Innere Medizin kk: Epilepsie

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  • In dem Text geht es vor allem um die Notfallbehandlung des Anfalls und des Status von Nicht-Neurologen.
  • siehe auch den exzellenten Wikipediaartikel über  Epilepsie
Typisches EEG bei Absence Epilepsie

Krankheitsnummer ICD Klassifikation Bearbeiten

  • G40.– Epilepsie
  • G41.– Status epilepticus

Definition, englische Bezeichnung und Abkürzungen Bearbeiten

Definition Bearbeiten

  • Status epileptikus
    • Epileptischer Anfall, der nicht wie üblich nach einer kurzen Zeit von 1-3 Minuten endet.

Einteilungen Bearbeiten

  • Status epileptikus mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen
  • Fokaler konvulsiver und nonkonvulsiver Status epileptikus
  • Absence-Status - nonkonvulsiver generalisierter Status epileptikus
    • Sichere Diagnose nur mit EEG

Ätiologie Ursachen Bearbeiten

  • schwere Infektion
  • hohe Temperatur
  • Schädelhirntrauma
  • Schlaganfall
  • Hirnmetastasen
  • Absetzen von Antiepileptika
  • Alkohol oder Drogenentzug
  • Exsikkose
  • Hyponatriämie
  • Hypocalzämie
  • Hypoglykämie, Hyperglykämie
  • hyperthyreote Krise
  • im Rahmen einer bekannten Epilepsie

Epidemiologie Statistik Kosten Bearbeiten

In Deutschland leben circa 500000 Menschen mit einer Epilepsie.

  • Epileptiker haben ein erhöhtes Risiko für einen Status epilepticus.
    • Circa 10 % aller Epileptiker entwickeln in ihrem Leben einmal einen Status
  • in 60 Prozent der Fälle tritt der Status epileptikus auf, ohne das vorher eine Epilepsie bekannt war
    • häufige Ursache sind dann Tumoren, Verletzungen oder andere äußere Einwirkungen auf das Gehirn

Pathologie Pathophysiologie Bearbeiten

Symptome und Klinik Bearbeiten

Diagnostik Bearbeiten

  • Beobachtung der typischen klinischen Symptome
    • Grad der initialen Bewusstseinsstörung
    • Zungenbiss ?
    • Harn- und Stuhlabgang ?

bei Erstmanifestation Bearbeiten

  • Labordiagnostik
    • internistische Routine
    • insbesondere BZ,Blutbild, CRP, Elektrolyte, Leberenzyme, CK, Nierenwerte
    • Blutgase, NH3
      • selten Vitamin B1, B6, B12, Folsäure
      • Toxikologie: Drogen-, Psychopharmaka- und Ethanolspiegel
  • CT Schädel
  • Fremdanamnese erheben
  • MRT
  • EEG vor allem bei Therapieversagen zur Differenzialdiagnose

bei bekannter Epilepsie Bearbeiten

  • zusätzlich Serumspiegelbestimmung des Antiepileptikums

Differentialdiagnostik Bearbeiten

  • Nicht epileptische Status
    • fehlendes oder paradoxes Ansprechen gegenüber Benzodiazepinen und anderen Antikonvulsiva
    • meist längere Dauer
  • Hypoxische, metabolische, septische Enzephalopathien
    • teilweise mit rhythmischen EEG-Mustern

Therapie Bearbeiten

Was kann man als Laie tun ? Bearbeiten

  • Verletzungen verhüten, ortsabhängig und witterungsbedingt Schutz bieten, etwas unterlegen.
  • bei anhaltendem oder mehrmaligem Anfall den Notarzt 112 verständigen
  • den Betroffenen anschauen, nicht allein lassen, beruhigen.
  • Mit dem Betroffenen reden.
    • Viele Krampfanfallpatienten bekommen während des Anfalles immer noch viel mit.
    • Keine negativen Äußerungen über den Patienten machen.

