Gotisch/ D
Hinweis: Einige der hier genannten Formen sind (zufälligerweise) nicht belegt, sondern wurden durch Vergleiche rekonstruiert.
Jedes gotische Adjektiv besitzt zwei Deklinationsarten, eine schwache und eine starke Deklination. Grob gesagt, wird die schwache nur nach dem Artikel (Demonstrativpronomen) gebraucht. Diese Regel besteht auch heute noch: "Ein kleiner Hund" (stark), aber "Der kleine Hund" (schwach).
Da jedes Adjektiv mit dem Bezugswort auch im Genus kongruiert, besitzt jedes Adjektiv drei Nominativ Singularformen. Die korrekte Nennform ist daher juggs, jugga, jugg(ata) "jung" und es ist dem Lernenden zu empfehlen diese zu lernen. Wir beschränken uns auf die männliche Form, um die Übersichtlichkeit zu bewahren.
Starke Deklination
BearbeitenDie starke Deklination ist die ursprüngliche und der starken Substantiv-Deklination entlehnt. Auch die Adjektive kennen eine a- und ja-, eine i- und eine u-Deklination. Eine eigene o- oder jo-Deklination gibt es nicht, da diese einen Stamm mit der a- bzw. ja-Deklination bilden. Einige Wörter werden nur stark dekliniert. Hierzu zählen alle adjektivischen Pronomen (außer sama "gleich" und silba "selbst"), die flektierten Zahlwörter, alls "alle", anþar "zweiter", ganohs "genug", halbs "halb", midjis "mittlerer" und fulls "voll".
a-Deklination
BearbeitenDie a-Deklination ist der mit Abstand größte Stamm. Da jedes Adjektiv dieser Klasse auch feminin (nach der o-Deklination) flektiert werden kann, wird dieser Stamm auch als a/o-Stamm bezeichnet. Beachten Sie bitte, dass nicht jede Flexionsendung auch mit der substantiven Flexionsendung übereinstimmt.
Der Vokativ dieser Deklinationsklsse ist nicht belegt, da dieser stets schwach gebildet wurde. Lediglich in Mt 27,46 und Mk 15,34 ist die Anrede guþ meins "mein Gott" belegt. Die neutralen Singularformen des Nominativs und Akkusativs kennen sowohl die Endung -ata, als auch die endungslose Form. Diese Formen sind austauschbar, abgesehen bei prädikativer Verwendung. Hier ist nur die endungslose Variante erlaubt: Ita ist leitil und nicht Ita ist leitilata. Ebenso besitzen die Adjektive auf -ar, wie z. B. unsar "unser", anþar "zweiter", izwar "euer", nur die kürzere Form.
kald- "kalt" | Maskulinum | Femininum | Neutrum |
Nominativ Sg. | kald-s | kald-a | kald, kald-ata |
Genitiv Sg. | kald-is | kald-aizos | kald-is |
Dativ Sg. | kald-amma | kald-ai | kald-amma |
Akkusativ Sg. | kald-ana | kald-a | kald, kald-ata |
Nominativ Pl. | kald-ai | kald-os | kald-a |
Genitiv Pl. | kald-aize | kald-aizo | kald-aize |
Dativ Pl. | kald-aim | kald-aim1 | kald-aim |
Akkusativ Pl. | kald-ans | kald-os | kald-a |
- 1Als Dativ-Plural-Feminin-Endung ist auch -om möglich (3x in der Skeireins belegt)
ja-Deklination
BearbeitenEin /j/ im Auslaut des Wortstammes bewirkt wie bei den Substantiven mitunter Abweichungen von der regulären a-Deklination. Auch hier unterscheiden wir wieder zwischen kurz- und langwurzligen Stämmen.
