Innere Medizin kk: Aorteninsuffizienz

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Die Aortenklappe in Aktion

Das Wichtigste

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  • Die   Aortenklappeninsuffizienz ist eine Funktionsstörung der   Aortenklappe, bei der die Klappe nicht mehr dicht schließt und das vom Herzen ausgeworfenen Blut teilweise wieder in die linke Herzkammer zurückströmt.
  • Eine leichte Aorteninsuffizirnz findet sich relativ häufig im Echo und hat bei sonst unauffälligem Befund und beschwerdefreiem Patienten keine weitere Konsequenz.
  • Eine mittel- bis hochgradige Aorteninsuffizienz ist eher selten.
    • Die häufigste Ursache sind sklerosierte Segel.
    • Wichtige weitere Ursachen sind eine Endokarditis der Klappe oder eine Klappenringdilatation bei Aortenaneurysma.
  • Die Therapie reicht von abwartender Diagnostik und medikamentöser Behandlung zur Klappen Op und TAVI
  • Die beste Untersuchungsmethode für die AI sind Echokardiografie und TEE.

Titel Krankheitsnummer (ICD)

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I35.1 Aortenklappeninsuffizienz, nicht rheumatisch 
I06.1 Rheumatische Aortenklappeninsuffizienz

Definition, englische Bezeichnung und Abkürzungen

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  • AI = Aortenklappeninsuffizienz
  • AKE = Aortenklappenersatz
  • AKÖ = Aortenklappenöffnungsfläche
  • PHT = Druckhalbwertszeit
  • RR = Blutdruck
  • EF = Auswurfraktion ( Normal > 60 % )
  • LVEDD = Linksventrikulärer Enddiastolischer Durchmesser
    • Normal bei Männern < 55 mm , bei Frauen < 50 mm
  • PISA = Proximal Isovelocity Surface Area, eine Begriff aus der Echokardiographie
    • bei schwerer AI,MI und TI meßbar

Einteilungen

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Schweregrad

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  • leicht - mittelgradig , schwer
  • AI Grad 1 - 4

Akut Chronisch

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angeboren - degenerativ - bakteriell entzündlich - rheumatisch entzündlich

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Mit oder ohne Beteiligung der Aorta thorakalis

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Mit oder ohne begleitende Aortenstenose

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Ätiologie Ursachen

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Übersicht

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  • angeboren
  • degenerativ
  • rheumatische Endokarditis
  • bakterielle Endokarditis
  • Aorten-/Anulus-Ektasie
    • degenerativ
    • Marfansyndrom
    • Syphilis
  • Aortendissektion
  • paravalvuläres Leck bei Zn operativem Aortenklappenersatz

Epidemiologie Statistik Kosten

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Deutschland

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Diagnosedaten der Krankenhäuser ab 2000 Deutschland, Alle Altersgruppen, Beide Geschlechter, 
ICD10 Jahr 2005  2006  2007  2008  2009  2010  2011 
----------------------------------------------------
I35        37555 40212 43544 46346 49771 52379 55812 
I35.0      21506 23481 24891 27282 29715 32339 35005 
I35.1 AI    5054  4905  4753  4496  4567  4615  4507 
I35.2      10647 11137 13166 13908 14446 14799 15708 
I35.8        239   539   519   547   605   593   569 
I35.9        109   150   215   113   438    33    23 
  • I35 = Nichtrheumatische Aortenklappenkrankheiten
  • I35.0 = Aortenklappenstenose
  • I35.1 = Aortenklappeninsuffizienz
  • I35.2 = Aortenklappenstenose mit Insuffizienz
  • I35.8 = Sonstige Aortenklappenkrankheiten
  • I35.9 = Aortenklappenkrankheit, nicht näher bezeichnet

Quelle: http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/WS0100/_XWD_PROC?_XWD_208/1/xs_sortdim/D.000/a/F.IND702/_XWD_234

Operationen

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10% aller Aortenklappen Operationen werden wegen Aorteninsuffizienz durchgeführt.

Pathologie Pathophysiologie

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Pathophysiologie

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Die Aortenklappe liegt am Anfang der Brustschlagader (  Aorta), direkt an deren Ursprung aus der linken Herzkammer. Sie verhindert den Rückfluss des Blutes während der Erschlaffungsphase (  Diastole) des Herzens. Ist die Klappe undicht, dann strömt ein Teil des ausgeworfenen Blutes wieder zurück in die linke Herzkammer ( Regurgitationsvolumen) . Je nach dem wie groß das Regurgitationsvolumen ist und wie schnell sich die Undichtigkeit entwickelt, wird die linke Herzkammer mehr oder wenig belastet. Es resultiert eine Herzinsuffizienz mit dem Symptom der Luftnot. Da der Blutdruck im großen Kreislauf während der   Diastole auch von der Aortenklappe aufrecht erhalten wird, sinkt der diastolische Blutdruck je nach Schweregrad der AI ab.

