Beweisarchiv: Lie-Algebren: Wurzelsysteme: Klassifikation von Wurzelsystemen

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Wurzelsysteme: Klassifikation von Wurzelsystemen


Definitionen und Aussage des Klassifikationssatzes

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Definitionen: Eine Teilmenge   eines Vektorraums   über einem Körper   der Charakteristik 0 heißt Wurzelsystem, falls sie die folgenden Bedingungen erfüllt:

  1.   ist endlich.
  2.   ist ein lineares Erzeugendensystem von  .
  3. Zu jedem   aus   gibt es eine Linearform   mit den Eigenschaften:
    • Für   ist   .
    •  
    • Die lineare Abbildung   mit   bildet   auf   ab.

Ein reduziertes Wurzelsystem liegt vor, falls zusätzlich gilt

4. Sind zwei Wurzeln   linear abhängig, so gilt  .

Die Dimension von   heißt der Rang des Wurzelsystems.


Sind   zwei Wurzelsysteme vom Rang  , so ist   ein Wurzelsystem vom Rang   und heißt die direkte Summe von   und  . Läßt sich   als direkte Summe nicht-leerer Wurzelsysteme schreiben, so heißt   reduzibel. Ist   weder leer und noch reduzibel, so heißt   irreduzibel


Satz (Klassifikation von reduzierten Wurzelsystemen): Jedes Wurzelsystem ist die direkte Summe endlich vieler irreduzibler Wurzelsysteme. Jedes irreduzible reduzierte Wurzelsystem ist (auf weiter unten beschriebene Weise) vom Typ  ,  ,  ,  ,  ,  ,  ,   oder  .


Die Zerlegbarkeit in irreduzible Wurzelsysteme ist hierbei klar. Die Arbeit liegt in der Klassifikation der irreduziblen Komponenten.

Hilfssätze

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Eindeutigkeit der Reflexionen und Kowurzeln

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Hilfssatz/Definition: Zu jedem   sind die Abbildungen   und   aus der Definition eindeutig bestimmt.   ist eine Involution. Man bezeichnet   als die Kowurzel zu   und   als die zu   gehörige Reflexion.

Beweis: Sei zu   neben   auch   eine Abbildung mit den geforderten Eigenschaften. Für die entsprechend definierte Abbildung   gilt insbesondere ebenfalls  . Dann gilt   und speziell  . Ist jetzt   so folgt   und daher  , d.h. auf der affinen Gerade   ist   eine Translation um  . Da diese die nicht-leere endliche Menge   invariant lassen muss, ist diese Translation die Identität, wegen   folgt daher  . Aus der Übereinstimmung auf dem Erzeugendensystem   folgt dann insgesamt   und ebenso  .

Da   sowohl auf dem 1-codimensionalen Unterraum   als auch auf dem nicht darin liegenden   die Identität ist, ist   insgesamt die Identität, also   eine Involution.  

Korollar: Für alle   ist   und  . Für alle   ist   und  .

Beweis: Die Abbildung   stimmt auf dem 1-kodimensionalen Raum   mit   überein und bildet   auf   ab.

Zu beliebigem   setze  . Dann ist

 

Aus der Ganzzahligkeit von   und der Eindeutigkeit der zu   gehörenden Kowurzel und Reflexion folgt   und  .

Die weiteren Aussagen erhält man im Spezialfall  .  

Duales Wurzelsystem

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Satz: Ist   ein Wurzelsystem, so ist auch   ein Wurzelsystem.

Beweis: Zunächst ist   eine endliche Teilmenge von  .

Zu   definieren wir die lineare Abbildung   und die zugehörige Reflexion  .

Ist jetzt  , so ist zunächst   stets ganzzahlig, speziell ist  .

Weiter gilt für   stets  , also  .

Somit ist   zumindest in einem möglicherweise niederdimensionalen Unterraum von   ein Wurzelsystem. Da aber ganz klar   über die kanonische Isomorphie   wieder   ergibt, muß dieser Unterraum ganz   sein.  