Die kurzwurzlige Klasse A unterscheidet sich vom reinen a-Stamm nur im Mask. Sg. Nom. und Neutr. Sg. Nom. und Akk. Hierzu gesellen sich nur etwa ein Dutzend Adjektive, wie aljis "anderer", sunjis "wahr" oder gawiljis "einmütig". Auch freis, frija, frei* "frei" zählt trotz des belegten freis (statt *frijis) zu dieser Klasse.
niu- "neu" | Maskulinum | Femininum | Neutrum |
---|---|---|---|
Nominativ Sg. | niu-jis | niu-ja | niu-jata/niw-i1 |
Genitiv Sg. | niu-jis | niu-jaizos | niu-jis |
Dativ Sg. | niu-jamma | niu-jai | niu-jamma |
Akkusativ Sg. | niu-jana | niu-ja | niu-jata/niw--i |
Nominativ Pl. | niu-jai | niu-jos | niu-ja |
Genitiv Pl. | niu-jaize | niu-jaizo | niu-jaize |
Dativ Pl. | niu-jaim | niu-jaim | niu-jaim |
Akkusativ Pl. | niu-jans | niu-jos | niu-ja |
- 1Hinweis: Das -w- in niwi erklärt sich dadurch, dass man einen Dreifachvokalismus vermeiden will. Im Übrigen ist nur niujata belegt.
Die zweite Gruppe besitzt den gleichen ji-ei-Wechsel, wie man ihn von den Substantiven kennen dürfte. Wir gehen daher nicht näher darauf ein und nennen nur die Formen. Belegt sind nur fünf Adjektive dieser Klasse: alþeis "alt", faírneis "alt", wailamereis "löblich", wilþeis "wild" und woþeis "süß". Alle weiteren ja (B)-Adjektive, z. B. aírzeis "irr", wurden durch Rekonstruierung bzw. Vergleiche dieser Gruppe zugeordnet.
alþ- "alt" | Maskulinum | Femininum | Neutrum |
---|---|---|---|
Nominativ Sg. | alþ-eis | alþ-i | alþ-jata/alþ-i |
Genitiv Sg. | alþ-eis | alþ-jaizos | alþ-eis |
Dativ Sg. | alþ-jamma | alþ-jai | alþ-jamma |
Akkusativ Sg. | alþ-jana | alþ-ja | alþ-jata/alþ-i |
Nominativ Pl. | alþ-jai | alþ-jos | alþ-ja |
Genitiv Pl. | alþ-jaize | alþ-jaizo | alþ-jaize |
Dativ Pl. | alþ-jaim | alþ-jaim | alþ-jaim |
Akkusativ Pl. | alþ-jans | alþ-jos | alþ-ja |
i-Deklination
BearbeitenDie i-Deklination unterscheidet sich im Gotischen nur noch im Nominativ Sg. und in einigen Genitivendungen von der ja-Deklination. In allen anderen Fällen übernahmen die i-Adjektive die Endungen beider ja-Deklinationen.
Sicher als i-Stämme identifiziert sind u. a. andanems "angenehm", andasets "abscheulich", bruks "nützlich", gamains "gemein", hrains "rein", sels "gut" und skeirs "klar". Die Zuordnung vieler potenzieller i-Stämme ist teilweise umstritten, so wird der Nom. Sg. M. von reik- "mächtig" als reiks (Braune) oder als reikeis (Köbler) rekonstruiert.
skeir- "klar" | Maskulinum | Femininum | Neutrum |
---|---|---|---|
Nominativ Sg. | skeir-s | skeir-s | skeir (skeir-jata)1 |
Genitiv Sg. | skeir-is | skeir-*jaizos | skeir-is |
Dativ Sg. | skeir-jamma | skeir-jai | skeir-jamma |
Akkusativ Sg. | skeir-jana | skeir-ja | skeir (skeir-jata) |
Nominativ Pl. | skeir-jai | skeir-jos | skeir-ja |
Genitiv Pl. | skeir-jaize | skeir-jaizo | skeir-jaize |
Dativ Pl. | skeir-jaim | skeir-jaim | skeir-jaim |
Akkusativ Pl. | skeir-jans | skeir-jos | skeir-ja |
- 1 Formen mit -jata sind zufälligerweise nicht belegt.
u-Deklination
BearbeitenFür die u-Deklination gilt dasselbe, wie für die i-Deklination, jedoch bleiben viele Endungen (darunter der ganze Genitiv/Dativ Singular) unbelegt. Auch hier ist eine eindeutige Zuordnung oft nicht möglich.