Symptome und Klinik

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  • keine Symptome bei leichter AI
  • Atemnot NYHA 1 - 4

Weitere mögliche Symptome bzw. Befunde

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  • große Blutdruckamplituden mit niedrigem diastolischen Blutdruck
    • Beispielsweise 150/60 mm Hg
  • Herzgeräusche:
    • Diastolikum:
      • Frühdiastolisches Decrescendogeräusch direkt nach dem 2. Herzton
      • mit punctum maximum über Erb-Punkt
    • Austin-Flint-Geräusch,
      • rumpelndes middiastolisch bis präsystolische Geräusch mit p.m. über der Herzspitze
      • durch den Rückstrom der AI auf die Mitralklappe
  • Puls:
    • celer et altus (Wasserhammerpuls) mit Extraschlägen,
    • Homo pulsans, pulssynchronem Kopfnicken (Musset-Zeichen),
    • Karotidenpulsation (Corrigan-Zeichen),
    • sichtbarer Kapillarpuls (Quincke-Zeichen).
  • EKG-Veränderungen mit Zeichen der Linksherzbelastung (Sokolow-Lyon-Index)
  • Röntgenbild: Erweiterung des linken Ventrikels als sog. „Schuhform“, abgerundete Herzspitze
  • Fieber bei Endokarditis
  • Lungenödem
  • Echobefund: siehe unten

Diagnostik

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Übersicht

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  • Anamnese
  • Blutdruckmessung
  • Auskultation
  • EKG
  • Echokardiografie
  • TEE
  • CT
  • HK + Coro
  • Kernspin

Blutdruck

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Der diastolische Blutdruck korreliert negativ mit dem Schweregrad der AI

  • ein diastolischer RR von 70 mmHg oder mehr schließt eine schwere AI aus
  • ein diastolischer RR von 50 mmHg oder weniger weist oft auf eine schwere AI hin

Auskultation

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Diastolikum bei AI

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  • das Diastolikum ist meist leise und muß gesucht werden, 1/6 bis 3/6
  • diastolisches Sofortgeräusch , beginnt sofort nach dem 2.Herzton
  • decrescendo Geräusch , mit der Verlauf der Diastole schwächer werdend
  • hochfrequent, weich bis hauchend, bei schwerer AI laut fauchend
  • p.m. über dem linken Sternalrand
  • im vornübergebeugten Sitzen und in Exspiration besser zu höhren
  • die initiale Lautstärke korreliert am besten mit dem Schweregrad der AI
  • die Länge des Geräusches korreliert nicht mit dem Schweregrad der AI
  • Leichte AI: leises , lang anhaltendes Geräusch
  • schwere AI: lautes Geräusch mit rasch abnehmender Lautstärke,

Sonstiges

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  • 1.Herzton wird leiser oder fehlt bei schwerer AI
  • Austin Flint geräusch nur bei hämodynamisch bedeutsamer AI
  • Mövenschreigeräusch = Lautsstärke korreliert nicht mit Schweregrad, kleines Loch mit düsenartigem Reflux
  • systolisches Austreibungsgeräusch durch Volumenbelastung des LV
  • 3.Herzton als Zeichen der zunehmenden Herzinsuffizienz


 
Aorteninsuffizienz im Farbdoppler, hier in blau, da parasternal aufgenommen

Echokardiografie

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Obwohl die Echokardiografie die wichtigste nichtinvasive Untersuchungsmethode der AI ist, ist die genaue Beurteilung insbesondere des Schwergrades nicht immer einfach. Insbesondere bei beschleunigtem Herzschlag kann man eine AI auch einmal leicht übersehen.

Weiteres siehe hier Sonographie:_Herz#Aorteninsuffizienz_AI

Worauf achtet man ?

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  • Aortenwurzel und Aorta ascendens dilatiert ?
  • bikuspide Aortenklappe ?
  • Prolaps eines oder mehrerer Segel ?
  • Aortenklappensegel sklerosiert oder verkalkt ?
  • Aortenklappensegel mit Vegetationen , brennende Segel
  • Flatterwellen am vorderen Mitralsegel
  • vorzeitiger Mitralklappenschluss und Pseudoprolaps der Mitralsegel in den linken Vorhof
  • Hyperkontraktilität des Linken Ventrikels
  • enddiastolischer Durchmesser
  • LV Hypertrophie ?
  • auffällig breiter DIP an der Arteria subclavia oder Arteria carotis
  • auffällig breiter diastolischer Rückfluß in der Aorta desc im Aortenbogen Echo
  • Größe des Refluxjets
  • Exzentrizität und Richtung des Refluxjets
  • Breite und Ausbreitung des Refluxjets im LV
  • Vena contracta der AI
  • PISA der AI
  • PHT im CW Doppler , je kürzer desto schwerer die AI
 
cw Doppler Kurve der Aorteninsuffizienz

Zeichen der schweren AI

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Nach den Leitlinien der American College of Cardiology/American Heart Association 2006

  • Ein AI Regurgitationsjet im Farbdoppler mit einer Breite > 65 % des LVOT Durchmessers
    • Vorsicht bei ekzentrischen Jets
  • Doppler Vena contracta Breite > 6 mm
  • PHT < 250 msek
  • Vorzeitiges Endes des Mitralklappen Flusses wegen des erhöhten LV Druckes durch die AI
  • Holodiastolische Flußumkehr in der descendierenden Aorta oder Arteria subclavia
  • Regurgitations Volumen > 60 ml
  • Regurgitations Fraktion > 50 %
  • Regurgitations Öffnungsfläche > 0.3 cm2
  • vergrößerter LV