Wann muß man den Notarzt 112 rufen ? Bearbeiten

  • falls unklar ist, ob es sich tatsächlich um einen epileptischen Anfall handelt,
  • der Betroffene das erste Mal einen epileptischen Anfall hat,
  • der Anfall länger als fünf Minuten dauert,
  • der Anfall innerhalb einer Stunde zum zweiten Mal auftritt,
  • der Betroffene nicht wieder zu Bewusstsein kommt.

Notfalltherapie des Status epilepticus Bearbeiten

Meist wird mit der hochdosierten Gabe eines Benzodiazepins (Clonazepam, Diazepam, Lorazepam, Midazolam) begonnen. Von der Theorie her ist Lorazepam (Tavor) am besten. Es hat zwei Vorteile

  • Es kann sublingual und bukkal gegeben werden
  • Es bleibt als Substanz lange im ZNS wirksam

Kann damit der Status nicht durchbrochen werden, wird als nächstes Phenytoin schnell aufgesättigt.

Basisbehandlung Bearbeiten

  • Aufrechterhaltung und Kontrolle der Vitalfunktionen,
    • Intensivstation
    • Monitoring
    • Sauerstoff
    • Beatmung falls notwendig
    • iv Gabe von Glukose 5 % 250 ml

Krampftherapie Bearbeiten

  Lorazepam ( Tavor) bietet

  • den Vorteil einer langen antiepileptischen Wirkdauer von 4–14 Stunden.
  • den Vorteil der sublingualen Verabreichung und schnellen Resorption über die Schleimhaut des Mundes.

Diazepam und Clonazepam werden aufgrund ihrer ausgeprägten lipophilen Eigenschaften rasch ins Fettgewebe umverteilt, sodaß die antiepileptische Wirkdauer mit 20–30 Minuten nur kurz ist. Diese beiden Substanzen müssen immer mit einer unmittelbar nachfolgenden Phenytoin-Infusion kombiniert werden.

1. Stufe Antikonvulsion Bearbeiten
Diazepam 10 - 40 mg iv  ( Valium )
oder
Clonazepam 2 - 8 mg iv  ( Rivotril )
oder 
Lorazepam 2 - 8 mg iv ( Tavor )
oder 
Midazolam 5 - 15 mg iv oder als Perfusor ( Dormicum )

VORSICHT: ATEMDEPRESSION !!

Midazolamperfusor 100 mg in 50 ml

  • mit 0,5 ml / h anfangen und nach oben titrieren

Lorazepamperfusor 10 mg auf 50 ml Nacl 0,9 % = 0,2 mg / ml

  • d.h 10 ml/h = 2 mg / h iv
  • maximal 8 mg / d
2. Stufe Krampfvorbeugung Bearbeiten
Phenytoin 750 mg ( 3 * 250 mg ) langsam iv ( Zentropil , Phenhydan ) 
maximal 1500 mg 
Valproinsäure 1200 - 4200 mg iv
Na-Valproat = Orfiril Perfusor Bearbeiten
  • 18 ml Orfiril (= 6 Amp a 300 mg / 3 ml) + 32 ml NaCl 0,9 % (entspr. 1 mg)
    • 36,0 mg pro ml

Gesamtmenge (Lösung) 50 ml (1800 mg)

3. Stufe bei Therapieresistenz Bearbeiten
Narkose mit Midazolam ( Dormicum ) oder    Propofol ( Disoprivan )
4. Stufe bei Therapieresistenz Bearbeiten
Phenobarbital 400 - 2000 mg iv

oder

Thiopental ( Trapanal als Bolus , dann weiter als Perfusor )
Ampulle z.B.: Trockenstechflasche zu 1 g, 2,5 g und 5 g

Thiopental Narkose zur Durchbrechung eines Status epileptikus als ultima ratio

  • Erwachsene:
    • Loading Dose: 5 mg/kg KG
      • dann alle 3-5 min 1-2 mg/kg/KG bis die Krämpfe weg sind
      • oder ein burst supression im EEG für 5-10 Sekunden erzielt werden kann.
    • Perfusor ab ca.30 min. später
      • 5 mg / kg KG / h per Perfusor
        • bis die Krämpfe weg bleiben
        • oder ein burst supression EEG erreicht wird
      • auf 1 mg/kg KG/h reduzieren und bis 12 h nach Krampfende belassen.