Weyl-Gruppe

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Da die   Involutionen, also Automorphismen von   sind, ist es sinnvoll, die Weyl-Gruppe, d.i. die von   erzeugte Untergruppe  , zu betrachten.

Hilfssatz: Die Weyl-Gruppe   operiert treu auf   und ist endlich.

Beweis: Da für die Erzeugenden bereits   und wegen der Invertierbarkeit sogar   gilt, erhalten wir einen Gruppenhomomorphismus  , also eine Operation von   auf  . Da   ein Erzeugendensystem von   ist, operiert hierbei nur die Identität von   trivial auf  , d.h. die Operation ist treu. Dann ist aber   eine injektive Abbildung in eine endliche Gruppe, also ist   endlich.  

Beziehung zwischen zwei Wurzeln

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Hilfssatz: Sind   zwei Wurzeln eines reduzierten Wurzelsystems, so gilt

  •   oder
  •   oder
  • einer der Werte   ist 1 und der andere ist 2 oder 3 oder
  • einer der Werte   ist -1 und der andere ist -2 oder -3

Falls das Wurzelsystem nicht reduziert ist, gibt es noch die Möglichkeit

  •   oder umgekehrt.

Beweis: Seien zunächst   linear abhängig, etwa  . Dann folgt  , also   gilt. Ebenso folgt aus  , dass  . Dass beide Werte ganzzahlig sind, ist nur für   möglich. Bei einem reduzierten Fall folgt sogar direkt aus der Definition, dass nur   möglich ist.

Falls dagegen   linear unabhängig sind, werden die zugehörigen Reflexionen auf   bezüglich der Basis   durch

 

als Matrizen beschrieben. Das Produkt

 

muß wegen der Endlichkeit von   endliche Ordnung haben, d.h. alle Eigenwerte in   sind Einheitswurzeln. Insbesondere kann die Spur   nur Werte in   annehmen. Ist die Spur 2 oder -2, muß   sogar konjugiert zu (und damit sogar gleich)  Einheitsmatrix sein. Dies bedeutet für die Einträge außerhalb der Diagonalen   und wird vom zweiten Fall erfaßt. Ansonsten gilt also  . Da   und   ganzzahlig sind, kommen nur Produktzerlegungen in Betracht, die von den Fällen 2 bis 4 abgedeckt werden.  

Korollar: Sind   zwei verschiedene Wurzeln mit  , so ist   oder  .

Beweis: In den meisten Fällen des Hilfssatzes ist die Aussage bereits unmittelbar angegeben. Ist  , so ist   von den Voraussetzungen ausgeschlossen und wegen   der Fall   ebenfalls. Gilt  , so folgt  , also  .  

Korollar: Sind   zwei verschiedene Wurzeln und ist  , so ist  . Ist   und  , so ist  .

Beweis: Seien   verschiedene Wurzeln mit . Entweder ist   und es folgt  . Oder es gilt   und folglich  . Die zweite Aussage erhält man, indem man   durch   ersetzt.  


Skalarprodukt

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Satz: Es gibt auf   ein positiv definites  -invariantes Skalarprodukt  . Für jedes solche Skalarprodukt gilt   für alle  . Ferner gilt für   stets  .


Beweis: Setze  . Dann haben wir eine lineare Abbildung  . Ist   das Standardskalarprodukt auf  , so definieren wir durch   für alle   ein Skalarprodukt auf  :

  • Die Bilinearität (bzw. Sesquilinearität) überträgt sich direkt von  .
  • Zu jedem   gibt es ein   mit  . Da   ein Erzeugendensystem ist, gibt es dann auch ein   mit  . Somit ist   und  . Somit ist   positiv definit.
  • Die Operation der Weylgruppe permutiert die  . Dem entspricht im   eine Permutation der Koordinaten. Hierunter ist das Standardskalarprodukt invariant, so dass   folglich  -invariant ist.

Sei jetzt   ein positiv definites  -invariantes Skalarprodukt auf  . Falls   und  , so folgt  , also  . Wegen   ist  , also   und wir können die lineare Abbildung   definieren. Diese stimmt auf   mit   überein. Da außerdem   gilt, folgt   für alle  

Die letzte Aussage folgt schließlich aus   und  .  

