death due to cardiac arrhythmias. N Engl J Med 2001; 345: 1473 - 1482

Symptome und Klinik Bearbeiten

Symptome und Anzeichen vor dem plötzlichen Herztodes Bearbeiten

  • Brustschmerzen
  • Beklemmung
  • Herzschmerzen
  • Atemnot
  • Schwindel
  • Bewusstseinsstörungen
  • Herzrasen
  • Herzrhythmusstörungen

Symptome und Anzeichen während des plötzlichen Herztodes Bearbeiten

  • Bewusstlosigkeit / Ohnmacht
  • Atemstillstand
  • Pulslosigkeit
  • die Pupillen der Augen sind meist stark vergrößert
  • blasse Haut

Diagnostik Bearbeiten

Therapie Bearbeiten

Verlauf und Prognose Bearbeiten

vorgefundener Rhythmus     erfolgreiche Reanimation  Verlassen der Klinik 
-------------------------------------------------------------------------
Asystolie                  < 10 %                    0 - 2 % 
elektromechan.Entkoppelung ca. 20 %                  11 % 
Kammerflimmern             > 25 %                    11 % 
Kammertachykardie          > 75 %                    65-70 % 
nichtkardiale Ursachen     40 %                      11 %

Fälle Bearbeiten

Fall des Fußballers Miklos Bearbeiten

  Udo Jürgens Bearbeiten

Siehe http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/herz/risiko/nach-dem-tod-von-udo-juergens-das-sind-die-groessten-gefahren-fuer-das-herz_id_4361848.html

Fall 80 Jähriger mit QT zeit 150 %, Überlebter Sekundenherztod ja oder nein ? ICD ja oder nein ? Bearbeiten

Ein 80 jähriger Patient kommt nach mehrern Synkopen ins Krankenhaus. Im EKG fällt eine QT Zeit von 150 % auf. Die Monitor Überwachung über mehr als 24 Stunden ist weitgehend unauffällig. Einzelne Extrasystolen, Keine Pausen, keine Kammertachykardie, Die QT zeit normalisiert sich spontan.

  • Kann man schon von einem überlebten Sekundenherztod sprechen ?
  • Besteht eine Indikation zur ICD Implantation ?

Verlegungsbrief von Herrn S , geb. 1931, stationär 2012 drei Tage auf einer Überwachungsstation

Diagnosen: Bearbeiten

  • Synkopen, wahrscheinlich infolge Exsikkose
    • Sturz mit kleiner Risswunde an der Nase und Prellung der linken Schulter
  • Pathologisch deutlich verlängerte QT-Zeit (ca. 150%) im EKG aus unklarer Ursache
  • AV-Block I° (persistierend)
  • Ausschluß von sonstigen malignen Herzrhythmusstörungen
  • Akutes prärenales Nierenversagen (Rezidiv) mit Hyponatriämie und Hypokaliämie
    • infolge Exsikkose unter diuretischer Medikation
    • Z. n. akutem Nierenversagen, bei Diarrhoen mit Hypokaliämie (2011)
  • Bekannte COPD
  • Normo- bis makrozytäre Anämie (Folsäure und Vitamin B12 i.S. normal),
    • transfusionsbedürftig
  • Refluxösophagitis (Rezidiv, zuletzt 12/2011) Grad B (Los Angeles-Klassifikation) und
  • Sooroesophagitis bei großer axialer Hiatushernie
  • Z. n. Oberschenkelamputation links bei kompletter Ischämie 2009
  • Kardiovaskuläre Risikofaktoren:
    • Arterielle Hypertonie
    • Hypercholesterinämie
    • Adipositas
  • Symptomatische Prostatahyperplasie
  • Presbyakusis
  • Zerebrale Leistungsstörung mit motorischer und gedanklicher Verlangsamung

Anamnese Bearbeiten

Herr S. wurde wegen rezidivierender Synkopen in den vorangegangenen 4 Tagen stationär eingewiesen. Er selbst berichtet, dass er im Rollstuhl zusammengesackt sei, von seinem Sohn wieder aufgeweckt worden sei. Herr S klagt über Müdigkeit und intermittierende Brustschmerzen (fraglich atemabhängig). Vor zwei Wochen habe er einmal dunkelbraunen Mageninhalt erbrochen. Schwarzen Stuhl habe er nicht bemerkt.