Intensivmedizinische Überwachung und EEG! Kreislaufunterstützung kann nötig sein!

Kontraindikationen: Bearbeiten
  • Überempfindlichkeit gegen einen Bestandteil oder andere Barbiturate,
  • Myasthenia gravis;
  • Status asthmaticus, respiratorische Insuffizienz, schwere Dyspnoe (Thiopental ist bronchokonstriktorisch);
  • dekompensierte Herzinsuffizienz, schwere Myocardschäden, Herzrhythmusstörungen, akuter Myocardinfarkt,
  • schwerer Schock,
  • akute hepatische Porphyrie.

Was tun, wenn nur eine IV Gabe möglich ist ? Bearbeiten

  • Tavor, Rivotril oder Diazepam iv
  • Aufsättigung mit Phenytoin iv
  •   Levetiracetam iv

Phenytoin Bearbeiten

Unmittelbar im Anschluß an die Benzodiazepin sollte Phenytoin verabreicht werden. Nur so kann ein anhaltender antiepileptischer Schutz erzielt werden. (Ausnahme: Lorazepam). Die Initialdosis beträgt15–20 mg/kg, die Applikation muß deshalb langsam (< 50 mg/min) erfolgen

1 Ampulle Phenytoin enthält 272 mg Phenytoin 
Sehr langsam spritzen 0,5 ml / min 
Nicht mit anderen Substanzen mischen, flockt aus !!!
Mit Kochsalz nachspülen

Dauertherapie Bearbeiten

  • Carbamazepin
    • carba, Carbagamma, Carbium, Carbamazepin, Finlepsin, Fokalepsin, Sirtal, Tegretal, Timonil
  • Diazepam
    • diazep, Diazepam, faustan, Lamra, Stesolid, Tranquase, Valiquid, Valium, Valocordin
  • Ethosuximid
    • Petnidan, Pyknolepsinum, Suxilept, Suxinutin
  • Felbamat
  • Gabapentin
    • Neurontin
  • Lamotrigin
    • Lamictal
  • Levetiracetam
    • Keppra
  • Oxcarbazepin
  • Phenobarbital
    • Fali-Lepsin, Lepinal, Luminal
  • Phenytoin
    • Zentropil, Phenhydan, Epanutin, Phenytoin AWD
  • Pregabalin
  • Primidon
    • Liskantin, Mylepsinum, Resimatil
  • Sultiam
  • Tiagabin
  • Topiramat
  • Valproinsäure
    • Convulex, Convulsifin, Ergenyl, Leptilan, Myproin, Orfiril
  • Vigabatrin
  • Zonisamid

Statistik der Antiepileptika Bearbeiten

Was sind die am häufigsten verordneten Antiepileptika ?

  • Tegretal
  • Zentropil
  • Valproinsäure
  • Lamotrigin
  • Gaba

Bei Frauen im Jahr 2001

  • 51,8% nur ein Antiepileptikum
  • 38,13% Polytherapie.
  • Carbamazepin 23 %
  • Valproinsäure 23 %
  •   Lamotrigin 3. Platz in der Monotherapie

Neu

Links Bearbeiten


Verlauf und Prognose Bearbeiten

Fälle Bearbeiten

Fall 1 Trotz Epilepsie autogefahren 4 Tote Bearbeiten

Siehe http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-06/hamburg-eppendorf-verkehrsunfall-urteil

  • Epileptiker muss für tödlichen Verkehrsunfall in Haft

Fall 2 Epilepsie nach Hirnbestrahlung in der Kindheit Bearbeiten

siehe http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/epilepsie-wie-die-krankheit-entsteht-wie-sie-sich-behandeln-laesst-a-1251918.html