Es wurde im Beweis des Satzes zwar explizit ein Skalarprodukt konstruiert, es gibt aber durchaus mehrere positiv definite  -invariante Skalarprodukte auf  . Allgemein ist das Skalarprodukt allenfalls bis auf einen positiven Faktor je irreduzibler Komponente festgelegt.

Positive Wurzeln und Fundamentalsysteme

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Definition: Eine Linearform   heißt Höhenfunktion, falls für   stets   gilt.

Definition: Eine Teilmenge   heißt System positiver Wurzeln, falls   die disjunkte Vereinigung von   und   ist und aus   und   stets   folgt.

Definition: Eine Teilmenge   heißt Basis des Wurzelsystems oder auch (um Verwechselungen mit Vektorraumbasen von   zu vermeiden) Fundamentalsystem von Wurzeln, falls gilt:

  •   ist eine Vektorraum-Basis von  
  • Ist   und   so sind die   ganz und entweder alle nicht-negativ oder alle nicht-positiv.

Hat man ein Fundmentalsystem  , so definiert   offenbar eine Höhenfunktion. Wir werden jedoch umgekehrt von den Höhenfunktionen ausgehen und daraus ein Fundamentalsystem konstruieren.


Hilfssatz: Es gibt Höhenfunktionen.

Beweis: Wir werden sogar eine Höhenfunktion mit Werten in   finden.

Die Menge aller Linearformen   mit   ist nicht leer (enthält beispielsweise die Nullabbildung). Unter diesen sei   so gewählt, dass die natürliche Zahl   minimal ist.

Sei   beliebig und die natürliche Zahl   so gewählt, dass   für alle  . Dann ist   eine Linearform. Ist jetzt  , so folgt  . Falls hierbei   gilt, folgt  , also  . Es ist also   und wegen der Minimalität von   sogar  . Wegen   ist   kein Vielfaches von  , also insbesondere   und somit  . Da   beliebig war, ist   leer und   eine Höhenfunktion.  


Wir wählen jetzt eine feste Höhenfunktion   und setzen  . Dies ist dann ein System positiver Wurzeln. Wegen   ist auch   ein Erzeugendensystem. Unter den in   enthaltenen Vektorraum-Basen von   sei   so gewählt, dass   minimal wird. Wir werden zeigen, dass diese Basis   ein Fundamentalsystem von Wurzeln ist.

Hilfssatz: Ist   so tritt höchstens einer der folgenden Fälle ein:

  • Es gibt   mit  
  •  
  •  


Beweis: Wegen   können die letzten beiden Fälle nicht zugleich auftreten. Ist   mit   so ist insbesondere   und  . Auf jeden Fall ist  . Wäre   so erhielte man, wenn man   durch   bzw.   ersetzt, in mindestens einem der beiden Fälle wieder eine Basis von  . Diese hätte jedoch eine kleinere Gesamthöhe als   im Widerspruch zur Minimalität. Somit tritt also höchstens einer der drei Fälle ein.  


Korollar: Sind   verschiedene Elemente von  , so gilt  .

Beweis: Ansonsten wäre nämlich   und  , also entweder   oder  , d.h. ein Element von   wäre die Summe zweier positiver Wurzeln.  


Hilfssatz: Ist   eine Teilmenge der positiven Wurzeln mit   für alle   mit  , so ist   linear unabhängig.

Beweis: Seien zunächst   zwei linear abhängige positive Wurzeln, also  . Wegen   folgt   und somit  . Somit gilt der Hilfssatz gewiß für  .

Von hier ausgehend führen wir den Beweis per Induktion nach  :

Seien   Koeffizienten mit

 

Es ist zu zeigen, dass alle   sind.

Falls für   stets   gilt, so folgt durch Skalarmultiplikation mit   sofort   also  .

Ansonsten gibt es zwei positive Wurzeln   mit  . Dann ist aber auch  . Wegen   für alle   ist nach Induktionsvoraussetzung   linear unabhängig. Somit folgt   und   für  . Insbesondere folgt   und hieraus wiederum auch   (Fall  ).  