Körperlicher Befund Bearbeiten

80-jähriger, adipöser Patient, gedanklich und motorisch deutlich verlangsamt, wirkt leicht somnolent bis dement (später erheblich gebessert). Haut: Warm und trocken, Hautcolorit: unauffällig, sichtbare Schleimhäute blass. Blutdruck bei Aufnahme: 130/70 mmHg, Herzfrequenz: 100/min. Jugularvenen nicht gestaut. Pulmo: Klopfschall sonor, Atemgeräusch vesikulär, Rasselgeräusche: beidseits im Unterfeld vereinzelte feinblasig inspiratorisch auskultierbar. Herzaktion rhythmisch, Herztöne rein, leise, kein pathologisches Geräusch auskultierbar. Abdomen: Adipös, weich, regelrechte Darmgeräusche, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung, keine Resistenzen tastbar, Nierenlager beidseits klopfschmerzfrei. Z. n. Oberschenkelamputation links, Unterschenkelödem rechts, Fußpulse rechts tastbar. Neurologischer Status: keine Parese, kein Nystagmus.

Verlauf: Bearbeiten

Wegen der Synkopen und Verdacht auf höhergradige Herzrhythmusstörungen wurde Herr S. zunächst auf die Intensivstation aufgenommen. Während der Beobachtung am Monitor wurden aber außer einzelnen VES keine Rhythmusereignisse beobachtet. Auffällig war allerdings im Aufnahme-EKG eine stark verlängerte QT-Zeit (150%), die zu einer T-P-Verschmelzungswelle geführt hatte. Die Ursache dafür konnte nicht geklärt werden. Verneint wurde jedenfalls die Einnahme von Psychopharmaka oder von Makrolidantibiotika. Bei EKG-Kontrolle ist die QT-Zeit wieder normal, der AV-Block I° bleibt. Kurz vor Verlegung von der Überwachungsstation kippte Herr S. aus dem Rollstuhl nach vorne und zog sich eine kleine Risswunde an der Nase zu. Zur Sturzursache kann er nichts Genaues sagen, v. a. nicht, ob er vorher Schwindel hatte. Wir hatten eher den Eindruck, dass er sich ungeschickt bewegt hat. Insgesamt ist am wahrscheinlichsten, dass die Synkopen durch Exsikkose (infolge Diuretika-Therapie) ausgelöst waren. Durch parenterale Flüssigkeitszufuhr und Absetzen von Torasemid und Xipamid sind Nierenfunktion und Elektrolyte i.S. wieder normal. Allerdings demaskierte sich mit der Verdünnung eine Anämie (Hämoglobin von 10,4 auf 7,4 g/dl). Herr S. bekam 2 Erythrozytenkonzentrate, Hämoglobin seitdem 9,2 g/dl. Zur Klärung der Ursache wurde die Gastroskopie durchgeführt, jedoch keine Blutungsquelle gefunden.

Fragen Bearbeiten

  • Liegt hier ein überlebter Sekundenherztod vor ?
  • Sollte man dem Patienten einen Eventrecorder implantieren ?
  • Sollte man dem Patienten einen ICD implantieren ?

Geschichte der Krankheit Bearbeiten

Experten + Krankenhaeuser Bearbeiten

Selbsthilfegruppen Bearbeiten

Fragen,Anmerkungen Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Plötzlicher Herztod und Richtlinien zum Plötzlichen Herztod
    • Sudden cardiac death (SCD) and guidelines for SCD
    • Zeitschrift für Kardiologie
    • Volume 93, Supplement 1 (2004), i4-i6, DOI: 10.1007/s00392-004-1102-0
      • D. Andresen

Erhöhung der Zahl der Kardiovaskuläre Ereignisse in München und Umgebung währen der ersten 2 Stunden von Spielen der deutschen Fußballnationalmannschaft WM 2006

Art des Ereignisses      Erhöhungsfaktor gegenüber Vergleichszeitraum
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ST-Hebungsinfarkt        2.49 (95% CI, 1.47 to 4.23)
NONSTEMI                 2.61 (95% CI, 2.22 to 3.08)
Arrhythmien + Symptome   3.07 (95% CI, 2.32 to 4.06)  

Schußfolgerung: Akuter mentaler Stress kann das Kardiovaskuläre Risiko mehr als verdoppeln.

Doktorarbeiten Bearbeiten

Links Bearbeiten