Geschichte der Krankheit Bearbeiten

Experten und Krankenhäuser Bearbeiten

Epilepsiezentrum Erlangen Bearbeiten

siehe http://www.epilepsiezentrum.uk-erlangen.de

  • Neurologische Klinik Schwabachanlage 6 91054 Erlangen Tel.: 09131 / 85 - 33001
  • Epilepsieambulanz
    • Mo - Fr 9.00 -11.30
    • Terminvergabe in der Neurologischen Poliklinik
    • Tel.: ++49 - (0)9131 - 85-34455
  • Privatsprechstunde
    • PD Dr. B. Kasper
    • Termine bei Simone Giellert
      • Tel.: ++49 - (0)9131 - 85-39116
  • Stationäre Aufenthalte
    • Koordination: Johanna Will
    • Tel.: ++49 - (0)9131 - 85-34547
  • Kinder- und Jugendklinik
    • Pädiatrische Epilepsieambulanz
    • Leitung: Prof. Dr. Regina Trollmann
      • Loschgestraße 15, 91054 Erlangen
      • Termine: Tel.: ++49 - (0)9131 - 85-33136

Neurologische Klinik Bamberg Bearbeiten

  • Buger Straße 80
    • 96049 Bamberg
      • Tel.: 0951 / 50313601
      • Tel 0951 50316780

Epilepsiezentrum Uni Bonn Bearbeiten

  • Prof. Dr. Christian E. Elger, FRCP
  • Klinik für Epileptologie
  • Sigmund-Freud-Str. 25
  • D-53127 Bonn

Selbsthilfegruppen Bearbeiten

Fragen und Anmerkungen Kontroversen Probleme Bearbeiten

Haldol bei der Therapie des Status Bearbeiten

Welchen Stellenplatz hat   Haloperidol bei der Therapie des Status ?

  • Weil Haloperidol die Krampfbereitschaft des Gehirns erhöht, sollten Epilepsie-Patienten nur mit dem Wirkstoff behandelt werden, wenn sie weiter ihre Antiepileptika einnehmen.

Unter höherdosierter Benzogabe ist Haloperidol wahrscheinlich relativ gefahrlos applizierbar und kann einen Status stabilisieren. Hierzu gibt es mehrere positive Erfahrungsberichte.

Beispiel: Patientin unter 30 mg Diazepam iv und 10 mg Rivotril weiter krampfend Nach 50 mg Haloperidol 2 malige Gabe, keine Krämpfe mehr

Levetiracetam (Keppra) Bearbeiten

Wenn es so gut verträglich ist , warum wurde es nicht schon viel besser ausgetestet ?

Dosierung Carbamazepin Bearbeiten

Carbamazepin ist eines der Medikament, für die das Prinzip low and slow, also niedrig und langsam zu dosieren, weiterhin gilt. Eine zu rasche Aufdosierung führt angeblich zu vermehrten allergischen Nebenwirkungen.

Erwachsene:

Beginn 2x 200 mg Carbamazepin retard pro Tag
Erhöhung um 200 mg jeden 2. bis 3. Tag 
Tagesdosen zwischen 400 und 1600 mg 

Kinder

5 mg pro kg am Tag
Erhöhung um ca. 5 mg/kg alle 3 bis 5 Tage
Tagesdosen 10 - 20 mg/kg Körpergewicht.

Propofol Bearbeiten

Kann man einen Status epileptikus auch mit Propofol behandeln ?

Tavor iv ? Bearbeiten

  • Gibt es Tavor auch iv ? ja
  • Was ist die übliche Dosis ? 2 - 4 mg

Orfiril perfusor Bearbeiten

  • Wann ist er indiziert ?

Orfiril = Na-Valproat

Literatur Bearbeiten

  • Betjemann, J., and D. Lowenstein.
    • Status epilepticus.
      • Lancet Neurology. 2015. 14(6):615-624.
  • Glauser, T., Shinnar, S., Gloss, D.
    • Evidence-Based Guideline: Treatment of Convulsive Status Epilepticus in Children and Adults:
      • Report of the Guideline Committee of the American Epilepsy Society.
      • Epilepsy Currents. 2016. 16(1):48-61.
  • Trinka, E., Cock, H., Hesdorffer. Et al.
    • A definition and classification of status epilepticus--Report of the ILAE Task Force on Classification of Status Epilepticus.
      • Epilepsia. 2015. 56(10):1515-23.

Links Bearbeiten