Hilfssatz: Ist   so tritt genau einer der folgenden Fälle ein:

  • Es gibt   mit  
  •  
  •  

Es gilt also insbesondere  .

Beweis: Wir haben „höchstens einer“, also auch  , bereits gezeigt.

Um „mindestens einer“ zu zeigen, nehmen wir an, dass   nicht leer ist, und es sei   ein Element hiervon mit minimaler Höhe.

Sei  . Da weder   noch   Summe positiver Wurzeln ist, kann weder   noch   gelten, somit folgt  . Dies bedeutet, dass   nicht positiv sein kann.

Folglich gilt   für alle  . Aber dann ist   linear unabhängig, was wegen   im Widerspruch zur Basiseigenschaft von   steht.

Es folgt   und die Behauptung des Hilfssatzes.  


Satz:   ist ein System von Fundamentalwurzeln.

Beweis: Dass   eine Vektorraumbasis ist, ist klar. Dass jede positive Wurzel als nicht-negative ganze Linearkombination darstellbar ist, zeigen wir durch Induktion über die Höhe (die zwar reelle Werte annimmt, aber nur endlich viele verschiedene).

Sei also   und für alle positiven Wurzeln geringerer Höhe sei die Darstellbarkeit schon bekannt. Ist  , so liegt trivialerweise eine nicht-negative ganze Linearkombination vor. Ansonsten gilt   mit  . Wegen   und ebenso   werden   und   durch nicht-negative ganze Linearkombinationen dargestellt. Durch Addition ergibt sich eine ebensolche für  

Durch Induktion folgt somit die Darstellbarkeit aller positiven Wurzeln als nicht-negative ganze Linearkombination und entsprechend aller negativen Wurzeln als nicht-positive ganze Linearkombination.  

Rationalität

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Der  -Vektorraum   ist auch ein (i.a. unendlich-dimensionaler)  -Vektorraum. Sei   der von   erzeugte  -Unterraum hiervon. Da es ein Fundamentalsystem   gibt, sind alle Relationen zwischen den Wurzeln schon über   definiert, insbesondere ist   und daher   ein Wurzelsystem vom selben Rang und in weitem Sinne derselben inneren Struktur wie das ursprüngliche. (Formal gewinnt man die ursprüngliche Situation durch Tensorieren mit   zurück,  ). Für die strukturelle Untersuchung von Wurzelsystemen darf daher   oder wahlweise auch   vorausgesetzt werden.


Weyl-Kammern und Operation der Weyl-Gruppe auf der Menge der Fundamentalsysteme

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Wir nehmen an, dass   gilt.

Dann wird   für   durch die Hyperebene   jeweils in zwei Halbräume zerlegt, insgesamt also in endlich viele konvexe Teilmengen, die sogenannten Weylkammern.

Weylkammern stehen mit Fundamentalsystemen auf folgende Weise in Beziehung:

Ist   ein Fundamentalsystem, so ist   eine Weylkammer. Wäre nämlich   ein Vektor mit   für ein  , so folgt aus   auch  . Hierbei sind aber alle Summanden nicht-negativ oder alle nicht-positiv und mindestens ein Summand nicht 0. Dies ist ein Widerspruch, also wird   nicht weiter durch Hyperebenen unterteilt.

Ist   eine Weylkammer und  , so definiert   eine Höhenfunktion und somit auch ein Fundamentalsystem  . Ist   ein anderer Punkt der Weylkammer, so ergibt sich zwar eine andere Höhenfunktion, aber wenigstens dasselbe System   positiver Wurzeln. Da   hieraus rekonstruierbar ist, ergibt sich auch dasselbe Fundamentalsystem, und wir können also jeder Weylkammer ein Fundamentalsystem zuordnen.

Offensichtlich sind diese beiden Zuordnungen invers zueinander, so dass hierüber die Menge der Weylkammern und die Menge der Fundamentalsysteme in Bijektion stehen.


Satz: Die Weylgruppe operiert transitiv auf der Menge der Weylkammern sowie auf der Menge de Fundamentalsysteme. Ist   ein Fundamentalsystem, so wird   durch die   mit   erzeugt.