seiþ- "spät" | Maskulinum | Femininum | Neutrum |
---|---|---|---|
Nominativ Sg. | seiþ-us | seiþ-us | seiþ-u/seiþ-jata |
Genitiv Sg. | seiþ-*aus | seiþ-*jaizos | seiþ-*aus |
Dativ Sg. | seiþ-*jamma | seiþ-*jai | seiþ-*jamma |
Akkusativ Sg. | seiþ-jana | seiþ-ja | seiþ-u/seiþ-jata |
Nominativ Pl. | seiþ-jai | seiþ-jos | seiþ-*ja |
Genitiv Pl. | seiþ-jaize | seiþ-jaizo | seiþ-jaize |
Dativ Pl. | seiþ-jaim | seiþ-jaim | seiþ-jaim |
Akkusativ Pl. | seiþ-jans | seiþ-jos | seiþ-ja |
Schwache Deklination
BearbeitenDie schwache Deklination der Adjektive entspricht exakt der der Substantive, hat mit ihr jedoch darüber hinaus nichts gemein. Ist einer der folgenden Bedingungen erfüllt, so wird ein Adjektiv schwach dekliniert:
- Dem Adjektiv geht ein bestimmter Artikel/Demonstrativpronomen voraus (sa, so, þata)
- Es liegt ein Komparativ (1. Steigerungsform) oder ein Superlativ auf -ma (2. Steigerungsform) vor
- Ein Verb wird als Partizip Präsens adjektivisch dekliniert (im Nominativ treten schwache und starke Flexion nebeneinander auf)
- Ein Adjektiv im Vokativ wird fast ausnahmslos schwach dekliniert
Des Weiteren werden die Ordinalzahlen (außer anþar), sama "gleich" und silba "selbst" ausschließlich schwach flektiert. Vereinzelt kommt es vor, dass ein Adjektiv auch in prädikativer Stellung schwach dekliniert wird, z. B. swa unfroþans sijuþ? "Seid ihr so unverständig?" (Gal 3,3). Fälle von schwacher Deklination bei attributiven Adjektiven beschränken sich zumeist auf formelhafte Wendungen, wie libains aiweino in Xristau Iesu "das ewige Leben durch Jesus Christus" (Röm 6,23).
Als Beispielwort verwenden wir den a-Stamm kald- "kalt".
kald- "kalt" | Maskulinum | Femininum | Neutrum |
Nominativ Sg. | kald-a | kald-o | kald-o |
Genitiv Sg. | kald-ins | kald-ons | kald-ins |
Dativ Sg. | kald-in | kald-on | kald-in |
Akkusativ Sg. | kald-an | kald-on | kald-o |
Nominativ Pl. | kald-ans | kald-ons | kald-ona |
Genitiv Pl. | kald-ane | kald-ono | kald-ane |
Dativ Pl. | kald-am | kald-om | kald-am |
Akkusativ Pl. | kald-ans | kald-ons | kald-ona |
Die anderen starken Stämme werden nach dem gleichen Muster dekliniert, schließen aber ein -j- mit ein. Die folgenden Adjektive sind in der Nominativ-Singular-Form genannt.
Stamm | Maskulinum | Femininum | Neutrum |
ja-Stamm (A) | niu-ja | niu-jo | niu-jo |
ja-Stamm (B) | alþ-ja | alþ-jo | alþ-jo |
i-Stamm | skeir-ja | skeir-jo | skeir-jo |
u-Stamm | seiþ-ja | seiþ-jo | seiþ-jo |
Steigerung
BearbeitenKomparativ
BearbeitenDer Komparativ (1. Steigerung; z. B. schneller) kann im Gotischen auf zwei Weisen gebildet werden: mit -iz- und mit -oz-. Mit welcher Endung das Adjektiv gesteigert wird, hängt vom Adjektiv selbst ab. Eine Zuordnungsregel ist nicht bekannt. Dabei ist die Endung mit -iz- wesentlich häufiger.
Zusätzlich gibt es noch den sog. m-Komparativ. Dieser ist nur bei sechs Wörtern belegt, die von Adverbien abgeleitet sind und keine Grundform haben. Hinzu treten weitere durch entsprechende Superlative vermutete m-Komparative. Neben der einfachen -m-Komparation gibt es noch ein -tum-Komparativ. Dieser ist als zusammengesetzter -m-Komparativ zu betrachten.
