Behandlung von Free and Open Source Software im deutschen Steuerrecht/ Einkommensteuer/ Bewertung/ Kategorien/ Standardsoftware

Standardsoftware bezeichnet Programme, die zur Lösung von gemeinen Problemen entwickelt und auf einem anonymen Markt vertrieben wird. Beispiele sind Officeprogramme, CADProgramme, ERPSysteme.

Sofern es sich nicht um Trivialsoftware handelt, sind diese Programme als eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut zu aktivieren und linear abzuschreiben. Der Abschreibungszeitraum beträgt regelmäßig 3 bis 5 Jahre.

Der wichtige Aspekt bei Standardsoftware sind die Anschaffungsnebenkosten / Kosten der Inbetriebnahme. Je nach Umfang der Softwarelösung sind umfangreiche Customizing- und Konfigurationsmaßnahmen erfoderlich. Dieses betrifft insbesondere ERPSysteme.

Bei kommerzieller Software betragen die Kosten hierfür regelmäßig das 5- bis 10-fache der Lizenzkosten und sind grundsätzlich als Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren. Vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 18.11.2005 Az.: IV B 2 - S 2172 - 37/05 Rz. 6.

Bei FOSS fallen grundsätzlich die gleichen Anschaffungsnebenkosten an, aber diese sind als Betriebsausgaben sofort abzugsfähig, da die Lizenzkosten 0,-- betragen. Vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 06.12.2005 Az.: IV B 2 - S 2134a - 42/05.

Ein Beispiel soll die Auswirkungen verdeutlichen:

Die A-GmbH benötigt eine neue ERPSoftware und hat zwei Angebote vorliegen, das erste stammt von der ProperiSW KG und enthält folgende Positionen:

ProperiERP 

Lizenzkosten                  €  50.000,--
Konfiguration / Customizing   € 450.000,--
Wartung / Support(3 Jahre)    €  50.000,--

Gesamt                        € 550.000,--

Das zweite Angebot stammt von der FOSS oHG mit folgendem Inhalt:

OpenSourceERP

Lizenzkosten (GPL v2)         €       0,--
Konfiguration / Customizing   € 500.000,--
Wartung / Support(3 Jahre)    €  50.000,--

Gesamt                        € 550.000,--

Die Gesamtkosten sind auf den ersten Blick gleich, die steuerliche Behandlung ist jedoch unterschiedlich. Bei ProperiERP sind € 500.000,-- (Lizenzkosten zzgl. Konfiguration / Customizing als Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren. Bei OpenSourceERP greift das Aktivierungsverbot gem. § 248 HGB, die Kosten sind sofort abzugsfähige Betriebsausgaben.

Die Supportkosten sind sofort abzugsfähige Betriebsausgabe, bei vorschüssiger Zahlung ist jedoch ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.

Bei einer angenommenen Steuerbelastung von 40% (KSt, Solz, GewSt) der A-GmbH ergibt sich bei einem Abschreibungszeitraum von 5 Jahren folgendes Bild:

steuerliche Verteilung
Jahr AfA Properi ERP steuerliche Auswirkung BA OpenSourceERP steuerliche Auswirkung
01 100.000,-- -40.000,-- 500.000,-- -200.000,--
02 100.000,-- -40.000,-- 0,-- 0,--
03 100.000,-- -40.000,-- 0,-- 0,--
04 100.000,-- -40.000,-- 0,-- 0,--
05 100.000,-- -40.000,-- 0,-- 0,--

Am Ende des Abschreibungszeitraums wurden jeweils € 500.000,-- steuerwirksam erfasst, jedoch ist die Verteilung vollkommen unterschiedlich. Letztendlich muss die A-GmbH an Steuern der Jahre 02 bis 05 bei Wahl der ProperiERPSoftware durchschnittlich € 80.000,-- finanzieren (Differenz der Steuererparniss 01 (€160.000,--)/2).

Die vorgenannten Beispiele bezogen sich auf eine strikt getrennte Softwarelandschaften. In der Praxis dürten jedoch eher Mischfälle die Regel sein. Das entscheidende Kriterium hierfür ist die selbständige Nutzbarkeit des einzelnen Programms, d. h. ist es selbständig nutzbar, ist es einzeln nach den vorgenannten Grundsätzen zu bewerten. Besteht jedoch ein enger Nutzungs- und Funktionszusammenhang, gegeben bei sog PlugIns, AddOns und Modulen, so geht diese Software in der anderen Software auf und ist als ein Wirtschaftsgut zu betrachten. Vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 18.11.2005 Az.: IV B 2 - S 2172 - 37/05 Rz. 2.

Hierbei sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden:

  1. kommerzielle Software geht in FOSS auf
  2. FOSS geht in kommerzieller Software auf

Im ersten Fall färbt die kommerzielle Software m. E. auf die FOSS ab, d. h. die Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten für die kommerzielle Software stellen nachträgliche Anschaffungskosten dar und sind auf die Restnutzungsdauer abzuschreiben. Sollte für beide Teile ein einheitlicher Anschaffungsvorgang vorliegen, so sind auch die Anschaffungsnebenkosten der FOSS zu aktivieren.

Im zweiten Fall sind die Anschaffungsnebenkosten der FOSS als nachträgliche Anschaffungskosten der kommerziellen Software anzusehen und entsprechend auf die Restnutzungsdauer abzuschreiben.

In beiden Fällen sind also die steuerrechtlichen Auswirkungen erheblich.

Als Sonderfall sind hierbei Contentmanagementsysteme (CMS) wie Joomla, Typo3, Drupal o. ä. zu nennen. Diese sind grundsätzlich selbständig nutzbare immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Jedoch ist fraglich, ob der verwaltete Inhalt, sofern er aus kommerziellen Werken (z. B. Bilder, Texte) besteht, auf das Gesamtwirtschaftsgut abfärbt, oder einzeln zu bewerten ist. Hier kommt es darauf an, ob diese Werke dem Gesamtwerk das Gepräge geben. Meines Erachtens ist dies regelmäßig aber nicht der Fall.