Innere Medizin kk: Mitralklappenprolaps

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Mitralklappenprolaps 4 Kammerblick Schemazeichnung

Das Wichtigste

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  • Der Mitralklappenprolaps ist eine eher seltene Erkrankung der Mitralklappe, bei der eins oder beide Segel der Klappe systolisch in den linken Vorhof durchhängen.
  • Der   Mitralklappenprolaps wird symptomatisch
    • durch eine Mitralinsuffizienz und einer daraus resultierenden Herzinsuffizienz
    • durch Rhythmusstörungen
    • selten durch eine Endokarditis
    • selten durch thrombembolische Komplikationen
  • die wichtigsten Ursachen sind eine Bindegewebsschwäche ( myxomatöse Degeneration ) oder ein Papillarmuskelproblem
  • auskultatorisch hört man oft einen Klick in der Systole und danach ein MI Geräusch über der Herzspitze
  • die beste diagnostische Methode ist die Echokardiografie.

Krankheitsnummer ICD Klassifikation

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I34.	Mitralklappenprolaps

Definition, englische Bezeichnung und Abkürzungen

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Einteilungen

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Funktionelle Einteilung des Mitralklappenprolaps
  • primär - sekundär
  • leicht- mittelgradig - schwer
  • akut - chronisch
  • mit oder ohne Endokarditis
  • MKP
    • ohne andere Erkrankungen
    • mit KHK und Papillarproblemen
    • bei stattgehabter entzündlicher Klappenerkrankung und Vernarbungen

Ätiologie Ursachen

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  • Myxomatöse Degeneration der Mitralklappensegel und der Chordae tendineae, häufigste Ursache
    • idiopathisch
    • genetisch bedingt
  • myxomatöse Degeneration der Mitralklappe bei definierter Grunderkrankung des Bindegewebes
    • Marfan-Syndrom,
    • Ehlers-Danlos-Syndrom
    • adulte polyzystische Nierenkrankheit
    • Osteogenesis imperfecta
    • Pseudoxanthoma elasticum,
    • systemischer Lupus erythematodes
    • Polyarteriitis nodosa
    • muskuläre Dystrophie
  • nichtmyxomatöser MKP
    • ischämische Papillarmuskeldysfunktion
    • Sehnenfadenabriß
  • vorübergehender MKP
    • bei extremem Volumenmangel
    • während der Schwangerschaft wenn der Uterus auf die V. cava inferior drückt und der venösen Rückfluss abrupt reduziert ist.

Anmerkung: Auch die Aorten- und Trikuspidalklappe können in seltenen Fällen myxomatös verändert sein und prolabieren.

Risikofaktoren

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  • Morbus Basedow
  • Hypomastie
  • Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom
  • Sichelzellanämie
  • rheumatisches Fieber

Epidemiologie Statistik Kosten

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Seltene Erkrankung

Pathologie Pathophysiologie

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Symptome und Klinik

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  • keine , bei geringem asymptomatischem Prolaps
  • Palpitationen
  • Synkopen
  • Dyspnoe, Leistungsminderung
  • Angst und pektangiöse Beschwerden.
  • Endokarditis
  • MI
  • Rhythmusstörungen, erhöhtes Risiko eines Sekundenherztodes
  • periphere arterielle Embolie oder embolischer Apoplex

Diagnostik

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Beim leichten Mitralklappenprolaps gibt es sowohl eine Trend zur Über- als auch Unterdiagnostik, d.h. es werden leichte asymmetrische Bewegungsstörungen der Mitralklappe schon als Prolaps bezeichnet, die noch gar keiner sind oder es wird ein typischer leichter Prolaps wegen fehlender Symptomatik und schwieriger oder nicht erfolgter Auskultation nicht erkannt. Der symptomatische Mitralklappenprolaps ist ab einem gewissen Schweregrad leicht im Echokardiogramm erkennbar. Die genaue Lokalisations- und Schwergradeinteilung bedarf dann wieder einer sehr genauen und differnzierten Diagnostik inklusive TEE

Übersicht

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  • Auskultation
  • Echokardiografie
  • TEE

Auskultation

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Typisch ist

  • ein mittsystolischer - bis spätsystolischer Klick über der Herzspitze
  • danach ein MI Geräusch mit hochfrequentem Crescendo-Decrescendo-Spätsystolikum ebenfalls apikal

 


In der Echokardiografie läßt sich die Mitralklappe in der Regel gut darstellen. Einen Prolaps erkennt man allerdings nur, wenn man die Klappe genau inspiziert und bildlich darstellt. Auch die oft resultierende Mitralinsuffizienz läßt sich dann gut darstellen.