Beweis: Ist   eine Weylkammer und  , so wird gewiß   durch keine Hyperebene   zerteilt, denn dann würde   durch   zerteilt. Durch die Bijektivität folgt, dass   Weylkammern in Weylkammern abbildet.

Seien   zwei Weylkammern und sei  . Falls   linear unabhängig sind, stimmen die Orthogonalräume   nicht überein, also ist   ein 2-kodimensionaler Unterraum und   in einem 1-kodimensionalen Unterraum enthalten. Da   offen ist, gibt es ein   so dass   in keinem dieser endlich vielen 1-kodimensionalen Unterräume enthalten ist. Dann gibt es endlich viele reelle Zahlen   derart, dass   in einem   enthalten ist. Sei  . Zu   gibt es bis auf skalar Vielfache nur ein   mit  .

Wir zeigen die Behauptung durch Induktion über  , dass   für ein   Hierbei ist der Fall, wenn   leer ist, trivial. Ansonsten sei   das kleinste Element von  . Dann liegt   in   für ein  . Für hinreichend kleines   ist   leer. Für   liegt   in  . Mit   enthält   ein Element weniger als  . Nach Induktionsvoraussetzung gibt es daher ein   mit  . Wegen   folgt die Behauptung.

Insbesondere operiert daher   auf der Menge der Weylkammern und ebenso auf der Menge der Fundamentalsysteme. Es zeigt sich aber auch, da jede Hyperebene   mit   einen Teil der Begrenzung mindestens einer Weylkammer bildet, dass   ein Element von   ist, wobei   ein beliebiges Fundamentalsystem ist.  

Die Bilder eines Fundamentalsystems unter der Weyl-Gruppe überdecken das gesamte reduzierte Wurzelsystem

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Satz: Ist   ein reduziertes Wurzelsystem und   eine beliebige Wurzel, so gibt es ein Fundamentalsystem   mit  .

Beweis: ObdA. gilt  . Sind   zwei Wurzeln, so stimmen die Orthogonalräume   genau dann überein, wenn   linear abhängig sind. Somit gibt es ein   mit   und   für alle  . Für hinreichend großes   ist dann   eine Höhenfunktion und es gilt   für alle  . Für das zu der Höhenfunktion gehörige Fundamentalsystem   muß gelten, dass es mindestens ein   gibt mit  . Es folgt  .  


Korollar: Ist   ein reduziertes Wurzelsystem und   ein Fundamentalsystem, so gilt  .

Beweis: Ist  , so gibt es ein Fundamentalsystem   mit   und ein   mit  .  

Analyse der Dynkin-Diagramme

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Im Folgenden sei   ein irreduzibles reduziertes Wurzelsystem. Wir setzen   voraus. Sei   ein Fundamentalsystem und ein  -invariantes Skalarprodukt   fest gewählt. Das Skalarprodukt wird bezüglich der Basis   durch eine symmetrische positiv definite Matrix   mit   beschrieben, die sogenannte Cartan-Matrix. Dies und die Kenntnis der möglichen Beziehungen zwischen zwei Wurzeln sind die einzigen Eigenschaften, die für die Klassifikation benutzt werden. Als Hilfsmittel werden Dynkin-Diagramme eingesetzt, die diese Beziehungen grafisch codieren, indem jeder Basisvektor einem Knoten entspricht und zwischen den Knoten verschiedene Linien gezeichnet werden.

Da   transitiv auf der Menge der Fundamentalsysteme operiert, hängt das Dynkin-Diagramm nicht von der getroffenen Wahl ab. Da außerdem aus einem Fundamentalsystem   und dem zugehörigen Dynkin-Diagramm das komplette Wurzelsystem rekonstruierbar ist (die Operation der   auf   wird durch das Diagramm determiniert, die hiervon erzeugte Gruppe bildet   auf ganz   ab), ist das Dynkin-Diagramm ein geeignetes Klassifizierungsmerkmal für reduzierte Wurzelsysteme.

