Gotisch/ Band2/ Zwischenlektion4

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Zwischenlektion 4
Dies ist eine Zwischenlexikon, die der Verbesserung und dem Ausbau des bisher Gelernten dienen soll.
Sie enthält kein neues Lernmaterial und kann bei Bedarf übersprungen werden:
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Diese Zwischenlektion soll Ihnen helfen das bisher Gelernte noch einmal zu üben und zu festigen. Hierbei lernen Sie zusätzlich interessante Fakten über die gotische Sprache kennen, die Ihnen das Lernen erleichtern können. Es gibt fünf verschiedene Rubriken, die Sie oben in den Tabs anklicken können. Die erste Rubrik "Schon gewusst ...?" stellt Ihnen Wissenwertes zur gotischen Sprache vor.

Ostgermanische Sprachen

Die germanischen Sprachen werden traditionell in drei Sprachgruppen eingeteilt: Westgermanisch (z. B. Deutsch, Englisch), Nordgermanisch (z. B. Isländisch, Schwedisch) und Ostgermanisch (dazu Gotisch). In dieser Zwischenlektion wollen wir Ihnen etwas über die anderen ostgermanischen Sprachen berichten. Vorab ist zu erwähnen, dass es sich hierbei ausschließlich um sog. Trümmersprachen handelt. Darunter versteht man Sprachen, von denen keine Texte erhalten sind, sondern lediglich kleinere Inschriften, Personennamen oder einzelne Wörter aus anderssprachigen Texten.

Welche Sprachen sind ostgermanisch?

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Da die meisten altgermanischen Dialekte lediglich Trümmersprachen sind, ist auch eine linguistische Bestimmung schwierig. Sehr gerne verwendet man geographische Orientierungspunkte, so nennt  Friedrich Maurer die Ostgermanen Oder-Weichsel-Germanen, da sie im Oder- und Weichselgebiet lebten. Diese Vorstellung beruht auf den Angaben des Geschichtsschreibers  Plinius dem Älteren, der die östlichen Stämme unter dem Begriff "Vandilisch" zusammenfasste. Die Zuordnung eines Dialekts zur ostgermanischen Gruppe erfolgt daher über die Annahme, ob diese Volksgruppe um die Zeitenwende im Oder-Weichsel-Bereich siedelte oder nicht.

Als ostgermanisch gelten daher meist:

  1. Vandalisch
  2. Burgundisch
  3. Gepidisch
  4. Lugisch
  5. Rugisch (?)
  6. Skirisch (?)
  7. Burisch (?)

Wohl eher nicht zu den Ostgermanen zählen die Sueben und Langobarden, die ebenfalls im Odergebiet nachweisbar sind.

Vandalisch

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Das Vandalische ist nur durch zwei Sätze und einigen Namen belegt. Ferdinand Wrede kam in seiner Arbeit zur Sprache der Vandalen zum Ergebnis, dass das Vandalische in dem Lautbestand "in den Hauptpunkten ganz gotisch" ist, sonst ergibt sich in Morphologie und Wortschatz keine erkennbaren Unterschiede. Er vermutete den Erhalt der Diphthonge, setzte die Monophthonierung allerdings erst im Ostgotischen des 5. Jh. an. Neuere Erkenntnisse gab es seither nur durch neue Inschriften aus der Wandalenzeit, Münzen und Neubewertungen. Die Neuentdeckungen sind wenig bedeutend, da die Inschriften fast nur Namen (meist bereits bekannter König) enthalten. Außerdem vermutet man, dass die Vandalen die Wulfila-Bibel verwendete.

Als wichtigster vandalischer Textteil gilt das Gedicht "De conviviis barbaris", das in Karthago zw. 523-535 entstand (Daten umstritten). Die Vandalen besiedelten zw. 429 und 534 den nordafrikanischen Kontinent. Das Gedicht beginnt wie folgt:

Inter ‚eils‘ Goticum ‚scapia matzia ia drincan‘
non audet quisquam dignos educere versus.
"Zwischen dem gotischen "Heil! Schaffen wir uns zu essen und zu trinken!"
wagt man nicht, würdige Verse zu zitieren."

Die Zuordung des Gedichts zum Vandalischen ist durchaus umstritten. Der Dichter selbst schreibt den Satz den "Goten" zu, was bereits viele Interpretationen zulässt. So ist es möglich, dass das Gedicht seinen Ursprung an einem anderen Ort (und zu einem anderen Zeitpunkt) hat und somit die Vandalen gar nicht gemeint wurden. Auch könnte der Urheber, wie Prokop, die Vandalen als ein Gotenvolk betrachten. Ebenso denkbar wäre, dass der Begriff "Goticum" sich allgemein auf Barbaren bezieht. Das alte italienische gotico für "barbarisch" gab im Übrigen der Gotik, einem Bau- und Kunststil, seinen Namen.