 

Die beste Darstellung der Mitralklappe bekommt man mit der TEE. Einen Prolaps erkennt man dabei meist schon im 0 Grad 4Kammerblick. Auch die oft resultierende Mitralinsuffizienz läßt sich dann gut darstellen. Den Schweregrad des Prolapses und der MI kann man meist recht gut herausarbeiten. Allerdings erschwert die oft exzentrische Mitralinsuffizienz deren saubere Beurteilung mit Vena contracta und Pisa. Eine schöne Darstellung des Prolapses erhält man auch in der 4 D Darstellung. Für den Chirurgen ist die genaue Lokalisation des Prolapes am vorderen oder hinteren Segel und den Segmenten P1 bis P3 , bzw A1 bis A3 wichtig. Entscheidend ist der Nachweis oder Ausschluß einer zusätzlichen bakteriellen Endokarditis. Auch die Papillarmuskel und deren Sehnenfäden sollte beurteilt werden.

Therapie

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  • keine Therapie bei asymptomatischen Formen
  • bei leichteren Formen
  • Antikoagulation
  • Endokarditisprophylaxe
  • Herzinsuffizienztherapie bei relevanter Mitralinsuffizienz
    • mindestens jährliche Echokontrollen, bei Symptomen sofort
    • Kontrolle des LangzeitEKGs
  • operative Rekonstruktion der Klappe
  • operativer Klappenersatz

Verlauf und Prognose

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Fall1 MKP + MI3 + Begleitpleuritis

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Ein etwas 40 jähriger Mann berichtet über ausgeprägten Nachtschweiß seit etwa einem Jahr. Seit 3 Tagen hat er starke atemabhängige Schmerzen im linken Thorax. Er kann praktisch links nicht mehr durchatmen. Im Echo und TEE findet sich ein massiver MKP des hinteren Segels mit hochgradiger MI. Eine Endokarditis liegt nicht vor. Die Schmerzen im Thorax links werden als Stauungspleuritis interpretiert. Der Patient wird zunächst konservativ stabilisiert und symptomatisch mit Schmerzmitteln behandelt. Dann erfolgt die Verlegung in ein operatives Herzzentrum zur Mitralklappenrekonstruktion.

Fall2 MKP + MI2-3

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Männlich, 56 Jahre alt

Diagnosen

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  • Hypertensive Entgleisung bei bekannter arterieller Hypertonie
  • Ausschluss hämodynamisch relevanter Koronarstenosen am 18.01.2019
  • Ausgeprägter Prolaps des hinteren Mitralklappensegels
  • Exzentrische Mitralinsuffizienz Grad II-III (Erstdiagnose)
    • Indikation zur Mitralklappenrekonstruktion
  • Vordiagnosen:
    • Arterielle Hypertonie
    • Varikosis beider Beine
  • Therapieempfehlung / Medikation:
    • Amlodipin 5 mg 1-0-0
    • Candesartan 32 mg 1-0-0

Anamnese

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Der Patient wurde wegen V. a. Angina pectoris vom Hausarzt eingewiesen. Der Patient berichtete über retrosternal ziehende Schmerzen ohne Ausstrahlung, welche seit gestern bestehen. Laut Patienten linderen sich jedoch die Schmerzen bei Bewegung. Bei gleichzeitig bestehenden Kopfschmerzen habe er selbst einen Blutdruck von 170/80 mmHg gemessen, welcher auch beim Hausarzt gesichert wurde. Laut Ehefrau ist der Blutdruck bis 190 systolisch gewesen. Kein Herzklappenvitium bekannt.