Wir erinnern uns, dass bei zwei Wurzeln   mit   nur folgende Fälle möglich sind:

  1.  ; Cartan-Matrix   mit positiven reellen Zahlen  ; symbolisiert durch keine Verbindung  
  2.  ; Cartan-Matrix positiv skalares Vielfaches von  ; symbolisiert durch eine einfache Linie  
  3.  ; Cartan-Matrix positiv skalares Vielfaches von  ; symbolisiert durch einen Doppelpfeil von   nach    
  4.  ; Cartan-Matrix positiv skalares Vielfaches von  ; symbolisiert durch einen Dreifachpfeil von   nach    
  5. die vorhergehenden beiden Fälle mit vertauschten Rollen von   und  

Ist das Dynkin-Diagramm nicht zusammenhängend, so sind alle zu einer Zusammenhangskomponente gehörenden Basisvektoren zu allen übrigen orthogonal und das Wurzelsystem ist reduzibel. Wir setzen daher das Dynkin-Diagramm als zusammenhängend voraus.

Von diversen Konfigurationen wird nachgewiesen, dass sie nicht auftreten können:

Dreifachpfeil mit weiterer Kante

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Verbotene Konfigurationen mit einem Dreifachpfeil

Kombiniert man eine Matrix   mit einem Vielfachen von   ( ), so ergibt sich je nach Anordnung eine der folgenden Matrizen:

 

Hierbei sind die Leerstellen jeweils unbekannt, aber gewiß nicht-positiv. Indem man jeweils einen von 0 verschiedenen Zeilenvektor   findet, für den   ist, folgt, dass die betreffende Konstellation nicht zulässig ist. Sofern   komponentenweise nicht-negativ ist, genügt es, den Fall zu betrachten, dass alle Leerstellen in den Matrzen 0 sind. Man ist sogar bereits fertig, falls   komponentenweise nicht-negativ und   komponentenweise nicht-positiv ist.

Auf diese Weise findet man für die erste Matrix

 

für die zweite

 

für die dritte

 

für die vierte

 

Wegen   ist das Ergebnis in der Tat jeweils nicht-positiv.

Da ein Dreifachpfeil somit in keinem größeren (zusammenhängenden) Dynkin-Diagramm auftreten kann, brauchen wir im Folgenden Dreifachpfeile nicht mehr berücksichtigt zu werden.

Doppelpfeil mit Pfad zu einer weiteren Doppelkante

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Verbotene Konstellationen mit zwei Doppelpfeilen

Kombiniert man zwei Matrizen   bzw. skalare Vielfache hiervon und überbrückt gegebenenfalls durch Vielfache von  , so ergibt sich je nach Anordnung einer der folgenden Fälle:

 

Für die erste Matrix ist

 

für die zweite

 

für die dritte

 

Folglich können diese Konstellationen sämtlich nicht auftreten, das Dynkin-Diagramm eines irrduziblen Wurzelsystems enthält höchstens einen Doppelpfeil.


Doppelpfeil mit Pfad zu einer Verzweigung

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Verbotene Konstellationen mit Doppelpfeil und Verzweigung

Die Kombination aus einem Doppelpfeil und einer Verzweigung von zwei Einfachkanten, gegebenenfalls verbunden über einige Einfachkanten entspricht, je nach Anordnung, den folgenden Matrizen:

 

Man verifiziert in diesen Fällen

 

bzw.

 

Auch diese Konstellationen sind also unzulässig.

Ergänzung eines Doppelpfeils zu einem Kreis

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Kreis mit einem Doppelpfeil

Ein graphentheoretischer Kreis aus einer oder mehreren Einfachkanten sowie einem Doppelpfeil ist schon deshalb unmöglich, weil durch Einfachkanten verbundene Wurzeln gleiche Länge haben, während die durch einen Doppelpfeil verbundenen verschieden lang sein müßten.

Doppelpfeil mit drei auf beide Enden verteilten Kanten

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Unzulässige Erweiterungen von F4 durch Einfachkanten

Ein linearer Graph mit einem Doppelpfeil und drei EInfachkanten, die nicht alle auf derselben Seite des Doppelpfeils liegen, liefert eine der beiden folgenden Matrizen:

 

Man verifiziert

 

bzw.