Der Komparativ wird wie ein schwaches Adjektiv dekliniert, jedoch ist als feminine Endung die ei-Deklination belegt, z. B. speidizei "spätere" (Mt 27, 64).
Bildung des Komparativs mit -iz-:
- Wortstamm + -iz- + schwache Deklinationsendung
- z. B. manag-s "viel" -> managiza, managizei, managizo "mehr"
Nach diesem Muster gehen alle Deklinationsklassen, z. B. niu-iza (ja) oder hard-iza (u).
Bildung des Komparativs mit -oz-:
- Wortstamm + -oz- + schwache Deklinationsendung
- z. B. swinþs "stark" -> swinþoza, swinþozei, swinþozo "stärker"
Alle oz-Adjektive sind a-Stämme.
Komparative mit -m-:
- fruma "erster"
- innuma "innerer"
- aúhuma "höher"
Komparative mit -tum-:
- aftuma "folgender"
- iftuma "folgender"
- hleiduma "linker"
Das Vergleichsobjekt wird im Gotischen (ohne Präposition) ins Dativ gesetzt:
- managaim sparwam batizans sijuþ jus.
- "Ihr seid besser als viele Spatzen"
- unte þai sunjos þis aiwis frodozans sunum liuhadis in kunja seinamma sind.
- "Denn die Söhne dieser Welt sind weiser als die Söhne des Lichts in deren Generation."
Superlativ
BearbeitenDer Superlativ (2. Steigerungsform; am schnellsten) besitzt dieselbe Einteilung der Adjektive in -iz- und -oz- bzw. in -ist- und -ost-Adjektive (Beachten Sie die assimilatorische Auslautverhärtung von -z- vor -t zu -st-). Der reguläre Superlativ wird wie ein normales Adjektiv der a-Deklination schwach oder stark dekliniert. Die Endung auf -ata ist indes nicht belegt.
Bildung des Superlativs mit -ist-:
- Wortstamm + -ist- + schwache oder starke Deklinationsendung
- z. B. manag-s "viel" -> managists "am meisten"
Bildung des Superlativs mit -ost-:
- Wortstamm + -ost- + schwache oder starke Deklinationsendung
- z. B. swinþs "stark" -> swinþosts "am stärksten"
Superlative mit -m-:
- frumists "der Erste"
- aúhumists "am höchsten"
- aftumists "letzter"
- hindumists "äußerster"
- spedumists "letzter" (neben spedists)
Unregelmäßige Steigerungen
BearbeitenEinige Adjektive werden unregelmäßig gesteigert:
- goþs - batiza / iusiza - batists (gut - besser - der Beste)
- ubils - wairsiza - *wairsists (böse - böser - der Böseste)
- mikils - maiza - maists (groß - größer - der Größte)
- leitils - minniza - minnists (klein - kleiner - der Kleinste)
- sineigs - *siniza - sinists (alt - älter - der Älteste)
- juggs - juhiza - *juhists (jung - jünger - der Jüngste)
Partizip Präsens
BearbeitenDas Partizip Präsens (lesend) wird, wie bereits erwähnt, schwach dekliniert. Zu beachten sind jedoch folgende Punkte:
- anstelle der o-Deklination wird das Femininum meist (!) nach der schwachen ei-Deklination flektiert
- die Nom. Sg.-Form des Maskulinums endet meist auf -s
Auf das Partizip Präteritum (gelesen) kann dagegen, wie auf ein normales Adjektiv, sowohl die starke, als auch die schwache Deklination angewandt werden.
itand- "essend" | Maskulinum | Femininum | Neutrum |
---|---|---|---|
Nominativ Singular | itand-s/-a | itand-ei | itand-o |
Genitiv | itand-ins | itand-eins | itand-ins |
Dativ | itand-in | itand-ein | itand-in |
Akkusativ | itand-an | itand-ein | itand-o |
Nominativ Plural | itand-ans | itand-eins | itand-ona |
Genitiv | itand-ane | itand-eino | itand-ane |
Dativ | itand-am | itand-eim | itand-am |
Akkusativ | itand-ans | itand-eins | itand-ona |