Körperlicher Untersuchungsbefund:

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55-jähriger Patient in gutem Allgemeinzustand und normalem Ernährungszustand. Allseits orientiert, reagiert adäquat. Haut warm und trocken, Hautcolorit unauffällig, sichtbare Schleimhäute gut durchblutet. Blutdruck bei Aufnahme 160/90 mmHg, Herzfrequenz 88/min. Kopf und Hals altersentsprechend beweglich, kein Klopfschmerz, keine Meningismuszeichen, Pupillen isokor, Visus gut, Gehör unauffällig. Keine Lippenzyanose, Zunge feucht, gerade herausgestreckt, nicht belegt. Rachengebilde reizlos. Stimme und Sprache klar und intakt. Karotiden ohne Strömungsgeräusch, Jugularvenen nicht gestaut. Pulmo: Klopfschall sonor, Atemgeräusch vesikulär, Rasselgeräusche: keine auskultierbar. Atemfrequenz: 18/Min, O2-Sättigung: 98%. Cor: Herzaktion rhythmisch, Herztöne rein, Systolikum mit Punctum maximum in 5. ICR links und Fortleitungsgeräusch. Abdomen nicht adipös, weich, regelrechte Darmgeräusche, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung, keine Resistenzen tastbar, Nierenlager beidseits klopfschmerzfrei. Wirbelsäule und Extremitäten altersentsprechend beweglich, kein Klopfschmerz, Fußpulse allseits regelrecht tastbar. Neurologischer Status o. B.

  • EKG bei Aufnahme:
    • Sinus Rhythmus, HF 90/min, linkstyp, QRS schmal, keine ST-Strecke Veränderung.

Transthorakales Echocardiogramm

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Linker Ventrikel normal groß, hypertrophiert (IVS 11 mm ED). Keine regionale Wandbewegungsstörung erkennbar. Gesteigerte Kontraktilität, EF ca. 75%. Linker Vorhof erweitert. 31 cm^2. Rechter Ventrikel und rechter Vorhof nicht erweitert. Vena cava inferior nicht verbreitert. Mitralklappe öffnet normal, hinteres Mitralklappensegel ausgeprägt prolabierend in den LA, etwas verdickt , keine typische endokarditische Vegetation, exzentrische Mitralinsuffizienz Grad 2 -3 Aortenklappe öffnet normal, leichte Aorteninsuffizienz. Aortenwurzel nicht verbreitert. Trikuspidalklappe zart, geringe Trikuspidalinsuffizienz. Tapse normal. Pulmonalklappe morphologisch unauffällig, öffnet normal, kein Rückfluss an der Klappe. Kein Perikarderguss. Bds. kein Pleuraerguss. Beschleunigter Sinusrhythmus.

  • Sonographie Carotiden

Beurteilung: geringe Plaques bds. ohne relevante Stenosen. Schilddrüsensonografie. Schilddrüse großer, teils zystischer solitärer echoarmer SD Knoten rechts 45 + 24 mm. Restliche SD weitgehend homogen und nicht vergrößert.

  • Röntgen - Thorax pa
    • Tiefstehendes Zwerchfell, lateraler Sinus entfaltet. Vergrößertes, mitralkonfiguriertes Herz. Keine Stauung, Bronchialstrukturen unauffällig. Mediastinum o. B. Voraufnahme nicht vorhanden.

Propofol 250 mg problemloses Einführen des Gerätes. Linker Vorhof gering vergrößert. LAA frei, typische kräftige Kontraktionen bei Sinusrhythmus. Linker Ventrikel normal groß, normal kontraktil. Rechter Vorhof normal groß Rechter Ventrikel normal groß. Kein ASD, kein offenes Foramen ovale. Aortenklappe öffnet normal, kein Rückfluss an der Klappe. Mitralklappe öffnet normal, das hintere Mitralklappensegel prolabiert im mittleren Segment ( P2) ausgeprägt in den LA. Papillarfadenabriss mit flottierendem Faden vom LV in den LA. Myxomatöse Verdickung der Klappe in diesem Segment, exzentrische Mitralinsuffizienz Grad 2, MI am Vorhofseptum entlang bis an das Dach des LA. Kein Rückfluss in die Pulmonalvenen. Trikuspidalklappe öffnet normal, geringer Rückfluss an der Klappe. Pulmonalklappe öffnet normal, keine sicheren Vegetationen auf den Klappen. Aorta: wandständige Plaques, keine Aneurysma, keine Dissektion. Keine Perikarderguss. Sinusrhythmus. Zusammenfassung: Ausgeprägter Mitralklappenprolaps im P2 Segment des PML. Bei myxomatöser Klappe und Papillarfadenabriss. Mitralinsuffizienz Grad II.