Der Hauptgrund warum man den Text nicht als zuverlässig bewerten kann, ist der, dass der Verfasser selbst kein Vandale war. So ist auch nicht bekannt, ob er tatsächlich Vandalisch sprach oder ob es sich bei dem Satz lediglich um eine Verballhornung handelt. Auf Wulfila-Gotisch würde der Satz wiefolgt lauten:

"Hails! Skapjam matja jah drigkan!" Heil! Schaffen wir uns Essen und Trinken oder
"Hails! Skap jah matjan jah drigkan!" Heil! Schaff sowohl Essen als auch Trinken
"Eils! Scapiamatziaiadrincan!" (Original)

Der zweite vandalische Satz entstammt einem theologischen Werk, das an den vandalischen Arianismus gerichtet war. Dort heißt es:

"Si enim licet dicere non solum Barbaris lingua sua, sed etiam Romanis Sihora armen, quod interpretatur Domine miserere, cur non liccret ..."
"... auch Römer dürfen "Sihora armen" sagen, dass Domine miserere ["Herr, erbarme dich"] bedeutet, ..."

Das Werk ist, wie die meisten Werke jener Zeit, nur durch Abschriften (Codizes) erhalten. Diese Codizes geben das "Sihora armen" allerdings unterschiedlich wieder. So sind auch die Formen "fhrota armes" (Codex von Rigaltius), "froa armi" (Codex 19 A. Montecassino), "kuroia armos" und zahlreiche ähnliche Formen bekannt. So wundern auch die zahlreichen Interpretationen nicht. Da bereits die Übersetzung bekannt ist, weiß man, dass Sihora/Fhrota/... "Herr" bedeutet und arm... der Optativ oder der Imperativ der 2. P. S. für "sich erbarmen" ist. Sihora ist im Ostgermanischen nicht belegt. Man könnte es aber vom Angelsächsischen "sigora" für "Sieger" ableiten. Ebenso wird auch ein si hora arme "Sei, Herr, gnädig" in Betracht gezogen. Auf Wulfila-Gotisch würde der Satz "Frauja armes" (Opt.) bzw. "Frauja armai"(Imp.) lauten. Aus diesem Grund sind eher die Formen mit f- anzunehmen. Meist wird ein "froja arme(s)" interpretiert, dass für eine Monophthongisierung spräche.

Allerdings ist auch hier die Zuordnung zum Vandalischen nicht gesichert. Ebenfalls muss man beachten, dass es sich bei diesem Satz um keine Alltagssprache handelt und die Vandalen (wahrscheinlich) die Wulfilabibel verwendeten.

Burgundisch

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Vom Burgundischen sind einige Personennamen, kleinere Runeninschriften und Wörter aus dem Lex Burgundia, einem lateinischen Rechtsbuch, überliefert. Von den Inschriften ist eine  Bügelfibel von Charnay die wichtigste, doch ist auch hier eine fränkische Herkunft nicht auszuschließen. Die Deutung der Runen ist zudem problematisch:

uþfnþai ⋮ id
dan ⋮ ḷiano

Die Wörter id-dan und liano werden meist als Personennamen ("Idda" m. und "Liano" f.) gelesen. Das problematische Wort ist uþfnþai, das wegen der Endung -ai meist als 3. Sg. Optativ Präsens verstanden wird.  Wolfgang Krause deutet das Wort als u(n)þf(i)nþai und übersetzt die Inschrift mit "Möge den Idda Liano herausfinden.".  Elmer H. Antonsen ersetzt das n durch ein a und sieht darin ein westgermanisches Nomen, das mit got. -faþs, -fadis = „Herr, Anführer“ verwandt ist. Er deutet die Inschrift mit "für (meinen) Ehemann Iddo. Liano".

Durch das Lex Burgundia sind Wörter wie hendinon "König", gisls "Geißel" oder wittimon "Hochzeit" überliefert.

Gepidisch

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Noch weniger Sprachreste sind vom Gepidischen überliefert. Eine enge Verbindung zum Gotischen werden allerdings von antiken Geschichtsschreibern betont. Prokop von Caesarea erwähnt in seinem Werk über den Vandalischen Krieg, dass Goten (gemeint sind die Ostgoten), Westgoten, Vandalen und Gepiden dieselbe Sprache sprechen.[1] Zwar ist Prokop diesen Stämmen gegenüber insgesamt eher negativ eingestellt, so dass hier lediglich einen Versuch der Subsumierung feindlicher Stämme versucht, doch wird der Zusammenhang des Gepidischen und Gotischen auch von gotischen Geschichtsschreibern erwähnt. Der gotisch-römische Geschichtsschreiber  Jordanes beschreibt die Gepiden als ein eng verwandter Stamm der Goten.[2]


  1. Procopius of Caesarea, The Vandalic War I,2-8
  2. vgl. Getica Kap. XVII (94)