Textbaustein AI

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  • keine leicht/mittel/hochgradige Aortenklappeninsuffizienz
  • qualitativ:
    • Carpentier Typ I Anulo/Wurzelektasie /
    • IIa flail, partialer/totaler Prolaps /
    • IIb Fenestration der Segelkante /
    • III Sklerose 3-4,
  • Jet kleiner zentraler/intermediärer/ großer zentraler/exzentrischer Jet,
  • CW-Signal unsaturiert,
  • diastolische Flussumkehr in der Aorta descendens
    • protodiastolisch-holodiastolisch enddiastolische Vmax >20ms,
    • keine/positive diastolische Flussumkehr in A.abdominalis
  • semiquantitativ: VC 3-6 mm, PHT 500-200 ms
  • quantitativ: EROA 10-30 mm2, Regurgitations Volumen 30-60 ml
  • OP-Kriterien (LVEF =<50%, LVEDD >70mm, LVESD >50mm od. >25mm/m2)

Therapie

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Übersicht

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  • keine Therapie bei leichter AI
  • Konservativ
    • bei leicht bis mittelgradiger AI
    • bei nicht opfähigen Patienten
  • Klappenersatz
    • mechanische Klappe
    • Bioklappe
    • TAVI transvaskuläre Aortenklappen Implantation , transcatheter aortic valve implantation
  • Klappenrekonstruktion

Präoperative Diagnostik vor dem Klappenersatz

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  • klinische Untersuchung, EKG, Labor
  • Echokardiographie
  • Herzkatheter (Ausschluss KHK,wenn Patient älter als 50 Jahre ist)
  • CT/MRT (Beurteilung der Aorta thorakalis)
  • Carotis Dopplersonografie

Indikation zur Klappenoperation

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  • symptomatische Aorteninsuffizienz ab Grad 2
  • asymptomatische Aorteninsuffizienz ab Grad 3
    • 55er-Regel: LVESD >55mm und EF <55%
  • Akute schwere AI bei Endokarditis
  • Aortendissektion mit Aorteninsuffizienz
  • Marfan-Syndrom: die OP-Indikation richtet sich mehr nach dem Durchmesser der Aorta ascendens

Operationszeitpunkt

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  • Notfallindikation
    • Akute Aorteninsuffizienz mit Endokarditis und flottierenden grossen Vegetationen
    • Akute schwere Aorteninsuffizienz bei Aortendissektion
  • Dringliche Indikation
    • akute hochgradige Aortenklappeninsuffizienz
      • unabhängig vom Patientenalter, von Begleiterkrankungen oder der Funktion der linken Herzkammer
  • Elektive Op innerhalb 1 bis 3 Monaten
    • mittel- bis hochgradige chronische Aortenklappeninsuffizienz beim Patienten, ohne Beschwerden, aber
      • bei vergrösserter linker Herzkammer EDD > 55 mm
      • bei reduzierter Pumpleistung EF < 55 %
    • mittelgradige chronische Aorteninsuffizienz mit Beschwerden des Patienten
  • Keine OP Indikation
    • bei leicht- bis mittelgradiger, chronischerAorteninsuffizienz, ohne Beschwerden und normaler Herzgröße und Pumpleistung
      • aber: mindestens jährliche Ultraschall-Kontrolluntersuchungen

Konservative Therapie

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Klappenersatz

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mechanische Klappe

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Bioklappe

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Klappenrekonstruktion

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Nachbehandlung nach Klappenersatz

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  • Gherli T, Colli A, Fragnito C et al.:
    • Comparing warfarin with aspirin after biological aortic valve replacement: a prospective study. ***Circulation 2004; 110: 496–500.

Verlauf und Prognose

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Fall 1 AI mit Va Endokarditis

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siehe Innere_Medizin_kk:_Endokarditis#Fall_3_Aorteninsuffizienz_mit_Vegetationen_an_der_Klappe_aber_kein_Nachweis_einer_Endokarditis

Geschichte der Krankheit

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Experten und Krankenhäuser

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Selbsthilfegruppen

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Fragen und Anmerkungen

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Der diastolische Aortendruck entspricht der Flussgeschwindigkeit bei der AI

Wie kommt die Dachschräge der cw Dopplerkurve der AI zustande ?

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Sie entspricht der diastolischen Druckkurve in der Aorta , auch diese ist leicht fallend. Der diastolische Aortendruck ist massgeblich für die Flussgeschwindigkeit an der Aortenklappe bei der AI. Interessant ist es die cw Dopplerkurve AI bei einem Patienten mit IABP zu messen. Sie schaut ganz anders aus als die übliche AI Kurve, weil der diastolische Druck durch die IABP verändert wird.

Literatur

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Aortenklappenrekonstruktion

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  • Misfeld M, Bechtel M, Sievers HH:
    • Types of reconstructive surgery of the aortic valve. J Cardiovasc Surg 2007; 48: 781–90.