Herzkatheter Befund

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Indikation: Vor OP- MI III bei v.a. Papillarmuskelabriss Ort Systolisch (mmHg) Diastolisch (mmHg) Mitteldruck (mmHg) Aorta 139 84 104 LV Cineventrikulographie, Rechtsherzkatheter: nicht durchgeführt. Koronarangiographie über A. femoralis rechts : Rechtsversorgungstyp. Hauptstamm LCA: unauffällig. LAD: unauffällig. Diagonaläste unauffällig. LCX: unauffällig. RMS und RPLS unauffällig. RCA: unauffällig. RPLD und RIVP unauffällig. Diagnose: Ausschluss einer KHK.

Epikrise

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Die stationäre Aufnahme des Patienten erfolgte wegen Brustschmerzen im Rahmen einer hypertensiven Entgleisung. Ein akuter Myokardinfarkt konnte laborchemisch und elektrokardiografisch ausgeschlossen werden. Nach Anpassung der antihypertensiven Therapie lag der Blutdruck in unserem Tagesprofil im Normbereich. Bei der klinischen Untersuchung wurde ein Systolikum mit Punctum Maximum im 5. ICR links festgestellt. Belastungsdyspnoe wurde verneint. Eine TEE wurde durchgeführt, hier fand sich ein ausgeprägter Mitralklappenprolaps im P2 Segment des PML bei myxomatöser Klappe und Papillarfadenabriss. Hier ist eine baldige Mitralklappenrekonstruktion indiziert. Eine stenosierende koronare Herzerkankung konnte im Rahmen der Koronarangiografie ausgeschlossen werden. Die Befunde wurden an das Herzzentrum xy übersandt. Die Kollegen der Klinik für Kardiologie werden sich mit dem Patienten bzgl. einer Terminvereinbarung in Verbindung setzen. Endokarditisprophylaxe, körperliche Schonung sowie strenge Bluttdruckeinstellung erforderlich. In der Schilddrüsensonografie zeigte sich ein teils zystischer solitärer echoarmer SD Knoten rechts. Aktuell liegen TSH, FT3, FT4 im Normbereich. Wir empfehlen eine sonografische Kontrolle des Schilddrüsenknotens spätestens in 3 Monaten. Bei aymptomatisch erhöhten Entzündungswerten bitten wir um Laborkontrolle.

Weitere Fallberichte und Forum

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Geschichte der Krankheit

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Der Mitralklappenprolaps wurde von dem südafrikanischen Kardiologen John B. Barlow im Jahr 1963 erstmals beschrieben.

  • Barlow JB, Pocock WA.
    • The significance of late systolic murmurs and mid-late systolic clicks.
      • Md State Med J 1963;12:76–7.

Experten und Krankenhäuser

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Jeder Kardiologe und jeder Herzchirurg muss die Krankheit kennen. Die stationären Fallzahlen in Deutschland kann man der Weissen Liste im Internet entnehmen.

Selbsthilfegruppen

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Fragen und Anmerkungen

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Was ist ein flail leaflet ?

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Literatur

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  • Mitral valve prolapse prevalence and complications.
    • St John Sutton M, Weyman AE.
      • Circulation 2002;106:1305–10.
  • Mitral valve prolapse in the general population:
  • the benign nature of echocardiographic features in the Framingham Heart Study.
    • Freed LA, Benjamin EJ, Levy D, Larson MG, Evans JC, Fuller DL, et al.
      • J Am Coll Cardiol 2002;40:1298–304.
  • Identification of high-risk and low-risk subgroups of patients with mitral valve prolapse.
    • Marks AR, Choong CY, Sanfilippo AJ, et al.
      • N Engl J Med 1989; 320:1031–6.