 

Auch diese Konstellationen sind also unzulässig. Hiermit sind alle für den Doppelpfeil auszuschließenden Fälle abgearbeitet, so dass in den weiteren Fällen nur noch einfache Kanten berücksichtigt zu werden brauchen.

Kreis aus einfachen Kanten

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Unzulässiger Kreis aus Einfachkanten

In einem Kreis aus Einfachkanten ist jeder Punkt mit genau zwei anderen Punkten verbunden. Dadurch steht in jeder Spalte (oder Zeile) der Matrix in zwei Stellen das  -fache des Wertes auf der Diagonalen. Es folgt daher sofort, dass der Vektor   geeignet ist, um die Unzulässigkeit dieser Konstellation zu zeigen.

Die einzigen erlaubten Diagramme aus Einfachkanten sind also Bäume im graphentheoretischen Sinne.

Knoten mit vier oder mehr einfachen Kanten

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Knoten vom Grad vier

Ist ein Knoten mit vier anderen jeweils durch eine einfache Kante verbunden, so führt dies auf die Matrix

 

Hier gilt  .

Der maximale erlaubte Grad eines Knotens ist folglich drei.

Zwei Verzweigungen

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Zwei verbundene VErzweigungen

Gibt es im Dynkin-Diagramm zwei Knoten vom Grad drei, die über einen Pfad aus Einfachkanten verbunden sind, so führt dies auf folgende Matrix:

 

Dann ist jedoch  .

Somit gibt es höchstens einen Verzweigungsknoten im Dynkin-Diagramm.

Verzweigung mit kürzestem Zweig länger als eine Kante

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Verzweigung, bei der alle Zweige mindestens Länge 2 haben

Liegt ein Knoten vom Grad drei vor und ist jeder der drei Zweige mindestens zwei Kanten lang, so ergibt sich die Matrix

 

Es folgt  . Ist ein Verzweigungspunkt vorhanden, muß also der kürzeste Zweig die Länge eins haben.

Verzweigung mit zweitkürzestem Zweig länger als zwei Kanten

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Der zweitkürzeste Zweig ist länger als zwei Kanten

Liegt ein Verzweigungspunkt vor, bei dem zwei Zweige mindestens drei Kanten umfassen, so ergibt sich die Matrix

 

Es folgt  . Der zweitkürzeste Zweig darf also allenfalls eine oder zwei Kanten umfassen.

E9 und höher

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Das Diagramm E9

Die Reihe der En-Diagramme endet bereits bei  . In der Tat liefert das Diagramm E9, das aus einer Verzweigung mit einem Zweig der Länge eins, einem der Länge zwei und einem der Länge fünf besteht, die Matrix

 

Es ergibt sich  .

Zusammenfassung der Klassifikation

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Als Ergebnis der vorstehenden Untersuchungen über verbotene Konfigurationen ergibt sich

  •   ist der einzige Kandidat für ein Dynkin-Diagramm mit einem Dreifachpfeil.

Weiter sind die einzigen Kandidaten mit einem Doppelpfeil

  • die Serien  ,  , und  ,   (es ist  ), mit Kanten an höchstens einer Seite des Doppelpfeils,
  • der Ausnahmefall   mit Kanten an beiden Enden des Doppelpfeils.

Diagramme aus Einfachkanten sind grundsätzlich einfach aufgebaute Bäume. Die einzigen Kandidaten mit einer Verzweigung sind

  • die Serie  ,  , bei der der zweitkürzeste Zweig die Länge 1 hat,
  • die Ausnahmefälle  ,  ,  , bei denen der zweitkürzeste Zweig die Länge 2 hat.

Ansonsten bleiben nur unverzweigte Diagramme mit einfachen Kanten, also

  • die Serie  ,  .

Konstruktion von Beispielen zu jedem Typ

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Betrachte den  -dimensionalen Unterraum   des   derjenigen Vektoren, deren Summe aller Komponenten 0 ist, d.i. der Orthogonalraum zu  . Die Vektoren der Form   mit   bilden ein Wurzelsystem vom Typ   mit insgesamt   Wurzeln. Ein Fundamentalsystem ist  . Zu   ist   gerade die Abbildung, die   und   vertauscht, woraus sich   ergibt: Die Weylgruppe ist die Gruppe der Permutationen der Standardbasis von   und hat   Elemente.

Betrachte im   alle Vektoren mit ganzzahligen Koordinaten, deren Länge   oder   ist, das sind alle Vektoren der Form   mit   oder   mit  . Dies ist ein Wurzelsystem vom Typ   mit   Wurzeln,   kurze und   lange. Ein Fundamentalsystem besteht aus  . Die Weylgruppe operiert durch Permutation der Standardbasis und komponentenweisen Vorzeichenwechsel, d.h. sie ist ein semidirektes Produkt   mit   Elementen.

Betrachte im   alle Vektoren der Form   mit   oder   mit  . Dies ist ein Wurzelsystem vom Typ   mit   Wurzeln,   kurze und   lange. Ein Fundamentalsystem besteht aus  . Die Weylgruppe ist isomorph zu der von  , d.h.   und hat   Elemente.

Betrachte im   alle Vektoren mit ganzzahligen Koordinaten und Länge  , das sind die Vektoren der Form   mit  . Dies ist ein Wurzelsystem vom Typ   mit   Wurzeln. Ein Fundamentalsystem bilden die Wurzeln  . Die Weylgruppe ist ein Normalteiler der Weylgruppe zu   bzw.  , es ist  , die Gruppe hat   Elemente und operiert durch Permutation der Standardbasis und gerade Vorzeichenwechsel.

E6, E7, E8

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Betrachte im   die ganzzahligen Vektoren der Länge   sowie die Vektoren, deren sämtliche Komponenten   sind, hierunter je gerade viele   und  . Dies ist ein Wurzelsystem vom Typ   mit 240 Elementen. Ein Fundamentalsystem ist  .

Ein Wurzelsystem vom Typ   bzw.   erhält man, indem man auf den von den ersten 7 bzw. 6 Fundamentalwurzeln aufgespannten Unterraum einschränkt. Die entstehenden Systeme haben 126 bzw. 72 Wurzeln.

Berachte im   die ganzzahligen Vektoren der Länge 1 oder   sowie die halb-ganzzahligen Vektoren der Länge 1, das sind alle  ,  , alle  ,   sowie  . Dies ist ein Wurzelsystem vom Typ   und hat 48 Elemente. Ein Fundamentalsystem ist  .

 
Wurzelsystem G2

Zur Konstruktion des Wurzelsystems   im   vergleiche nebenstehende Abbildung. Mit   und   als Fundamentalsystem besteht es aus den 12 Wurzeln  . Die Weylgruppe ist die Symmetriegruppe des Hexagons,   und hat 12 Elemente.

Nicht reduzierte Wurzelsysteme

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Ist   ein Wurzelsystem, so ist   ein reduziertes Wurzelsystem und fällt daher unter obige Klassifikation. Da die Weylgruppe ein Fundamentalsystem   von   nach ganz   transportiert, ist   vollständig charakterisiert, wenn man weiß, für welche   auch   gilt.

Sei   mit  . Ist   eine weitere Fundamentalwurzel, so folgt   und  . Sofern   und   im Dynkin-Diagramm direkt verbunden sind, so ist dies nur möglich, falls   und   gilt. Dann muss   der Endknoten eines  -Diagramms sein (inklusive dem Fall  ).

Es ergibt sich also gegenüber den reduzierten Wurzelsystemen nur ein Zusatzfall:

Betrachte im   alle Vektoren der Form   oder   mit   oder   mit  . Dies ist ein Wurzelsystem vom Typ   mit   Wurzeln, je   der Länge 1 bzw. 2 und   der Länge  . Ein Fundamentalsystem besteht aus  , also einem Fundamentalsystem des enthaltenen  .

Die Weylgruppe ist die des enthaltenen   bzw.  , d.h.   und hat   Elemente.

Wikipedia-Verweis

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